Ein Sichtweite des Terminals steht eine „klassische“ Boeing 747, besser bekannt als „Jumbo Jet“, mit kurzem Oberdeck, ohne Beschriftung, mit blauem Leitwerk und ohne Triebwerke; auf der Außenseite sind Stiegen erkennbar, die vermuten lassen, dass dieses Flugzeug doch noch auf irgendeine Art und Weise genutzt wird.
Luftfahrtenthusiasten aus aller Welt wissen natürlich längst, was es mit dieser 747-200 auf sich hat, und unbedarfte Reisende erhalten am Informationsschalter des Flughafen die Antwort auf diese Frage – es handelt sich um ein wohl weltweit einzigartiges Projekt, das so genannte Jumbo Hostel des Schweden Oscar Diös.
Das Leben der Maschine als Airliner
Doch der Reihe nach – gebaut wurde dieser Jumbo im Frühjahr 1976 als eine 747-212B ((cn 21162/283)), für Singapore Airlines, wo sie das Kennzeichen 9V-SQE erhielt.
Sieben Jahre lang flog die Maschine für Singapore Airlines - Foto: Gerhard Plomitzer
In den folgenden Jahren war die 747 auf den Flughäfen dieser Welt, von Los Angeles über Amsterdam bis Frankfurt zu Gast, ehe sie im Sommer 1983 an Boeing retourniert und dort mit der Registrierung N747BH versehen wurde.
Knapp ein Jahr später, im Juni 1984, lieferte Boeing das Flugzeug an die legendäre, 1991 bedauerlicherweise untergegangene, Pan Am aus. Mit dem klingenden Namen „Clipper Belle of the Sky“ beflog die Maschine als N727PA das Streckennetz der Pan Am und war erneut auf den Flughäfen dieser Welt zu Gast – Zürich, Los Angeles und London Heathrow, um nur einige zu nennen.
Die "Clipper Belle of the Sky" beim Start auf der Piste 16 in Zürich im Jahr 1987 - Foto: Gerhard Plomitzer
Diese 747 war eine von nur sieben (allesamt von Singapore Airlines übernommenen) 747-200 in der Pan Am Jumbo Jet Flotte, denn das Gros bestand aus über vierzig älteren Maschinen der Baureihe -100.
Nach dem Ende des Traditionsunternehmens flog die ehemalige „Clipper Belle of the Sky“ fortan als C-FNXP unter anderem für Air Club Intertional auf der Strecke Toronto – Frankfurt sowie für Garuda Indonesia und die us-amerikanische Tower Air, wo sie die Registrierung N514DC bzw. später N620FF erhielt.
Nach dem Ende der Pan Am flog der Jumbo für verschiedene Airlines, unter anderem Tower Air; unser Foto zeigt sie im Jahr 1999 in Miami - Foto: Remi Dallot
Im Januar 2002 übernahm die im Jahr 2000 gegründete schwedische Transjet Airways diese 747 (eines von insgesamt 3 Exemplaren) und setzte sie unter der Registrierung SE-RBN für Charteraufgaben, unter anderem Hadsch-Pilgeflüge nach Mekka ein.
Der letzte Betreiber, bei dem die Maschine flog, war die schwedische Transjet; nach deren Ende sollte sie nach Afrika verkauft werden, doch dazu kam es nicht mehr; auf unserem Foto, aufgenommen im Mai 2004 am Flughafen Stockholm, trägt die Maschine schon die afrikanische Registríerung 3D-NEE; im Hintergrund ist eine Caravelle in SAS Farben zu erkennen - Foto: Tony Edlind
Das Ende
Im Juli 2002 wurde Transjet von der schwedischen Luftfahrtbehörde die Betriebsgenehmigung vorläufig aufgrund von Unregelmäßigkeiten beim Betrieb entzogen, im November 2002 erfolgte der endgültige Entzug des AOC.
In der Folgezeit wurden zwei der drei ehemaligen Transjet 747 nach Afrika verkauft, auch das dritte Flugzeug, die SE-RBN wurde umfangreichen Wartungsarbeiten unterzogen und sollte 2004 als 3D-NEE an die afrikanische North East Airlines in Swaziland ausgeliefert werden, wozu es jedoch nicht mehr kam.
Die 747-212B war die nächsten Jahre auf dem Flughafen Arlanda in Stockholm Arlanda abgestellt, und niemand wusste so recht, was mit ihr geschehen sollte. Der letzte Betreiber (Transjet) existierte ja nicht mehr, und auch die Kosten für eine Verschrottung wären immens gewesen.
