Zunächst einmal einige technische Daten zur Junkers Ju 52. Die Maschine wurde ursprünglich als 1motoriges Frachtflugzeug konzipiert, die 3motorige Version, Junkers Ju 52/3m, sollte jedoch rasch die Standardversion dieses äußerst erfolgreichen Typs werden. Die Maschine kann in der Passagierversion 17 Passagiere, getrennt durch einen Mittelgang, befördern und ist für eine 2-3köpfige Flugbesatzung ausgelegt.
Die Junkers Ju 52 war, wie ihre Vorgänger, die Junkers G 24 und die Junkers G 31, häufig in Wien Aspern anzutreffen, u.a. flog die Lufthansa mit der Ju 52 nach Wien, und die ÖLAG, die Vorgängerin der heutigen Austrian Airlines, kaufte im Jahr 1935 ihre ersten beiden Junkers Ju 52/3m.
Die Maschinen wurden u.a. auf den Strecken Wien-Graz-Klagenfurt und Wien-Belgrad eingesetzt. Weitere Informationen zu diesen Flügen finden Sie hier.
Das Reisen zu dieser Zeit war noch nicht mit dem in der heutigen Zeit vergleichbar, es ging geradezu gemütlich zu, möchte ich sagen, kein Wunder bei einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von gerade einmal 150-180 km/h.
Die Passagiere wurden im kleinen Kreis in den Gebäuden abgefertigt, und dann ging es hinaus aufs Vorfeld, zu den Maschinen. Eingestiegen wurde über eine kleine Leiter links hinten, rechts vorne in der Kabine gab/gibt es noch einen Notausgang (siehe obiges Foto).
Vor den Passagieren hatte bereits die Besatzung, bestehend aus Flugzeugführer, Hilfsflugzeugführer und Bordmechaniker, heute heißen sie Pilot/Kapitän, 1. Offizier/Kopilot und Flugingenieur/2. Offizier, im leicht erhöhten Cockpit, damals „Kanzel“ genannt, Platz genommen.
Kanzel einer Ju52/3m der OELAG, aufgenommen zwischen 1935 und 1938 - Foto: unbekannt
Modernisiertes Cockpit der Ju52/3m "Berlin Tempelhof" der Deutschen Lufthansa Berlin Stiftung - Foto: Austrian Wings Media Crew / Austrian Wings
Bedingt dadurch, dass die Ju 52, wie die meisten Flugzeuge der damaligen Zeit, ein Spornradflugzeug ist, mussten sowohl die Crew als auch die Passagiere, die Kabine im wahrsten Sinne des Wortes erklimmen um nach vorne ins Cockpit, bzw. zu ihren Sitzen, im vorderen Bereich der Passagierkabine zu gelangen.
Eine Türe, welche das Cockpit von der Passagierkabine abtrennt wie in der modernen Zivilluftfahrt, leider notwendig gewordener, Standard gibt es nicht, lediglich einen Durchgang, bei dem man den Kopf einziehen muss, um in das enge und laute Cockpit zu gelangen.
Nachdem nun die Passagiere in der engen - aber gemütlichen - Kabine Platz genommen haben, ihr Handgepäck (einen Unterflurfrachtraum wie in modernen Jets gibt es bei der Ju 52 nicht) in den Netzen über ihren Sitzen verstaut haben, und die Einstiegstüre geschlossen wurde, beginnt die mitreisende Flugbegleiterin über die Sicherheitsvorschriften und - damals noch viel wichtiger als heute - über den korrekten Gebrauch der Spucktüten zu informieren. Da man bei der Ju 52 die Fenster tlw. öffnen kann, werden die Passagiere auch darüber informiert, dass es nicht die „feine englische Art“ sei, die benutzten Spucktüten einfach aus dem Fenster zu werfen und gebeten, diese doch nach der Landung fachgerecht zu entsorgen.
Währenddessen bereitet sich die fliegerische Crew (damals noch in Lederjacke und Fliegerhaube) darauf vor, die Motoren anzulassen, ein Vorgang der - damals wie heute - ein hohes Maß an Fingerspitzengefühl erfordert.
