Ein Flugbegleiter (oder eine Flugbegleiterin) pro 50 Sitzplätze - das ist die internationale Formel zur Berechnung der so genannten "Minimum Crew" an Bord von kommerziellen Verkehrsflugzeugen.
In der Praxis bedeutet dies, dass an Bord einer Fokker 70 mit bis zu 80 Sitzplätzen mindestens zwei Flugbegleiter Dienst versehen müssen, auf einer Boeing 737-800 (189 Plätze) dagegen vier. Natürlich steht es jeder Airline frei, diese Mindeststärke der Besatzung aufzustocken, was einerseits eine Verbesserung des Service für den Passagier, andererseits aber auch eine größere Sicherheit im Ernstfall bedeutet, doch in Zeiten von "Effizienzsteigerungsprogrammen" - umgangssprachlich also der klassische Rotstift - ist dies nur noch selten der Fall.
Bedauerlich, denn Flugbegleiter und ihre Fachkompetenz, die weit über das sichtbare Bordservice hinausgeht, nehmen eine wichtige Rolle ein. Anders als die meisten Passagiere denken, sind sie nämlich nicht in erster Linie für das leibliche Wohl der Fluggäste, sondern in hohem Maße für die Sicherheit an Bord verantwortlich.
Dazu durchlaufen sie eine äußerst intensive Ausbildung, lernen erweiterte Erste Hilfe Maßnahmen, wie man einen havarierten Jet richtig und rasch evakuiert oder wie man verklemmte Notausstiege öffnet. Sie müssen das Erkennen und Löschen von Bränden ebenso beherrschen wie die Piloten und in Notsituationen perfekt mit diesen als Team zusammenarbeiten. Regelmäßige Rezertifizierungen sind Pflicht, um ein konstant hohes Qualitätsniveau sicherzustellen.
Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen lernen aber auch viel über die menschliche Psyche, denn im Ernstfall entscheidet ihr richtiges Verhalten nicht selten sogar über Leben und Tod. Beispiele dafür gibt es genug, das jüngste ist gerade einmal eine Woche alt.
Nach der Bruchlandung einer Boeing 777-200 der Asiana in San Francisco gab es zunächst kein Evakuierungssignal aus dem Cockpit. Die Purserin schätzte die Situation jedoch richtig ein und leitete eigenverantwortlich die Evakuierung des verunglückten Jets ein - ohne diese Entschlusskraft hätte es vermutlich weit mehr Todesopfer gegeben.
Im Jahr 1988 handelte Flugbegleiterin Michelle Honda vorbildlich, als sie an Bord von Aloha 243 ohne jede Verbindung zum Cockpit die Kabine so gut als möglich auf eine Notlandung vorbereitete, ohne überhaupt zu wissen, ob die Piloten im Cockpit noch handlungsfähig waren. Parallel dazu versorgte sie außerdem ihre schwer verletzte Kollegin Jane Sato Tomita und half nach der Landung der schwer beschädigten 737 pflichtbewusst bei der Evakuierung des Jets.
Acht Jahre zuvor rettete die Flugbegleiterin Wan Wen Hwang zahlreiche Passagiere aus einer brennenden Boeing 707 und erlitt dabei selbst schwere Verletzungen. Und Beverly Raposa war Stewardess an Bord von Eastern 401, einer Tristar, die in den Everglades abstürze. Auch ihr verdanken zahlreiche verletzte Passagiere das Überleben.
Ein besonderes Beispiel für weit über das gesetzliche Maß hinausgehende Pflichterfüllung ist zweifellos der Fall von Barbara Harrison. Die junge Frau war gerade einmal 22 Jahre alt und arbeitete als Stewardess an Bord von BOAC 712. Die Boeing 707 verlor kurz nach dem Start ein Triebwerk, auslaufender Treibstoff entzündete sich, trotzdem gelang den Piloten eine Notlandung.
