B-25, festgezurrt an Bord der USS "Hornet" - eine neuartige Idee
Wir schreiben das Jahr 1942, April 1942 um genau zu sein. Auf dem Deck des Flugzeugträgers USS "Hornet" sind 16 modernste mittelschwere Bomber vom Typ B-25 "Mitchell" verzurrt. Der Träger befindet sich gemeinsam mit der USS "Enterprise" und mehreren Begleitschiffen auf dem Weg nach Japan, um einen Angriff durchzuführen, der in die Annalen sowohl der amerikanischen Marine, als auch der Luftwaffe eingehen sollte - den sogenannten "Doolittle Raid". Dies ist die Geschichte dieses Angriffs.
"Yesterday, December 7, 1941—a date which will live in infamy—the United States of America was suddenly and deliberately attacked by naval and air forces of the Empire of Japan."
Mit diesen Worten unterrichtete Franklin D. Roosevelt seine amerikanischen Mitbürger über den japanischen Überraschungsangriff auf den Flottenstützpunkt der amerikanischen Pazifikflotte in Pearl Harbor auf Hawaii. Zeitgleich hatten die kaiserlich japanischen Streitkräfte ihre Angriffe auf die Besitzungen der Amerikaner, Engländer und Holländer im Pazifik und in Südostasien begonnen und waren auf stetigem Vormarsch. Ein Stützpunkt nach dem anderen fiel den Japanern in die Hände, und auch das als uneinnehmbar geltende Singapur und die Philippinen mussten schlussendlich vor den Japanern kapitulieren. So wie es aussah, konnte nichts die Japaner in ihrem Vorhaben, ihre sogenannte "Greater East Asia co-prosperity sphere" zu errichten, aufhalten.
"Battleship Row" nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor
Die USA, eines Großteils ihrer Pazifikflotte beraubt, waren in die Defensive gedrängt und sahen sich nun auch noch seit der Kriegserklärung Hitlers an die Vereinigten Staaten in einen Weltkrieg gestoßen, der an zwei Fronten geführt werden musste – und die amerikanische Kriegsmaschinerie war (noch) nicht auf einen derartigen Konflikt vorbereitet. Was zunächst für die Amerikaner wie ein Schachmatt im Pazifik aussah, ein Großteil aller Schlachtschiffe war in Pearl Harbor entweder versenkt oder schwer beschädigt worden, entpuppte sich jedoch sehr bald als strategischer Glücksfall für die US Navy.
"Warplan Orange"
Ironischerweise waren es die USA gewesen, die Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem Geschwader ihrer Flotte die Öffnung Japans für den Westen mehr oder weniger erzwungen hatten. Seit diesem Zeitpunkt hatte sich Japan mit Riesenschritten von einer rückständigen, feudal beherrschten Insel zu einer Industrienation ersten Ranges entwickelt, die im Konzert der Großmächte eine immer größere Bedeutung spielen wollte und dies auch tat. Spätestens nach dem gewonnenen Krieg gegen das russische Kaiserreich 1905/6 war der neuen Kolonialmacht USA klar, dass hier ein ernst zu nehmender Gegner im Heranwachsen begriffen war, der einem die Vorherrschaft über die gerade erst von den Spaniern eroberten Territorien ernsthaft streitig machen würde.
Man begann, Vorkehrungen zu treffen und Pläne für den Ernstfall – einen Krieg gegen das Kaiserreich Japan – auszuarbeiten. Diese Pläne wurden alsbald unter dem Namen "Warplan Orange" zusammengefasst und stetig weiterentwickelt. Die Theorie der Kriegsplaner wurde auch im Rahmen alljährlicher "fleet problems" in der Praxis erprobt und entsprechend abgeändert oder adaptiert.
Wie weitsichtig manche der in diesem Zusammenhang entwickelten Kriegsspiele waren, lässt sich an der Tatsache erkennen, dass im Rahmen mehrerer "fleet problems" sowohl Angriffe auf Pearl Harbor, als auch auf die Schleusen des Panama-Kanals unter Verwendung der damals neuen großen Flottenträger "Saratoga" und "Lexington" "geübt" wurden-beide mit großem Erfolg für die "Angreifer". Besondere Lehren wollten die amerikanischen Admiräle, großteils noch verankert im strategischen Denken der Entscheidungsschlacht mit Schlachtschiffen, jedoch nicht ziehen, mit ernsthaften Konsequenzen am 7. Dezember 1941.
Nahezu bis zu diesem schicksalhaften Tag war allen Plänen, die unter dem "Warplan Orange" zusammenliefen, eins gemein – sie mündeten früher oder später in eine Entscheidungsschlacht der gegnerischen Flotten im Zentralpazifik, geschlagen hauptsächlich durch die beiden Schlachtschiffflotten, unterstützt durch die Flugzeugträger.