Die Triebwerke werden nacheinander angelassen - dazu müssen Gemischregler (damals auch als „Höhengasregler“ bezeichnet), Gashebel, Kraftstoffventil und Zündmagneten in die richtigen Stellungen gebracht werden.
Wurde alles richtig gemacht, erwacht der Motor mit einem lauten Husten zum Leben, erkennbar auch daran, dass sich der Propeller immer schneller dreht und Rauch aus den Auspuffrohren entweicht. Ist ein Motor angelassen, übernimmt der Bordmechaniker (Flugingenieur), welcher hinter den beiden Piloten auf einem Klappsitz, direkt im Durchgang zum Cockpit, hockt, die Feineinstellung der Leistungs- und Gemischregler, bis der Motor "rund" läuft. Der gleiche Vorgang wiederholt sich so lange, bis alle 3 Motoren "rund" laufen. Nun ist es in der Kabine so laut, dass man sich kaum noch verständigen kann, vor allen Dingen dann, wenn in der Pilotenkanzel noch die Fenster geöffnet sind.
Besonders laut ist es jedoch erst in der Flugzeugführerkanzel (bedingt durch den Mittelmotor), deshalb trägt die Besatzung in der Pilotenkanzel auch schwere, in ihre Lederhauben eingearbeitete, Kopfhörer, sonst wäre eine Verständigung im lauten Cockpit gänzlich unmöglich!
Gestartet und gelandet wird seit jeher gegen den Wind, wobei man es im Jahre 1935 leichter hatte, da es damals noch keine festen Pisten gab, sondern der gesamte Flugplatz aus einer einzigen Grasfläche bestand. Zur Bestimmung der Windrichtung gab es einen Rauchofen, sowie einen Windsack.
Nachdem alle 3 Motoren "rund" laufen, verlässt die „Tante Ju“, nach Rücksprache mit der Flugverkehrskontrolle, das Vorfeld Richtung Startfeld, bzw. Richtung Startbahn.
An der richtigen Position angekommen, überprüft die 3köpfige Cockpitbesatzung noch einmal wichtige Triebwerksparameter wie Öldruck, Öltemperatur, Zylinderkopftemperatur, den Kraftstoffvorrat (die Junkers Ju 52 hat dafür eigene Anzeigen direkt an den Triebwerksgondeln, siehe die nächsten beiden Fotos!) und die Drehzahl der Triebwerke.
Direkt auf der Triebwerksgondel sind bei der Ju 52/3m die Treibstoffanzeigen montiert - Foto: Austrian Wings Media Crew / Austrian Wings
Anschließend fährt der Bordmechaniker (Flugingenieur) mittels eines großen Handrades die Landeklappen in Startstellung.
Nachdem diese Checks abgeschlossen, und die Landeklappen in Startstellung sind, schiebt der Flugzeugführer (heute Kapitän genannt), die Gashebel behutsam nach vorne, der Bordmechaniker übernimmt die Feineinstellung der Motoren.
Wer bislang dachte, es sei bereits laut in der Kabine wird spätestens jetzt eines Besseren belehrt!
Bei ca. 90 km/h hebt sich das Heck und das Seitenleitwerk wird angeströmt, bei etwa 120 km/h hebt die Ju durch einen kräftigen Zug am Steuerhorn ab und steigt in das Blau des Himmels.
Einen Autopiloten gibt es bei der Ju 52/3m nicht, die Maschine (immerhin hat sie ein Startgewicht von fast 10 t) will von Hand geflogen werden, und das zeigt sie den Piloten auch.
Im Steigflug wird sie ausgetrimmt, der Bordmechaniker fährt mittels Handrad die Klappen kontinuierlich ein, der Kontakt mit der Flugsicherung wird aufgenommen, die Leistung der Motoren auf „Steigleistung“ eingestellt, das Benzin-Luftgemisch im Vergaser will angepasst werden, während gleichzeitig die Triebwerksparameter (Kraftstoffvorrat, Ölvorrat, Öltemperatur, Drehzahl, Zylinderkopftemperatur, etc ...) überwacht werden müssen.
Hat die Maschine ihre Reiseflughöhe erreicht, wird die Leistung auf Reisegeschwindigkeit, ca. 160 km/h, reduziert, die Feineinstellung der Motoren übernimmt dabei abermals der Bordmechaniker, welcher mit gekrümmtem Rücken auf dem Klappsitz hinter den beiden Flugzeugführern sitzt.
