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Ryanair-Flug aus Klagenfurt: Boeing 737 MAX verlor bei Durchstartmanöver plötzlich rapide an Höhe

Boeing 737 MAX von Ryanair, Symbolbild - Foto: www.der-rasende-reporter.info (bitte beachten Sie, dass diese Aufnahme urheberrechtlich geschützt ist und nicht ohne schriftliche Erlaubnis des Fotografen verwendet werden darf)

Kurz vor der Landung einer aus Klagenfurt (Kärnten, Österreich) kommenden Boeing 737 MAX 8 der irischen Ryanair in London Stansted (GB) starteten die Piloten durch. Doch dann ging die Maschine ungeplant in einen steilen Sinkflug und eine "Achterbahnfahrt" über. Erst weniger als 600 Meter über dem Boden konnten die Piloten den Jet schließlich endgültig wieder stabilisieren.

Der Zwischenfall, der durchaus als "ernst" angesehen werden kann, ereignete sich bereits am 4. Dezember des vergangenen Jahres, wurde jedoch erst jetzt durch eine Meldung des "Aviation Herald" bekannt.

Flug von Klagenfurt in die britische Hauptstadt
Die Boeing 737 MAX 8 (EI-HET) des irischen Billigfliegers Ryanair flog an diesem Tag unter der Kursnummer FR1269 von Klagenfurt nach London Stansted. Der Flug selbst verlief ohne besondere Vorkommnisse. Doch während des Endanfluges auf Piste 22 entschieden sich die Piloten, ein Durchstartmanöver, einen sogenannten "Go around" einzuleiten, weil der Anflug nicht ausreichend stabilisiert war.

"Take-Off/Go-Around Power"
Um das Durchstartmanöver einzuleiten, setzten die Piloten der Ryanair Boeing 737 MAX die sogenannte "TO/GA-Power" durch Aktivieren der "TO/GA-Buttons" auf den beiden Schubhebeln. "TO/GA" steht dabei für "Take-Off/Go-Around", das bedeutet, dass von den Triebwerken unmittelbar eine große Leistung abgerufen wird, um die für ein ein Durchstartmanöver erforderliche hohe Schubkraft schnellstmöglich zur Verfügung zu haben. Im Fall von Ryanair Flug FR1269 geschah dies in einer Höhe von 1.525 Fuß über Grund, das entspricht etwa 460 Meter - nicht viel für eine turbinengetriebenes Verkehrsflugzeug, aber grundsätzlich im sicheren Bereich, denn Durchstartmanöver werden häufig noch tiefer geflogen. Die Geschwindigkeit bei Einleitung des Go around lag (laut "Aviation Herald") bei 145 Knoten. In der Folge beschleunigte das Flugzeug zunächst auf 197 Knoten und stieg auf eine Höhe von 4.000 Fuß (etwa 1.200 Meter), doch dann lief im Cockpit augenscheinlich etwas gewaltig schief.

Steiler Sinkflug in Bodennähe, "Achterbahnfahrt"
Denn die Nase der Maschine senkte sich unter den Horizont, die Geschwindigkeit stieg auf 280 Knoten und der Zweistrahler verlor innerhalb von nur 17 Sekunden 2.175 Fuß an Höhe. Das entspricht rein rechnerisch einer Sinkrate von rund 7.600 Fuß pro Minute. Dieser Wert liegt ein Vielfaches über der Standardsinkrate einer Boeing 737. In einer Höhe von gerade einmal 1.825 Fuß über Grund (weniger als 600 Meter) konnten die Piloten die 737 MAX zunächst abfangen und erneut in den Steigflug übergehen, doch laut "Aviation Herald" folgte dann eine "Achterbahnfahrt". Denn nach einem kurzen Steigflug verlor die Boeing nämlich wieder an Höhe und sank diesmal sogar auf 1.700 Fuß über Grund (knapp 500 Meter), ehe es den Piloten gelang, Flug FR1269 endgültig zu stabilisieren. Anschließend leitete die Crew in Absprache mit der Flugsicherung einen Steigflug auf 3.000 Fuß (rund 900 Meter) ein und positionierte sich für einen zweiten Landeanflug. Die Landung der Boeing 737 MAX 8 (Ryanair selbst verwendet für diesen Typ auf seiner Webseite übrigens den Marketingbegriff Boeing 737-8200 Gamechanger, das ist allerdings keine offizielle Typenbezeichnung) in London Stansted erfolgte 12 Minuten nach dem Einleiten des Durchstartmanövers ohne weitere Vorkommnisse.

