"Das Arbeits- und Sozialgericht Wien (ASG) erklärt den behaupteten Betriebsübergang der AUA auf ihre Tochter Tyrolean in einem umfassend begründeten Urteilsspruch für nichtig. Der Argumentation des Betriebsrats wird damit in den wesentlichen Punkten Recht gegeben", stellten die Personalvertreter klar.
Dies bedeute Rückenwind für die Kollektivvertrags-Verhandlungen mit dem Vorstand, die österreichische Sozialpartnerschaft und die langfristige Sanierung der Austrian Airlines, heißt es.
"Der Vorstand der Austrian Airlines ist im Frühjahr 2012 vor der folgenden Entscheidung gestanden. Akzeptiert er ein Verhandlungspaket des Fliegenden Personals, das nahezu gleich hohe Einsparungen wie der behauptete und nun für nichtig erklärte Betriebsübergang erbracht hätte, oder wählt er den unsicheren 'Crash Kurs' mit hohen Prozess- und Beratungskosten. Ich habe den Vorstand vor dem Betriebsübergang vor der Gefahr und der rechtlichen Unsicherheit gewarnt und die Befürchtungen haben sich bewahrheitet", so Bordbetriebsrat Karl Minhard.
"Seit Juli dieses Jahre erst verhandeln wir mit dem Vorstand über einen neuen Kollektivvertrag. Dieses Urteil hilft uns bei den Verhandlungen und hoffentlich geht jetzt endlich etwas weiter."
Es sei auch ein erfreuliches Zeichen für die österreichische Sozialpartnerschaft, dass diese Vorgehensweise nun am Beispiel der Austrian Airlines als nicht rechtskonform gewertet werde.
Karl Minhard: "In jeder Phase des Konflikts haben wir trotz Streikzusage der
Gewerkschaft vida und der Rückendeckung der Belegschaft kühlen Kopf bewahrt. Erstens weil uns die Zukunft und die langfristige Sanierung der AUA am Herzen liegt. Zweitens weil es um viele Tausend Mitarbeiter und den Wirtschaftsstandort Österreich geht während der Vorstand unbeirrbar und entgegen besseren Wissens bis zuletzt auf seinem 'Crash Kurs' beharrt hat. Drittens ist festzustellen, dass wir mit Unterstützung der Gewerkschaft auch immer das Wohl aller österreichischen Arbeitnehmer in unserem Blickwinkel hatten."
"Aufgrund des erfreulichen erstinstanzlichen Urteils im Sinne der Beschäftigten werden wir seitens der Gewerkschaft den vernünftigen Weg der Sozialpartnerschaft konsequent weiter beschreiten“, sagte der geschäftsführende Vorsitzende der Verkehrs- und Dienstleistungsgewerkschaft vida, Gottfried Winkler. "Das heißt, wir wollen rasch Lösungen am Verhandlungstisch erzielen, um weiteren Schaden vom Unternehmen und den Beschäftigten abzuwenden", betont Winkler.
Heftige Kritik übte Karl Minhard auch an AUA-Boss Jaan Albrecht, dem er indirekt vorwarf, zu wenige Verhandlungstermine anzubieten: "Wir fordern mehr Verhandlungstermine, doch bis jetzt ist Herr Albrecht hart und fährt seinen Crash-Kurs."
Albrecht habe zudem im Jahr 2012 acht Millionen Euro für Berater ausgegeben. "Ich frage mich wofür, wenn ihm keiner dieser Berater geraten hat, endlich einmal zu verhandeln."
Rechtsanwalt Gerlach ging ebenfalls hart mit dem AUA-Vorstand ins Gericht: "Die Aussagen von Herrn Albrecht sind schlichtweg falsch. Die Tatsache, dass ein Betriebsübergang, mit reiner Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, durchgeführt wird, ist in Österreich einmalig und keines Falls Routine, wo es hunderte Fälle geben soll, wie Albrecht meint. Und keinesfalls hat, weder der OGH, noch der EUGH, jemals eine Entscheidung diesbezüglich durchgewunken."
Und weiter: "Bei der genauen Betrachtung der Bilanz 2012 der AUA fällt auf, dass eine große Summe an Rückstellungen aufgelöst wurden. Begründet wurde diese Auflösung mit der Einschätzung des Vorstands, dass die dahinterstehenden Risiken nicht mehr zutreffen. Der Vorstand ist fix davon ausgegangen, dass er das Gerichtsverfahren gewinnt."
Laut Gerlach müsste die Bilanz jetzt "eigentlich nachträglich korrigiert werden und mit den sehr wohl bestehenden Risken neu bewertet werden."
Hintergrund des Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien (ASG)
Entschieden wurde laut Betriebsrat letztendlich die Frage, ob ein Betriebsübergang auf die Tyrolean, weil er nur die einseitige Verschlechterung der Arbeitsbedingungen bezweckt hat, nichtig war. Die umfassende Argumentation des Gerichtes folgt in allen wesentlichen Aspekten dem Standpunkt des Betriebsrates: Die arbeitsrechtlichen Vorschriften zum Betriebsübergang dienen selbstverständlich nicht dazu, es einem Unternehmen zu ermöglichen, sich innerhalb eines Konzerns immer die Gesellschaft als Arbeitgeber im Kerngeschäft auszusuchen, die gerade über die billigsten Arbeitsbedingungen verfügt. Da der "Betriebsübergang“ auf die Tyrolean ansonsten wirtschaftlich sinnlos war, sein Zweck ausschließlich in der erheblichen Verschlechterung von Arbeitsbedingungen bestand, erweist er sich – auch im Lichte der europäischen und österreichischen höchstgerichtlichen Judikatur - als nichtig, heißt es seitens des Betriebsrates und der Gewerkschaft.
Obwohl der Spruch vom rechtlichen Standpunkt aus erhebliche Konsequenzen für die AUA bedeuteten würde, sei sich der Betriebsrat seiner Verantwortung bewusst.
Karl Minhard: "Natürlich werden wir in den Verhandlungen jetzt nicht den starken Mann spielen und mit den finanziellen und arbeitsrechtlichen Konsequenzen des Spruchs Drohgebärden vollführen. Uns ist es immer um die langfristige Sanierung der AUA gegangen. Und das gilt nach wie vor. Wir sind es den rund 3.000 Mitarbeitern des Fliegenden Personals sowie 6.000 Mitarbeitern des Gesamtkonzerns schuldig, dass wir für den Fortbestand des Unternehmens kämpfen."
Betriebsrat fordert "zügige Verhandlungen auf Augenhöhe"
Der Plan der AUA, durch juristische Tricks Arbeitsbedingungen einseitig zu verschlechtern, sei damit gescheitert; der wirtschaftlich ohnehin kontraproduktive Betriebsübergang auf die Tyrolean erweise sich - so die Personalvertreter wörtlich - als "Waterloo für den Vorstand". Das Unternehmen habe es in der Zwischenzeit verabsäumt mit der Belegschaft über neue Arbeitsbedingungen zu verhandeln.
Erste Reaktionen des Vorstands würden zeigen, dass man aus den Fehlern offenbar immer noch nicht gelernt hat. Karl Minhard: "Der Vorstand argumentiert, dass das Urteil noch nicht rechtskräftig ist und Rechtsmittel bis zum OGH ergriffen werden. Damit drohen erneut langwierige und kostenintensive Verhandlungen mit ungewissem Ausgang. Daher fordern wir erneut auf die Verhandlungen endlich zu intensivieren und zügig einen Konzern- oder Branchen KV zu verhandeln um dem Unternehmen weiteren Schaden zu ersparen und endlich konstruktiv an der Zukunft der Airline zu arbeiten. Das vorliegende Urteil gibt uns auf alle Fälle Anlass zum Optimismus da unsere Verhandlungsposition ja gestärkt wurde."
In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass das OGH entschieden hat, die Frage der Nachwirkung der Kollektivverträge dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung vorzulegen. Zur Erinnerung. In diesem Verfahren wird darüber entscheiden, ob der AUA Kollektivvertrag (KV) trotz "behaupteten Betriebsübergang“ auf die Tyrolean auf das ehemalige fliegende Personal der AUA weiterhin anzuwenden ist, ob der KV also "nachwirkt". Es erweist sich damit, dass die einmalige Vorgangsweise der AUA auch in den Augen des OGH von weitreichender europarechtlicher Relevanz ist; das Unternehmen täte gut daran, einer eventuellen Feststellung der Rechtswidrigkeit ihres Vorgehens durch den EuGH vorzubeugen und zügig Verhandlungen über einen Konzern- oder Branchen KV aufzunehmen.
Karl Minhard: "Wir fordern nun auch erneut Wirtschaftskammer, Bundesregierung und die Lufthansa auf, hier positiv auf den Vorstand der AUA einzuwirken, damit einer Sanierung der Airline nichts mehr im Wege steht und sich die Unternehmensleitung endlich Ihrer Verantwortung für den Wirtschaftsstandort Österreich bewusst wird."
"Ich erwarte mir jetzt so schnell wie möglich eine Beendigung des kollektivvertraglosen Zustandes im Sinne des fliegenden Personals der AUA/Tyrolean. Das Management ist aufgefordert, seine bisherigen fragwürdigen Methoden zu überdenken. Es muss am Verhandlungstisch einen ergebnisorientierteren Weg auf Augenhöhe einschlagen, damit rasch eine vernünftige Lösung zustande kommen kann. Die ideale und von uns bevorzugte Variante wäre im Sinne eines fairen Wettbewerbs ein Branchen-KV. Um hier einen Erfolg erringen zu können, muss aber die Wirtschaftskammer ihre diesbezügliche Blockadehaltung aufgeben“, appelliert Winkler von der Gewerkschaft.
(red / Betriebsrat Bord Austrian Airlines/Tyrolean / Titelbild: Pressekonferenz im Cafe Museum, vlnr.: Dr. Roland Gerlach, Doris Hauser, Karl Minhard, Wolfgang Schlair, Gottfried Winkler - Foto: Austrian Wings Media Crew)