Die Geburt des Jumbohostels
Im Jahr 2006 erfuhr der schwedische Oscar Diös von der zum Verkauf stehenden 747 und nutzte seine Chance, wie er erzählt: „Ich betrieb bereits zwei Hostels und ein Hotel in Uppsala, rund 35 Kilometer nördlich von Arlanda. Wir hatten häufig Gäste, die nur deshalb zu uns kamen, weil es in der Nähe des Flughafens Arlanda kein günstiges Hostel gab. Was lag also näher, als ein Hostel direkt am Flughafen in einem Flugzeug unterzubringen?“
Oscar Diös vor dem späteren Jumbohostel; im Hintergrund ist eine Caravelle zu erkennen - Foto: Jumbohostel.com
Diös kaufte den Flieger – den Kaufpreis möchte er nicht nennen - und im Dezember 2007 erteilten die Behörden die erforderlichen Genehmigungen zur Errichtung des „Jumbo Hostels“ auf dem Gelände des Flughafens. So konnte im Januar 2008 mit dem ersten Teil der Umbauarbeiten begonnen werden:
„Wir haben die gesamte Einrichtung, 450 Sitzplätze, Galleys, etc … ausgebaut und das gesamte Flugzeug gründlichst gereinigt.“, so Diös.
Anschließend wurden neue Teppiche verlegt, Sanitärreinrichtungen eingebaut sowie die einzelnen Zimmer errichtet und ausgestattet.
Im Sommer 2008 konnte die ehemalige „Clipper Belle of the Sky“ schließlich zu ihrem heutigen Standort geschleppt werden, wo die restlichen Arbeiten, die immerhin noch rund ein halbes Jahr in Anspruch nehmen sollten, durchgeführt wurden. Insgesamt verschlang die Umrüstung der 747 vom Passagierflugzeug zum Hostel rund 2,5 Millionen Euro.
Die 747 wird zu ihrer "final parking position" geschleppt - Foto: Jumbohostel.com
Die Eröffnung des Hostels
Am 15. Januar 2009 war es schließlich soweit – das weltweit wohl einzige Flughafenhostel, das in einem echten Flugzeug untergebracht ist, wurde eröffnet.
Das Jumbohostel ist ein Blickfang und zahlreiche Stockholmtouristen führt ihr erster Weg nach der Ankunft dorthin - Foto: Tony Edlind
Das Jumbohostel ist nach der Tochter des Eigentümers, Liv, benannt; dank des Aufzuges ist das Hostel auch gehbehinderten Menschen zugänglich - Foto: Austrian Wings Media Crew
Und der Aufwand hat sich gelohnt - die Liebe zum Detail zeigt sich unter anderem in Bildern aus dem aktiven Leben der Maschine als Airliner, welche die Wände schmücken. TV-Sender aus aller Welt berichteten inzwischen schon über das ungewöhnliche Hostel, das den Namen der Tochter von Oscar Diös, Liv, stolz am Bug trägt.
Oscar Diös mit seinem Töchterchen Liv, nach der das Jumbohostel benannt ist - Foto: Jumbohostel.com
Insgesamt verfügt es über 25 Zimmer und eine Cockpit Suite. Die meisten der Räume bieten 3 Betten, darüber hinaus stehen auch vier 4-Bett Zimmer zur Verfügung. Insgesamt gibt es im Jumbo Hostel Platz für 85 Schlafplätze.
Die Zimmer
Wer sich einen Raum mit bis zu 3 anderen Personen teilt, bezahlt 350 Kronen, rund 30 Euro. Wer eine ganze Kabine für bis zu 3 Personen mieten möchte, muss mit 1.350 Kronen, etwa 120 Euro rechnen.
Drei bis vier Erwachsene finden im Jumbohostel pro Zimmer Platz - Foto: Austrian Wings Media Crew
Ein Doppelzimmer kostet 1.200 Kronen, also rund 110 Euro. Ein Vierbettzimmer schlägt mit 1.400 Kronen zu Buche, was nach derzeitigem Wechselkurs knapp EUR 130,-- entspricht. Alle Preise* verstehen sich inklusive Frühstück.
Weltweit einzigartig – Übernachten im Jumbo Cockpit
Am tiefsten (aber für das einzigartige Erlebnis durchaus angemessen, wie der Autor findet) muss man für die Cockpitsuite in die Tasche greifen – 3.300 Kronen, knapp 300 Euro oder 5.000 Schilling für diejenigen, die immer noch in der alten Währung rechnen, kostet es, dort zu nächtigen, wo einst Kapitän, Kopilot und Flugingenieur ihren Arbeitsplatz hatten und die 747 rund um den Globus pilotierten.
Die Cockpitsuite bietet zwei Personen Platz und einen Panoramablick auf das Vorfeld von Arlanda - Foto: Austrian Wings Media Crew
Sie bietet zwei Personen Platz, verfügt wie alle anderen Räume über TV und kostenloses WLAN, außerdem jedoch als einziges Zimmer über ein eigenes WC samt Dusche. Das Flair der Cockpitsuite und der Blick aus dem Fenster direkt auf den Flughafen suchen ihresgleichen. Das Frühstück ist natürlich auch hier inkludiert.
Hinter dem Cockpit, dort wo einst Pan Am Passagiere in der „Clipper Class“, der Business Klasse, reisten, wurde ein Besprechungsraum eingerichtet, der für 1.600 Kronen (rund 150 Euro) pro Tag gemietet werden kann. Laut Homepage handelt es sich bei den außerst bequemen Ledersitzen um die Originalbestuhlung von 1976!
