Punktlandung

Wie sicher ist die MD 80?

Ein Kommentar des Austrian Wings Herausgebers zur aktuellen Debatte in den Medien

Zuverlässiges Arbeitstier seit fast 30 Jahren: die MD 80 Reihe - Foto: P. Radosta / Austrian Wings

In den vergangenen 3 Wochen ereigneten sich 2 ernste Zwischenfälle mit Flugzeugen der MD 80 Baureihe. Am 31. Juli lösten sich bei einer startenden Iberia Maschine (EC-FPD, MD 88) in Wien Teile des Reifens und beschädigten ein Triebwerk schwer. Die Notlandung knapp 80 Minuten später gelang problemlos.

Am 20. August 2008 stürzte die MD 82, EC-HFP der spanischen SAS-Tochter Spanair unmittelbar nach dem Start in Madrid noch innerhalb Flughafengeländes ab, zerschellte und ging in Flammen auf. Von 172 Insassen verloren 153 ihr Leben.

Besondere Aufmerksamkeit erregten diese beiden Ereignisse, weil sie sich innerhalb eines relativ kurzen Zeitraumes und mit dem selben Flugzeugtyp ereignet hatten. Die Presse war schnell mit Schuldzuweisungen und wilden Spekulationen zur Stelle. Zusätzliche Nahrung erhielten diese durch den Umstand, dass die Unglücksmaschine der Spanair einen Startversuch zuvor abgebrochen hatte und von Technikern überprüft worden war, bevor sie erneut zum Start rollte.

Vorwürfe, Spanair hätte bei der Wartung gespart, oder die Piloten stünden aufgrund der angespannten Finanzsituation der Airline unter besonderem Druck und würden auch mit defekten Maschinen starten, wurden erhoben, waren und sind in diversen (Internet-) Medien zu lesen. Darauf werde ich an dieser Stelle nicht eingehen. Wohl aber darauf, dass Zeitungen, Fernseh- und Radioreporter immer wieder die Frage aufwerfen, ob die MD 80 nicht zu alt sei um überhaupt noch im Passagierverkehr eingesetzt zu werden. Dem muss ein klares Nein entgegengehalten werden. Warum, das werde ich nachfolgend erläutern.

Zunächst einmal gilt für alle Verkehrsflugzeuge, dass sie einem streng reglementierten Wartungszyklus unterliegen. Hersteller und nationale Flugaufsichtsbehörden legen genau fest, wann welche Überprüfung durchgeführt werden muss. Zwar gibt es für die einzelnen Muster unterschiedliche Verfahren, im wesentlichen gelten jedoch für jedes Luftfahrzeug folgende Unterscheidungen:

A-Check

Hierbei werden routinemäßig die für den Flugbetrieb wichtigen technischen Systeme überprüft, ggf. gewartet, ebenso die Kabine. Eine solche Überprüfung ist alle 250 bis 650 Flugstunden fällig und wird zumeist innerhalb einer Nachtschicht durchgeführt, ohne, dass das Flugzeug aus dem Operationsbetrieb herausgenommen werden muss.

B-Check:

Dieser Check wird ergänzend zum A-Check alle 3-5 Monate oder etwa alle 1.000 Flugstunden durchgeführt und dauert zirka 150 Arbeitsstunden, woraus sich ergibt, dass die betroffene Maschine zumindest für 12 Stunden aus dem operativen Tagesgeschäft der Airline herausgelöst werden muss.

C-Check:

Ein solcher umfasst eine äußert gründliche und detaillierte Überprüfung der Struktur eines Flugzeuges und seiner Systeme. Weiters erfolgt eine Freilegung von Verkleidungen, um diese besonders gründlich untersuchen und ggf. - bei Verschleisserscheinungen oder Fehlern - ersetzen oder reparieren zu können. Der C-Check wird alle 15 bis 18 Monate fällig und dauert ein bis zwei Wochen, wobei ca. 50.000 Mannstunden an Arbeit geleistet werden.