In einer derartigen Schlacht sollte sich die Frage der Vorherrschaft im Pazifik entscheiden und damit einhergehend das Schicksal der beiden Nationen.
Die entscheidende Rolle hierbei spielten, wie bereits gesagt, die Schlachtschiffe mit ihren weitreichenden Geschützen-die beiden Riesen "Yamato" und "Musashi" waren für diese eine Entscheidungsschlacht konzipiert und gebaut worden.
Dem Flugzeugträger, einer relativ neuen Waffengattung, kam zunächst nur unterstützende Funktion zu, waren doch die ersten Trägerkampfflugzeuge für gut gepanzerte Schlachtschiffe kaum ernstzunehmende Gegner. Dies änderte sich allerdings allmählich, als die Flugzeuge immer besser wurden, und schwerere Bomben und Torpedos über immer größere Distanzen tragen konnten.
Die USS "Lexington" mit ihrer Airgroup - eines der größten Kriegsschiffe der damaligen Zeit
1939 besaßen sowohl die USA als auch Japan moderne, äußerst kampfstarke Flugzeugträger und auch eine ausgereifte Doktrin, wie deren Air Groups eingesetzt werden sollten.
1940 schließlich demonstrierte die Royal Navy, was sogar veraltete Trägerflugzeuge anrichten konnten, als einige "Swordfish" Doppeldecker die italienische Flotte im Hafen von Taranto angriffen und derartigen Schaden anrichteten, dass die einstmals stolze italienische Marine für längere Zeit nicht mehr in großer Stärke ins Mittelmeer auslaufen wollte.
Die Japaner zogen die Lehren aus diesem Angriff, der ihnen als Muster für ihren Schlag gegen Pearl Harbor dienen sollte.
Geplant von Admiral Yamamoto, dem besten Taktiker der japanischen Flotte, erfüllte der Angriff auf Pearl Harbor auch fast alle in ihn gesetzten Erwartungen, entpuppte sich jedoch in mehrerlei Hinsicht für die Japaner als Fehlschlag, der sie in weiterer Folge teuer zu stehen kommen sollte.
Weder der U-Bootstützpunkt, noch die Treibstofflager wurden vernichtet, noch gelang es den Japanern, die amerikanischen Flugzeugträger auszuschalten. Diese waren nämlich gar nicht im Hafen vor Anker, sondern auf mehreren Sondereinsätzen im Pazifik unterwegs, hauptsächlich damit beauftragt, Flugzeuge und Personal zu entfernten Inselstützpunkten zu transportieren.
Und nun wurde aus der eigentlich nur zur Unterstützung der Schlachtschiffe gedachten Waffengattung die einzige offensive Streitmacht, über die man im Pazifik noch verfügte, abgesehen von einigen schweren und leichten Kreuzern.
Innerhalb weniger Stunden war notgedrungener Weise aus einer Schlachtschiff-Flotte eine Flugzeugträger-Flotte geworden. Eine taktische und strategische Revolution mit weitreichenden Folgen für die Zukunft.
Admiral Yamamoto Isoroku, der Mann der den Angriff auf Pearl Harbor geplant hatte
Schlussendlich hatte man jedoch auch die amerikanische Bevölkerung nicht einschüchtern können, im Gegenteil!
"Ich fürchte, wir haben einen schlafenden Riesen geweckt", die Einschätzung des Admirals Yamamoto nach der Attacke auf Hawaii sollte sich in den kommenden vier Jahren auf grausame Weise als wahr herausstellen.
"Zurückschlagen – mit allen Mitteln“
War man auf amerikanischer Seite unmittelbar nach dem 7. Dezember zunächst damit beschäftigt, die eigenen Wunden zu lecken, die Schäden an den Hafenanlagen und den Schiffen zu beheben und sich auf den Krieg einzustellen, machte sich sehr bald der Ruf nach Vergeltung laut. Die U-Bootflotte erhielt den Befehl, uneingeschränkten Krieg gegen die japanische Schifffahrt zu führen und auch Handelsschiffe ohne Vorwarnung anzugreifen und zu versenken, und die amerikanischen Streitkräfte kämpften verbissen auf pazifischen Inseln wie Guam und Wake und auf den Philippinen, um die Japaner zu stoppen. Zu deren Unterstützung war die US Navy auf ihre Flugzeugträger angewiesen. Diese führten eine Reihe von kleineren Angriffen auf entlegene japanische Stützpunkte durch, ohne ernsthaft Schaden anzurichten, machten den Japanern aber klar, wie wichtig es war, diese letzten schlagkräftigen Einheiten der amerikanischen Flotte zu vernichten.
Was sie nicht wissen konnten war, dass die Amerikaner aber bereits dabei waren, einen viel ehrgeizigeren Plan auszuarbeiten, um der Bevölkerung daheim Mut zu machen und ihr zu zeigen, dass die Japaner alles andere als unbezwingbar waren und die amerikanische Flotte keinesfalls besiegt war, im Gegenteil.
Und ironischer Weise kam die ursprüngliche Idee zu diesem Plan von einem U-Boot Offizier, der noch nie auf einem Flugzeugträger gedient oder einen Einsatz in einem Bomber mitgemacht hatte.
Der Plan – innovativ für die einen, ein Selbstmordkommando für die anderen
Es war schnell klar, wie man vorgehen wollte. Man wollte die Japaner da treffen, wo sie es nicht erwarten würden, und wo es am meisten weh tun würde. Mit Angriffen auf entfernte Inselbasen war das nicht zu bewerkstelligen. Ein Angriff auf die japanischen Hauptinseln und die Hauptstadt Tokio wäre da schon etwas völlig anderes. Doch wie sollte man so einen Angriff bewerkstelligen können?
Das Army Air Corps besaß zwar Bomber mit großer Reichweite – die B-17 und auch ein paar Exemplare der ganz neuen B-24 "Liberator" – doch selbst diesen fehlte die für diese Mission erforderliche Reichweite. Außerdem waren viele der im pazifischen Raum verfügbaren B-17 Bomber, die sogenannten "Fliegenden Festungen", bereits in den Kämpfen um die Philippinen zerstört worden. Eine weitere Idee sah den Einsatz von Douglas B-23 von Basen auf dem chinesischen Festland aus vor, doch die B-23, eine militärische Verwandte der DC-3, war als Bomber ein Fehlschlag und kam für einen derartigen Einsatz nicht in Frage.
Ein U-Boot Offizier namens Captain Francis Low brachte schließlich die entscheidende Idee. Er hatte Admiral Ernest King, Chief of Naval Operations, vorgeschlagen, mittelschwere Bomber auf einen Flugzeugträger zu verladen, diesen bis auf einige hundert Seemeilen vor die japanische Küste fahren zu lassen und die Bomber dann von diesem Flugzeugträgerdeck aus zu starten um ihnen so die notwendige Reichweite zu verleihen, die nötig wäre, Japan anzugreifen.
Die "Mitchells" an Bord der USS "Hornet"
Nach dem Angriff sollten die Flugzeuge dann weiter nach China zu fliegen um dort zu landen. Er war auf diese Idee gekommen, als er mehrere der neuen B-25 "Mitchell" Bomber in Norfolk bei simulierten Angriffen auf ein auf die Runway aufgemaltes Flugzeugträgerdeck gesehen hatte, das normaler weise bei Landeübungen von Marineflugzeugen verwendet wurde.
Die Grundidee war also geboren, was man nun noch benötigte waren die richtigen Flugzeuge und einen Offizier, der den Angriff planen, die Besatzungen auswählen und sie schließlich auch in den Kampf führen sollte. Ersteres ergab sich mehr oder weniger von selbst.
"The right tool fort the job at hand"
Die normaler Weise auf den Träger stationierten Sturz- und Torpedobomber der Navy hatten eine zu geringe Reichweite. Jeder Flugzeugträger hätte bis auf maximal 200 Seemeilen an die japanische Küste fahren müssen, um seine eigenen Geschwader gegen Japan einsetzen zu können, Selbstmord bei den vorherrschenden Kräfteverhältnissen zu See.
Die schweren Bomber der Army waren zu schlicht und einfach zu groß für die Trägerdecks und letztere wären auch zu klein bemessen gewesen, um den Riesen des Air Corps überhaupt einen Start ermöglichen zu können.
Die B-17, hier eine B-17G, waren zu groß für die vorgesehenen Träger
Nachdem man alle übrigen verfügbaren Flugzeugtypen im Arsenal überprüft hatte, blieb als einziges Muster die B-25 "Mitchell" übrig, die alle erforderlichen Kriterien erfüllte – eine Reichweite von etwa 4.500 Kilometern mit einer Bombenlast von etwa 900 kg.
Dies war jedoch nur durch eine radikale Modifizierung der B-25 möglich, die unter anderem den Ausbau eines Waffenstandes, die Entfernung mehrerer nicht wichtiger Ausrüstungsgegenstände und des hoch geheimen "Norden"-Bombenvisiers sowie den Einbau zusätzlicher Treibstofftanks umfasste.
