In modernen Flugzeugkabinen kommen zunehmend elektronische Bauteile, wie Bildschirme zum Einsatz. Diese produzieren immer mehr Wärme, die aus der Kabine abgeführt werden muss. Herkömmliche Belüftungssysteme stoßen dabei an ihre Grenzen: Sie müssen immer kühlere Luft einblasen, was für die Passagiere Zugerscheinungen zur Folge haben kann. Jetzt haben Forscher des DLR Göttingen und von Airbus ein Belüftungssystem erstmalig im Flugversuch mit dem DLR-Forschungsflugzeug ATRA getestet, das eine Lösung des Problems verspricht: die sogenannte Quelllüftung. Dabei strömt die Luft, anders als bisher üblich, durch Lufteinlässe am Boden mit geringer Geschwindigkeit in die Kabine ein. An den Passagieren und anderen Wärmequellen erwärmt sie sich und steigt langsam nach oben: dorthin, wo sie gebraucht wird und ohne Zugerscheinungen.
"Die erwarteten Vorteile der Quellbelüftung wurden bestätigt", sagt Dr. Johannes Bosbach vom DLR-Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik. "Die Luftgeschwindigkeit und damit die Zugerscheinungen sind viel geringer als bei der herkömmlichen Belüftung. Das zeigen sowohl die Sensorsignale als auch die Rückmeldungen der Probanden." Die Flugzeugkabine konnte problemlos auf Raumtemperatur gekühlt werden.
Bei dem Flugversuch ist der ATRA viereinhalb Stunden in zehn Kilometern Höhe geflogen. Dauer und Flughöhe entsprechen einem normalen Mittelstreckenflug. Für den Flugversuch wurden 63 Dummies auf den Passagiersitzen angeschnallt. Die menschengroßen Puppen wurden mit einem elektrisch beheizten Draht umwickelt, der eine Energie von 75 Watt abgibt. Das entspricht der durchschnittlichen Wärmeabgabe eines Passagiers auf einem Mittelstreckenflug. Sensoren unter anderem auf Knöchel-, Knie- und Kopfhöhe maßen die Temperatur- und Strömungsgeschwindigkeit der Luft. Insgesamt kamen mehr als 220 Sensoren zum Einsatz. Gemessen wurden unter anderem auch der Druck und die Luftfeuchtigkeit. Ein Laserlichtschnitt machte die Luftströmung sichtbar. Außerdem flogen auch zwölf menschliche Versuchspersonen mit. Sie sollten rein subjektiv bewerten, wie angenehm die Belüftung ist.
Flugzeuge müssen gekühlt werden
Bei der konventionellen Mischlüftung wird die Luft von oben und mit höherer Geschwindigkeit in die Kabine eingeblasen. Besonders Passagieren, die am Gang sitzen, droht dabei eine kalte Schulter. Für die Quelllüftung wurde die Klimaanlage von Airbus umgebaut und quasi auf den Kopf gestellt. Jetzt wird die Luft unten mit niedriger Geschwindigkeit eingeblasen und oben wieder heraus gelassen. Bei der Quelllüftung bildet sich im Bodenbereich ein Frischluftsee, dessen Luft an warmen Flächen, zum Beispiel Menschen, nach oben strömt. Frische Außenluft steht damit dort zur Verfügung, wo sie benötigt wird. Außerdem ist sichergestellt, dass die kühlere Zuluft über die zu kühlenden Objekte strömt, wodurch das Prinzip der Quelllüftung viel energieeffizienter arbeitet. Dadurch braucht die Zuluft nicht so stark gekühlt werden wie bisher im Flugzeug üblich. Denn, so DLR-Mitarbeiter André Heider: "In einem Passagierflugzeug muss die Luft immer gekühlt werden. Passagiere und Elektronik produzieren nämlich viel Wärme." Auf Grund der geringeren Luftgeschwindigkeit werden außerdem unangenehme Zugerscheinungen reduziert und die Raumbehaglichkeit erhöht. In vielen öffentlichen Gebäuden wie Kinos oder Konzertsälen wird diese Art der Belüftung bereits angewendet. Das DLR und Airbus haben diese Technik erstmals in einem fliegenden Flugzeug ausprobiert.
Das DLR Göttingen beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit der Computersimulation und experimentellen Untersuchung des Klimas an Bord von Flugzeugen. In Göttingen verfügt das DLR über das Forschungsflugzeug Do 728 sowie verschiedene Kabinenausschnitte beispielsweise vom A 380. Die Messtechnik sowie die Dummies sind vom DLR in Göttingen entwickelt worden. Jedes Einzelteil musste allerdings für den Flugversuch neu zugelassen werden. Die Dummies dürfen beispielsweise erst ab 200 Grad brennen.
Im kommenden Jahr ist ein Flug geplant, in dem die herkömmliche Belüftung zum Vergleich untersucht werden soll.
(red / DLR)