IL-Check:

Dieser Check findet durchschnittlich alle 48 Monate statt. Hierbei werden sämtliche Bauteile von Struktur, Rumpf und Tragflächen einer tiefgehend Kontrolle unterzogen. Ebenso werden Hydraulik und Elektroniksysteme inspiziert und ggf. repariert, darüber hinaus werden Produktverbesserungen des Herstellers eingebaut und die Kabine einer Generalüberholung unterzogen.

D-Check:

Nach einem D-Check verlässt ein Flugzeug quasi neuwertig den Wartungshangar. Er findet alle sechs bis 10 Jahre statt, wobei das Flugzeug bis auf die Grundstruktur freigelegt wird und sämtliche Einzelteile einer peniblen Überprüfung unterzogen werden müssen. Er dauert - je nach Anzahl der eingesetzten Wartungskräfte und abhängig vom Flugzeugtyp - vier bis sechs Wochen.

Sämtliche Wartungsarbeiten, die an einem Luftfahrzeug ausgeführt werden, müssen - bis hin zum Austausch einer einzelnen Schraube - in den Wartungsbüchern protokolliert werden. Die Behörden haben jederzeit die Möglichkeit, diese einzusehen und bei Verstößen gegen die Vorschriften entsprechende Sanktionen zu verhängen.

Die oben angeführten Maßnahmen gelten selbstverständlich auch für die - nun in das Kreuzfeuer der Medien geratene - McDonnell Douglas (Boeing) MD 80-Reihe. Sie ist der unmittelbare Nachfolger der bewährten DC 9 Familie. Diese flog am 25. Februar 1965 zum ersten Mal. Bis Oktober 1982 wurden 976 Maschinen gebaut, die tlw. noch heute fliegen.

Entwicklung und Stückzahlen

Der Protoyp der MD 80 (damals noch als DC 9 Super 80 bezeichnet) hatte im Oktober 1979 seinen Jungernflug. Austrian Airlines und Swissair waren die Erstkunden - im September 1980 wurde die allererste MD 81, damals noch als "DC 9 Super 80" bezeichnet, an die Swissair ausgeliefert. Als die Produktion 19 Jahre später, 1999, eingestellt wurde, hatten 1191 Maschinen der Typen MD 81 (132 Stück), MD 82 (569 STück), MD 83 (265 Stück), MD 87 (75 Stück) und MD 88 (150 Stück) die Werkshallen in Long Beach verlassen.

Während der gesamten bis heute andauernden Einsatzdauer haben sich die Maschinen der MD 80 Serie - wie auch ihr Vorgänger die DC 9 - unter nahezu allen klimatischen Bedingungen von Alaska bis Südafrika als zuverlässige und sichere Verkehrsflugzeuge erwiesen. Mit Stand Juli 2008 setzten weltweit 71 Fluggesellschaften Flugzeuge dieses Typs ein, darunter auch namhafte Airlines wie Alitalia, Iberia, SAS, American Airlines, Delta Airlines und viele andere mehr.

Zwar zählt die MD 80-Reihe nicht mehr zu den modernsten und wirtschaftlichsten Flugzeugen, an der Sicherheit des Typs selbst besteht jedoch kein Zweifel, wie die nackten Fakten belegen.

Die Rate für Unfälle mit Todesfolgen liegt bei 1,18 %

Von 1191 Flugzeugen dieses Musters gingen während der bislang 28jährigen Betriebszeit 24 Maschinen verloren. Das entspricht einer Unfallrate (Totalverluste) von 2,02 Prozent. Berücksichtigt man bei der Berechnung ausschließlich jene Unfälle, bei denen der Verlust von Menschenleben zu beklagen war (14), reduziert sicher wert sogar auf nur 1,18 %. In totalen Zahlen ausgedrückt, haben in fast 30 Jahren Flugbetrieb mit der MD 80 bei Unfällen 1182 Menschen ihr Leben verloren.

