So oder so ähnlich wie in der Überschrift könnte man das Verhalten vieler Bürger betiteln, die sich am Abend des 22. September in Wien zu einer Podiumsdiskussion zusammengefunden hatten. Das Thema: Fluglärm über Liesing und Verhinderung der dritten Piste für den Flughafen Wien. Während Moderator Josef Gepp, ein ausgezeichneter Journalist der angesehenen Stadtzeitung "Falter", sowie der Vorstand der "BI Liesing gegen Fluglärm und gegen die 3. Piste" ihre Anliegen korrekt und weitgehend sachlich zu artikulieren vermochten, konnte bei einigen Wortmeldungen aus dem Publikum für manchen Beobachter schon nach wenigen Minuten der Eindruck entstehen, wie bereits vorab befürchtet, eine Melange feinster Wiener Querulanten schlechthin versammelt zu haben, die zwar grundsätzlich gegen den bösen Fluglärm und die dritte Piste opponieren, tatsächlich aber keine Ahnung von den wirtschaftlichen Hintergründen, Zusammenhängen sowie flugbetrieblichen Notwendigkeiten zu haben scheinen.
Diskussionen über Fluglärm müssen selbstverständlich geführt werden, ein gesunder Diskurs ist eine der Wurzeln einer pluralistischen Demokratie, doch sollten dabei nachvollziehbare Fakten und wichtiges Hintergrundwissen nicht unter den Teppich gekehrt werden. Die pauschale Forderung, "stark bewohnte Gebiete" zu umfliegen - was demzufolge längere Flugstrecken bedeutet - würde jedenfalls zu einem höheren Treibstoffverbrauch und damit wiederum einer höheren Umweltbelastung führen. Hält man sich jetzt vor Augen, dass die viele "Fluglärmopfer" aber auch den durch die Flugzeugturbinen angeblich verursachten Feinstaub fürchten, wäre ihre geforderte Verlängerung der Flugzeiten doch kontraproduktiv, da noch mehr Feinstaub entstünde...
Das Flugzeug als Gefahr für Schwimmer?
"Man kann nicht mal mehr in Ruhe am Dachbad in Alterlaa sitzen. Es is' a Wahnsinn, lauter Flieger. Was ist mit dem Absturzrisiko?" - eine Wortmeldung aus dem Auditorium, die tosenden Beifall erntete. Es scheint demzufolge viele Menschen die Angst zu verfolgen, im Swimmingpool von einem abstürzenden Flieger getroffen zu werden.
Die Geräuschkulisse der benachbarten und bekanntermaßen vielbefahrenen Altmannsdorfer Straße mit einer beeindruckenden Klangvielfalt an Pkw, Schwerverkehr und dröhnend auffrisierten Zweirädern dürfte von den "Lärmgeplagten" in Ermangelung einer diesbezüglichen Beschwerde vermutlich als angenehm empfunden werden.
Ob hier nicht einfach die Luftfahrzeuge als Ventil für nicht weiter umrissene Aggressionen anderer Genese herhalten müssen? So unwahrscheinlich erscheint das nicht...
Die Absturzgefahr
Zurück zum Absturzrisiko - ob über dem Dachschwimmbad oder anderswo. Die Wohnhausanlage in Alterlaa existiert seit 1973, also beinahe 40 Jahren. In dieser Zeit ist dort kein einziges Verkehrsflugzeug abgestürzt, ebenso wenig wie woanders im Wiener Stadtgebiet. Im gleichen Zeitraum kamen aber allein in Österreich über 10.000 Menschen durch Unfälle im Straßenverkehr ums Leben. Von den Toten und Verletzten durch Freizeit-, Haushalts- und Arbeitsunfälle ganz zu schweigen. Ob man sich als Panik-Opfer eines möglichen Flugzeug-Crashs also lieber in der Wohnung einsperrt, oder doch weiterhin regelmäßig Bus, Bahn, Straßenbahn oder womöglich sogar ein Auto zur Fortbewegung benutzt und sich damit einem höheren Risiko als der Gefahr, dass auf das Eigenheim ein Flugzeug stürzt, aussetzt, bleibt freilich ein Geheimnis. Vielleicht hat man aber im Zuge der aviatischen Panikattacken noch gar nicht daran gedacht, wie gefährlich das Überqueren einer Straße oder die Benutzung eines Autos sein kann. Aber gut, wer hat nicht auch beim Lottospielen die minimale Jackpot-Chance vor Augen, als sich mit realen Wahrscheinlichkeiten auseinanderzusetzen...
