Österreich

Müdigkeit im Cockpit - ACA präsentiert Österreichstudie

Capt. Christoph Mair, Capt. Siegfried Lenz, Mag. Dr. Alois Farthofer - Foto: J. Kasberger
Capt. Christoph Mair, Capt. Siegfried Lenz, Mag. Dr. Alois Farthofer - Foto: J. Kasberger

"Ermüdung ist seit langer Zeit ein Thema." Mit diesen Worten beginnt Captain Siegfried Lenz, Vize-Präsident der Austrian Cockpit Association (ACA), die Präsentation der neuen Studie über Müdigkeit im Cockpit und deren Auswirkungen.

Die ACA beauftragte die Johannes Kepler Universität Linz mit der Erstellung der Studie unter der Leitung des Luftfahrtpsychologen Dr. Alois Farthofer.

Beweggrund zur Erstellung der Studie war einmal mehr die andauernde Auseinandersetzung mit der EASA und dem österreichischen Verkehrsministerium über die Neuregelung der Piloten-Dienstzeiten.

Wie Mair betont, geht es den Piloten hier nicht um persönliche Vorstellungen oder Wünsche der Piloten - gesundheitliche und soziale Aspekte wurden auf EU Ebene ohnehin ausgeklammert, um überhaupt kompromissfähig zu werden - sondern rein um die Sicherheit der Luftfahrt.

Der Auftrag der in Köln ansässigen EASA ist es eine Neuregelung der Flug-, Dienst- und Ruhezeiten für Bordpersonal (FTL, Subpart Q) auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse zu erstellen. Weihnachten 2010 wurde ein Entwurf für diese Neuregelung vorgelegt, der derzeit in der Begutachtungsphase ist. Zur Erstellung des Entwurfs wurden von der EASA dazu drei Studien von Experten in Auftrag gegeben.

Die nun in Österreich erstellte Studie wurde nach skandinavischem Vorbild - 2011 wurde eine vergleichbare Umfrage in mehreren skandinavischen Ländern durchgeführt - als Online-Umfrage mit Auswahlmöglichkeiten und freien Antwortfeldern durchgeführt. Die Zielgruppe bildeten alle österreichischen Piloten, die über das Adressregister der ACA oder über einen Betriebsrat erreicht werden konnten. Hier ist anzumerken, dass also vor allem Piloten von Niki fehlen dürften, da zum Zeitpunkt der Studie der Betriebsrat noch nicht etabliert war. Insgesamt wurden so 1100 Piloten, hauptsächlich Linienpiloten, erreicht, von denen 422 abgeschlossene und gültige Antworten in die Studie einflossen.

Aufbau der Studie

Die Fragen der Studie gliederten sich in vier Bereiche:

  • Müdigkeit im Dienst
  • Fehler im Dienst aufgrund von Müdigkeit
  • Auswirkungen des Fliegens auf den Schlaf
  • Dienstfähigkeit in den letzten 12 Monaten

Ergebnisse

Bereits 44% der befragten Piloten halten die bestehenden Regelungen für ein mittelmäßiges oder schweres Sicherheitsrisiko. Bei den Freitextantworten fielen besonders oft die Schwerpunkte "Wechsel von Früh- und Spätdiensten", "Aufeinanderfolgend ein Früh- und ein Nachtflug" sowie "zu lange Nachteinsätze".

Besonders erschreckend ist, dass bereits ein Drittel der Piloten schon einmal im Cockpit eingeschlafen ist, ohne dass die verbleibende Crew vorab informiert wurde.

Positiv fällt auf, dass immerhin 95% der Piloten angaben, dass bisher kaum gefährliche Vorfälle daraus resultierten.

Angesprochen auf berufsbedingte Schlafprobleme in den letzten zwölf Monaten, antworteten 90% der Piloten, dass sie mehrfach damit zu kämpfen hätten.

Die Fragestellungen enthielten auch gezielte Fragen über typische Symptome eines Burn-Out, die bei 70% aller Befragten vorhanden waren.

Viele Langstreckenpiloten klagen zudem über tätigkeitsbedingte Beschwerden wie Durchschlaf-Zeiten von nur drei oder vier Stunden.