Diese Zahlen alleine - so schrecklich zweifelsohne der Verlust jedes einzelnen Menschenlebens ist - sagen noch nicht viel aus. Man muss sie in Relation setzen, idealerweise zur Unfallrate eines vergleichbaren Flugzeugmusters. Hier bietet sich die Boeing 737 an, die ihren Erstflug fast zeitgleich mit der DC 9 im Jahr 1965 hatte. Um die Werte nicht zu verfälschen, wurden bei der Berechnung der Unfallrate lediglich Abstürze ab dem Jahr 1980 mit einbezogen.

Die Rate für Unfälle mit Todesfolgen liegt bei der Boeing 737 mit 1,27 % deutlich höher als bei der MD 80

Die Boeing 737 ist - wie die MD 80 - ein zweistrahliges Verkehrsflugzeug und kann als direkter Konkurrent bezeichnet werden. Seit dem Jahr 1980 gingen insgesamt 126 Maschinen bei Unfällen verloren (Totalverluste). Bei rund 5.500 ausgelieferten Maschinen entspricht dies einer Verlustrate von 2,29 %, die somit deutlich über jener der MD 80 Familie liegt. Und wie sieht es mit der Rate der tödlichen Flugunfälle aus? Bei 70 von 126 Totalverlusten dieses Typs waren Todesopfer zu beklagen. Das entspricht einer Rate von 1,27 %. Auch hier ist dieser Wert also deutlich höher als bei MD 80 Familie.

Beide Typen sind sichere und zuverlässige Verkehrsflugzeuge

Um keine Mißverständnisse entstehen zu lassen - selbstverständlich ist auch die Boeing 737 ein äußerst sicheres Verkehrsflugzeug. Denn bei modernen westlichen Verkehrsflugzeugen stellt sich die Frage, ob es "sichere oder unsichere" gibt, gar nicht. Denn jedes Muster, sei es die Boeing 737, die DC9, die MD 80 oder der Airbus A 320, musste vor seiner Zulassung für den Flugbetrieb ein intensives Testprogramm absolvieren um seine Zuverlässigkeit und Sicherheit unter Beweis zu stellen.

Unfallursache Nummer 1 - der Mensch

Die Hauptursache für Flugunfälle war, ist und bleibt immer noch der Faktor Mensch - ca. 70 % aller Abstürze sind auf Bedienfehler, auf "menschliches Versagen" zurückzuführen, ca. 10 Prozent auf technische Probleme, ca. 6 Prozent auf Wartungsfehler . Die restlichen 14 % verteilen sich auf andere Faktoren. Start und Landung sind die gefährlichsten Flugphasen. Mehr als ein Drittel aller Unfälle ereignen sich während Start oder Landung.

Emotion vor Sachlichkeit in den Medien - wo bleibt die journalistische Sorgfalt?

So schwer es auch fällt, besonders bei Flugzeugunglücken sollten wir Medienvertreter uns nicht von Emotionen zu wilden Spekulationen und Schuldzuweisungen verleiten lassen, sondern gründlich recherchieren, analysieren und unsere Arbeiten auf ein starkes Fundament, basierend auf Fakten, aufbauen. So hat beispielsweise die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung im deutschen Braunschweig errechnet, dass man in Deutschland rein rechnerisch 588.000 Flugstunden, das entspricht 67 Jahren, ununterbrochen mit dem Flugzeug fliegen müsste, um in einen tödlichen Unfall verwickelt zu werden. Ein Wert, der durchaus für ganz Europa als repräsentativ gelten kann.

Abschließend noch eine weitere Zahl - pro Jahr sterben dagegen weltweit laut offiziellen Statistiken mehr als eine halbe Million Menschen im Straßenverkehr, mindestens 600.000, wobei die tatsächliche Zahl wesentlich höher liegen dürfte, da viele Ländern in der dritten Welt gar keine diesbezüglichen Aufzeichnungen führen. Bei Flugzeugunglücken verloren 751 (siebenhunderteinunfünzig!) Menschen im Jahr 2007 ihr Leben - ebenfalls weltweit, wohlgemerkt.

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Text: Patrick Radosta

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.