Schlaflos in Liesing
Ein weiterer Bürger meinte zu wissen, dass es "in Wien und Liesing hunderttausende Menschen gibt, die durch den Fluglärm nicht mehr schlafen können und in der Früh durch den Lärm der Flugzeugturbinen förmlich aus dem Schlaf gerissen werden." Wer ein solches Statement vernimmt und nicht ortskundig ist, könnte glatt denken, Liesing liege unmittelbar neben dem Flughafen, wo die Anwohner selbstverständlich einer manchmal auch als störend empfundenen Lärmbelastung durch startende und landende Flugzeuge ausgesetzt sind. Doch mitnichten, der Wiener Stadtteil Liesing liegt rund 20 Kilometer vom Flughafen entfernt. Woher der Herr seine Zahl von den "hunderttausenden Schlaflosen" hat, verrät er freilich nicht. Ist wohl (s)ein Betriebsgeheimnis. Und wahrscheinlich auch besser so.
Zum Glück für alle "lärmgeplagten Liesinger" und Wiener gab es dann auch noch jene Dame, die sich zu folgender Wortmeldung hinreißen ließ: "Die Bürger sollen mehr österreichische Waren kaufen, dann haben wir weniger Charterflüge, die das alles, so wie die Äpfel aus Südafrika, herbringen." Den Charterflug, der südafrikanische Äpfel und "überhaupt alles" nach Österreich bringt, sucht man vermutlich vergeblich.
Ein asiatisches Sprichwort besagt, dass jede Aussage, die man tätigt, klüger sein sollte als es das Schweigen gewesen wäre. Man könnte diesem in einem solchen Zusammenhang durchaus viel abgewinnen.
Die genannten Beispiele waren nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was sich an besagtem Abend zugetragen hat.
Sekundiert wurde diesen Bürgern von einem Arzt, der auf die gesundheitsgefährdende Wirkung von Lärm im Allgemeinen hinwies (werden Kraftfahrzeuge, Züge, U-Bahnen, Straßenbahnen, Baustellen und Fabriken jetzt eigentlich abgeschafft? Sie machen schließlich auch Lärm!) und ein dadurch gestiegenes Risiko für Herz-/Kreislauferkrankungen konstruierte. Dazu würde sich auch noch Feinstaub als weiteres Gesundheitsrisiko hinzu gesellen, so der Mediziner. Als Fundament versuchte er seine Ausführungen ausgerechnet mit einer Studie eines deutschen Kollegen zu untermauern, welche selbst in Ärztekreisen äußerst umstritten ist und heftig diskutiert wird.
In der angesehenen "Ärzte Zeitung" heißt es zu genau dieser Studie in einem Artikel aus dem Jahr 2010 nämlich:
"Erich Klemme, Leiter des Gesundheitsamts des Kreises, bemängelt die Methodik der Untersuchung und hält die Ergebnisse für stark erklärungsbedürftig."
