Am 24. August 1983 wurde der Hubschrauber AS 355 "Twin Ecureuil" (Ecureuil heißt auf Französisch "Eichhörnchen", Anmerkung der Redaktion) mit dem Kennzeichen OE-FXB nach Krems überstellt und Vertretern der Politik und des Roten Kreuzes als Christophorus 2 vorgestellt. Nach endgültiger Fertigstellung der Inneneinrichtung am Flugplatz Gneixendorf erfolgte die feierliche Übergabe und Segnung am 26.08.1983 im Stadion und die Stationierung direkt beim Krankenhaus der Stadt Krems.
Die Grundausbildung der zukünftigen Crew wurde am 27.08.1983 durch Cpt. Johann-Paul Brunner, Dr. Walter Phleps, W. Mikschik und E. Neuner im Areal des Krankenhauses und im Fußballstadion durchgeführt.
Am 1. September 1983 nahm Christophorus 2 mit Johann-Paul Brunner, Flugrettungsarzt Dr. Heinz Martinek und Flugrettungssanitäter Heinz Stiegler seinen ersten Dienst auf, allerdings wurde der neue Rettungshelikopter erst am 8. September zum ersten Mal von der Leitstelle angefordert!
"Anfangs war die Sache natürlich nicht so einfach. Zur äußerst zögernden Anforderung der Einsätze kam die Unterbringung der Dienstmannschaft im letzten, zum Abbruch bestimmten Teil des alten Krankenhauses, die etwas beengt war. Erst nach einem halben Jahr wurde der Stützpunktbereich, über der Pathologie gelegen, von einem Zimmer auf drei Räume erweitert", erinnert sich das Urgestein der ÖAMTC-Flugrettung, Cpt. Johann-Paul Brunner.
Im Laufe des Jahres 1986 übersiedelte der Stützpunkt in die neuen Räumlichkeiten im Portiergebäude, wo er heute noch beheimatet ist. Für den Hubschrauber war zwar immer schon ein schöner Landeplatz gleich neben den Diensträumen und in unmittelbarer Nähe der Notfallaufnahme vorgesehen, nur auf diesem stand die Maschine Tag und Nacht, jahraus, jahrein im Freien. Die Betankung erfolgte aus Fässern, die in einem VW-Bus transportiert und in Gneixendorf aus einem, eigens für den ÖAMTC stationierten, ausgeschiedenen Vorfeldftankfahrzeug aus Schwechat wiederbefüllt wurden. Eine auf Dauer unbefriedigende Situation.
Auf Grund der beengten Verhältnisse im Krankenhausareal war es nicht möglich, einen normalen Hangar zu bauen. So wurde der Hubschrauber jeden Abend in seine maßgeschneiderten Planen eingepackt und am Morgen wieder enthüllt. Diese Prozedur war nicht nur zeitaufwendig sondern auch sehr mühevoll für die Besatzung. Auch wurde mit den Planen kein optimaler Schutz des doch sehr sensiblen "Eichhörnchens" erzielt.
Da ein Hangarbau nicht in Aussicht gestellt war, übersiedelte der Stützpunkt am 9. Dezember 1986 in sein Winterquartier, einen Wohnwagen neben dem Hangar am Flugplatz Gneixendorf.
Ausgerechnet in diesem Winter sanken die Temperaturen auch im sonst doch eher warmen Osten weit unter die -20° Grenze.
"Wir mussten nicht nur mit dem Schnee, der in diesem Winter ausnahmsweise auch bei uns in ausreichendsten Mengen gefallen ist, sondern auch noch mit der Batterie des geliehenen Traktors und den Gasflaschen der Wohnwagenheizung kämpfen. Diese Kämpfe führten dann doch zu der Einsicht, eine Lösung für einen Hangar im Bereich des Krankenhauses zu suchen", erinnert sich Brunner.
Da Not bekannterweise erfinderisch macht, fand sich die Lösung in einem unterirdischen Bauwerk. Die "Flugzeugträger-Idee" war geboren. Nach nur kurzer Anlaufzeit nahm man den Bau in Angriff, was wiederum ein Übersiedeln des Landeplatzes nötig machte. Diesmal war es der Parkplatz vor dem Krankenhaus.
Hier wurde kurzerhand ein Zaun errichtet und der Hubschrauber ins "Reservat" gestellt. Diese Lösung war zwar nicht sehr befriedigend, da bei der Patientenübergabe ein Zwischentransport mittels Rettungsfahrzeug notwendig war, reichte jedoch aus um die kurze Bauzeit für Hangar und Flugplatzneubau zu überbrücken.