Der Besprechungsraum im Oberdeck ist mit originalen Businessclass Sitzen aus dem Jahr1976 ausgestattet - Foto: Austrian Wings Media Crew
Im Bug der umgebauten 747 präsentiert sich eine Art „Lounge“ Gästen und Besuchern im Retrolook der 1970er Jahre. Hier können Kaffee und Kuchen konsumiert, aber auch - ungewohnt – mitgebrachte Speisen in zwei Mikrowellenöfen aufgewärmt und verzehrt werden.
Wo einst die Passagiere der Ersten Klasse reisten, nehmen heute Gäste und Besucher des Jumbohostels Snacks und Getränke zu sich - Foto: Austrian Wings Media Crew
In diesem Bereich, neben der klassischen Wendeltreppe, die zum Oberdeck führt, befindet sich auch die Rezeption, die 24/7 besetzt ist.
Blick von der Bugspitze in Richtung Heck; gut zu erkennen die Rezeption und die klassische Wendeltreppe zum Oberdeck, die bei der aktuellen Version der 747 durch einen geraden Treppenaufgang ersetzt worden ist - Foto: Austrian Wings Media Crew
Das Personal – natürlich in stilechter Flugbegleiteruniform - spricht Schwedisch sowie ausgezeichnetes Englisch und ist neben der klassischen Gästebetreuung und Zimmervergabe auch für den Verkauf von Snacks, Getränken und Souvenirs (Schlüsselbänder, Basecaps …) verantwortlich.
Unmittelbar neben der Wendeltreppe zum Oberdeck befindet sich die Rezeption - Foto: Jumbohostel.com
Wie eingangs erwähnt, fehlen der 747 derzeit ihre vier Triebwerke. Wie Oscar Diös gegenüber Austrian Wings verriet, befinden sich diese gegenwärtig in Uppsala und sollen anschließend wieder montiert werden. „Eventuell werden wir sie zu Zweibettkabinen umbauen, in denen die Gäste dann ebenfalls übernachten können.“
Die Zukunft
Für 2009, das erste Betriebsjahr, rechnet man im Jumbohostel mit rund 10.000 Nächtigungen. Wann der „Break even“ erreicht wird, lässt sich – auch angesichts der Wirtschaftskrise – schwer einschätzen, Diös rechnet jedoch damit, dass es in ca. 5 Jahren soweit sein wird.
Angesichts der Kreativität und der Einzigartigkeit des Jumbo Hostels ist ihm und seiner Crew wirtschaftlicher Erfolg mit diesem Projekt nur zu wünschen.
Epilog
Das Jumbo Hostel ist eine einmalige Gelegenheit, ein Flugzeug, mehr noch, einen wahren Klassiker der Luftfahrt, welcher den Luftverkehr revolutioniert hat, von innen und außen ausführlich zu besichtigen, ja zu erleben, anzufassen, seine nahezu unglaublichen Dimensionen im wahrsten Sinne des Wortes begreiflich zu machen.
Eine solche Möglichkeit ist extrem selten. Nicht nur, weil dem Durchschnittspassagier während seiner Flugreise die meisten Bereiche des Flugzeuges gar nicht zugänglich sind, sondern auch weil die Boeing 747 in ihren klassischen Versionen -100 und -200 kaum noch im Passagierverkehr eingesetzt wird. Diese in die Jahre gekommenen Maschinen werden nach und nach ausgemustert oder zu Frachtern umgebaut.
So war auch für den flug- und reiseerfahrenen Autor dieser Zeilen der Besuch im Jumbohostel, der Besuch des Cockpits, des Oberdecks sowie der Lounge im Bug der Maschine mehr als beeindruckend und möglicherweise wird er bei einem seiner nächsten Besuche in Stockholm genau deshalb die erste Nacht in der Cockpitsuite verbringen und von jenen Zeiten träumen, in denen exakt dieses Flugzeug als „Clipper Belle of the Sky“ auf den Flughäfen dieser Welt zu Gast war. Über Zeiten, die bedauerlicherweise nie mehr wiederkehren werden.
Im Gegensatz zum A 320 im Hintergrund wird das Jumbohostel bedauerlicherweise nie mehr abheben - Foto: Austrian Wings Media Crew
Folgende Artikel könnten Sie auch interessieren:
Live Foto- und Videoreportage A 380 Erstlandung in Österreich
40 Jahre Boeing 747 bei Lufthansa
Weihnachtsüberraschung - Iran Air setzt 747SP nach Wien ein
Iran Air Boeing 747SP in Wien zu Gast
Die Geschichte der Boeing 747Vor 20 Jahren – die Tragödie von Lockerbie
Links:
(red CvD)
* Angaben laut www.jumbohostel.com , Stand 22. März 2009; Änderungen und oder Fehler vorbehalten. Alle Informationen nach bestem Wissen und Gewissen, jedoch ohne Gewähr