Dem Publikum war's egal, Hauptsache, es hörte das, was es hören wollte: Eine Bestätigung dafür, wie gefährlich und gesundheitsschädigend die Abflugroute über Liesing wegen des Lärms und der Feinstaubbelastung doch sei, und dass die dritte Piste nicht gebaut werden sollte. Kein Argument konnte an diesem Abend hanebüchen genug sein, wenn es nur die Erwartungshaltung des aufgeheizten Publikums zu befriedigen vermochte. Daran beteiligten sich auch, wen wundert's, die Vertreter von FPÖ, ÖVP sowie der Grünen. Schließlich ging es auch um Wählerstimmen, und die sind bei dem traurigen politischen Niveau in unserem Lande bekanntlich wichtiger als Sachlichkeit. Der einzige Politiker, der an diesem Abend nicht grundsätzlich gegen die Flugroute über Liesing und den Bau der dritten Piste opponierte, sondern geduldig versuchte, nicht dem Publikum nach dem Mund zu reden, wurde sofort gnadenlos ausgebuht und mehrfach unterbrochen. Erich Valentin von der Wiener SPÖ stand also auf verlorenem Posten und wurde für seine sachlichen Ausführungen scharf attackiert.
Übrigens, nach dem Wissensstand des Autors sind die größten Feinstaubverursacher in Wien neben Autos nämlich Züge und Straßenbahnen. Wo bleibt die Bürgerinitiative, die deren Abschaffung wegen des Gesundheitsrisikos fordert?
Und dann war da noch ein ehemaliger AUA-Pilot, der allen Ernstes zum Besten gab, dass Flüge über bewohntes Gebiet generell vermieden werden sollten. Schließlich existiere ein Absturzrisiko. Der Beifall des Publikums zu seinen Worten ist an dieser Stelle schon gar nicht mehr erwähnenswert. Ebensowenig wie die offensichtliche Realitätsfremde dieses Herren.
Die interessanteste Frage des Abends blieb (jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Verfasser dieser Zeilen die Veranstaltung verlassen musste, um nicht von einer Kombination aus Wein- und Lachkrämpfen geschüttelt zu werden) allerdings unbeantwortet, weil erst gar nicht zur Sprache gebracht: Wie viele jener Bürger, die sich in Unterschriftenlisten eintragen, in Internetforen und auf solchen Versammlungen über den angeblichen Fluglärm echauffieren, nutzen eigentlich selbst das Flugzeug für Geschäfts- und Privatreisen?
Die Antwort darauf wäre nicht nur höchst interessant, sondern wohl auch entlarvend für die erbärmliche Scheinheiligkeit und Doppelmoral vieler der selbsternannten "Liesinger Opfer des Fluglärms" gewesen.
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Umfrage – Mehrheit fühlt sich nicht durch Fluglärm gestört
Text: A. V. aus Liesing
Streifzüge durch Leserreaktionen
Henrik (via Facebook): "Super Artikel... So ein Schwachsinn das Ganze. Wohne ebenfalls in dieser Gegend und da gibt's genug andere Dinge die störend sind. Aber sicher nicht die Flugzeuge. Wäre dafür, dass diese Leute namentlich erfasst werden und auf eine Watchlist kommen bei jeder Airline - somit auch nicht mehr die Möglichkeit zum Erwerb eines Flugtickets haben... Aber im Charterflieger auf die Balearen wollen sie alle schön am Fenster sitzen und nerven die anderen mit ihren dummen Applaus bei der Landung!" |
Timon (via Facebook): "Toller Bericht! Hab schon während dem Lesen mitgefühlt, gelacht, den Kopf geschüttelt und mir ca. ausmalen können wie es dort zugegangen ist. Aber ja, wir sind hier in Österreich und wir lassen uns eben das Privileg 'Sudern' nicht nehmen. Wer uns mit sachlich fundierten Gegenargumenten kommt, wird als Querdenker oder sonstiges abgewertet. Bin gespannt wie diese Causa weitergeführt wird und wies mit der neuen Piste in Schwechat aussehen wird." |
