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"Machen sich die Vögel über die süßen Trauben her her, kommt von irgendwo ein Starfighter daher." Dieser humorvoll klingende Reim hat einen ernsten Hintergrund. Denn in nur einer Stunde würde ein Schwarm Stare auf einem Feld die gesamte Ernte vernichten. Doch der Reihe nach.
Zwischen August und Mitte Oktober machen die Stare - es sind Zugvögel - auch im burgenländischen Seewinkel Station. Auf der Suche nach Nahrung haben es die fliegenden Feinschmecker vor allem auf Weintrauben abgesehen. Genau diese sind jedoch die wirtschaftliche Existenz der Bauern und müssen daher entsprechend geschützt werden. Bereits seit den 1960er Jahren kommen für diese Aufgabe auch Flugzeuge zum Einsatz.
"Diese ganze Sache erfordert eine ausgeklügelte Organisation", schildert Karl Helm. "Die Rieden selbst sind mit Netzen geschützt, allerdings können die Vögel diese mit ihren Schnäbeln beschädigen und dann erst an die Trauben gelangen." Deshalb sind in den Weinstöcken Selbstschussanlagen mit ungefährlichen Knallpatronen installiert. "Damit sollen die Vögel abgehalten werden, das alleine reicht aber ebenfalls nicht aus, weshalb zusätzlich Hüter und Jäger von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang patroullieren." Weil die Stare unter Naturschutz stehen, will man die Tiere nicht verletzten, man möchte sie lediglich von den Weingärten fernhalten.
Doch weil auch all diese Maßnahmen zusammen keinen ausreichenden Schutz boten und die Ernteausfälle unerträglich groß waren, gab es Anfang der 1960er Jahre erstmals Versuche mit wendigen Einmots die Stare sowohl im Tiefflug als auch ganz Schwärme während des Fluges von den Trauben fernzuhalten. "Diese Methode hat sich bewährt und seither kommt dieser Maßnahmenmix zum Tragen."
Die Firma Land- und Forstflug setzt derzeit sechs Maschinen der Typen Piper PA-18 und J3C ein, die im niederösterreichischen Leopoldsdorf stationiert sind. In den Monaten August bis Oktober werden vier davon auf mehreren provisorischen Feldflugplätzen in Gols, Apetlon und Illmitz betrieben. Die beiden übrigen dienen als Reserve.
Und die sind schon sehr provisorisch: Eine ebene Wiese, ein Windsack, ein 11.000 Liter Sprit fassender Tankwagen und ein Wohnwagen für den Papierkram, that's it. Ähnlich puristisch ist auch die Ausstattung der Flugzeuge, das jüngste ist Baujahr 1959, das älteste 1945, denn aus Sicherheitsgründen verfügen sie über fast keine Bordelektrik. Helm: "So minimieren wir im Falle eines Unfalles das Brandrisiko. Safety first."
Beim ersten Büchsenlicht werfen die Piloten ihre Motoren von Hand und starten zu ihren Einsätzen. "Meistens sind sie drei bis sechs Meter über den Boden unterwegs, die maximale Flughöhe liegt eigentlich nie über 150 Meter."
Die Einsätze gliedern sich de facto in zwei Teile. Der erste besteht darin, besonders tieffliegende Stare oder solche, die es sich schon in den Weinfeldern gemütlich gemacht haben, auf- und in weiterer Folge zu verscheuchen. Beim zweiten Teil werden die "hoch" (maximal 150 Meter über Grund) fliegenden Schwärme angeflogen, mit dem Wind über die Weinbauflächen hinweggetrieben und so davon abgehalten, über die Rieden herzufallen. Dabei schießen die Piloten während des Fluges zusätzlich mit Schreckschusspistolen aus dem Cockpit. Die Flugmanöver gleichen von außen betrachtet einer Achterbahnfahrt und dem berühmten Kampf gegen Windmühlen. "Doch es ist in Verbindung mit den eingangs bereits erwähnten Maßnahmen eine wirksame Methode, die Weinernte zu schützen", so Helm, der großen Wert darauf legt, dass man die Stare nicht bekämpft sondern sie nur abwehrt. "Wir tun den Tieren ja nichts."
Finanziert wird die Starabwehr von den Bauern auf genossenschaftlicher Basis. Trotz der hohen Gesamtkosten von mehr als 100.000 Euro pro Saison allein in Illmitz rechnet sich das Ganze, da der Ausfall der Ernte einen wesentlich höheren Schaden bedeuten würde.
Pro Saison kommen die "Starfighter" auf rund 1.500 Starts und Landungen sowie 1.000 Einsatzstunden.
Was sind das aber für Menschen, die mehrere Stunden am Tag in fliegenden Oldtimern sitzen und im Tiefflug anderen Fliegern hinterherjagen? Karl Helm lacht. "Das Wichtigste ist, dass es keine Draufgänger sind. Solche Piloten sind bei uns definitiv fehl am Platz." Derzeit besteht der Kader aus rund 30 Flugzeugführern, darunter eine Krankenschwester. Der jüngste Starfighter-Pilot ist um die 30, der älteste etwa 60 Jahre alt.
Das Spektrum reicht von Jet-Piloten bis hin zu Argrafliegern, die bereits in Afrika im Einsatz waren. Allein gemein ist die Leidenschaft zur Fliegerei. Denn kaum wo sonst in Österreich könnten sie derartige Manöver im Tiefflug legal durchführen.
"Wer sich bei uns bewirbt, sollte mindestens 500 Stunden Gesamtflugerfahrung haben, je mehr desto besser. Außerdem sind Spornraderfahrung und der Kunstflugschein erforderlich." Anschließend werde der Bewerber zu einem Gespräch eingeladen. "Da schaue ich mir gemeinsam mit ein paar meiner Piloten an, ob der Anwärter grundsätzlich geeignet ist." Falls das der Fall ist, geht es mit einem einweisungsberechtigten Piloten in die Luft. "Der überprüft dann die fliegerischen Fertigkeiten in der Praxis. Wenn alles passt, erwirbt er bei uns die Tiefflugberechtigung, die Ausbildung dafür dauert mindestens 10 Stunden."
Danach ist der Anwärter aber immer noch kein vollwertiger Einsatzpilot. "Zum Abschluss steht dann die Einweisung vor Ort im Seewinkel. Erst wenn er all diese Stufen erfolgreich durchlaufen hat, darf er alleine Einsätze fliegen. Der Job ist nicht ganz ungefährlich, aber durch erfahrene besonnene Piloten und eine gute Ausbildung wird das Risiko so gering wie möglich gehalten."
In den nächsten Tagen läuft der Starfighter-Einsatz im Seewinkel für heuer aus. Dann geht es für die stark beanspruchten Maschinen erst einmal zurück in die Werft. "Wir machen bei der Wartung mehr als gesetzlich vorgeschrieben ist, damit die Flugzeuge die Saison möglichst ohne Ausfälle überstehen", erklärt Helm. Bis Sommer 2014 werden die Flugzeuge neben kleineren Aufträgen vor allem für die nächste Saison vorbereitet. Ab August 2014 dienen sie dann wieder als "Starfighter" im Seewinkel.
(red CvD, UB / Alle Fotos: Austrian Wings Media Crew / Beachten Sie unsere Nutzungsbedingungen für Bild- und Videomaterial)