Punktlandung

Defis für den VIE: "Es ist höchste Zeit!"

Bundesländerflughafen in Österreich Vorreiter

Zahlreiche große internationale Flughäfen halten sie bereits vor. Der Star Alliance Hub Zürich (60 Stück) zählt ebenso dazu wie Frankfurt, operationelle Basis der AUA-Konzernmutter Lufthansa. Hier hat man sie bereits 2003 eingeführt (80 Stück). Sämtliche österreichische Bundesländerflughäfen verfügen - zum Teil schon seit Jahren - über sie und haben ihr Personal entsprechend geschult. Man findet sie ebenfalls in zahlreichen Banken, Büros, an öffentlich zugänglichen Orten, in Schulen und Rathäusern. In Monaco sind sie im wahrsten Sinne des Wortes "alle paar Meter" auf der Straße installiert, ein Pfeil mit Entfernungsangabe weist dabei den Weg zum nächsten verfügbaren Gerät. Auf dem Flughafen Wien sind sie dagegen noch immer nicht gelandet. Und das obwohl Österreichs größter Airport pro Jahr von annähernd 20 Millionen Passagieren und tausenden Mitarbeitern frequentiert wird, Tendenz erfreulicherweise weiter steigend. Die Rede ist von halbautomatischen Defibrillatoren, so genannten AED's, die im Ernstfall Menschenleben retten können.

VIE als Nachzügler

Immerhin, 10 Jahre nach Einführung dieser kompakten Lebensretter auf dem Flughafen Frankfurt, haben auch einige verantwortungsbewusste und kluge Köpfe auf dem Flughafen Wien die Zeichen der Zeit erkannt und sich mit ihren Ideen glücklicherweise durchgesetzt. Der Airport stellt sich damit nun auch einer über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehenden Verantwortung, die er gegenüber Reisenden und Mitarbeitern aus ethischer Sicht hat. Bis Mitte 2013 sollen, wie von Austrian Wings berichtet, in Zusammenarbeit mit dem Verein "Puls" halbautomatische Defibrillatoren für die Laienreanimation beschafft werden. Die genaue Stückzahl wird derzeit evaluiert, sagte Sprecher Peter Kleemann gegenüber Austrian Wings.

Überlebenschancen erhöhen sich dadurch auf 60 Prozent

Doch weshalb sind diese kleinen, zumeist gelben, unscheinbaren Köfferchen überhaupt so bedeutsam im Falle einer Reanimation? Immerhin verfügt der Flughafen Wien über eine 24/7 mit Notarzt und Sanitätern besetzte Ambulanz sowie einen bestens ausgestatteten Notarztwagen. Im Ernstfall können die Retter innerhalb weniger Minuten jeden Punkt des Airports erreichen. Bei derjüngsten Reanimation waren sie innerhalb von sechs Minuten am Einsatzort, ein hervorragender Wert, auch im internationalen Vergleich. Hier braucht sich der VIE nicht zu verstecken.

Lassen wir deshalb dazu Notfallmediziner Dr. Mario Krammel, den geschäftsführenden Präsidenten des Vereins "Puls" selbst zu Wort kommen:

"Allein in Österreich sterben jedes Jahr mehr als 10.000 Menschen am plötzlichen Herztod – in den meisten Fällen ohne vorherige Warnzeichen. Der plötzliche Herztod ist somit außerhalb von Krankenhäusern die häufigste Todesursache. In jeder Minute ohne Hilfe verringert sich die Überlebenswahrscheinlichkeit um 10 %. Bis die Rettungskräfte vor Ort sind, spielen Laien in der Wiederbelebung eine wichtige Rolle. Durch kräftigen Druck in der Mitte des Brustkorbes und den raschen Einsatz eines Defibrillators können Zeugen eines Herz-Kreislauf-Stillstands effizient Hilfe leisten und so die Überlebenschance von derzeit 10 auf über 60 Prozent erhöhen".

Im Rahmen des Projekts “Wien wird HERZsicher” wurden in Wien bis jetzt mehr als 300 Defis frei zugänglich installiert, auch das Rathaus in Schwechat verfügt bereits über einen AED.

57 Prozent der Patienten haben überlebt

Die von Dr. Krammel genannten Zahlen werden durch die Realität eindrucksvoll bestätigt. Am Flughafen Frankfurt, wo AED's seit 10 Jahren durchschnittlich zwei bis dreimal pro Jahr zum Einsatz kommen, haben 57 Prozent der reanimierten Patienten überlebt, und davon fast zwei Drittel sogar ohne Folgeschäden! Eine beeindruckende Erfolgsbilanz im Kampf gegen den plötzlichen Herztod.

Aufgrund der positiven Erfahrungen schon in der Anfangsphase des Projekts erhöhte der Flughafen Frankfurt die Zahl der vorhandenen AED's sukzessive von zunächst 16 (ab 2003) auf 80 (2013). Gleichzeitig muss natürlich auch gesagt werden, dass Defibrillatoren keine Wunder vollbringen können. Ihr Einsatz ist nur bei Kammerflimmern oder einer ventrikulären Tachykardie indiziert und überhaupt möglich.

