Die Anfänge
Im Sommer 2007 hatten Franz Lorenz und seine Mitstreiter vom Heimatmuseum Fischamend die Idee, im Jahr auf dem historischen Gelände der ehemaligen Militäraeronautischen Station einen Flugtag abzuhalten und diesen unter das Motto „100 Jahre Luftfahrt in Fischamend“ zu stellen.
Der gelernte Österreicher würde sagen, dass so etwas unmöglich ist. Ist es eigentlich auch, doch in der Region Fischamend leben viele Menschen, die beruflich in der Luftfahrt tätig und mit dem „Virus Aviaticus“ infiziert sind, und so gelang es, das vermeintlich Unmögliche doch noch möglich zu machen.
Mit Hilfe zahlreicher Sponsoren, darunter die Gutsverwaltung Pecina, der das Grundstück heute gehört, und sogar der Flughafen Wien, konnte die Frage nach dem genauen Ort der geplanten Veranstaltung rasch geklärt werden. Doch zuvor galt es noch eine weitere Hürde zu nehmen. Das Areal des ehemaligen Flugfeldes liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum internationalen Flughafen Wien Schwechat, sodass sich Luftfahrzeuge gefährlich nahe kommen könnten.
In langen Gesprächen zwischen Austro Control, den Veranstaltern und der Flugbetriebsleitung des Flughafens Schwechat, wurde schlussendlich ein ausgeklügeltes Verfahren ausgearbeitet, dass gegenseitige Beeinträchtigungen und Gefährdungen verhindern sollte. Wie Ing. Gerhard Gruber erklärte, wurde eine „Aerodrome Traffic Zone“ eingerichtet, deren Obergrenze 2.000 Fuß (etwa 600 Meter) betrug.
Für den 06. und 07. Juni 2009 wurde Fischamend offiziell Flugplatz mit der amtlichen Kennung LOWF, und vor Ort war eine Mobile Einsatzstelle des Wiener Flughafens stationiert (131,625 MHZ), die auf den Namen „Fischamend Turm“ hörte.
Ergänzt wurde dies durch zwei eigens für diese Veranstaltung im Dienst befindlichen Fluglotsen in Schwechat, welche die Aufgaben hatten, den nach LOWF an- bzw. von LOWF abfliegenden Luftverkehr zu koordinieren.
Eine 500 Meter lange und 20 Meter breite Graspiste, an die sich ein 20 Meter breiter Sicherheitsstreifen sowie das eigentliche „Vorfeld“ anschlossen, wurde angelegt.
Der Samstag
Lange vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung, fanden sich am Morgen des 06. Juni die Veranstalter und ihre Unterstützter ein. Es wurde auf einen Faktor gesetzt, welcher immer schon maßgeblich zum Erfolg in der Geschichte der Luftfahrt beigetragen hat - die Ehrenamtlichkeit.
Mütter und Hausfrauen, Piloten, Kinder und Schüler der HTL für Flugtechnik in Eisenstadt bekleideten die unterschiedlichsten Aufgaben. Sie sorgten für einen reibungslosen Zugang der Besucherströme zum Flugfeld, sicherten den Airsidebereich ab, verkauften die Festschrift, beantworteten Fragen, führten interessierte Besucher mit fachkundigen Erklärungen über das Areal. Um einen reibungslosen Ablauf dessen zu gewährleisten, hatte es zuvor - wie in der Luftfahrt üblich - ein ausführliches Briefing gegeben.
Die erste Landung seit über 60 Jahren
Und dann war es endlich soweit - um 10:13 Uhr Lokalzeit landete das erste Flugzeug seit 64 Jahren, eine Antonov AN 2, HA-MKI, aus Wiener Neustadt Ost kommend, in LOWF und wurde von den Veranstaltern herzlich willkommen geheißen.
Es folgten eine Bücker Jungmann (OE-ARM), eine Christen Eagle II (OE-CRE), ein „Kiebitz“ (D-MJHS) in den Farben des „Roten Barons“, die Boeing E 75 Stearman (OE-AJM) von Ewald Gritsch und kurz darauf die Ryan PT 22 (N59GD) von Dietmar Grosz. Etwas weniger alt und klassisch, dafür umso beeindruckender, war die nachfolgende Pilatus PC 6 Porter des Österreichischen Bundesheeres, die ihre beeindruckende STOL-Fähigkeit unter Beweis stellte.