Sowohl die britische Luftaufsicht AAIB als auch ihr irisches Pendant, die AAIU, leiteten eine Untersuchung des Zwischenfalls ein.

Laut "Aviation Herald" habe Ryanair in einem Statement zu dem Vorfall von einem "instabilen Anflug" gesprochen und betont, mit dem AAIB "zu kooperieren".

Ryanair bestätigt "instabilen Anflug" auch gegenüber "Austrian Wings"
"Dies war ein Fall von instabilem Anflug. Die Besatzung führte ein Durchstarten durch und landete normal im zweiten Anflug in Übereinstimmung mit dem Ryanair-Verfahren. Ryanair hat diese Angelegenheit in Übereinstimmung mit unserem Betriebshandbuch an das AAIB gemeldet, und wir haben der routinemäßigen AAIB-Untersuchung alle Einzelheiten mitgeteilt und kooperieren vollständig mit ihr. Wir können keinen weiteren Kommentar abgeben, solange die AAIB ihre Untersuchung dieses Fluges nicht abgeschlossen hat."

Go around anspruchsvolles (Standard-)Manöver, Unfälle in der Vergangenheit
Ein Durchstartverfahren (Go around) muss ausnahmslos von jedem Piloten (vom Privatpiloten bis zum Kapitän mit zigtausend Flugstunden) beherrscht werden und ist grundsätzlich ein Ausdruck hoher Sicherheitskultur, wie ich bereits 2015 in einem Kommentar geschrieben habe. Allerdings ist ein Go around bei der Boeing 737 auch ein anspruchsvolles Flugmanöver, bei dem es in der Vergangenheit schon zu tödlichen Unfällen kam, etwa beim Absturz einer Boeing 737-800 der Billigfliegers FlyDubai in Rostov am Don (2016) oder beim Absturz einer Boeing 737-500 der Tatarstan Airlines im Jahr 2013. Denn durch die Kombination von rasch abgerufener hoher Triebwerksleistung, dem Einfahren von Fahrwerk und Klappen sowie einem nach oben ausgeschlagenen Höhenruder kann die Boeing 737 (auch bedingt durch ihre unter den Tragflächen angeordneten Triebwerke) ausgesprochen rasch einen hohen Anstellwinkel erreichen, den die Piloten dann instinktiv durch eine Steuereingabe des Höhenruders nach unten (Fachsprache "elevator nose down"), ggf. auch unter Verwendung der elektrischen Trimmung, wieder reduzieren, um einen Geschwindigkeitsverlust und möglicherweise einen Strömungsabriss (Stall) zu vermeiden. Wird allerdings zu rasch zu stark "nose down"-Input gesetzt, kann die Maschine in einen Sturzflug übergehen, der, je nach Flughöhe, womöglich nicht mehr rechtzeitig beendet werden kann. Das waren nach allen vorliegenden Erkenntnissen auch die Ursachen für die beiden oben geschilderten Abstürze von Boeing 737 bei Go arounds. Einige Piloten, mit denen ich gesprochen habe, vertreten deshalb die Meinung, dass ein Durchstartmanöver auf einem Fly by wire Flugzeug der A320-Familie grundsätzlich wesentlich einfacher und mit weniger Arbeitsbelastung als auf der Boeing 737 geflogen werden kann. Diese geringere Arbeitsbelastung reduziere die Fehlerwahrscheinlichkeit und erhöhe die Sicherheit, so ihr persönlicher Tenor.

Text & Foto: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info