Die Anfänge der Aviation Academy Austria liegen bereits rund 11 Jahre zurück. Während seines BWL-Studiums hatte der damals 30-jährige Pilot Thomas Herrele die zündende Idee. Projektstudien und ein Businessplan folgten, 2004 wurde das Unternehmen ins Firmenbuch eingetragen und 2008 wurde mit einem Fokker 70/100 Simulator in Neusiedl am See der Betrieb aufgenommen.
Die Entscheidung für dieses Muster erfolgte ganz bewusst und sollte sich auch fünf Jahre später, 2013, noch als richtig erweisen, bekräftigt Herrele im Gespräch mit Austrian Wings:
"Uns war natürlich schon damals klar, dass die Fokker ein Nischenmuster ist. Dennoch haben wir diese Entscheidung getroffen, da wir uns ganz bewusst spezialisieren und nicht mit dem Massenmarkt (A320, B737, Anm. d. Red.) konkurrieren wollten."
Und das scheint gelungen zu sein. Man habe sich "gefestigt" und sei "stetig gewachsen".
"Unser größter Kunde, die Austrian Airlines, hat allein im Jahr 2010 immerhin 36 Crews für das Fokker-Typerating zu uns geschickt."
Zu den Airlines, die ihre Fokker-Besatzungen bei der AAA trainieren, zählen neben der AUA/Tyrolean auch Montenegro Airlines, Helvetic, Eagles Airlines, Trade Air, MJet, Carpatair, Iran Aseman Airlines sowie "einige weitere, die nicht öffentlich genannt werden möchten."
"Setzen weiter auf die Fokker"
Herrele und sein Chief Ground Instructor, Hans-Georg Rabacher, bekräftigten, darauf angesprochen, dass die AUA als größter Kunde ihre Fokker-Flotte voraussichtlich 2016 durch die Bombardier CSeries ersetzen wird, dass man bis auf Weiteres trotzdem am Fokker-Simulator festhalten will.
"Uns war schon bei der Planung völlig klar, dass dieser Typ demnächst in die Phasing-out-Phase kommt", erzählen die beiden Piloten. "Wir sind aber überzeugt davon, dass diese Jets auf Sekundärmärkten, etwa in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, noch einige Jahre weiterfliegen werden."
Dazu komme, dass es weltweit kaum Simulatoren für die Fokker 70/100 gebe. "Einer steht in Amsterdam, einer Miami, einer in Australien und einer bei uns, in Neusiedl am See, 15 Autominuten vom Flughafen Schwechat entfernt."
Der eigene Fokker-Simulator werde daher sicher noch etliche Jahre wirtschaftlich zu betreiben sein. "So lange er sich rechnet, werden wir ihn betreiben", bringt es Herrele auf den Punkt.
Derzeit liege die Auslastung bei jährlich 4.000 bis 5.000 Flugstunden. Der Break even liegt bei rund 2.000 Stunden pro Jahr.
Von Anfang an war es der Plan von Herrele und seinen Partnern, die Aviation Academy Austria auf mehrere Standbeine zu stellen. Schon 2008 wurden deshalb Pläne für einen weiteren Simulator geschmiedet und mögliche Muster evaluiert.
"Wie bereits eingangs erwähnt, besteht unser Geschäftsmodell aus Speziallösungen im Regional- und Executiveflugsegment", präzisiert Herrele die Tätigkeit der Firma.
Daher habe man gezielt nach einem Muster gesucht, welches häufig in Europa im Einsatz sei und sei schließlich fündig geworden.
Im zweiten Quartal 2010 fiel die Entscheidung auf den Citation 560 XLS-Simulator, der in diesen Tagen in Betrieb gegangen ist. Die Kosten für das von der österreichischen Firma Axis produzierte Trainingsgerät der lagen bei "rund 10 Millionen Euro".