Um 11:47 Uhr schwebte der ehemalige AUA Pilot Peter Jakadofsky mit seiner SE313B Aloutte II (F-GLPV) ein, gefolgt von einer weiteren Boeing Stearman in auffälliger Red Bull Lackierung (OE-AMM).
Der kontinuierlich stärker werdende Wind (Spitzen von bis zu 40 Knoten, etwas weniger als 80 Kilometer pro Stunde) stand glücklicherweise genau auf der Piste, dennoch war die Landung für die Piloten eine Herausforderung, zumal Spornradflugzeuge besonders (seiten-) windanfällig sind.
Die offizielle Eröffnung erfolgte gegen 13 Uhr und ihren Festansprachen betonten sowohl Flughafenchef Herbert Kaufmann als auch der Bürgermeister von Fischamend sowie ein Vertreter der niederösterreichischen Landesregierung die wirtschaftliche Bedeutung der Luftfahrt im Allgemeinen für das Land Niederösterreich und zeigten sich erfreut über die Veranstaltung, die gewissermaßen zu den Wurzeln der Luftfahrt zurückführte.
Die Flugvorführungen begannen gegen 14 Uhr, fachkundig kommentiert von Hary Raithofer, der durch fundiertes Wissen über die Luftfahrt glänzte. Für Insider wenig verwunderlich, sitzt er doch selbst beruflich im Cockpit einer Austrian Arrows (vormals Tyrolean Airways) Maschine.
Zwar musste das Programm aufgrund des starken Windes modifiziert werden, da sich einige Piloten entschlossen hatten, nicht zu fliegen, trotzdem wurde den über 4.000 Besuchern ein beeindruckendes Programm geboten.
Die Antonov 2, der größte Doppeldecker der Welt, demonstrierte seine Kurzstart- und Landefähigkeit ebenso wie seine für die Größe nahezu unglaubliche Wendigkeit. Herbert Schmaderer in seinem modernen Kunstflugzeug Christen Eagle II vollführte Manöver, bei denen so manchem Besucher vermutlich schon am Boden einen Hauch von Übelkeit verspürt haben dürfte.
Der AUA Airbus landet (doch nicht)
Der absolute Höhepunkt des Flugtages fand kurz nach 15 Uhr statt - der Airbus A 320-214, OE-LBP (Retro Jet) der AUA demonstrierte in mehreren tiefen Überflügen (etwa 30 Meter über Grund) in Landekonfiguration bzw. „clean“ (Fahrwerk und Klappen eingefahren) wie sehr sich die technische Entwicklung in der Luftfahrt seit Inbetriebnahme des Flugfeldes Fischamend 1909 verändert hat und sorgte bei den Besuchern für wahre Begeisterungsstürme.
Bei all diesen Manövern wurden selbstverständlich sämtliche Sicherheitsvorgaben peinlichst genau eingehalten, und es befanden sich keine Passagiere an Bord des Airbus, wobei einige Flugbegeisterte (der Autor dieser Zeilen zählt sich selbst dazu) viel dafür gegeben hätten, an Bord sein zu dürfen.
Nach Ende der Flugvorführungen gab es für die Besucher des Flugtages die Möglichkeit, die ausgestellten Luftfahrzeuge zu besichtigen, mit den Piloten zu sprechen, und so manches Kind hatte ein Funkeln in den Augen, als es im Sitz eines historischen Doppeldeckers Platz nehmen durfte. Da für die Nacht Sturmböen und schwere Gewitter angesagt worden waren, starteten die meisten der Teilnehmer und kehrten zu ihren Heimatflugplätzen zurück. Der Ausklang des Tages erfolgte im Bereich der Gastronomiezelte, wo am Abend ein Clubbing stattfand.
Der zweite Tag - die Modellflieger
Der Sonntag begann mit einer Flugvorführung der Modellflieger. Zahlreiche Modelle, von der „Spirit of St. Louis“ (mit dem Original überquerte Charles Lindbergh 1927 den Atlantik), über die Heinkel HE 219 „Uhu“, eine turbinengetriebene! BO 105, über den Fokker Dr. 1 Dreidecker, bis hin zur Me 109 wurden statisch und im Flug präsentiert.
Der Wettergott meinte es gut - bis um die Mittagszeit war es nahezu windstill, später wehte ein leichter Wind von 5 bis 8 Knoten, der jedoch ebenfalls genau „auf der Piste“ Stand, also für die startenden und landenden Flugzeuge genau von vorne kam.