Stefan (via Facebook): "Diese ignoranten Querulanten sollen gefälligst mit dem Fahrrad zum nächsten Biobauern fahren und dort den täglichen Bedarf decken. Alles andere kommt nämlich mit dem bösen lauten Flugzeug oder Lkw. Alles nur Politikum und Dummquatscherei. Danke für den erfrischend entlarvenden Artikel. Zugleich Schande für die Wiener Bevölkerung." |
Silvio (via Facebook): "Das spricht doch für den typischen Wiener. Immer und überall nörgeln und von nichts Ahnung haben." |
Erich (per E-Mail): "Ich finde, der Poster braucht sich nicht durch die emotionalen Wortmeldungen gestört fühlen, sondern er sollte viel mehr daran gehen zu fragen, was die Menschen dazu bringt, ihrem Ärger auf diese Weise Luft zu machen - die Ohnmacht gegenüber der Lobby, die politisch unverständliche Art des Auftretens von Hr. Valentin, das ineffiziente Mediationsforum, die Farce des UVP,..." |
Christian K. (via Facebok): "Nörgeln tut doch fast jeder! Und viele haben die Meinung, 'Bei mir keinen Lärm, aber beim Nachbarn schon'!" |
Christian E. (via Facebook): "Genial... Vor allem die Angst des Schwimmers." |
Michi (via Facebook): "Ich finde es traurig, dass diese Menschen nicht an die wirtschaftliche Wichtigkeit dieser Flugzeuge denken. Das der typisch egoistische Wiener. Dasselbe beim Auto fahren, der gleiche Egoismus. Ich wohne genauso in der Einflugschneise und ich bin der Meinung, dass man es nicht einmal mehr hört." |
Karlheinz (via Facebook): "Wien ist überall, die Meckerer werden immer mehr!" |
Michael (via Facebook): "Ich wohne unter der Abflugschneise in Liesing, und ich kann sehr wohl sagen, dass mich die Flugzeuge stören; die, die das nicht hören, sollen sich gefälligst ein Hörgerät kaufen!" |
Silvia (via Facebook): "Keiner will den Lärm, keiner will die Umweltverschmutzung, aber alle wollen in den Urlaub oder geschäftlich fliegen!" |
Thomas (via Facebook): "Das gleiche Problem wie bei uns in München: 'Wozu eine 3. Startbahn, Hauptsache die eine ist da von der ich starte'." |
Silvia (via Facebook): "Keiner will den Lärm, keiner will die Umweltverschmutzung, aber alle wollen in den Urlaub oder geschäftlich fliegen!" |
Ervin (per E-Mail): "Amüsant ist es auch immer, von diversen Bürgerinitiativen-Vertretern zu hören, man habe sich damals, vor 40 Jahren, explizit eine 'Wohnung in Ruhelage' gekauft, und nun ist hie und da eben ein Flugzeug zu hören. - Was sollten da bitte andere Leute sagen? Als meine Großeltern vor Jahrzehnten in ihre Wiener Wohnung eingezogen sind, hatten sie auch maximal ein paar Pferdefuhrwerke als Verkehrsgeräuschkulisse pro Tag. Später dann kam die Straßenbahn, die fortan bei jedem Vorbeidonnern ein Aussetzen des Fernsehbildes und ein Vibrieren aller Fenster ausgelöst hat, und schließlich die Lkw. Und selbst besitze ich ein Haus in Niederösterreich - dort, wo noch vor kurzem Felder und Hecken waren, ist jetzt die A5/Nordautobahn quasi vor der Haustüre. Es gibt in manchen Regionen nun einmal verkehrsbedingte Entwicklungen im Laufe der Zeit, und Hand aufs Herz - wohl fast jeder, der sich über die eine oder andere begleitende unerwünschte Seite des Fortschritts (in den meisten Fällen dieser Art eben die Geräuschkulisse) aufregt, nützt seine Annehmlichkeiten ja doch auch regelmäßig. Ich kann die Doppelmoral vieler Bürgerinitiativen nicht ganz verstehen - 'Beeinträchtigungen ja, so lange sie nur nicht uns selbst betreffen...' Logistisch wird's schwer, alles nur 'zum Nachbarn' zu schieben, denn wenn dort zufällig auch Bürgerinitiativen auf die Barrikaden steigen, wohin geht man dann, bis Endstation ist...?!" |
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