Eröffnung des Hangars
Am 13. November 1987 wurde der Hubschrauber auf seinen neuen Standort "Flugplatz Krems-Krankenhaus" mit der Kennung LOAK überstellt. Der Hangar wurde am 25. November 1987 in Form eines feierlichen Festes unter Beisein ranghoher Persönlichkeiten aus dem In- und Ausland seiner Bestimmung übergeben.
Seit diesem Zeitpunkt ist es nicht nur möglich den Hubschrauber optimal unterzustellen und zu warten, es sind auch Lagermöglichkeiten für Medikamente und Material im geheizten Hangar untergebracht. Die Betankung erfolgt nun aus der hauseigenen, 10.000 l fassenden Tankstelle, die direkt von der Straße aus zu befüllen ist. Durch die Installation einer Anflugbefeuerung wurde es zudem möglich, den Flugplatz auch für Nachtsichtflüge zuzulassen.
Am 24. Jänner 1990 hatte die "rauchende" OE-FXB ihre Schuldigkeit im Rettungsdienst getan und wurde durch die ehemals als Christophorus 1 und danach als Christophorus 3 verwendete OE-FXA ersetzt - dieser erste Notarzthubschrauber Österreichs ist heute übrigens im technischen Museum in Wien zu bewundern.
"Ende 1994 wurde dann der uns schon seit Jahren versprochene zusätzliche Raum dem Stützpunkt angegliedert. Der Umbau des Raumes zog sich zwar wieder etwas in die Länge, konnte jedoch dann doch abgeschlossen werden. So ist es uns gelungen, in nahezu 13 Jahren doch einen optimalen Stützpunkt zu erhalten, der von Interessierten gerne besucht werden kann", plaudert Brunner aus dem Nähkästchen.
Ende 1997, zehn Jahre nach der Errichtung, war es dann an der Zeit, die Scherenhebebühne, welche den Hubschrauber aus dem unterirdischen Hangar hinaus und wieder zurück beförderte, einer Generalsanierung zu unterziehen. Nach der Anfang 1998 erfolgten Ausschreibung stellte sich jedoch heraus, dass eine Neuerrichtung kostengünstiger als das "Aufrüsten" der alten Anlage war. So wurde am 16. Juli 1998 der Auftrag zur Neuerrichtung erteilt.
Fast auf den Tag genau nach elf Dienstjahren begann damit wieder der Neubau einer Hebeanlage für den Hubschrauber, diesmal jedoch eine "Hyperspeedhebebühne" mit einer motorbetrieben Landeplattform. Nach Fertigstellung dieser Anlage war es nun möglich, den Helikopter mit nur einem Knopfdruck automatisch aus dem Hangar zu holen. Dies verkürzt die Zeit bis zum Abflug enorm, wenn der Hubschrauber wetterbedingt auch während der Einsatzbereitschaft im Hangar steht, was vor allen Dingen in kalten und schneereichen Wintermonaten der Fall sein kann.
10. Juni 1999: Ein neues Zeitalter bricht an
Bedingt durch gesetzliche Regelungen musste die gesamte ÖAMTC-Hubschrauberflotte schließlich auf zweimotorige Maschinen umgestellt werden. Der ÖAMTC hatte sich hierbei für das Eurocopter-Modell EC-135 entschieden.
Einer der größten Unterschiede zu früher war, dass der Sanitäter nun nicht mehr im hinteren Kabinenbereich neben dem Arzt saß, sondern den Platz des Copiloten einnahm. Er wurde damit zum "HEMS Crew Member", was einen deutlich erweiterten Aufgabenbereich bedeutete. So war der "Sani" ab diesem Zeitpunkt nicht mehr nur für medizinische Assistenzmaßnahmen verantwortlich, sondern auch für den gesamten taktischen Funkverkehr, die Unterstützung des Piloten bei Start und Landung, für das Lesen von Notfallchecklisten sowie die Betankung des Helikopters.
Dies setzte eine umfangreiche Schulung des Personals voraus. Schließlich war es soweit: Die EC-135 T1 mit dem Kennzeichen OE-XEE flog ihren ersten Einsatz als "Christophorus 2".
Das "Eichhörnchen" kehrt zurück
Doch am 11. Dezember des Jahres 2000 kehrte das "Eichhörnchen" noch einmal nach Krems zurück. "Aufgrund der für 2001 geplanten Übernahme der BMI-Notarzthelistützpunkte mussten wir unsere EC-135 wieder abgeben und hatten wieder die gute alte FXA in Betrieb. Zur Abwechslung bekamen wir zwischendurch immer wieder einen vom BMI geleasten Hubschrauber und flogen damit in blau/gelb, den niederösterreichischen Landesfarben", schmunzelt Brunner.
