Denn bereits jetzt steht fest, dass die Maschine zu langsam flog, sich deshalb wenige Sekunden vor dem Absturz der Stickshaker als Warnung vor einem bevorstehenden Strömungsabriss aktivierte und das Kommando zum Durchstarten erst viel zu spät - eine Sekunde vor dem Aufprall - erfolgte.
Inwieweit zu dieser mutmaßlichen Fehlleistung der Piloten die zum Zeitpunkt des Unfalles nicht verfügbaren Anflughilfen des Flughafens San Francisco beigetragen haben, wird im Rahmen der Unfalluntersuchung abschließend zu klären sein.
Denn das deutsche Nachrichtenmagazin "Spiegel" zitierte nach eigenen Angaben den "Kapitän einer deutschen Airline" mit den Worten: "Ein stabilisierter Anflug in San Francisco ist eigentlich kaum mehr möglich gewesen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis so etwas passiert.“
Laut "Spiegel" genieße der Flughafen SFO deshalb in Pilotenkreisen einen "äußerst schlechten Ruf".
"Neben den fehlenden Anflugsystemen würden die Lotsen immer wieder dadurch auffallen, den Piloten eine extrem starke Sinkrate durchzufunken. Vermutlich aus Lärmschutzgründen sollen die Maschinen aus großer Höhe schnell herunterkommen, um möglichst kurz in niedriger Höhe zu fliegen. 'Häufig ist diese Sinkrate am Maximum dessen, was erlaubt ist, manchmal sogar höher', berichtet der Kapitän", schreibt der "Spiegel".
In der internen Statistik der Lufthansa zähle San Francisco derzeit als Flughafen "mit einer der höchsten Durchstartraten". Es habe bereits vor dem Asiana-Unfall "besondere Sicherheitshinweise" beim Kranich gegeben.
So weit die bisher bekannten Fakten. Wie jedoch - selbst an sich seriöse - Medien die Piloten attackieren, ist unter der Gürtellinie.
Der Pilot Flying war nach bisherigem Kenntnisstand ein erfahrener Pilot mit mehr als 9.000 Stunden Erfahrung auf verschiedenen Flugzeugmustern. Auf der Boeing 777 soll er allerdings erst 43 Stunden geflogen sein, zudem sei er mit diesem Typ noch niemals zuvor in San Francisco gelandet. Zweifellos wird im Rahmen der Untersuchung die Handlung des Pilot Flying aber auch der anderen Männer im Cockpit kritisch hinterfragt werden müssen.
Deshalb aber - wie "n-tv" - zu titeln, dass die "Bruchpiloten noch übten", ist schon starker Tobak und zeugt von einer gewissen Ahnungslosigkeit des Redakteurs in Sachen Luftfahrt.
Ein Flugzeugführer mit über 9.000 Stunden Erfahrung ist bei Gott kein Anfänger, und bevor er - wie in diesem Fall - das erste Mal am Steuer der richtigen Boeing 777 Platz nehmen durfte, musste er einen mehrwöchigen theoretischen Lehrgang sowie ein knallhartes Simulatortraining absolvieren.
Am Ende beider Ausbildungsmodule standen behördliche Abschlussprüfungen. Erst danach durfte er überhaupt mit der "Line-Supervision" beginnen. Und bevor jemand Erfahrung hat, muss er diese eben erst einmal sammeln. Und wo bitteschön sollte er das sonst tun, wenn nicht am Steuerknüppel des richtigen Flugzeuges?
Wo Menschen arbeiten, geschehen nun einmal Fehler. So tragisch das auch sein mag, Untergriffigkeiten wie sie derzeit gegenüber den Asiana-Piloten in den Medien kolportiert werden sind, trotz aller verständlichen Trauer über den Verlust von zwei jungen Menschenleben durch einen vermutlich vermeidbaren Unfall, unangebracht und eines seriösen Journalismus einfach unwürdig.
(red CvD, HP / Titelbild: Die Unglücksmaschine - Foto: NTSB)
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.