Die Vorgeschichte
Das Bundesheer der Zweiten Republik war seit jeher ein Stiefkind der Politik. Finanziell ausgehungert, mit zum größten Teil veraltetem Gerät, versuchen seine Soldaten dennoch wann immer man sie für "Schutz und Hilfe" ruft, ihr Bestes zu geben. Die Luftstreitkräfte bilden hier keine Ausnahme. In der Öffentlichkeit oftmals als "Krachmacher" oder "Störenfriede" verschrien, verstummen derartige Stimmen immer dann recht schnell, wenn sich eine Katastrophe ereignet, in der die Pilotinnen und Piloten des Bundesheeres als Retter in der Not benötigt werden.
Dieses Video wird derzeit überarbeitet und steht in Kürze wieder zur Verfügung
Sei es, um Waldbrände aus der Luft zu bekämpfen, EU-Bürger aus den krisengeschüttelten Staaten Nordafrikas zu evakuieren oder Medikamente und Lebensmittel in von der Außenwelt abgeschnittene Täler einzufliegen. So wie im Februar 1999. Damals begruben Lawinen das Dorf Galtür und den Weiler Valzur im hinteren Paznaun. Dies führte zur bisher größten Evakuierungsaktion mittels Hubschraubern in der Geschichte der Republik Österreich.
Das Bundesheer verfügte zu diesem Zeitpunkt über keine Helikopter mit ausreichender Kapazität, denn die beiden 1970 beschafften Großraumhelikopter vom Typ S-65, die bis zu 40 Personen pro Flug transportieren konnten, waren 1981 in einer "Nacht-und-Nebel-Aktion" an Israel verkauft worden.
Dieser fehlende Weitblick der Politik sollte sich nun, in der Stunde höchster Not, bitter rächen. Trotz widrigster Wetterbedingungen flogen die Piloten des Bundesheeres mit ihren Alouette III, AB 212 sowie den damals bereits völlig veralteten AB 204 von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang, um Verletzte zu evakuieren, Medikamente und Lebensmittel in das Katastrophengebiet zu bringen, doch die Kapazitäten waren einfach nicht ausreichend.
Die Politik, die es verabsäumt hatte, dem Bundesheer ausreichend Gerät mit entsprechender Kapazität zur Verfügung zu stellen, musste nun recht kleinlaut um internationale Hilfe ansuchen. Die Luftstreitkräfte der Schweiz, der USA, Frankreichs und Deutschlands unterstützten die Operation mit Großraumhelikoptern vom Typ CH-53G (vergleichbar mit dem S-65, jenem Modell also, das beim Bundesheer bis 1981 zwar vorhanden war, dann aber aus politischen Gründen verkauft wurde!), Super Puma , Cougar, UH-1D und Black Hawk.
Insgesamt standen so 48 Hubschrauber im Einsatz, doch nur 11 davon stammten aus Österreich. Und obwohl das österreichische Heer weniger als 25 Prozent aller Hubschrauber stellte, wurden 59,5 Prozent der Einsätze, oder 858 Stunden und 31 Minuten, von österreichischen Besatzungen geflogen. Ein unumstößlicher Beweis für die Einsatzbereitschaft der Truppe.
Im Angesicht dieser Blamage der Politik billigte der Landesverteidigungsrat am 12. April 1999, rund zwei Monate nach der Katastrophe von Galtür, den Kauf einer Staffel mittlerer bis schwerer bewaffnungsfähiger Mehrzweckhubschrauber. Geplant war die Beschaffung von bis zu 12 Helikoptern, wobei 9 fest bestellt und für drei weitere lediglich Optionen gezeichnet werden sollten. "Doch schon damals hätte uns eigentlich klar sein müssen, dass die Politik scheinbar niemals vorhatte, diese Optionen auch in Festaufträge umzuwandeln“, resigniert ein ranghoher Bundesheerangehöriger heute im Gespräch mit Austrian Wings.
Die Maschinen sollten laut Ausschreibung eine Transportkapazität von 3 bis 4,5 Tonnen haben und die Anschaffungskosten von 2,5 bis 3,5 Milliarden Schilling mussten durch Kompensationsgeschäfte zu 100 Prozent ausgeglichen werden, so die Forderung der Politik.
Das Verteidigungsministerium forderte in einer geschlossenen Ausschreibung die Hersteller Sikorsky, Agusta, E.H. Industries, NH Industries und Eurocopter zur Abgabe von Angeboten bis spätestens 17. September 1999 auf.
Sikorsky bot den S-70A (UH-60L) Black Hawk an, den die US-Streitkräfte bereits erfolgreich in Galtür eingesetzt hatten, Agusta den AB 412, E.H. Industries den EH101, NH Industries den NH-90 TTH und Eurocopter den AS532 Cougar. Darüber hinaus legten Kazan und Kamov unaufgefordert Angebote für den Mi-17h beziehungsweise den Ka-29/32 vor, wobei diese beiden Modelle von Anfang an chancenlos waren.