Blick auf den Sitz des Bordmechanikers - Foto: Austrian Wings Media Crew / Austrian Wings
Zusätzlich wird die Maschine ausgetrimmt um die Flugzeugführer zu entlasten und alle Triebwerksparameter werden ständig überwacht - stressreiche und schweißtreibende Tätigkeiten für die Cockpitbesatzung in ihrer lauten, engen und, nach Öl und Benzin, stinkenden Pilotenkanzel!
Was für den Besucher des Cockpits ein herrlicher Anblick ist, die rundum verglaste, lichtdurchflutete Cockpitkanzel nämlich, die es in modernen Verkehrsflugzeugen so gar nicht mehr gibt, bedeutet für die Besatzung eine zusätzliche Belastung: stundenlang brennt die Sonne unerbittlich auf das Glas der Kanzel nieder, es ist laut, vibrationsreich, und es stinkt nach Öl und Benzin! Entschädigt werden die beiden Flugzeugführer und der Bordmechaniker dafür jedoch mit einem traumhaften Panoramablick, in unserem Fall über die Alpen.
Im Cockpit der "Tante Ju" über die Alpen - beide Fotos: Austrian Wings Media Crew / Austrian Wings
Diese Sicht nach außen war auch wichtig, denn die Flüge wurden 1935 noch unter Sichtflugbedingungen durchgeführt, Wolken und Vereisung waren gefürchtete, oft todbringende, Feinde der Piloten!
Nach wenigen Stunden Flugzeit (heute bewältigt ein moderner Turboprop die Strecke Wien - Schwechat - Salzburg in etwa 30 Minuten) beginnt die Besatzung in der Kanzel mit den Vorbereitungen für den Landeanflug.
Erste Landeinformationen werden eingeholt, die Flugzeugführer drücken die Steuersäule etwas noch vorne, um den Sinkflug einzuleiten, der Bordmechaniker reduziert die Leistung der Triebwerke und passt das Benzin-Luftgemisch in den Vergasern der Triebwerke an, das Flugzeug wird für den Sinkflug ausgetrimmt. Währenddessen überwachen die Flugzeugführer weiterhin die Parameter der Triebwerke.
Dieses Prozedere setzt sich den ganzen Sinkflug hindurch fort, und schließlich kommt die Stadt Salzburg in Sicht.
Immer weiter geht es hinab, kräftezehrende Knochenarbeit für die 3 Männer im Cockpit: Triebwerksparameter kontrollieren, die feinfühligen Motoren korrekt adjustieren, austrimmen, Landeklappen mittels des großen Handrades richtig setzen, das Fliegen des Flugzeuges selbst, von Hand, versteht sich.
In den Endanflug geht es mit ca. 125 km/h, kurz vor dem Aufsetzen heißt es für die Flugzeugführer noch einmal kräftig (10 t zu bewegen erfordert nun einmal einen gewissen Kraftaufwand) an der Steuersäule ziehen, um die Maschine abzufangen.
Danach setzt die "Tante Ju" sanft auf und rollt auf dem Landefeld (1935) bzw. der Landebahn (2002) - ein paar Meter weiter senkt sich schließlich das Heck, und auch das Spornrad berührt den Boden - aus.
Der Bordmechaniker fährt die Landeklappen händisch ein, während die Flugzeugführer mit ihrer Maschine zur Abstellfläche rollen, wo die Motoren abgestellt werden.
Ein Motor nach dem anderen wird abgestellt, auch dies ist ein komplizierter Vorgang, der viel Fingerspitzengefühl erfordert: die Gashebel werden auf Leerlauf gestellt, das Benzin-Luftgemisch im Vergaser wird soweit reduziert, dass es nicht mehr zündfähig ist, Zündmagneten ausgeschaltet und Kraftstoffventile geschlossen - dieser Vorgang wiederholt sich Triebwerk für Triebwerk, bis schließlich das Knattern der 3 Motoren erloschen ist.
