Österreich

Connecting Flight - Aufstieg zum Umstieg

Paul Steiner öffnet 2.100 Meter über dem Boden die Kanzel und klettert auf den Flügel des Blanik - Foto: Markus Zinner

Paul Steiner und das Blanik Team definieren den Begriff des Umsteigens neu

Lästige Wartezeiten beim Umsteigen? Ständiges Umpacken beim Sicherheitscheck? Nicht wenn es nach Paul Steiner geht! Der 47-Jährige Fallschirmspringer des Red Bull Skydive Teams hat gemeinsam mit dem Blanix Spiegelflug Team ein noch nie dagewesenes Husarenstück hingelegt: 2.100 Meter über Grund öffnet der Salzburger die Kanzel des Blanik-Segelflugzeuges, klettert bis auf den Rand der Tragfläche und steigt bei 130km/h auf den knapp darunter fliegenden Blanik um. Im Anschluss berührt er im Stehen gleichzeitig beide Flieger und bildet so die menschliche Verbindung zwischen den Maschinen. Erst danach springt er von dem Blanik L-13 ab und landet mit seinem Fallschirm sicher auf obersteirischem Boden. Fazit: eine unvergleichliche fliegerische Leistung und der spektakulärste Luftfahrtstunt des Jahres.

Bei 130km/h hängt er sich per Rolle vorwärts unter den Flügel - Foto: Markus Zinner

Umsteigen für Fortgeschrittene.

„Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben soeben unsere maximale Reisehöhe von 2.100 Metern erreicht. Bitte bleiben Sie nicht angeschnallt, öffnen Sie den Notausgang ober Ihnen und begeben Sie sich möglichst rasch zur Tragfläche, um rechtzeitig Ihren Anschlussflug zu erreichen!“ So könnte, wenn es nach Paul Steiner und dem Blanix Team geht, die Durchsage der Stewardessen in Zukunft lauten. Drei Österreicher haben das schöne Frühlingswetter genutzt, um das moderne Flugwesen neu zu erfinden und das Prinzip der Zwischenlandungen kurzfristig abzuschaffen. Aufatmen für alle normalsterblichen Passagiere: Diese Art des Umsteigens wird in Linienflügen nicht eingeführt, von einer Nachahmung ist nämlich dringend abzuraten!

In Millimeterarbeit nähern sich die beiden Piloten an, der Umstieg gelingt - Foto: Markus Zinner

Mission: Possible.

Es klingt wie Baron Münchhausens Ritt auf der Kanonenkugel, ist allerdings seit dieser Woche ein reales Stück Luftfahrtgeschichte: Paul Steiner steigt bei 130 km/h aus dem Flugzeug aus, klettert auf die Tragfläche und hängt sich per Rolle vorwärts mit den Händen unten an den Flügel. Während er unter enormer Anstrengung fast eine Minute gegen die Schwerkraft und den starken Gegenwind ankämpft, nähert sich von hinten das zweite Segelflugzeug bis auf wenige Zentimeter, so dass Steiner auf dessen Tragfläche „umsteigen“ kann – ein Moment, in dem den Piloten kein Fehler passieren darf.

Mensch und Maschine. Damit nicht genug: Der Fallschirmspringer klettert im Anschluss auf den Rumpf seines neuen Untersatzes. Im Spiegelflug sinkt der zweite Blanik L-13 von oben herab. Meter für Meter kommen sich die Flugzeuge schwankend näher. Die letzten Zentimeter muss Steiner selbst per Funk einweisen, da die Piloten keine Sicht mehr auf ihn haben. Der Stunt gelingt: Mit beiden Beinen steht der Salzburger auf dem Rumpf des unteren Blanik, mit den Händen hält er sich am Leitwerk des oberen fest – die menschliche Verbindung zwischen zwei hochtechnischen Geräten. Einige Sekunden verharrt das ungleiche Trio in dieser unglaublichen Position, danach lösen sie die Formation auf und Steiner springt mit dem Fallschirm ab.

Im Spiegelflug schafft das Trio die „Connection“, bei der Paul Steiner beide Maschinen gleichzeitig berührt - Foto: Markus Zinner

Millimeterarbeit. Erschöpft, aber überglücklich landete der 47-Jährige sicher auf dem Flugplatz in Niederöblarn.

Der 47-jährige Salzburger ist Mitglied des Red Bull Skydive Teams - Foto: Markus Zinner

„Das war ein unglaublicher Stunt, den es auf dieser Welt noch nicht gegeben hat! Wir haben das ein Jahr lang geplant, Schwachstellen minimiert und jeden Schritt unzählige Male durchgespielt. Am Ende hat sich die Arbeit mehr als gelohnt.“ Auch die beiden Piloten Kurt Tippl und Ewald Roithner hatten allen Grund zu jubeln: „Das war Millimeterarbeit vom Feinsten! Es war heute sehr unruhig und schwierig zu fliegen. Aber wir haben bewiesen, dass wir ein perfektes Team sind und mit Segelflugzeugen so nah aneinander fliegen können, wie sonst keiner auf dieser Welt!“ Kaum war der Druck von den Himmelsstürmen abgefallen, mischte sich die Freude mit leisem Getuschel in der Ecke und einem verschmitzten Grinsen: „Wir haben schon wieder ein paar neue Ideen im Kopf, mehr wird natürlich nicht verraten“!

Über das Red Bull Skyteam

Das Red Bull Skydive Team wurde im Juni 2008 aus dem Heeressportverein Red Bull Salzburg heraus gegründet. Dazu zählen fünf hauptberufliche Fallschirmspringer (David Hasenschwandtner, Paul Steiner, Michael Löberbauer, Marco Waltenspiel und Georg Lettner) und Teamkoordinator Hans Huemer.

Das erfolgreiche Trio (v.l.): Blanik-Pilot Ewald Roithner, Fallschirmspringer Paul Steiner, Blanik-Pilot Kurt Tippl - Foto: Markus Zinner

Über das Blanix Team

Die Idee des Spiegelfluges mit der Blanik L 13 entstand im Sommer 2002 mit dem Gedanken, Kunstflug in hoher Präzision und Perfektion auszuüben. Die regelmäßigen Trainingsflüge über der Homebase in Aigen im Ennstal entwickelten sich binnen kurzer Zeit zu beeindruckenden Choreographien, gespickt mit Rauchkörpern und mystischer Musik von Ennio Morricone. Die erste Vorführung vor rund 25.000 begeisterten Zuschauern war ein voller Erfolg, es folgten bald weitere Einsätze, unter anderem bei der Airpower 2005 und 2009. Das Team der Blanix besteht aus fünf Personen: Kurt Tippl (Pilot, Teamleader), Gerfried Heinzle (Co-Pilot), Martin Strimitzer (Flügelmann), Ewald Roithner (Flügelmann) und Markus Köberl (Operator).

Über die L-13 Blanik

Der LET Blanik L 13 wurde zwischen 1956 und 1978 in der damaligen Tschechoslowakei gefertigt. Rund 2.700 Exemplare wurden in diesem Zeitraum hergestellt, ursprünglich zu militärischen Trainingszwecken. Der Blanik ist ein Zweisitzer mit einer Spannweite von 16,2 Metern und einer Länge von 8,4 Metern. Das Leergewicht beträgt 292 Kilogramm, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 252 km/h beziffert. Trotz seines gehobenen Alters wird das Segelflugzeug auch heute noch verwendet und eignet sich dank seiner gelungenen Bauweise und hohen Belastbarkeit auch für die Ansprüche des Kunstflugs.

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(red / Red Bull Sky Dive Team / Blanix Team)