Der Black Hawk gewinnt
Schon kurz nach Abgabe der Angebote schieden die Modelle EH101 (mangelnder Einsinkschutz bei Operationen in verschneiten und matschigen Gebieten), AB 412 (zu geringe Nutzlast) und NH90 (zum Zeitpunkt des Angebots flogen erst zwei Prototypen, es lagen keine Erfahrungswerte vor und Österreich hätte sehr lange auf die Auslieferung warten müssen, da die Herstellerländer bereits 152 Maschinen bestellt hatten) aus.
In die engere Auswahl gelangten zunächst der von Eurocopter angebotene AS 532 Cougar sowie der Sikorsky S-70A Black Hawk. Im Laufe der weiteren Evaluierung stellte sich jedoch heraus, dass die in der Ausschreibung geforderten Flugfähigkeiten unter Vereisungsbedingungen wie sie im hochalpinen Gelände häufig auftreten, nicht erfüllt wurden, wodurch schlussendlich der Black Hawk als Sieger übrig blieb.
Doch auf österreichischer Seite gab es Verzögerungen – so wurde der Beschaffungszeitraum von zwei auf sechs Jahre gestreckt und ein erforderlicher Kredit trieb die Anschaffungskosten in die Höhe. Der Zeitpunkt der Entscheidung über einen möglichen Kauf des Black Hawk wurde vom ersten Halbjahr 2000 auf das zweite Halbjahr verschoben.
Am 6. Oktober 2000 rang sich die Politik schließlich dazu durch, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und gab grünes Licht für den Ankauf von neun Sikorsky S70A-42 Black Hawk im Wert von 2,9 Milliarden Schilling, umgerechnet 210,75 Millionen Euro.
Der Black Hawk verfügt über zwei Triebwerke, die je 1940 PS leisten. Seine Transportkapazität beträgt 20 Personen oder etwa vier Tonnen Nutzlast. Im Notfall können allerdings bis zu 25 Personen aufgenommen werden. Der Helikopter hat eine Reichweite von etwa 500 Kilometern, die sich mit externen Zusatztanks auf rund 1.600 Kilometer oder durchgehend 4,5 Flugstunden erweitern lässt.
Kaum drei Wochen nach der Kaufentscheidung, am 26. Oktober, dem österreichischen Nationalfeiertag, wurde der Black Hawk der Öffentlichkeit präsentiert. Dafür wurde extra eine Maschine der US-Streitkräfte auf den Heldenplatz eingeflogen, und 250.000 Besucher bestaunten den riesigen Transporthelikopter, der künftig dafür sorgen sollte, dass Kapazitätsengpässe bei der Lufttransportkapazität im Krisenfall gar nicht erst auftreten.
Der erste österreichische Black Hawk
Knapp zwei Jahre später war es schließlich soweit: Am 10. Juni 2002 wurde der erste für Österreich produzierte Black Hawk in Stratford, Conetticut, USA im Beisein österreichischer Militärs, Politiker und Medienvertreter aus der Fabrikshalle gezogen.
Anschließend wurde das Bordbuch der Maschine, die künftig das Kennzeichen 6M-BA tragen sollte, von Sikorsky-Präsident Dean C. Borgman an Manfred Münzer, Leiter des Materialstabes Luftfahrttechnik im österreichischen Verteidigungsministerium übergeben. Während der Fertigung der Maschine waren Mitarbeiter des Materialstabes Luftfahrttechnik zum Zweck der Qualitätssicherung als Bauaufsicht ständig vor Ort.
Am 2. Juli 2002 absolvierte die 6M-BA, die zu diesem Zeitpunkt noch die US-Immatrikulierung N6229 trug, bei wolkenverhangenem Himmel ihren Erstflug als Auftakt zu einem intensiven Testflugprogramm.
Der Falke trifft in Österreich ein
Seinen Erstflug nach Österreich absolvierte der Falke jedoch nicht aus eigener Kraft, sondern im Bauch der gewaltigen Antonov AN 124. Dieser Typ war einst als militärischer Schwertransporter in der Sowjetunion konstruiert worden, um im Ernstfall militärisches Material für den Kampf gegen den Klassenfeind, den niemand besser verkörperte als die USA mit ihrer freien Marktwirtschaft, zu befördern. Und nun flog ein US-amerikanischer Militärhubschrauber im Bauch dieses Jets über den großen Teich. Eine Ironie der Geschichte.