Traditionsgemäß wird nun die Fahne in die Halterung, links hinter dem Kapitänssitz, gesteckt, währenddessen wird bereits die hintere Türe der Passagierkabine geöffnet, eine Leiter herangebracht und die Passagiere (jetzt geht es für die Passagiere im vorderen Teil der Kabine bergab) verlassen die "Tante Ju", nach ihnen die Besatzung, die noch einige Logbucheintragungen vornehmen muss.
Es ist Tradition, dass vor und nach jedem Flug die Flagge bei der Ju 52/3m gehisst wird - Foto: Austrian Wings Media Crew / Austrian Wings
So sah ein Linienflug mit der Ju 52/3m der ÖLAG, von Wien-Aspern nach Salzburg, im Jahre 1935 aus. Es war ein anderes Reisen als es heute ist, ganz ohne die Hektik eines Großflughafens, ganz ohne Jets, die mehrere hundert Tonnen schwer sind, vollgestopft mit Technik und Computern. Es war eine Fliegerei, die den Besatzungen noch „basics“ abverlangte, eine Fliegerei, die Passagiere und Besatzung gleichermaßen an der Schönheit des Fliegens teilhaben ließ, eine Fliegerei, wie es sie heute leider fast nicht mehr gibt. Wer heute dennoch diese seltene Erfahrung machen möchte, hat leider nicht mehr allzu viele Gelegenheiten dazu, von der Ju 52/3m existieren weltweit gerade noch 8 flugfähige Exemplare:
- 4 ehemalige Militärmaschinen betreibt die Schweizer Ju Air; 1 davon ist in Mönchengladbach stationiert. Alle vier Maschinen verfügen heute über die originalen BMW-Motoren.
- 1 Ju 52/3m wird von der Deutschen Lufthansa Berlin Stiftung betrieben, diese Maschine ist auch jährlich in Österreich zu Gast. Bei der "Tante Ju" der Lufthansa handelt es sich um eine Maschine, die aus den Zellen mehrerer Ju 52 zusammengebaut worden ist. Weiters verfügt dieses Modell nicht über die originalen Motoren von BMW, sondern über amerikanische P & W Triebwerke, welche Dreiblattluftschrauben antreiben.
- 1 Maschine (ein spanischer Lizenzbau der Nachkriegszeit) wird von der SAA in Südafrika betrieben.
- 1 Maschine wird von der EADS (Hersteller des Eurofighters) in Frankreich betrieben. Sie konnte nach mehr als 10 Jahre dauernder Restaurierung in einen flugfähigen Zustand versetzt werden und ist regelmäßig auf Flugtagen zu Gast. Mitflüge in dieser Maschine sind für flugwillige Gäste derzeit nicht möglich. Sie ist als "Fallschirmjäger-Version" der Deutschen Luftwaffe konfiguriert und trägt die Farben der Maschinen, die 1941 Fallschirmjäger über der Insel Kreta absetzten.
- 1 Casa 352, ein spanischer Lizenzbau der Ju52, wird in den USA in vollen Luftwaffenfarben von privater Hand betrieben. Mitflüge für Passagiere sind in dieser Maschine nicht möglich Leider wurden bei dieser Maschine - ebenso wie der "D-AQUI" der Lufthansa Berlin Stiftung - die originalen Zweiblattpropeller durch Dreiblattluftschrauben ersetzt. Weitere Informationen finden Sie hier.
Jedem Fluginteressierten sei die Erfahrung einer solchen Zeitreise wärmstens empfohlen - tauchen auch Sie in die Vergangenheit ein, und erleben Sie, wie ein Flug für die Passagiere vor 60 Jahren gewesen ist, als Reisen noch nicht von Hektik und vollkommen überzogenen Sicherheitsmaßnahmen geprägt war.
Junkers Ju 52/3m, Werknummer 4076, im Dienst bei der ÖLAG von 1935 bis 1938, aufgenommen am Flughafen Salzburg. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde die Maschine von der Deutschen Lufthansa übernommen, welche sie im Mai 1938 an die spanische IBERIA weiterverkaufte, wo sie bis zu ihrer Außerdienststellung 10 Jahre später, 1948, Dienst tat - Foto: unbekannt
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Links:
Interessensgemeinschaft Ju 52 e. V.
Deutsche Lufthansa Berlin Stiftung
Text: CvD