Eine noch immer flugfähig erhaltene B-25 "Mitchell", 2009 über Duxford
Der gesamte Plan blieb aber noch immer riskant. Er sah vor, dass die Bomber nach dem Angriff weiter nach China fliegen, dort landen und dann der chinesischen Luftwaffe überlassen werden sollten. Ein wichtiges Element in diesem Plan fehlte jedoch noch – die entsprechenden Flugplätze auf chinesischem Boden. Obwohl man zuversichtlich war, sich mit dem Führer der Chinesen, Chiang Kai-Chek, rechtzeitig auf diplomatischem Weg zu einigen, diese Flugplätze auch bauen und verwenden zu dürfen, war es keinesfalls sicher, dass die Flugfelder rechtzeitig fertig werden würden, um sie für den geplanten Angriff auf Japan nutzen zu können. Kai-Check zögerte noch aus einem anderen Grund, seine Zustimmung zu erteilen. Er fürchtete Repressalien durch die Japaner, sollten Chinesen den Amerikanern helfen.
Und er sollte auf fürchterliche Weise Recht behalten, wie sich noch zeigen würde. Der gesamte Einsatz würde ohne diese Flugfelder aber zum Scheitern verurteilt sein und für die Besatzungen möglicherweise zu einem Flug ohne Wiederkehr werden.
Nichtsdestotrotz wurde auf höchster Führungsebene, Präsident Roosevelt war persönlich involviert, entschieden, nicht von diesem Plan abzulassen.
Was jetzt fehlte, war ein Anführer, der willens war, das Risiko auf sich zu nehmen und dem die Besatzungen folgen würden, komme was wolle. Auch hier hatten die Amerikaner Glück, einen der besten Flieger der Welt in ihren Reihen zu haben, den sie mit dieser schwierigen Aufgabe betrauen konnten.
Jimmy Doolittle – eine lebende Legende
Der Mann, der für diese Aufgabe ausgewählt wurde, war eine lebende Legende.
Jimmy Doolittle, Zweiter von Links und seine Crew beim Angriff auf Tokio
1942 bereits 46 Jahre alt, hatte er noch im Ersten Weltkrieg fliegen gelernt, war jedoch nicht mehr zum Kampfeinsatz gekommen. In der Zwischenkriegszeit hatte er nicht nur als Einer der Ersten einen Abschluss in Aeronautical Engineering am renommierten MIT gemacht, sondern war auch kurzfristig Inhaber des Geschwindigkeitsweltrekords für Flugzeuge. Er hatte einen Sieg im berühmten "Schneider Cup" für die USA erflogen, war der erste Pilot überhaupt der einen Außenlooping geflogen hatte und war danach als Testpilot maßgeblich an der Entwicklung von Blindfluginstrumenten- und Verfahren beteiligt.
Da ihm die Luftstreitkräfte, bedingt durch knappe Budgets, aber nicht das Umfeld für weitere Entwicklungen auf dem aeronautischen Sektor bieten konnten, wechselte er zur "Shell Oil", wo er eine der Schlüsselfiguren bei der Entwicklung von hochwertigen Flugzeugtreibstoff war – Benzin mit der Oktanzahl 100 geht maßgeblich auf ihn zurück und verschaffte den kolbengetriebenen Flugzeugen der alliierten im Zweiten Weltkrieg einen Leistungsvorsprung gegenüber deutschen Jagdflugzeugen, die mit 87 oder 93 Oktan auskommen mussten. Er schied jedoch nicht ganz aus den Streitkräften aus, sondern verblieb in Reserve.
Als die Zeichen Ende der 30er Jahre aber wieder auf Krieg standen, wechselte Doolittle zurück in den aktiven Dienst und hatte 1942 den Rang eines Oberst (Englisch: Colonel) inne, als er den wohl wichtigsten Einsatz seines Lebens fliegen sollte.
Das Training beginnt
Man hatte nun also die Flugzeuge und den Anführer, nun ging es an die Auswahl der Besatzungen. Im Februar 1942 verfrachtete man zwei B-25 auf die USS Hornet, um zu sehen, ob der Start von einem Flugzeugträgerdeck möglich war - beide Maschinen starteten problemlos. Die Besatzungen rekrutierte man aus der relativ jungen 17th Bomb Group (medium), die über die meiste Erfahrung auf der B-25 verfügte. Man sagte ihnen nur, daß es sich um einen äußerst gefährlichen Einsatz ohne Garantie auf sichere Rückkehr handeln würde. Dennoch meldeten sich mehr Männer als Doolittle eigentlich benötigte.