Wie auch im richtigen Fliegerleben jener Tage, gab es den einen oder anderen „Bruch“ bei Start und Landung, glücklicherweise wurde jedoch keines der wertvollen Modelle (oft stecken mehrere tausend Euro und Jahre Arbeit darin) ernsthaft beschädigt.
Kurz nach 12 Uhr trafen die „großen“ Luftfahrzeuge, die am Vortag abgereist waren nach und nach wieder am historischen Flugfeld ein, um gegen 13 Uhr mit den Flugvorführungen zu beginnen, die von Mathias Euler Rolle moderiert wurden. Höhepunkt des sonntäglichen Flugprogrammes am Sonntag war der tiefe Überflug eines Challenger 300 (OE-HNL) der Firma International Jet Management, der anschließend weiter nach Berlin flog.
Ein von den meisten Besuchern wie auch vom Autor dieser Zeilen beinahe unbemerkter Zwischenfall ereignete sich kurz nach 15 Uhr - eine Boeing Stearman sowie die Ryan PT 22 befanden sich im Formationsflug und setzen zu einem tiefen Überflug an, als sie von einer Böe abrupt nach unten gedrückt wurden. Während die Boeing Stearman aufgrund ihrer Motorleistung dem auftauchenden Hindernis noch ausweichen konnte, streifte die Ryan eine Hochspannungsleitung der ÖBB, konnte jedoch beschädigt kurz darauf am nahegelegenen Flugplatz Spitzerberg sicher landen. Beide Insassen blieben unverletzt.
Das Flugprogramm endete gegen 15:30, die eigentlich geplante anschließende Besichtigung der Flugzeuge musste wetterbedingt entfallen. Zwar zeigte sich das Wetter in LOWF selbst gnädig, rund um den Großraum Wien standen jedoch zahlreiche Gewitterzellen. Daher entschlossen sich die Piloten, so rasch als möglich zu ihrem Heimatplätzen zurückzukehren.
Der letzte Start
Als letztes Flächenflugzeug hob die Cessna 172S „Skyhawk“ (OE-DCP) der Jet Alliance Flight School um 17:10 von der Piste 15 in LOWF ab. Als allerletztes Fluggerät, das LOWF aus eigener Kraft verlassen konnte, startete schließlich die Aloutte II von Jakadofsky Jet Egines.
Doch ein Luftfahrzeug befand sich noch immer in LOWF. Es war mit dem Tieflader nach LOWF gekommen und würde auch nur so wieder abreisen - ein originaler Albatros aus den Anfangstagen der Luftfahrt, dessen restaurierter Austro Daimler Motor in den Abenstunden des 07. Juni 2009 angelassen wurde. Bestaunt von den Gästen der Flugschau, viele trugen historische Gewänder aus der k.u.k Zeit, im Hintergrund die letzte Halle der einst so beeindruckenden k.u.k. Militäraeronautischen Station; ja, man konnte schon meinen auf einem Feldflugplatz im Jahr 1909 zu stehen und ein Gefühl von Wehmut überkam so manchen Besucher bei dem Gedanken daran, dass schon morgen all dies, der Flugtag selbst, ein Stück Geschichte sein würde.
Franz Lorenz, geistiger Vater der Idee, nach seinem eigenen Flug in einer Boeing Stearman: „Ich hatte einen Traum, der umgesetzt wurde. Und die Wirklichkeit hat alles noch übertroffen.“
Auch die Vertreter von Austrian Wings können sich dieser Aussage nur voll und ganz anschließen. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg, an beiden Tagen zusammen wurden knapp 9.000 Besucher gezählt, vom Kleinkind bis zum Pensionisten.
Es ist zweifelsohne gelungen, die Geschichte dieser historischen Stätte der österreichischen Luftfahrt, die bis weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannt ist, einem großen Publikum näherzubringen und auch die Jugend dafür zu begeistern. Das ist wichtig, denn die Jugend von heute sitzt in den Cockpits von morgen.
Und wer weiß, vielleicht sind es ja die Enkel einiger junger Besucher, welche die Worte, die Ing. Gerhard Gruber am Ende des Tages zu seiner erschöpften aber zufriedenen Crew sprach, dereinst in die Tat umsetzen werden - „In 100 Jahren gibt's in LOWF wieder einen Flugtag“.
Hoffen wir's, Glück ab, gut Land!
Fotoimpressionen
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(red CvD)