Durch den Einsatz eines elektrischen statt eines hydraulischen Bewegungssystems konnten die Betriebskosten gegenüber dem Fokker-Simulator um circa 35 Prozent gesenkt werden.
Rabacher: "Auch für den Citation-Simulator haben wir schon Kunden aus ganz Europa und teilweise sogar aus Asien. Das liegt daran, dass es nur noch in Großbritannien und den USA einen solchen Simulator gibt."
Konkret habe man "etwa 40 bis 50 Flugbetriebe sowie zahlreiche Einzelpersonen", die künftig ihre Citation-Schulungen in Neusiedl am See absolvieren werden.
"Gerade in der Business-Fliegerei finanzieren oder erhalten sich viele Piloten ihre Typeratings selbst, das Rating kostet für dieses Muster circa 18.000 Euro", erklärt Rabacher.
Kapazitätserweiterung um 100 Prozent
Doch bereits zuvor war das Trainingszentrum baulich erweitert worden, um Platz für zwei zusätzliche Simulatoren zu schaffen. Die Entscheidung für den Zubau fiel intern im Frühjahr 2011, im Oktober war Baubeginn und fertig gestellt war die neue Halle dann im Frühjahr 2012.
"Wir kooperieren seit einiger Zeit mit Farnair-Europe", führt Herrele aus.Und so kommt es, dass Farnair in wirtschaftlicher Eigenverantwortung einen ATR 42/72 Simulator betreibt, der seinen Standort seit dem Frühjahr 2012 in der neu eröffneten Simulatorhalle der AAA hat.
Somit sind bisher drei von vier möglichen Standplätzen für Full Flight Simulatoren in der Aviation Academy Austria belegt.
Vierter Simulator nicht ausgeschlossen
Zwar wollten Herrele und Rabacher noch nicht verraten, wann ein vierter Simulator angeschafft oder um welches Modell es sich dabei handeln wird, doch es gebe natürlich entsprechende Überlegungen, so viel war den beiden zu entlocken.
Weiterer Ausbau möglich
Sollte es erforderlich werden, kann das Ausbildungszentrum außerdem noch einmal baulich erweitert werden. Herrele: "Darauf haben wir schon bei der Standortauswahl geachtet, rundherum gibt es genügend freie Flächen, die das ermöglichen."
Ausbildungen und Kosten
Die AAA bietet verschiedene Ausbildungskonzepte und Trainings an, erläutert Hans-Georg Rabacher: "Wer nur den PPL machen möchte, ist bei uns definitiv an der falschen Adresse. Unser Fokus liegt auf der Schulung von Nachwuchs für die Berufsfliegerei, und das auf einem besonders hohen Niveau."
Ab initio ATPL-Kurs
Folglich bietet man "ab initio" Ausbildungen vom PPL bis zum (frozen) ATPL an. Während andere Flugschulen ihren Schülern oft das Blaue vom Himmel versprechen und quasi "jeden" aufnehmen, setzt man in Neusiedl am See auf eine strenge Vorauswahl, erklärt der Chief Ground Instructor das Konzept der AAA: "Jeder Interessent wird von mir oder einem Kollegen schon am Telefon ausführlich befragt."
Hier werde ein Großteil der ungeeigneten Kandidaten ausgesiebt. "Befinden wir einen Bewerber für geeignet, laden wir ihn zu einem Screening ein."
Dieses besteht aus einem schriftlichen Test sowie persönlichen Auswahlinterviews. "Das dauert zwischen drei und sechs Stunden, grundsätzlich, das heißt vom Gesetz her, ist die Matura keine Voraussetzung." Weil aber die meisten Fluglinien darauf bestehen, "möchten wir auch, dass unsere Flugschüler diese Qualifikation haben."
In Ausnahmefällen akzeptiere man Kandidaten zwar auch ohne Matura, die würden dann aber "besonders intensiv gescreent".
Bei diesem Screening sei auch "eine Menge Beratung" dabei, erklärt Herrele. "Es geht darum, dass sich der Schüler seiner Chancen und Möglichkeiten bewusst wird."