Die Gruppe verlegte von der West- an die Ostküste und begann sofort mit weiteren Übungsflügen. Danach fragte man erst nach Freiwilligen für eine "extrem gefährliche Aufgabe", ohne diese jedoch zu spezifizieren.
Doolittle und ein Teil seiner Besatzungen, schon an Bord der USS "Hornet"
Der ursprüngliche Plan sah einen Angriff mit 20 Flugzeugen vor und so wurden 24 "Mitchells" wie bereits beschrieben für den Einsatz modifiziert.
Nach der Umrüstung wurden die 24 umgebauten Bomber nach Florida überführt und begannen ab März mit einem dreiwöchigen, intensiven Trainingsprogramm, das Starts von immer kürzeren Startbahnen, Tiefflüge, Nachtflüge, Navigationsübungen über Wasser und Bombenwurfübungen umfasste.
Erstaunlicher weise gab es trotz des fordernden Trainingsprogramms nur einen schweren Unfall mit einem schwer beschädigten Flugzeug. Ein weiterer Bomber musste wegen technischem Defekt ausgeschieden werden, es blieben somit noch 22 Flugzeuge für die Mission übrig.
Diese flogen schließlich am 25. März wieder an die Westküste, wo nach finalen Modifikationen 16 "Mitchells" übrig blieben, die schlussendlich am 31. März nach Alameda, Kalifornien aufbrachen, um in weiterer Folge auf die USS Hornet verladen zu werden, die sie zum Absprungpunkt vor der japanischen Küste bringen sollte. Die Besatzungen wussten zu diesem Zeitpunkt noch immer nicht, an was sie teilnehmen würden und was ihr Ziel sei. Trotzdem war die Moral hoch – die "Doolittle Raiders" stachen in See.
Der Fahrt gen Westen
Am 1. April legte die USS Hornet in Alameda ab und machte sich auf den Weg in den Pazifik. Unterwegs traf man auf die Eskorte, Task Force (TF) 16, bestehend aus der USS "Enterprise" sowie mehreren Kreuzern und Zerstörern. Befehligt wurden beide Träger von Männern, die bald einen legendären Ruf im Krieg mit den Japaner erwerben sollten, Marc Mitscher auf der "Hornet" und William "Bull" Halsey auf der "Enterprise".
Links Jimmy Doolittle, rechts Mark Mitscher
Halsey hatte mit der "Enterprise" den japanischen Angriff auf Pearl Harbor nur um einige wenige Stunden verpasst, einige seiner Flugzeuge, die zur Vorabaufklärung losgeschickt worden waren, waren direkt in die japanische Angriffswelle geraten und entweder von den japanischen Jägern oder der eigenen Flak abgeschossen worden, einige der ersten amerikanischen Opfer in diesem Krieg.
Halsey brannte darauf, gegen die Japaner zu kämpfen und diese Mission war ganz nach seinem Geschmack. Die Fahrt über den Pazifik verlief zunächst ereignislos, wenn auch bei zum Teil schwerer See.
Die USS "Hornet" in schwerer See im Nordpazifik
Am Nachmittag des 17. April wurden die Träger, Kreuzer und Zerstörer von langsamen Flottentankern aufgetankt. Diese zogen sich daraufhin mit den Zerstörern nach Osten zurück, während die beiden Träger und ihre Eskorte die Fahrt fortsetzten.
Aufmunitionieren der "Raiders" an Bord der "Hornet"
Alles schien nach Plan zu verlaufen. Der 18. April, der Tag des geplanten Angriffs brach heran.
Der Angriff – "Army Pilots! Man your Planes!"
Um 07:38 Uhr morgens, die Schiffe waren zu diesem Zeitpunkt noch circa. 06:50 Seemeilen von der japanischen Küste entfernt, stieß man auf ein japanisches Vorpostenschiff, die #23 "Nitto Maru".
Eines der Vorpostenboote, die einen vorzeitigen Start der "Raiders" notwendig machten
Der Kreuzer "Nashville" versenkte dieses zwar relativ schnell unter Mithilfe der Sturzbomber und Jäger der "Enterprise", der "Nitto Maru“ war es jedoch zuvor noch gelungen, einen Funkspruch abzusetzen.
Überhaupt waren Flugzeuge der Enterprise sowie die Schiffe der Eskorte fast den ganzen Tag über damit beschäftigt, japanische Vorpostenboote und sogar einen Hilfskreuzer anzugreifen und so die Position der beiden Task Forces so gut wie möglich vor den Japanern zu verbergen.
Die "Nitto Maru" sinkt brennend
Da man nun jedoch nicht mehr mit Sicherheit sagen konnte, ob der Funkspruch der "Nitto Maru" die japanische Flotte nicht doch alarmiert hatte und man nicht in eine offene Seeschlacht mit der "Kido Butai", der „Kombinierten Streitmacht“ der kaiserlichen Marine fahren wollte, trafen Jimmy Doolittle und Marc Mitscher gemeinsam die Entscheidung, die "Mitchells" bereits jetzt, knapp 170 Seemeilen weiter von der japanischen Küste entfernt und zehn Stunden früher als geplant, zu starten.
Es erging der berühmte Befehl – "Army Pilots! Man your planes!“
Als erster startete natürlich Doolittle. Obwohl ihm nur knapp 150 Meter für den Start zur Verfügung standen, konnte er mühelos abheben.
Doolittle startet als Erster - problemlos
Die anderen 15 "Mitchells" folgten in etwa drei bis vierminütigen Intervallen zwischen 8.20 Uhr und 9.19 Uhr. Beim Start der letzten B-25 kam es zu einem ersten Unfall, als ein Besatzungsmitglied des Trägers in einen Propeller geriet und dabei einen Arm verlor. Trotzdem konnte auch die letzte "Mitchell" ohne weitere Schwierigkeiten starten.
Seinen Männern gelingt der Start ebenfalls
Die Bomber machten sich nun in kleinen Gruppen von zwei bis vier Flugzeugen auf den Weg nach Japan.
Noch bevor sie die Küste erreichten, gingen alle "Mitchells" in den Tiefflug über, um das Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu behalten.
Etwa sechs Stunden nach Start (es war gerade früher Nachmittag in Tokio) überflogen sie schließlich die Küste und machten sich auf den Weg zu ihren zugewiesenen Zielen in Tokio, Nagoya, Yokohama, Yokosuka, Osaka und Kobe.
Eines der wenigen Fotos von Japan, die während des Angriffs entstanden
Und jetzt kam den Besatzungen ein Zufall zu Hilfe. Genau am Tag des Angriffs fand am Vormittag im Großraum Tokio eine Luftschutzübung statt, der die Bevölkerung aber nicht viel Beachtung schenkte.
So fielen die 16 zweimotorigen Bomber auch kaum jemandem auf, man hielt sie einfach für Nachzügler, die nun noch ihren Beitrag zu der Übung leisteten. Auch die Verteidiger reagierten nicht, und so konnten sich die "Mitchells" zum Erstaunen aller Crews unbehelligt ihren Zielen nähern.
Erst als die ersten Bomben fielen, setzte ungenaues Flakfeuer ein und die ersten Jagdflugzeuge näherten sich den amerikanischen Bombern. Diese hatten eine Geheimwaffe an Bord. Abgesägte Besenstiele wurden anstatt echter Maschinengewehre in das Heck der B-25 eingebaut und sollten Angriffe von hinten abwehren. Sie erwiesen sich in dieser Rolle als äußerst effektiv, denn kein einziger Bomber wurde von Jägern beschädigt oder gar abgeschossen. Im Gegenzug beanspruchte eine B-25 sogar den Abschuss von zwei der neuen KI-61 Jagdmaschinen für sich. Beide Abschüsse konnten allerdings nicht bestätigt werden.
Jede amerikanische Maschine führte lediglich drei hochexplosive Bomben und ein Bündel Brandbomben mit sich, dennoch waren die angerichteten materiellen Schäden nicht unerheblich.
Die japanische Bauweise unter Verwendung von viel Holz war einer der Gründe dafür und sollte sich in weniger als drei Jahren als fatal für viele hunderttausend Japaner auswirken, die den massiven amerikanischen Bombenangriffen ab Ende 1944 mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert waren.
Noch war es jedoch nicht so weit. Einer "Mitchell" gelang es sogar, den Flugzeugträger "Ryuho" im Trockendock in der Marinebasis Yokosuka zu beschädigen und seine Fertigstellung mehrere Monate zu verzögern.
Alles in Allem war der Angriff bis jetzt ein voller Erfolg – die Überraschung war voll und ganz gelungen, die japanische Abwehr hatte kein einziges Flugzeug abgeschossen und nur eine B-25 leicht beschädigt und die angerichteten Schäden entsprachen den Erwartungen.
Nun aber stand den "Raiders" der Rückflug bevor. Und mit ihm eine neue Herausforderung, ein langer Flug in ein unbekanntes Land von dem man nicht wusste, ob die versprochenen Flugplätze vorbereitet und einsatzbereit waren, oder ob sie nicht schon längst von japanischen Truppen überrannt worden waren. Die Gefangenschaft und wahrscheinlich der sichere Tod wären die Folge.
Auf dem Rückweg
So wie sie gekommen waren, so machten sie sich nun auch auf den Rückweg. Einzeln oder in kleinen Formationen traten die B-25 den Rückweg Richtung China an – mit einer Ausnahme. Eine "Mitchell" machte sich aus Treibstoffmangel auf den Weg Richtung Russland, das näher lag als die Basen in China.
Die übrigen 15 B-25 flogen Richtung Süd-Westen mit Kurs chinesisches Festland. Mit fortgeschrittener Flugdauer wurde es zunehmend dunkler und das Wetter verschlechterte sich zusehends.
Sehr bald war klar, dass man die geplanten Flugplätze nicht mehr erreichen können würde, selbst wenn man so treibstoffsparend wie möglich flog. Ein einsetzender Rückenwind kam den Amerikaner zu Hilfe und ermöglichte es allen B-25 doch noch, zumindest die chinesische Küste zu erreichen.
Dennoch schaffte es keine der 15 Maschinen sicher zu landen. Einige zerschellten an der Küste oder wurden von ihren Besatzungen beim Überfliegen der Küste mit dem Fallschirm verlassen, andere kämpften sich noch ein Stückchen ins Landesinnere vor, um dort dann ebenfalls abzustürzen, nachdem die Crews mit ihren Fallschirmen ausgestiegen waren.
Das Wrack einer abgestürzten B-25 in China
Die Bilanz
Die meisten Besatzungsmitglieder schafften es mit Hilfe lokaler chinesischer Bauern und Widerstandskämpfer schlussendlich sich in Sicherheit in chinesisch besetztes Gebiet abzusetzen, zwei Besatzungen blieben jedoch vermisst. Zwei Mann dieser Besatzungen waren bei einer versuchten Notwasserung an der Küste ertrunken, die acht Überlebenden waren in japanische Gefangenschaft geraten. Drei wurden in einem Militärtribunal als Kriegsverbrecher zum Tod verurteilt und erschossen, ein Mann starb in Gefangenschaft, die übrigen vier wurden bei Kriegsende 1945 befreit. Ein weiteres Besatzungsmitglied war nach dem Ausstieg aus seinem Flugzeug mit dem Fallschirm ums Leben gekommen.
Eine B-25 hatte Kurs auf Russland genommen und war dort notgelandet. Die Besatzung wurde zunächst interniert, konnte jedoch ebenfalls – wie später bekannt wurde unter tatkräftiger Mithilfe des NKVD – fliehen und sich fast ein Jahr nach ihrer Internierung auf abenteuerlichen Wegen bis in den heutigen Iran, in von den Alliierten besetztes Gebiet durchschlagen.
Die Hilfsbereitschaft der chinesischen Landbevölkerung hatte jedoch fatale Folgen für viele zigtausend, manche Historiker behaupten sogar hunderttausende Chinesen.
Die Japaner rächten sich fürchterlich an den Chinesen für die Hilfe, die deren Landsleute den amerikanischen Flieger zukommen hatten lassen und zogen im Rahmen einer groß angelegten Polizeiaktion mordend und brandschatzend durch jene Provinzen, in denen den Amerikanern geholfen worden war.
Auch Doolittle glaubte zunächst, dass der Einsatz gescheitert war und ihn in den Staaten ein Kriegsgerichtsverfahren erwarten würde, da er alle Flugzeuge verloren hatte und viele Besatzungsmitglieder noch nicht wieder aufgetaucht waren.
Doolittle und ein Teil seiner Männer in China
Erst nach und nach wurde klar, welch großer Erfolg der Angriff geworden war.
Fast alle der anfänglich vermissten Männer hatten sich ebenfalls auf chinesisches Hoheitsgebiet durchschlagen können und schafften es schlussendlich, mit Doolittle gemeinsam in die Staaten zurückzukehren.
Die Vereinigten Staaten feierten ihn und seine Flieger als Helden, die der Nation, die bis jetzt nur Niederlagen im Krieg hinnehmen hatte müssen einen ersten Sieg und einen großen moralischen Triumph beschert hatten.
Man überhäufte sie mit Orden und beförderte ihren Kommandanten, Jimmy Doolittle. In weiterer Folge wurde ihm die Führung zunächst der 15th Air Force im Mittelmeer-Raum, später der 8th Air Force in Nordwesteuropa übertragen.
Waren die materiellen Schäden, die man angerichtet hatte zwar tatsächlich gering, so waren die strategischen Auswirkungen auf das japanische Denken und die Planungen für den weiteren Kriegsverlauf entscheidend und in letzter Konsequenz fatal für die japanische Armee und die Marine.