In weiterer Folge jedoch griffen die Flammen rasch von der Tragfläche auf den Rumpf über. Trotz immer dichter werdendem Rauch und enormer Hitze evakuierte Harrison die Maschine, stieß Passagiere teilweise mit roher Gewalt aus dem Flugzeug um deren Leben zu retten. Sie selbst blieb an Bord und versuchte auch noch, einem gehbehinderten Reisenden zu Hilfe zu kommen. Dabei wurde sie jedoch vom Qualm überrascht, verlor das Bewusstsein und erstickte. Für ihren Einsatz wurde Harrison posthum als einziger Frau in Friedenszeiten von Königin Elisabeth II. das "George Cross" verliehen.
Und es ist noch gar nicht so lange her, da konnten zwei Flugbegleiterinnen der AUA (Tyrolean Airways) einen 16-jährigen Passagier durch beherzte Reanimationsmaßnahmen ins Leben zurückholen.
Aber nicht nur bei Unfällen haben gut ausgebildete und couragierte Mitglieder der Kabinenbesatzung Menschen das Leben gerettet, auch im Falle von Entführungen und Terroranschlägen waren es in der Vergangenheit immer wieder Crewmitglieder, die durch ihr engagiertes und kompetentes Handeln Schlimmeres verhindert haben.
Bei der Entführung von TWA 847 (1985) durch arabische Terroristen etwa war es die Flugbegleiterin Uli Derickson, die deeskalierend auf die Entführer einwirkte und unter Lebensgefahr die Pässe von jüdischen Reisenden versteckte um diese zu schützen.
Eine ähnliche Rolle nahm die damals 23-jährige Gabriele von Lutzau (geborene Dillmann) ein, die als Stewardess auf der Lufthansa Maschine "Landshut" Dienst versah, als die B737 von Terroristen gekapert wurde.
Und als im Jahr 1973 vier bewaffnete Terroristen Pan Am 73 mit mehr als 300 Menschen an Bord in Karachi in ihre Gewalt brachten, waren es Purserin Neerja Bhanot (23 Jahre alt) und ihre etwa gleichaltrigen Kolleginnen, die Pässe von US-amerikanischen Passagieren versteckten um sie zu schützen und versuchten, auf Reisende und Entführer gleichermaßen beruhigend einzuwirken um einen positiven Ausgang der Situation herbeizuführen.
Doch vergeblich - als nach 17 Stunden der Strom und damit die Beleuchtung ausfiel, gerieten die Terroristen in Panik und eröffneten mit ihren Schnellfeuergewehren das Feuer auf die Insassen des Jumbos, warfen außerdem Handgranaten in die Menge. Bhanot und ihre Kolleginnen öffneten so viele Notausstiege wie möglich und wiesen den Passagieren den Weg dorthin.
In dem Moment als die Terroristen drei Kinder erschießen wollten, warf sich Bhanot in die Schusslinie und wurde schwer verletzt. Zwar konnte sie noch von ihren Kolleginnen aus dem Flugzeug gerettet werden, verstarb jedoch wenig später.
Glücklicherweise treten Situationen wie hier beschrieben im täglichen Flugbetrieb extrem selten auf, doch zeigen sie umso deutlicher, dass Flugbegleiter eine Fülle enorm wichtiger Aufgaben an Bord haben, die weit über das Servieren von Essen und Getränken hinausgehen und somit in aller Regel "unsichtbar" bleiben.
Jeder Reisende ist daher gut beraten, an Bord einer Passagiermaschine stets daran zu denken, dass der freundliche Herr oder die freundliche Dame mit der schicken Uniform weit mehr ist als die sprichwörtliche "Saftschubse", wie so mancher Passagier Flugbegleiter auch gerne mal belustigend bezeichnet. Und daran, dass es - auch als Vielflieger! - durchaus sinnvoll ist, bei der kurzen Sicherheitsdemo konzentriert hinzuhören und zuzusehen. Schließlich kann davon das eigene Leben abhängen.
Offizielle Webseite zu Ehren von Neerja Bhanot
(red CvD, HP, UB / Titelbild: Flugbegleiterin beim Bordservice - Foto: Austrian Wings Media Crew)
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