Am 21. September 2002, dreieinhalb Jahre nach der Katastrophe von Galtür und fast genau zwei Jahre nachdem das Ministerium den Auftrag zur Beschaffung erteilt hatte, traf die Antonov AN 124 mit dem ersten für Österreich bestimmten Black Hawk in Linz Hörsching ein.
Rund einen Monat später, am 18. Oktober 2002, wurde die Maschine mit der Kennung 6M BA von Linz nach Tulln-Langenlebarn zum Fliegerhorst Brumowski überstellt. "Unter den Festgästen befanden sich auch der damalige US-Botschafter William Lyons Brown, der Vizepräsident der US-Herstellerfirma Sikorsky, Paul Martin, die Repräsentanten der Österreichvertretung von Sikorsky Kommerzialrat Appenzeller und Dr. Wagner, Vertreter der US-Streitkräfte sowie der Kommandant der Fliegerdivision Divisionär Paul-Michael Kritsch und der designierte Kommandant des Kdo LuSK Brigadier Erich Wolf", erinnert sich der österreichische Luftfahrtjournalist Martin Rosenkranz für Austrian Wings zurück.
Und wiederum einen Monat später, am 26. Oktober 2002, wurde die 6M BA als erster österreichischer Black Hawk der Bevölkerung im Rahmen des Nationalfeiertages am Heldenplatz präsentiert.
Der erste Black Hawk kam ja im September 2002 an Bord einer Antonov AN 124 in Linz an, wurde dort aufgerüstet und einen Monat später nach Lale geflogen. Auch die weiteren "Schwarzen Falken" wurde mit der AN 124 zunächst nach Linz transportiert und flogen von dort nach Tulln weiter.
"Der letzte Black Hawk traf am 18. 12. 2002 in Österreich ein", erklärte Presseoffizier Major Mag. Peter Barthou gegenüber Austrian Wings.
Die Flotte war damit vollzählig und besteht bis heute aus folgenden Maschinen:
6M-BA, SerienNr.: 70-2709
6M-BB, SerienNr.: 70-2736
6M-BC, SerienNr.: 70-2743
6M-BD, SerienNr.: 70-2748
6M-BE, SerienNr.: 70-2749
6M-BF, SerienNr.: 70-2750
6M-BG, SerienNr.: 70-2756
6M-BH, SerienNr.: 70-2758
6M-BI, SerienNr.: 70-2762
Für österreichische Verhältnisse weist die Black Hawk Flotte des Bundesheeres eine geradezu überkomplette Ausstattung aus, welche selbst die US-Streitkräfte erst nach und nach mit dem UH-60M erhalten.
So gehören etwa zur permanent installierten Standardausrüstung ein digitales "Glascockpit", das Navigations-System Northrop Grumman LN-100G, das Wetter- & Bodenkartografie-Radar Telephonics RDR-1400C, der für Außenlasttransporte bis 4.086kg belastbare Lasthaken, der Stimmen- und Flugdatenrecorder BASE SCR500-660, die Enteisungsanlage für Triebwerke, Frontscheibe und Rotoren, die Kabelschneider sowie Installationsvorkehrungen für bis zu 6 Krankentragen.
Darüber hinaus sind für sämtliche Einsatzmaschinen Nachtsichtgeräte sowie ein Einsinkschutz verfügbar, für eine beschränkte Anzahl von Maschinen gibt es zusätzlich noch ein External Stores Support System, eine Rettungswinde sowie eine Selbstschutzausrüstung.
Diese neun Maschinen bilden die Mittlere Transporthubschrauberstaffel des Luftunterstützungsgeschwaders. Die Staffel gliedert sich in das Staffelkommando, den Kommandotrupp, die Versorgungstruppe, einen Wartungszug und drei so genannte Schwärme von denen zwei über vier und einer über einen Black Hawk verfügen.
Doch mit der Indienststellung der Hubschrauber alleine war es nicht getan, jetzt begann erst die eigentliche Arbeit. In den nun folgenden Monaten wurden erfahrene Hubschrauberpiloten (Mindestflugerfahrung 1.500 Stunden auf der AB 212), Bordtechniker und Wartungspersonal intensiv auf das System Black Hawk geschult, erst dann war die volle Einsatzbereitschaft gegeben.
Die Piloten müssen Manöver wie Außenlandungen, Hochgebirgsflug, Tief- und Verbandsflug sowie Instrumentenflug mit dem Black Hawk ebenso sicher beherrschen wie mit seinen Vorgängermustern. Einmal pro Monat findet in Langenlebarn ein Notfalltraining statt und einmal pro Jahr geht es für die Besatzungen zum Simulatortraining in die USA.
Das System Black Hawk kommt im gesamten Aufgabenspektrum der Hubschrauberkräfte des Bundesheeres zum Einsatz, welches den Lufttransport, das Anlanden von Bodentruppen, das Absetzen von Fallschirmspringern, Außenlastflüge, Personentransporte, Feuerlöscheinsätze sowie Luftraumsicherung bei Tag und Nacht umfasst. Dabei kommen Maschinen und Besatzungen nicht ausschließlich im Inland zum Einsatz, sondern operieren auch im Rahmen von KFOR und EUROF im Ausland, etwa im Kosovo oder in Bosnien.
Bei Hochwasserkatastrophen, Lawineneinsätzen und Waldbränden stehen die Black Hawk Besatzungen mit ihrem Schwarzen Falken regelmäßig im Hilfseinsatz.
15.000 Flugstunden in den vergangenen 10 Jahren
Seit der Indienststellung des Black Hawk haben die 9 Helikopter rund 15.000 Flugstunden absolviert. Kürzlich erreichte die Lead-Maschine 2.000 Flugstunden. Jeder Pilot absolviert im Jahr etwa 160 Flugstunden.
Während dieser Zeit gab es nur einen einzigen erwähnenswerten Zwischenfall – kurz nach Indienststellung hatte ein Black Hawk während eines Übungsfluges außerplanmäßigen Bodenkontakt mit einem Feld. Die Maschine konnte jedoch problemlos aus eigener Kraft zum Stützpunkt zurückkehren, wo sie repariert wurde, die Insassen kamen mit dem Schrecken davon.
Ungeachtet dessen zählen die österreichischen (Hubschrauber-) Piloten aufgrund der fliegerisch besonders herausfordernden Topographie des Landes zu den besten der Welt, was auch darin zum Ausdruck kommt, dass andere Nationen – unter anderem die USA – ihre Piloten zur Hochgebirgsflugausbildung nach Österreich schicken.
Seit der Katastrophe von Galtür, welche die Initialzündung für die Beschaffung des Black Hawk war, hat sich kein vergleichbares Unglück mehr ereignet, bei dem ein derart intensiver und massiver Einsatz von Hubschraubern notwendig gewesen wäre. Doch es ist gut zu wissen, dass der Black Hawk mit seinen Besatzungen – ebenso wie die übrigen Verbände des Heeres - für den Fall der Fälle in Bereitschaft ist. Und genau deshalb wäre auch die heimische Politik gut beraten, sich bei der Beschaffung von Ausrüstung für das Bundesheer endlich mehr an den tatsächlichen Erfordernissen der Truppe denn an billigem - und im Katastrophenfall womöglichen fatalem - Populismus zu orientieren.
Technische Daten (Angaben des Bundesheeres)
Hersteller | Sikorsky (USA) |
---|---|
Erstflug | März 1988 |
Motorleistung | 2 x 1940 PS |
max. Startmasse | 10.658 kg |
Höchstgeschwindigkeit | 360 km/h |
Reisegeschwindigkeit | 280 km/h |
max. Reichweite | 500 km |
max. Reichweite (mit Zusatztanks) | 1.600 km |
max. Flughöhe | 6.000 m |
Transportkapazität | 20 - 25 Personen |
Schutzmaßnahmen | 3-fach redundantes Hydraulik- und Elektriksystem, IR- Störer, Chaff & Flare Dispenser, gepanzerte Pilotensitze, bruchlandungssichere Sitze, weitere zusätzliche elektronische Schutzmaßnahmen |
Länge über alles | 19,76 m |
Höhe über alles | 5,33 m |
Leermasse | 5.224 kg |
weitere Angaben: | leichte Be- und Entladung, geringer Personal- und Wartungsaufwand, niedrige Lebenslaufkosten, modernes, bedienungsfreundliches Cockpit |
Einsatzbereich | Passagiertransport, Material- und Gütertransport, Sicherungs- und Rettungseinsätze, Sanitätseinsatz |
Wir danken den Angehörigen der fliegenden Verbände des Bundesheeres, dem Bundesministerium für Landesverteidigung sowie den Betreibern des Militärluftfahrtmagazins airpower.at, für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung dieses Artikels.
Folgende Artikel könnten Sie auch interessieren:
Foto- und Videobeitrag:Hubschrauber des Bundesheeres am Heldenplatz gelandet
Foto- und Videoreportage: “Assistenzeinsätze und Unterstützungsleistungen des Bundesheeres”
Foto- und Videobeitrag: Bundesheer Evakuierungsflug aus Luxor in Wien gelandet
Heeres-Helikopter landen am Heldenplatz
Fotostrecke Heldenplatz am Nationalfeiertag 2011
Links:
Text: O.N., T. Hornstein
Mitarbeit & Recherche: R.P., H.T., V.M., N.M.
Fotos: Markus Dobrozemsky, Martin Rosenkranz, Austrian Wings Media Crew (P.R., O.N., T.M.), Bundesheer