Vor fast eineinhalb Jahren wurde am Flughafen Wien das neue als Check-In 3 bezeichnete Flughafenterminal eröffnet. Monate später erfolgte die Wiedereröffnung des renovierten Check-In 1 (früher Terminal 1) – zumindest offiziell. Denn die zahlreichen Provisorien und Baustellen lassen es nicht vermuten, dass hier bereits ein großer Festakt mit den dazugehörigen Lobesreden stattgefunden hat. Beim Hauptstadtflughafen in Berlin (BER) müssen laut der deutschen Wochenzeitung „Die Zeit“ tausende Mängel vor der Inbetriebnahme noch behoben werden – von der fehlerhaften Brandschutzanlage bis hin zu mangelhaften Beschilderungen. In Wien hingegen preist das Flughafen-Management bereits eine neue Qualität des Reisens an. Der Skandal soll in Vergessenheit geraten und ein toller Flughafen die Bürger milde stimmen. Jeder Besuch des Flughafens in Schwechat wirft bei mir die Frage auf, welchen Flughafen die Herren Ofner und Jäger bei ihren Auftritten immer mit ihren lobenden Worten bedacht haben.
Die Begeisterung der Manager für das neue Gebäude teilten viele Flugpassagiere schon unmittelbar nach der Eröffnung nicht. Sehr schnell war der Flughafen mit einer massiven Kritikwelle konfrontiert. Die Palette der Unzulänglichkeiten reicht von mangelnder Barrierefreiheit über zu schmale Rolltreppen und zu langen Wegen bis hin zu fehlenden Liftanlagen. Der Vorstand des Flughafens versprach Verbesserung und warb um Verständnis für die Dauer der erforderlichen Arbeiten. Bauliche Veränderungen, wie etwa der zusätzliche Einbau von Liftanlagen, benötige eben Zeit. Das leuchtet auch einem verärgerten Kunden ein. Insofern lässt man dem Unternehmen auch sein Verständnis zu Teil werden. Aber nicht alle Veränderungen bedürfen großer Umbaumaßnahmen, sondern sind nach einem eingehenden Analyse- und Planungsprozess rasch umsetzbar. In diese Kategorie fällt für mich das oftmals kritisierte Leitsystem.
Umso verwunderlicher ist es, dass der Flughafen entgegen aller Beteuerungen bis heute dieses Problem nicht beheben konnte. Es wurde vielmehr an allen Ecken und Enden herumgepfuscht. Herausgekommen ist ein Leitsystem bestehend aus unvollständigen, fehlenden, lückenhaften, irreführenden, sinnlosen und verschiedenartigen Beschilderungen. Kleine Ursache, große Wirkung, kann man sagen. Denn für viele Fluggäste, die an übliche Standards auf Flughäfen und Bahnhöfen gewöhnt sind, beginnt der erste Besuch am Flughafen Wien mit einer Suche nach dem kürzesten Weg zu einem WC, dem Parkplatz oder einer Apotheke.
Meine letzte Ankunft in Wien soll das Leid vieler Passagiere kurz illustrieren. Flug mit Austrian von Hamburg nach Wien, Ankunft im Check-In 3.
Die Passagiere strömen aus dem Flugzeug in den schmalen Gang des neuen Terminals und viele davon träumen vor der Entgegennahme des Gepäcks vom erleichternden Besuch einer Toilette. Und bei jedem unter Designerlampen thronenden Schild hofft man auf den erlösenden Hinweis Richtung WC.
Nur, der Fußmarsch endet an einer Rolltreppe, bevor man das ersehnte Hinweisschild erblickt.
Hat man etwa in den langen Gängen auf die WC-Anlagen vergessen? Keineswegs! Man hat sogar an Wickeltische für Kleinkinder gedacht, nur halt nicht an die Hinweisschilder. Und so laufen gut 100 Passagiere unseres Flugzeuges schnellen Schrittes Richtung Ausgang. Unsere Gruppe vermischt sich mit Fluggästen aus anderen Teilen Europas. Und die meisten Menschen haben eines gemein, sie finden kein WC.
Die Verantwortlichen am Flughafen stellen hier eindrucksvoll unter Beweis, dass sie sich nicht in die Lage der Passagiere versetzen können. Nach der Entgegennahme des Gepäcks, wollte ich den praktischen Service der Flughafenapotheke in Anspruch nehmen.
Bei der Gelegenheit fiel mir auf, im gesamten Flughafenkomplex gibt es keinen einzigen Hinweis auf die Apotheke. Dank Internet am Smartphone und meinen Kenntnissen des Flughafengebäudes habe ich dann den Weg Richtung Check-In 1 genommen.
Der Flughafen wurde über die Redaktion von Austrian Wings im Anschluss auch mit der Kritik bezüglich der fehlenden Hinweise auf die Apotheke konfrontiert und man hatte eine Lösung parat.
Am Schalter der Flughafen-Information wurde ein „Apothekentelefon“ eingerichtet. In einem Telefongespräch kann man Medikamente bestellen, die dann von einer Mitarbeiterin gebracht werden oder sich den Weg in die Apotheke beschreiben lassen.
Dieser Zugang zur Problemlösung ist sogar für mich als Vielflieger einzigartig. Etwas seltsam ist diese Idee aber vielleicht auch den Mitarbeitern am Flughafen erschienen, denn mittlerweile hat man in Teilen des alten Flughafenkomplexes provisorische Schilder inklusive Apothekensymbol angebracht.
Nach den Erledigungen in der Apotheke, machte ich mich auf den Weg zur S-Bahn. Ich folgte strikt der Beschilderung und fuhr, sofern vorhanden, mit einer Rolltreppe oder einem Lift.
Und so führte mich das Leitsystem plötzlich auf das Dach eines Vorbaus am Flughafengelände, umgeben von Bauzäunen. Durch einen Baustellenbereich und über die Vorfahrtsstraße gelangte ich dann zum Außenbereich des Bahnhofs. Den auch existierenden wettergeschützten und kürzeren Weg zur Bahnstation verschwieg das Leitsystem.
Nachdem der Flughafen mit diesem Umstand ebenfalls konfrontiert wurde, hat man auf amateurhafte Weise das entsprechende Symbol abgedeckt. Die Wege zur Bahnstation sind zwar immer noch nicht professionell gekennzeichnet, aber man landet zumindest nicht mehr auf einem Baustellengelände.
Am Weg vom Check-In 1 Richtung Bahnhof fiel mir eine weitere interessante Beschilderung auf. Möchte der Passagier entsprechend des vorgesehenen Weges durch das ehemalige Terminal 2 in den neuen Flughafenkomplex gelangen, wird er am Ende der Halle nach links geleitet und landet im Freien, also vor dem Flughafen. Geht er allerdings - entgegen der Empfehlung des Hinweisschildes - in die entgegengesetzte Richtung, also nach rechts, befindet er sich am richtigen Weg. Dies wird in der Folge von den weiteren Schildern dann auch untermauert.
Übrigens, möchte man von der Ankunftshalle in das Parkhaus 3 gelangen, darf man sich nicht vom auf eine weiße Wand zeigenden großen Pfeil irritieren lassen, sondern muss den als Weg zum WC gekennzeichneten Durchgang benützen.
Nach vielen Beschwerden von orientierungslosen Passagieren, betreibt man am Flughafen punktuelle Symptombekämpfung und hat das wohl vielfältigste sowie chaotischste Leitsystem eines Großstadtflughafens geschaffen.
Es existieren fünf verschiedene Arten von Hinweisschildern in drei verschiedenen Farbgebungen parallel. Die Palette reicht von teilweise überklebten gelben Hinweisschildern im alten Design bis hin zu Plakatständern. Hier eine Auswahl der Artenvielfalt am Flughafen Wien:
Dass es auch anders geht, zeigt etwa der Flughafen Hamburg. Ein umfassendes und einheitliches Leitsystem informiert die Kunden über alle relevanten Flughafeneinrichtungen. Das ist kein Luxus, sondern eine conditio sine qua non des geordneten und entspannten Personenverkehrs auf einem Flughafen.
Viel besser als den ankommenden Passagieren am Weg zur Bahn geht es übrigens auch jenen nicht, die mit dem Zug zum Flughafen fahren und ihr Gate suchen.
Während man in Hamburg die Fluggäste am Bahnsteig über ihre Flüge und Flughafenbereiche informiert, muss man sich in Wien mit einem billigen Aufkleber begnügen, der zumindest über die Check-In Bereiche der entsprechenden Fluglinien informiert. Da sich diese Folien auf den Innenseiten der Säulen am Bahnsteig befinden, werden sie von den meisten Passagieren übersehen.
So folgen sie dann in der Regel wie die Lemminge den jeweils vorausgehenden Menschen. Ich wünsche dann jenen, die in das ehemalige Terminal 1 oder 1A müssen, dass sie die Schilder übersehen. Dann gehen sie nämlich einen wettergeschützten Weg in den Flughafen und müssen nicht, wie es die Schilder anzeigen, mit dem Lift ins Freie fahren und dann auf einem nicht überdachten Gehweg und nach Querung einer Fahrbahn in das Gebäude marschieren.
Ich möchte es den Bürokraten und Mitgliedern diverser eingesetzter Arbeitsgruppen am Flughafen nicht absprechen, dass sie sich um vernünftige Lösungen bemühen. Für sämtliche Umstände mag man dort auch Erklärungen parat haben. Allerdings legt allein das Leitsystem Zeugnis darüber ab, dass sich die Verantwortungsträger bis heute weder in die Passagiere hineinversetzen können noch lernfähig sind, denn seit der Eröffnung des Check-In 3 und der Renovierung des Check-In 1 (ehemaliges Terminal 1) hat sich in dieser Hinsicht nichts verbessert. Die punktuelle Schlaglochreparatur am Flughafen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Weg mehr als holprig ist.
Text & Fotos: Vielflieger Christoph D. (vollständiger Name der Redaktion bekannt)
(red / Titelbild: Der Flughafen Wien, Symbolbild - Foto: PA / Austrian Wings Media Crew)
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.