Immerhin 30% der Piloten haben angegeben sich außerdem innerhalb der letzten zwei Jahre mit "not fit to fly" vom Dienst abgemeldet zu haben, wohingegen sich 37% sogar arbeitsbedingt krank gemeldet haben.

Dr. Farthofer, Leiter der Studie
Dr. Farthofer erläutert die Details zur Studie - Foto: J. Kasberger

Abschließend wurde noch nach der subjektiven Einschätzung über die Entwicklung der Arbeitsbedingungen für das nächste Jahr gefragt, wo die Piloten zu 80% mit schlechter und etwa 30% mit deutlich schlechter antworteten.

Wissenschaftliche Daten liegen seit Jahren vor

Generell gilt, dass es bereits seit Jahren eine sehr gute wissenschaftliche Basis über Müdigkeit beim Mensch und dessen Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Konzentration gibt.

Das Problem der Übermüdung ist auch aus vielen anderen Branchen bekannt. Schichtdienste jeder Form fordern den Mensch. Der markante Unterschied in der Luftfahrt betreffend der Piloten ist jedoch die extreme Verzahnung mit der unmittelbaren Gefahr für den Passagier. Selbst eine U-Bahn fährt bei einem fahruntüchtigen Lokführer noch automatisch bis zur nächsten Station, Züge  bleiben sogar automatisch stehen. Beides sind undenkbare Optionen für ein Flugzeug.

Ein Problem ist auch der Biorhythmus des Körpers, der vor allem Langstreckenpiloten betrifft. So führt das fortwährende Verschleppen von Schlafphasen dazu, dass nach mehreren Flugzyklen auf der Langstrecke die zweieinhalbtägige Flugpause dazwischen nicht mehr ausreicht, um den Körper vollständig zu erholen.

Die EASA sieht in ihrem aktuellen Entwurf eine maximale Dienstzeit von elf Stunden vor, obwohl die drei engagierten Experten in Ihren Studien einhellig eine maximale Arbeitszeit von zehn Stunden angeben. Zudem sieht die EASA vor, dass diese Maximalzeit noch um weitere zwei Stunden verlängert werden kann.

Ein Problem stellt auch die Einbeziehung von Bereitschaftszeit dar. So beginnt die Zeitaufzeichnung erst am Flughafen selbst, was in Summe zu Wachzeiten von bis zu 21 Stunden bis zur letzten Landung führen kann.

Die ACA fordert, dass die österreichische Politik handeln muss, denn die EASA komme Ihrer Aufgabe nicht nach, einen Dienstzeit-Entwurf zu erstellen, der dem wissenschaftlichen Stand der Informationen gerecht wird, denn genau dies ist die Zielsetzung im Auftrag an die EASA. Wie Capt. Lenz betont, hat Ministerin Bures im Verkehrsministerrat jederzeit die Möglichkeit die Studie der ACA wissenschaftlich prüfen zu lassen und den Entscheidungsprozess bei der EASA zu beeinflussen. "Passagiere haben Anspruch auf einen sicheren Transport", so Lenz weiter.

Die EASA ist aufgefordert rechtzeitig eine sinnvolle Regelung zu schaffen und nicht dem Beispiel der USA zu folgen, die erst im letzten Jahr eine recht brauchbare Reform der Dienstzeiten durchführten, dies allerdings erst aufgrund eines schweren Unfalls in Buffalo 2009 initiierten.

In Österreich darf ein Pilot derzeit jährlich maximal 900 Flugstunden leisten und ist inklusive genehmigungspflichtiger Nebenbeschäftigungen auf 2000 Arbeitsstunden im Jahr limitiert. Das Ziel der Airlines ist es natürlich die Arbeitszeiten maximal auszunutzen. Ohne eine sinnvolle Reglementierung ist dies eine direkte Bedrohung für die Unfallquote in der Luftfahrt, die laut Mair "weiter sinken muss, da durch das steigende Verkehrsaufkommen wir sonst mehr Unfälle sehen werden."

In Großbritannien wurde früher sogar 24 Stunden Ruhezeit nach jedem Flug vorgesehen, um dem Problem der Übermüdung Einhalt zu gebieten.

Wie Lenz klarstellt, geht es in der vorliegenden Debatte gar nicht um eine Reduktion der Gesamtflugzeit, sondern: "Es handelt sich vielmehr um ein Verteilungsproblem der Dienstzeiten."

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(red MK)