Hastig wurden Ressourcen von anderen Kriegsschauplätzen abgezogen und zur Verteidigung der Heimat abgestellt. Vor allem die Heeresluftwaffe mußte Flugzeuge für die Verteidigung Japans bereitstellen, die wenig später in Neuguinea dringend gebraucht worden wären. Die Hauptstadt, vor allem der gottgleiche Tenno durfte nicht noch einmal einer derartigen Gefahr und Schmach ausgesetzt werden!
Auf japanischer Seite hatte man aber auch bereits erkannt, dass man die amerikanischen Träger endgültigen vernichten musste, um die Amerikaner in die Knie zu zwingen und so diesen Krieg doch noch, wie ursprünglich geplant, gewinnen zu können.
Eine erste Trägerschlacht ein knappes Monat nach dem "Doolittle Raid" verlief für die Japaner vielversprechend, Sie verloren den kleinen Träger "Shoho", versenkten jedoch die amerikanische "Lexington", eines der grössten Kriegsschiffe der damaligen Zeit.
Zuversichtlich plante Admiral Yamamoto eine Entscheidungsschlacht, ganz im Sinne des amerikanischen „Warplan Orange“, führte jedoch damit seine eigene Flotte in eine vernichtende Niederlage.
Bei Midway versenkten die Flugzeuge dreier amerikanischer Träger im Juni 1942 vier große japanische Flugzeugträger und brachten somit den japanischen Vormarsch im Pazifik endgültig zum Stillstand. Selbst verloren die Amerikaner nur einen Flugzeugträger und einen Zerstörer, ein tragbarer Preis für den errungenen Sieg.
Von da an befanden sich die Truppen des Kaisers unaufhaltsam auf dem Rückzug. Es sollten noch mehr als drei Jahre vergehen, bis die Japaner kapitulieren würden, doch ihre Niederlage war von nun an unausweichlich. Zu groß wurde mit jedem Monat die amerikanische Überlegenheit an Material und Soldaten während dem Kaiserreich langsam die Ressourcen schwanden.
Der "Doolittle Raid" war in einer dunklen Stunde der erste Hoffnungsschimmer für die amerikanische Bevölkerung gewesen und hatte ihr gezeigt, dass man in der Lage war, zurückzuschlagen und auch den Gegner hart zu treffen.
Drei von damals vier flugfähig erhaltenen B-25 in Europa, Duxford 2009
Der "Doolittle Raid" in Literatur und Film
Als Präsident Roosevelt nach dem Angriff gefragt wurde, von wo aus die Bomber denn gestartet seien, antwortete er "from Shangri-La", in Anlehnung an das mystische Land des bekannten Romans "Lost Horizon". Die US Navy benannte daraufhin auch einen ihrer neuen Flugzeugträger der "Essex" Klasse "Shangri-La".
Der Angriff der 16 B-25 wurde aber auch literarisch und in weiterer Folge filmisch verewigt.
"Thirty seconds over Tokyo" hieß der Film, der auf einem Buch eines teilnehmenden Piloten basierend 1944 entstand und die Geschichte der Operationen äußerst detailliert und spannend erzählt und Spencer Tracy in der Rolle des Jimmy Doolittle brillieren lässt.
Szenen aus diesem Film fanden Jahrzehnte später in der Einleitung zum etwas missglückten Hollywood-Epos "The Battle of Midway" neuerlich Verwendung.
Breiten Raum nimmt der „Doolittle Raid“ auch im Michael Bay Blockbuster "Pearl Harbor" ein. Hier spielt Alec Baldwin Jimmy Doolittle, die Handlung dürfte allgemein bekannt sein.
Die Aufbereitung durch Bay kann sich jedoch nicht im Geringsten mit "Thirty Seconds over Tokyo" messen, der Angriff wird in dieser Filmversion sogar einigermaßen falsch dargestellt.
Sollte jemand eher sachliche Information in Buchform zu diesem Thema suchen, so sei ihm der Band "The Doolittle Raid 1942" aus der "Campaign"-Reihe des englischen Verlags Osprey ans Herz gelegt.
Auf 96 Seiten schildert dieser Band sehr ausführlich und flüssig geschrieben die gesamte Geschichte des Angriffs der 16 "Raiders" auf Japan. Illustriert mit vielen Fotos und Illustrationen ist er wohl eines der besten einzelnen Werke zu diesem Thema.
Erhältlich ist dieser Band, wie alle anderen "Ospreys" unter anderem via Amazon.
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Links:
Offizielle Webseite der "Doolittle Raiders"
Text: Phil Weber
Fotos: Phil Weber (Farbbilder), US-Streitkräfte (s/w-Bilder)