Doch die Steigerung der Überlebenschancen eines Menschen von 10 auf 60 Prozent im Falle eines Herz-Kreislaufstillstandes rechtfertigt ihre Anschaffung allemal, sollte man meinen, insbesondere dann, wenn ein Unternehmen hunderte Millionen Euro für ein verpfuschtes Terminal in den Sand setzt und den dafür verantwortlichen Managern bei deren Abgang dafür auch noch fürstliche Abfertigungen und großzügig dotierte Beraterverträge zuteil werden lässt.

Schließlich kostet ein AED nicht die Welt, schon ab rund 1.600 Euro pro Gerät ist man als Unternehmen dabei, inklusive der Schulung der Mitarbeiter. Ein verschwindend geringer Betrag, wenn man bedenkt, dass dadurch Menschenleben gerettet werden können und das betreffende Unternehmen gleichzeitig Imagewerbung für sich betreiben kann, indem es in den Vordergrund stellt, wie sehr es die Verantwortung für seine Kunden wahrnimmt. Unglücklicherweise gibt es in Österreich aber noch immer keine gesetzliche Pflicht zur Vorhaltung von AED's an öffentlichen Orten wie Schulen, Bahnhöfen oder Flughäfen. Vielleicht ändert sich das in der Zukunft. Wünschenswert wäre es allemal.

Sinnvolles Gesamtkonzept erforderlich

Freilich, einfach Defis zu beschaffen und diese dann an verschiedenen Örtlichkeiten des Flughafens zu installieren, reicht bei Weitem nicht aus. Denn welcher Laie traut sich im Ernstfall schon die Erste Hilfe zu, geschweige denn eine Herz-Lungen-Wiederbelebung? Leider die wenigsten. Und so würden die Geräte wohl ungenutzt in ihren Halterungen verbleiben, wenn ein Mensch reglos zusammenbricht. Das kann nicht Sinn und Zweck der Sache sein.

Und genau deshalb muss parallel zur Beschaffung der AED's auch ein umfangreiches Ausbildungsprogramm anlaufen, in dem die Mitarbeiter des Flughafens, der Sicherheitskontrollen, Polizisten, Airline-Staff, etc ... fachkundig in Erster Hilfe, Herz-Lungen-Wiederbelebung und im Umgang mit dem Defi geschult werden Denn sie sind es, die im Ernstfall, bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes, über Leben und Tod des Patienten entscheiden können! Eine enorme Verantwortung, der man nur durch entsprechende fachliche und mentale Vorbereitung gerecht werden kann.

Auch das bestätigen die Erfahrungen aus Frankfurt, wo pro Jahr 1.000 bis 2.000 Menschen entsprechend unterwiesen werden. Am häufigsten wurden die Geräte dort dann auch von Flughafenpersonal eingesetzt, gefolgt von Polizisten und Abholern.

VIE hat kompetenten Partner

Mit dem Verein "Puls" hat der Flughafen Wien zweifelsohne einen kompetenten Partner an Bord geholt, mit dem die Umsetzung eines den Anforderungen entsprechenden Gesamtkonzeptes hoffentlich gelingen wird. Bereits Mitte 2013 sollen die AED's beschafft und installiert sein. Zu wünschen wäre, dass ähnliche Verzögerungen wie beim Skylink diesmal ausbleiben.

Besser spät als nie?

Einen Vorwurf kann man dem Flughafen Wien als Institution in diesem Zusammenhang keinesfalls ersparen. Er hat (wieder einmal) die Zeichen der Zeit zu spät erkannt und setzt erst jetzt das um, was andere bedeutende Airports zum Teil schon vor bis zu 10 Jahren etabliert haben. Wahrlich kein Ruhmesblatt für einen Airport, der sich selbst gerne als Mitglied im Club bedeutender Flughäfen und internationaler Hubs sieht.

Den jetzt am Ruder befindlichen Verantwortlichen ist grundsätzlich dazu zu gratulieren, dass die Entscheidung, AED's anzuschaffen, getroffen wurde. Wenngleich die Frage erlaubt sein muss, weshalb die Einführung dieser Defis nicht beispielsweise zeitgleich mit der Eröffnung des Skylink / Check-In-3 erfolgte, wie auch zahlreiche Austrian Wings Leser in Mails an die Redaktion sowie auf Facebook festgestellt haben. War es mangelende Weitsicht? Inkompetenz?  Man weiß es nicht.

Um sicherzustellen, dass künftig jedes Menschenleben, das noch gerettet werden kann, auch tatsächlich gerettet wird, darf sich der VIE jetzt keine weiteren Verzögerungen mehr erlauben. Austrian Wings wird über die Einführung der AED's auf dem Flughafen Wien natürlich von Anfang an berichten.

(red PA / Titelbild: Halbautomatischer Defibrillator auf dem Flughafen Wien - Foto: PA / Austrian Wings Media Crew)

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.