Abschied vom "Nagetier"
Am 5. Juni 2002 verabschiedete sich die Crew von Christophorus 2 für immer von der OE-FXA und stellte endgültig auf den EC-135 um. Noch im gleichen Jahr musst die OE-FXA nach einem Ausfall beider Triebwerke notlanden und wurde dabei schwer beschädigt. Schüler der Flugtechnikschule in Langenlebarn setzten den ersten Notarzthubschrauber des Landes wieder instand und der ÖAMTC stellte ihn anschließend dem Technischen Museum zur Verfügung, wo er heute seinen wohlverdienten Ruhestand als Besuchermagnet verbringt.
In dieser Zeit erfolgte auch eine Erweiterung und Klimatisierung der Crewunterkünfte auf dem Krankenhausareal. Der ausgebaute Stützpunkt wurde am 29. Juli 2004 feierlich in Betrieb genommen.
Im Oktober des gleichen Jahres legte Johann-Paul Brunner nach 21 Jahren seine Funktion als Stützpunktleiter zurück, die Führung übernahm bis Juli 2005 interimistisch Günter Grassinger. Ab August 2005 leitete Gerhard Trötzmüller schließlich zwei Jahre lang die Geschicke von Christophorus 2. Nach Trötzmüllers Rückkehr in die Bundeshauptstadt wurde erneut Günter Grassinger zum Stützpunktleiter berufen und übt diese Tätigkeit bis heute aus.
"Am schönsten für mich ist es, wenn uns ehemalige Patienten nach ihrer Genesung am Stützpunkt besuchen", erzählt der frühere Bundesheerpilot.
Seit Inbetriebnahme von Christophorus 2 vor 30 Jahren flogen die "gelben Engel" fast 28.000 Einsätze und konnten dadurch unzählige Menschenleben retten. Waren es im ersten Jahr des Vollbetriebs (1984) noch etwas mehr als 400 Einsätze, so startet Christophorus 2 heute rund 1.200 Mal pro Jahr.
Der Großteil der Anforderungen, nämlich fast 40 Prozent, erfolgt auf internistische Notfälle, gefolgt von Verkehrsunfällen mit 12 Prozent. Innerhalb von drei Minuten nach der Alarmierung ist der Helikopter in der Luft und erreicht dann binnen weniger Minuten jeden Einsatzort.
Sozialversicherung zahlt häufig nicht
Problematisch ist dabei die Finanzierung, denn die Krankenkassen erstatten keine leistungsbezogene Vergütung. Wird ein Patient - aus welchen Gründen auch immer - nicht transportiert, erhält der ÖAMTC von den Sozialversicherungen überhaupt kein Geld. Im Falle eines Transportes dagegen entscheidet im Nachhinein ein Sachbearbeiter, ob er Einsatz als gerechtfertigt einstuft oder nicht. Doch selbst, wenn dies bejaht wird, bezahlt die Kasse lediglich einen Pauschalbetrag, der häufig weit unter den tatsächlichen Kosten liegt. Eine fragwürdige und europaweit wohl ziemlich einzigartige Vorgehensweise, an der sich wohl so rasch auch nichts ändern dürfte, verschanzte sich die Sozialversicherung auf Anfrage doch lapidar hinter "gesetzlichen Bestimmungen".
Keine Kosten für Patienten
Den Patienten selbst (sowie der Person, die einen Notruf absetzt) entstehen durch den Notarzthubschraubereinsatz übrigens keine Kosten, ausgenommen sind lediglich Freizeit- und Alpinunfälle, wobei die meisten Sportler hier über eine entsprechende Zusatzversicherung verfügen.
Für die Zukunft steht Christophorus 2 ein Umzug bevor, denn der "Flugzeugträgerhangar" auf dem Krankenhausareal ist äußerst wartungs- und damit kostenintensiv. Zudem soll das Spital umgebaut werden. Wo der neue Standort des ersten niederösterreichischen Notarzthubschraubers sein wird, steht noch nicht fest. Eine denkbare Möglichkeit wäre der Flugplatz Krems-Gneixendorf. Doch die Mühlen der Politik, die dies letzten Endes (mit-) zu entscheiden hat, mahlen bekanntlich langsam ...
Wir danken Cpt. Johann-Paul Brunner für die zur Verfügung gestellte Chronik von Christophorus 2 und Cpt. Günter Grassinger für das in diesem Artikel verwendete Bildmaterial aus dem Stützpunkt-Archiv. Austrian Wings wünscht den gelben Engeln von Christophorus 2 always happy landings!
(red CvD, O. Neubauer, Fotos: ÖAMTC & Austrian Wings Media Crew)