"Die Ausbildung von der ersten Theoriestunde bis zum "Frozen ATPL" kostet bei uns im Gesamtpaket 67.920 Euro und dauert zwischen eineinhalb und zwei Jahren. Es ist also im Interesse des Flugschülers selbst, dass wir nur geeignete Aspiranten zur Ausbildung zulassen, alles andere wäre unseriös", sagen Rabacher und sein Chef Thomas Herrele, der selbst aktiver A340-Pilot ist. Die ATPL-Ausbildung ist durchgehend (Vollzeitmodell) oder berufsbegleitend (Teilzeitmodell) möglich. "Es ist schwer einen genaue Dauer der Ausbildung zu definieren, weil wir in Europa natürlich auch sehr vom Wetter abhängig sind, wenn es ums Fliegen geht."
Pro Jahr absolvieren laut Angaben der AAA rund 20 Schüler die ab initio Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer. "Circa ein Drittel davon hat schon den PPL in der Tasche, die übrigen sind komplett ohne Vorbildung." Ein Umstand, der ganz und gar kein Nachteil sein muss: "Flugschülern ohne Vorbildung muss man keine schlechten Angewohnheiten abgewöhnen, die sie womöglich woanders gelernt haben."
In der bis zu zweijährigen Ausbildung eignen sich die Schüler in 900 bis 1.000 Stunden die erforderlichen theoretischen Kenntnisse an, die für den ATPL erforderlich sind.
Rabacher: "In dieser Zeit absolvieren unsere Studenten intern rund 200 Zwischenprüfungen, ehe es schließlich zur behördlichen Abschlussprüfung geht."
Maximal - das gibt der Gesetzgeber vor - darf die Ausbildung 36 Monate dauern.
Parallel zur Theorie findet der Flugbetrieb statt, wobei die praktische Schulung in Wiener Neustadt (Flugplatz Ost) auf modernen Diamond-Mustern mit Garmin 1000 Glascockpit durchgeführt wird.
Insgesamt kommen die angehenden ATPL-Besitzer auf circa 200 Flugstunden, von denen wiederum etwa 25 im Fokker 70/100 Full Flight Simulator geflogen werden.
"So bereiten wir unsere Schüler optimal auf den Airlinealltag in Zweimann-Cockpits vor", führt Rabacher aus, der betont, dass man unter anderem mit dem Projekt "Girls in Aviation" zusammenarbeitet, um mehr Frauen für diesen Beruf zu begeistern.
Keine Garantie auf einen Platz im Cockpit
Eine Garantie, nach erfolgreicher Ausbildung aber tatsächlich als Berufspilot im Cockpit zu landen, gibt man bei der AAA trotzdem nicht. Das wäre nicht seriös, heißt es.
"Doch durch unser umfangreiches Instruktorenteam haben wir sehr gute Beziehungen zu zahlreichen europäischen Airlines geknüpft. Unser Trainingskonzept und unsere starke persönliche Unterstützung verbessern die Chancen unserer Absolventen, einen Vollzeitjob zu erhalten, mehr als es bei anderen Flugschulen vielleicht gegeben ist", heißt es.
Laut Rabacher findet der "Großteil unserer Schüler" nach Abschluss der Ausbildung einen Job als Pilot.
Teamwork im Flightdeck
Zahlreiche Flugunfälle in der Vergangenheit sind auf mangelnde Koordination bei der Zusammenarbeit der Piloten zurückzuführen. Aus diesem Grund sind entsprechende Schulungen seit Jahren Standard. Die AAA bietet ebenfalls so genannte "Multi Crew Cockpit Kurse" an, bei denen ATPL-Inhaber auf die Arbeit in modernen Cockpits mit Zwei- oder Dreimanncrew vorbereitet werden.
