Rund 95 Prozent aller Arbeitnehmer in Österreich unterliegen einem Kollektivvertrag. Dies sei die Grundlage für ein im Wesentlichen "vorbildliches Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern".
Die Vorgehensweise der Lufthansa (Eigentümerin der AUA, Anm. d. Red.) beim Betriebsübergang jedoch stelle die Sozialpartnerschaft in ihren Grundfesten in Frage. Wäre dieser Weg erfolgreich, könne die Arbeitnehmerseite ihr nicht mehr genehme Kollektivverträge einfach "abschaffen", so die AUA-Betriebsräte, die vom Arbeitsrechtsexperten Dr. Roland Gerlach unterstützt werden.
So gebe es in Österreich genau deshalb so wenig Streiks, weil man sich bisher darauf verlassen konnte, dass die Kollektivverträge von den Arbeitgebern auch eingehalten werden.
Seitens der Personalvertreter wird daher die Rechtsmeinung vertreten, dass der Betriebsübergang nicht gültig sei.
Auswirkungen des "behaupteten Betriebsüberganges"
Wie schwierig die tagtägliche Arbeit "in einem durch den Vorstand vergifteten Arbeitsklima ist", zeigt das exemplarische Beispiel einer alleinerziehenden Mutter von mehreren schulpflichtigen Kindern aus einem westlichen Bundesland. Seit fast 20 Jahren ist sie eine verlässliche und motivierte Flugbegleiterin aus Leidenschaft, aktuell in 50%iger Teilzeit mit einem monatlichen Netto-Gehalt von knapp über 1.000 Euro, so der Betriebsrat.
Da die AUA einen Betriebsübergang behauptet und somit den bestehenden Kollektivvertrag einseitig aufgekündigt hat, gelten laut Management nun neue Unternehmensrichtlinien, aus denen deutliche Verschlechterungen für alle FlugbegleiterInnen resultieren. Besonders hart trifft dies natürlich Mütter in Teilzeit und alleinerziehende Mütter im Allgemeinen. In Ihren Sonntagsreden fordern Politiker aller Parteien für diese Arbeitnehmer/innen Verbesserungen, bei einer Airline mit der österreichischen Flagge auf der Heckflosse werden die Arbeitsbedingungen alleinerziehender Mütter jedoch aktuell drastisch verschlechtert. Die vom Management angeordnete verpflichtende - nicht bezahlte! - Mehrbelastung von 20 Prozent bedeutet deutlich mehr Arbeit für weniger Lohn. Da die Taggelder pro Einsatz/Einsatztag empfindlich gekürzt wurden - auf bis zu weniger als ein Drittel des bisherigen Umfangs - ist der Reallohn durch die notwendigen Fahrten zum Einsatzort bei gleichzeitiger 20%iger Mehrarbeit sogar gesunken, während sich die Bereichsleiter deutliche Lohnerhöhungen im Umfang von 12,5 Prozent ausbezahlen. Entstehen durch die Mehrarbeit auch Mehrfahrten zum Einsatzort, sinkt der reale Lohne immer mehr, weil die gekürzten Taggelder diese Kosten nicht decken, rechnen die Betriebsratsvertreter vor.
Zusätzlich bedeutet die Situation extreme Unsicherheit, eine fehlende Perspektive für die Zukunft und weniger Zeit für die Kinder. Auch die für Mütter so wichtige Planbarkeit der Arbeitszeit ist aufgrund der Personalknappheit nicht mehr möglich.
Verhandlungen zu einem neuen Kollektivvertrag
Im Zuge des Betriebsübergangs war lediglich vier Wochen Zeit geblieben, sich für oder gegen eine berufliche Zukunft bei der AUA zu entscheiden. Bei jenen Müttern in Teilzeit, die sich für den Austritt entschieden haben, wurden die Abfertigungsansprüche bewusst falsch gerechnet und im ersten Monat das Arbeitslosengeld verwehrt, wirft der Betriebsrat vor. Erst im Nachhinein, mit umständlichen Amtswegen, soll dieser "Fehler" korrigiert worden sein. Mehr als die Hälfte der AUA-Mitarbeiter sind weiblich, viele davon Mütter. Anstelle den Output durch Motivation und ein positives Betriebsklima zu verbessern, erzeuge das Management Missstimmung und Frustration bei eine großen Teil der Belegschaft, erklärten Rechtsanwalt Gerlach und die AUA-Betriebsräte unisono.
Vorstand schätzt langjähriges Personal gering
Ein "Tiefpunkt für die gesamte österreichische Kultur zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern" war der als "unerträglich" empfundene Sager von Vorstand Jaan Albrecht, er "müsse das Unternehmen von Altlasten säubern". Der Geschäftsführer von Tyrolean will laut früheren Aussagen gegen eine "Vergreisung" in der Kabine vorgehen. Daher sind für Neueintritte ausschließlich befristete 3-Jahres-Verträge geplant. Gegenüber Austrian Wings dagegen hatte die Pressestelle stets erklärt, die Verträge seien lediglich aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Situation befristet.
