Will sich Austrian Airlines auf einen "außergewöhnlichen" Umstand berufen und damit von der Zahlung der Ausgleichsleistung nach der Fluggastrechte-Verordnung befreien, dann muss sie nachweisen, dass sich eine Flugannullierung nicht hätte vermeiden lassen, obwohl sie alle nach der Situation zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat. Das bloße Berufen auf einen "außergewöhnlichen Umstands" beziehungsweise der Beweis eines solchen alleine reicht nicht aus, stellte der OGH klar.
Im Anlassfall wurde der von Austrian durchzuführende Flug einer Konsumentin von London Heathrow nach Wien am 20.12.2010 annulliert, weil der Flughafenbetreiber mangels ausreichendem Enteisungsmittel nur eine Rollbahn betrieb und damit die Flugverkehrskapazität um zwei Drittel reduzierte. Die Konsumentin wurde im Zuge dessen weder über ihre Fluggastrechte aufgeklärt, noch wurde ihr eine Umbuchung angeboten. Nach einer ersten auf dem Flughafen verbrachten Nacht und einer weiteren Hotelnächtigung organisierte sich die Betroffene selbst ihren Heimflug. Die Mehrkosten für den alternativen Flug und die Ausgleichsleistung nach der Verordnung 261/2004 wollte die AUA jedoch nicht zahlen.
Airline muss Ausgleichszahlung und Flug-Mehrkosten zahlen
Der OGH hingegen sprach der Konsumentin eine Ausgleichsleistung in Höhe von 250 Euro zu, weil die Fluglinie ihrer Behauptungspflicht nach Art 5 Abs 3 VO nicht nachgekommen ist. Die Airline hat nicht einmal dargelegt, aus welchen Gründen die naheliegenste Maßnahme, nämlich die Umbuchung auf einen anderen (tatsächlich durchgeführten) Flug, nicht möglich gewesen sein soll.
Auch die Mehrkosten für den selbst organisierten Flug bekommt die Konsumentin ersetzt. Diese Unterstützungsleistung besteht unabhängig davon, ob sich eine Fluglinie auf außergewöhnliche unvermeidbare Umstände als Entlastung berufen kann.
"Überrascht mich nicht"
Ein im Passagierservice in Führungsfunktion tätiger Austrian Airlines Mitarbeiter zeigte sich hinter vorgehaltener Hand erfreut über das Urteil, aber auch wenig überrascht. "Eigentlich hätte es so eine Entscheidung schon viel früher geben müssen, doch die meisten Passagiere nehmen das, was ihnen die Airline sagt, einfach hin - selbst wenn die Auskunft falsch ist. Gut, dass endlich jemand vor Gericht gezogen ist und derartige Vorgehensweisen dadurch abgestellt werden. Letztendlich gibt das auch uns Servicemitarbeitern mehr Rechtssicherheit, wenn es um Entscheidungen rund um Passagierrechte geht." Noch deutlicher formuliert es einer seiner Kollegen: "Wer lässt schon gerne Passagiere, die unverschuldet in Schwierigkeiten geraten sind, auch noch gern im Regen stehen? Es dreht mir den Magen um, wenn man dann nicht zumindest alle Hebel in Bewegung setzt, um so unbürokratisch als möglich zu helfen. Wer in solchen Situationen auch noch guten Gewissens wegschauen kann, muss wohl weit weg vom direkten Kundenkontakt irgendwo auf einem gut gepolsterten Schreibtischsessel sitzen!" Doch auch der Umstand, dass den Klägern am Flughafen, wie der OGH kritisierte, "keine Unterstützung" angeboten worden sei, sei für ihn und viele Kollegen nachvollziehbar: "Wenig überraschend, geht es doch auf den meisten Stationen auch nicht anders zu als bei uns: Personalmangel an allen Ecken und Enden, den das Management aber konsequent in Abrede stellt."
(red / VKI / Titelbild: PA / Austrian Wings Media Crew)