Eine solche Schulung dauert rund eineinhalb Wochen und umfasst ein 25-stündiges Theorietraining sowie 20 Flugstunden im Fokker-Simulator.
Anerkennung ausländischer Lizenzen
Während Pilotenlizenzen nach JAR weltweit anerkannt sind, ist dies bei manchen ausländischen oder vor vielen Jahren ausgestellten Lizenzen nicht der Fall. Herrele: "Deshalb haben wir unser Schulungsprogramm "Conversion Course" ins Leben gerufen."
In diesem Kurs werden Inhaber von nicht JAR-konformen Linzenzen auf die entsprechende Prüfung zur Erlangung einer JAR-FCL-Lizenz vorbereitet.
"Zuerst muss der Anwärter ein mündliches und schriftliches Interview ablegen, um herauszufinden welche Themen aufgefrischt werden sollten. Danach beurteilt ein Fluginstruktor die praktischen Fähigkeiten. Dies findet üblicherweise im Zuge zweier Bewertungsflüge statt, die entweder im Simulator oder im Flugzeug stattfinden", erläutert das Fluglehrerteam der AAA gegenüber Austrian Wings.
"Anschließend wird unser Fluglehrerteam ein auf den Prüfling zugeschnittenes Trainingsprogramm erstellen. Es besteht aus theoretischem Direktunterricht, das von CBT Selbststudium begleitet wird und praktischem Training am Simulator oder Flugzeug. Wenn das Training erfolgreich abgeschlossen worden ist, ist der Kandidat bereit die Prüfung abzulegen."
Die Dauer für ein solches Training hängt laut Rabacher stark von der Vorbildung des Piloten und seinen individuellen Fähigkeiten ab. "Das können 8 Tage oder auch 16 Monate sein."
Checkflüge
Der Hauptgeschäftszweig des burgenländischen Unternehmens sind jedoch Check- und Überprüfungsflüge für Airlinepiloten. Zweimal jährlich muss jeder Verkehrsflugzeugführer in den Simulator um vor einem Prüfer zu beweisen, dass er sämtliche operationellen Verfahren im Flugbetrieb beherrscht, auch, und insbesondere, bei Notfällen.
Dazu kommen noch Typreatings für ATPL-Inhaber auf dem Muster Fokker 70/100. Die entsprechende Typenschlung kostet rund 30.000 Euro pro Crew.
Qualität
"Wir setzen in allen Bereichen auf höchste Qualität", sagen Hans-Georg Rabacher und Thomas Herrele im Gespräch mit den Austrian Wings Redakteuren. "Alle unsere Full Flight Simulatoren sind nach JAR-FSTD 1A Level D zertifiziert, das ist der höchste Standard."
Und in der Basisschulung kommen laut Herrele ausschließlich moderne Diamond DA40 (Einmot) und DA42NG (Zweimot), die alle mit Garmin G1000 Avionics ausgestattet sind, zum Einsatz.
Weil moderne Technik aber nur die halbe Miete ist, setzt man auch bei den Trainern auf jahrelange Praxiserfahrung und Airlinebezug. Rabacher: "Unsere Instruktoren haben langjährige Flugerfahrung bei internationalen Fluglinien. Viele von ihnen sind immer noch als Linien-Piloten aktiv neben ihren Pflichten als Lehrpersonal."
Rabacher selbst ist übrigens trotz seiner Tätigkeit in der Ausbildung von Berufspiloten privat auch der "kleinen" Fliegerei treu geblieben. Der leidenschaftliche Pilot gibt sein Wissen und seine Erfahrung als Motorsegler- und PPL-Fluglehrer bei einem gemeinnützigen Flugverein auf dem Flugplatz Wiener Neustadt West an seine Schüler weiter. Back to the roots, gewissermaßen.
(red ON / MK / Titelbild: ATR 42/72 Simulator von Farnair in der Aviation Academy Austria - Foto: PA / Austrian Wings Media Crew)
[update]28. März 2013[/update]