Mit diesen "menschenverachtenden Aussagen" sollen, so AUA-Bordbetriebsrat Karl Minhard, lang gediente, erfahrene und bewährte Mitarbeiter nicht nur eingeschüchtert und frustriert werden; die Vermutung liegt nahe, dass diese Berufsgruppe in der "AUA neu" nicht mehr erwünscht sei. Das systematische Vergraulen von Müttern in Teilzeit wird auch wirtschaftliche Auswirkungen haben. Der Austrian-Slogan "We fly for your smile" bedeute schließlich auch, dass Passagiere mit Baby oder Kind auf die Erfahrung von Flugbegleitern zurück greifen können, die mit solchen Situationen vertraut sind.
Die psychische Belastung habe mittlerweile ein "unerträgliches Niveau" erreicht. Mit ihrer tagtäglichen Arbeit und einem Einsatz, der trotz aller Repressionen nach wie vor weit über den "Dienst nach Vorschrift" hinausgeht, hält die Belegschaft den legendären Qualitätsanspruch der Airline am Leben. "Weil die Belegschaft nach wie vor auf eine vernünftige Lösung am Verhandlungstisch hofft und alles für eine erfolgreiche Zukunft der Airline tut", erklärten die Personalvertreter.
Betriebsrat sieht "Strategie von Lohndumping und Angstmache"
Die Befürchtung liegt nahe, dass die Strategie von Lohndumping und Angstmache im Konzern fortgeführt wird. "Im Namen unserer Mitarbeiter fordern wir die Bundesregierung, die Sozialpartnerschaft und die Lufthansa auf, diesen Methoden endlich Einhalt zu gebieten", so der Betriebsrat.
Betriebsrat bestätigt einmal mehr: Flugausfälle durch Personalmangel
Entgegen den Behauptungen des Vorstands sind bereits im Dezember 55 Flüge gestrichen worden. Grund dafür ist der akute Mangel an fliegendem Personal, stellte Minhard einmal mehr fest.
"Es wurden zu wenig Piloten auf die Langstreckenmuster B767 und B777 geschult. Durch diesen Unterbestand musste nun ein weiterer Flug nach New York gestrichen werden, was einem finanziellen Schaden von 200.000 Euro entspricht. Nur mit zusätzlichem finanziellen Aufwand, das heißt durch das wiederholte Abkaufen von freien Tagen und Urlaub, kann der Flugbetrieb aufrechterhalten werden."
Fehlerhafter Umbau der Langstreckenkabinen - Umsatzausfall von bis zu 30 Millionen Euro
Auch der Kabinenumbau der Langstreckenflugzeuge wird mehr Zeit in Anspruch nehmen als bisher geplant (Austrian Wings berichtete). Das Unternehmen sei nur noch bemüht, den Schaden zu begrenzen. Das eigene Scheitern in Form mangelnder Vorbereitung wurde intern eingestanden, nach außen hin wird auf fehlende behördliche Genehmigungen verwiesen, daher wird es im Sommer laut Unternehmensführung zu Flugausfällen auf den Langstrecken-Destinationen kommen. Dies bedeutet laut Betriebsrat: Der publizierte Sommerflugplan kann nicht eingehalten werden. Das Streichen von Frequenzen soll einen Umsatzausfall von bis zu 30 Millionen Euro im Jahr 2013 betragen, wie Berechnungen der Personalvertreter ergaben.
"Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass zu spät zu wenige Piloten und Flugbegleiter aufgenommen werden und wurden. Ohne einer Reduktion der Flüge im Sommer, wegen des verspäteten Kabinenumbaus, kann mit dem bestehenden Personal die Produktion nicht durchgeführt werden", sagt Minhard.
Probleme bei bereits umgebauten Fliegern
Bei den bereits umgebauten Fliegern mehren sich die Probleme. Die Hälfte der Hatracks (Gepäcksfächer) der neuen Kabine sind wesentlich kleiner als früher. Standard Gepäcktrolleys mit dem erlaubten Maß von 55/40/23 cm lassen sich in diesem Bereich nicht verstauen. Damit werde die Handgepäcksproblematik verschärft, stellte Pilot Minhard bereits mehrfach fest. Zu wenig Personal bei der Station (Bodenabfertigung), beim fliegenden Personal und fehlender Stauraum sind eine brisante Kombination und erhöhen die Arbeitsbelastung enorm, kritisieren Minhard und seine Kollegen.
Vorstand reagiert nicht auf Forderung nach Rücknahme der Gehaltserhöhungen im Management
"Im Rahmen der historischen ersten gemeinsamen Pressekonferenz von fliegenden Personal und Bodenpersonal wurde das Management aufgefordert, seine Gehälter und Boni offenzulegen und die Gehaltserhöhungen rückgängig zu machen. Beides ist leider nicht passiert - ein weiteres Indiz, dass die Vorwürfe des Betriebsrats den Tatsachen entsprechen. Während die Belegschaft spart und für die AUA kämpft, greift die Führungsebene wieder einmal in die leeren Kassen der AUA. Das alte Spiel", resümierten die Betriebsräte abschließend.
(red CvD / Titelbild: Dr. Roland Gerlach (Mitte) und Karl Minhard (rechts) beim Hintergrundgespräch - Foto: Austrian Wings Media Crew)