Wie der "Aviation Herald" berichtet, befand sich die Maschine im Steigflug, als die Piloten plötzlich den "Gestank alter Socken" im Cockpit wahrnehmen, der sich kurze Zeit später verflüchtigte.
Obwohl dieser Geruch in Fachkreisen als deutliches Indiz für die Kontaminierung der Kabinenluft mit Triebwerksöl, welches hochtoxische Stoffe enthält, gilt, entschied sich die Besatzung, den Flug bis nach Graz fortzusetzen.
Während des Anfluges auf Graz trat der Geruch jedoch erneut auf und erreichte offenbar eine Dimension, in der die Piloten sogar ihre Sauerstoffmasken anlegen mussten. Wenig später landete der Jet sicher auf der Piste 35.
Laut dem Bericht des "Aviation Herald" habe der Kapitän gegenüber den medizinischen Einsatzkräften erklärt, er wolle, dass bei der gesamten Besatzung Blut- und Urinuntersuchungen durchgeführt werden, da er scheinbar den Verdacht hatte, dass die Insassen kontaminiert worden sein könnten.
Weil dies jedoch bedeutet hätte, dass die gesamte Crew ins Universitätskrankenhaus nach Graz eingeliefert werden hätte müssen, verzichtete der Kapitän schließlich auf die Untersuchung und entschied sich für den Rückflug nach Frankfurt. Dort sei die Maschine schließlich sechs Stunden am Boden gestanden, bevor sie den nächsten Flug absolviert habe. Unbestätigten Meldungen zufolge soll dabei eines der beiden Triebwerke getauscht worden sein.
Ob die AUA-Konzernmutter ihre Reisenden auch über die potentiell gesundheitsschädliche Wirkung von Öldämpfen informiert und ihnen eine medizinische Untersuchung angeboten hat, ist unklar. Die österreichischen Behörden haben eine Untersuchung des Vorfalls eingeleitet.
Dürftige Auskunft von Lufthansa
Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty reagierte auf Austrian Wings Anfrage zu dem Vorfall äußerst wortkarg: "Wir bestätigen, dass Geruch festgestellt und daraufhin gründlich untersucht wurde und die Ursache für die Geruchsbildung mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Rückstände von Enteisungsflüssigkeit zurück zu führen ist."
Piloten zweifeln Lufthansa-Version an
Von Austrian Wings konsultierte Verkehrsflugzeugführer zweifeln diese Darstellung allerdings an. "Grundsätzlich kann das schon sein, doch Enteisungsmittel verflüchtigt sich relativ rasch. Es wäre daher untypisch, dass der Geruch während des Reisefluges nicht mehr auftritt, während des Landeanfluges dann aber eine Intensität erreicht, die das Anlegen der Sauerstoffmasken erforderlich macht", erläutert ein ehemaliger österreichischer B737-Pilot. Typischerweise treten Enteisungsmittelrückstände beim Rollen am Boden und kurz nach dem Start über die Klimaanlage ein."
Außerdem kenne er keinen Flugzeugführer, der, wenn er den Verdacht hätte, dass Enteisungsmittelrückstände in die Klimaanlage gelangt sind, eine Blut- und Urinuntersuchung der Besatzung verlangen würde.
Weiters würde, wenn der Geruch tatsächlich nur von Rückständen der Enteisungsflüssigkeit stammte, wohl kaum ein Triebwerk getauscht werden. Lufthansa hat auf Anfrage den kolportierten Triebwerkstausch nicht dementiert.
Mit keinem Wort ging Lufthansa auch auf die Fragestellung ein, ob sie ihre Reisenden über die potentiell gesundheitsschädliche Wirkung von Öldämpfen informiert und ihnen eine medizinische Untersuchung angeboten habe.
Lufthansa bleibt bei "unglaubwürdiger" Darstellung
Austrian Wings richtete deshalb erneut zwei Anfragen an die Lufthansa-Pressestelle, in denen um eine ausführliche Stellungnahme ersucht wurde. Unsere Redakteure leiteten dabei die Meinung von Piloten zum bisherigen offiziellen Lufthansa-Statement an den Kranich weiter, ebenso wurde erneut die Frage nach dem Tausch des linken Triebwerks gestellt. Erst beim zweiten Versuch erreichte uns überhaupt eine Antwort von Lufthansa-Sprecher Andreas Bartels, der wiederholt die von Piloten als "unglaubwürdig" eingestufte Erklärung verlautbarte: "Die Ursache für die Geruchsbildung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Rückstände von Enteisungsflüssigkeit zurück zu führen."
Die von diversen Quellen gegenüber Austrian Wings kolportierte Darstellung, dass es im linken Triebwerk ein Ölleck gegeben habe, über das während des Fluges von Frankfurt nach Graz mit Ölrückständen kontaminierte Luft in die Kabine gelangt sein könnte, wies Bartels mit einem knappen "Ihre Vermutungen sind unzutreffend" zurück.
Am 25. März bestätigte Bartels in einer E-Mail an die Austrian Wings-Redaktion und erklärte, man habe Rückstände von Enteisungsflüssigkeit festgestellt: "Der Wechsel eines Triebwerks hat zur Ermittlung von möglichen Ursachen tatsächlich stattgefunden. Bei der auf den Smell-Vorfall folgende Kontrollen am Flugzeug wurden letztlich Rückstände von Enteisungsflüssigkeit im Stabilizer Compartment und im APU Compartment als Ursache festgestellt."
Auch bei dem Germanwings-Vorfall vom Dezember 2010 in Köln, sei ebenfalls Enteisungsmittel gewesen, erklärte Bartels unter Berufung auf den Untersuchungsbericht.
Von Austrian Wings befragte Piloten bezweifeln allerdings, dass Enteisungsmittel allein die Ursache für den Vorfall in Köln gewesen sei. "Jeder Pilot hatte schon einmal Enteisungsmittelrückstände in der Klimaanlage, aber davon wird man nicht fast bewusstlos", meinte ein Flugzeugführer im Gespräch mit unserer Redaktion.
Öldämpfe extrem gefährlich
Triebwerksölrückstände die in Cockpit und Kabine eindringen, gelten bei Fachleuten aufgrund ihrer toxischen Inhaltsstoffe als hochgefährlich. Im Dezember 2010 stürzte ein Airbus A319 der Lufthansa-Tochter Germanwings beim Landeanflug auf Köln beinahe ab, nachdem beide Piloten vermutlich aufgrund kontaminierter Kabinenluft in ihrer Handlungsfähigkeit extrem eingeschränkt waren. Auch damals hatte Lufthansa zunächst behauptet, die Geruchsbelästigung sei auf Enteisungsmittelrückstände zurückzuführen.
(red / Titelbild: Boeing 737-500 der Lufthansa, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew)