Eines gleich vorweg: die IL-96 ist ein unglaublicher Flieger! Nachdem die Ilyushin 86 in der Sowjetunion bereits verbreitet im Einsatz war, zeigten sich erste Schwachstellen in deren Auslegung. Vor allem die Reichweite bedingt durch die durstigen Triebwerke war ein besonderes Manko, aber auch der Lärm. Dass es hier ein enormes Verbesserungspotenzial gab war allen Beteiligten in der sowjetischen Luftfahrtindustrie bekannt. Man entschloss sich zur Entwicklung eines neuen, modernen Widebody- Langstreckenflugzeuges. Nachdem die Ilyushin 86 eine komplette Neuentwicklung war und diese mit großem Interesse national und international verfolgt wurde, gab es zur Entstehungsgeschichte des Flugzeuges viel authentische Dokumentation. Bei der IL-96 trifft dies überhaupt nicht zu. Einerseits ist dies der Zeit geschuldet, in der strategische Flieger wie die TU-160 unter strengster Geheimhaltung entwickelt und an die Streitkräfte ausgeliefert wurden, andererseits lag die Sowjetunion in ihren letzten Zügen und das Interesse im Westen galt eher dem Zerfall des Systemgegners als der Neuentwicklung eines Passagierflugzeuges.
Leider reihten sich bei der IL9 (3- Letter- Code der Ilyushin 96) überhaupt sehr viele unglückliche Umstände aneinander. Der 1988 stattfindende Erstflug war zum schlechtest möglichen Zeitpunkt der globalen Geschichte. Was aus der IL-96 ein Flugzeug macht, welches zu seinem Jungfernflug in der Sowjetunion abhob und erst Ende 1992 in Russland mit seiner Zertifizierung am nunmehr freien Markt landete. Die Serienproduktion wurde wenige Monate später aufgenommen, etwa zur gleichen Zeit als der A340 seinen Jungfernflug absolvierte. Nachdem nunmehr McDonnell Douglas mit der MD-11 ins letzte Gefecht ging, hatte die zivile Luftfahrt den Punkt der höchsten Widebody-Diversität in ihrer Geschichte erreicht. Somit musste Ilyushins neuer Flieger gegen den Rest der Welt bestehen. Eine unlösbare Aufgabe, wenn man an die Zeit in der das Flugzeug entwickelt wurde, denkt.
Zur Blütezeit der IL9 gab es tatsächlich sechs unterschiedliche Betreiber diese Musters, 2013 sind lediglich drei übrig. Überhaupt verkaufte sich die Ilyushin 96 so schlecht, dass man die Geschichte des Typs anhand jedes einzelnen gebauten Exemplars erzählen kann, und zwar in aller Kürze. Bis Mitte 2013 wurden lediglich 26 flugfähige IL9 gebaut. Erstaunlich dabei ist, dass es trotz der geringen Stückzahl in Summe 4 Grundversionen der Maschine gibt. Diese Versionsvielfalt ist typisch für russische Flugzeuge, welche in der Zeit der Sowjetunion entwickelt wurden, und am nunmehr freien, globalen Markt bestehen sollten.
Die größte Schwäche russischer Flugzeuge war und ist immer die Wirtschaftlichkeit, welche zu einem sehr großen Teil vom Spritverbrauch abhängt, aber auch von verfügbaren Ersatzteilen und deren Distribution beeinflusst wird. Die Ilyushin 96 sollte ursprünglich in der Kapazität der IL-86 ebenbürtig sein, wobei bei beiden Entwicklungen keine passenden Triebwerke zur Verfügung standen. Letztlich konstruierte man einen Flügel, der ähnlich wie bei Airbus Modellen, durch geringe konstruktive Änderungen für mehrere Rumpflängen geeignet ist.
Man wählte als Antrieb für die IL9 das Perm PS-90, ein Mantelstromtriebwerk mit hohem Nebenstromverhältnis. Mit diesem Motor hatte man erstmals ein einem westlichen Triebwerk ebenbürtiges Produkt geschaffen. Einen erheblichen Nachteil brachte das Modell jedoch mit sich: es war zu schwach um einen Widebody mit über 60m Länge anzutreiben. Der Flügel der IL-96 war mit seinem hochmodernen, super-kritischem Profil westlichen Konstruktionen der damaligen Zeit überlegen. Da man jedoch, was die Triebwerke anging, um 1988 nur das zu schwache PS-90 hatte, verkürzte man den Rumpf einfach auf eine Länge, derer die vier Triebwerken gerecht werden konnten.
Somit wurde aus der IL-96 ein, in 2-Klassen- Auslegung ca. 270 Passagiere fassender, Widebody mit einer Reichweite von 11.000km bei voller Beladung. Mit einer Länge von nur 55,30 Metern ist die IL9 nur um zirka einen Meter länger als ein A300. Mit einem Spritverbrauch von ca. 7,5 Tonnen im Reiseflug liegt sie deutlich über Konkurrenzmodellen wie der B777- 200, jedoch weit unter der Ilyushin 86, welche mit über 12 Tonnen stündlichem Kerosinverbrauch doch sehr durstig war. Dass bei hohem Treibstoffpreis das Argument für die um 2/3 geringeren Anschaffungskosten (im Vergleich zu Airbus oder Boeing Modellen) schnell an Überzeugungskraft verliert, ist naheliegend.
Da der freie Markt in beide Richtungen funktioniert, versuchte man nun im kapitalistischen Russland die Ilyushin 96 nicht nur zu exportieren, man entschied sich auch, auf westliche Komponenten zurückzugreifen, um ineffiziente heimische Bauteile zu ersetzten. An erster Stelle standen dabei die Triebwerke. Mit Pratt & Whitney einigte man sich auf ein gemeinsames Projekt zur Ausarbeitung einer modernisierten, "verwestlichten" Ilyushin, welche auch am Exportmarkt Fuß fassen sollte. Nachdem die Pratts mehr Schub lieferten, machte eine Verlängerung der Basisversion 300 ebenfalls Sinn. Somit entstand die Ilyushin 96M, ein um rund 9 Meter gegenüber der klassischen IL-96-300 gestreckter Langstreckenflieger, welcher in Kapazität und Auslegung dem A340-300 ähnelte. Mangelnde Ressourcen waren ausschlaggebend dafür, dass man keinen eigenen neuen Prototypen gebaut hat, sondern lediglich die Vorserienmaschine mit der Kennung CCCP-96000 an zwei Stellen im Rumpf aufgenietet hat, und um jeweils eine Sektion erweitert hat. Diese Vorgehensweise ist in Russland nicht unüblich. Leider verkaufte sich auch diese Version sowohl am heimischen als auch am Exportmarkt nicht.
Die IL-96M brachte eine durchaus gute Wirtschaftlichkeit mit an den Start, welche jener des A340-300 überlegen war. Was jedoch den globalen Produktsupport angeht, sind russische Hersteller so gut wie nicht vertreten. Ein letzter Schritt zur Belebung dieser aussichtsreichen Maschine war die Entwicklung eines Nurfrachters (Version T für Transport) auf Basis der Version M. Hier baute man einem komplett neuen Prototyp und änderte gleich einige Konstruktionsmerkmale am Rumpf. So wurde zum Beispiel das runde, bauchige Heck der Version 300 gegen eine abgeflachtes ersetzt. In der Zwischenzeit war eine beachtliche Zeitspanne vergangen, am Frachter- Markt war die MD-11 ein sehr gefragtes Eisen, und viele alte umgerüstete A300 und DC-10 machten der Neuentwicklung das Leben schwer. So kam dann auch der Moment, an dem Pratt & Whitney vom gemeinsamen Projekt absprang. Dies hinterließ die Il-96M/T ohne Triebwerke und führte das Projekt gleichermaßen der Rundablage der Luftfahrt zu.
Schrittweise wurde parallel zum Untergang der Versionen M/T das Perm PS-90 weiterentwickelt, mit neuen (auch westlichen) Komponenten und verbesserter Fertigung. Das daraus resultierende PS-90A2 war zwar nicht das Gelbe vom Ei, reichte aber, um die längere Version der IL-96 anzutreiben, welche nunmehr als 400 bezeichnet wurde, analog zur kürzeren Version 300. Diese Version 400 ist im Wesentlichen die M/T, jedoch mit den neuen russischen Triebwerken. Auch das Frachter- Projekt wurde als IL-96-400T weiterbetrieben. Nun war man in einer Zeit angekommen, in der zwar die IL-96 endlich ihr ursprüngliches Leistungsziel erreichte, aber das Flugzeug Modellen wie der B787, dem A330 oder der B777 gegenüber chancenlos war. Von der gestreckten Version gingen somit lediglich vier 400T Frachter an die russische Polet, nachdem Aeroflot Cargo die Übernahme der bestellten sechs Flugzeuge verweigerte. Davor waren zwei dieser Maschinen bei Atlant Soyuz im Einsatz, bis auch diese Airline (als letzter IL-86 Betreiber) Pleite machte. Interessant dabei ist, dass eine IL-96-400T in Aeroflot Cargo Lackierung in Woronesh herumstand, von dieser Farbgebung der Ilyushin 96 gibt es lediglich eine Handvoll Aufnahmen.
Wie bereits erwähnt war es schlichtweg unmöglich die IL-96 in andere Länder zu exportieren. Daher konzentrierte man sich zusehends auf den heimischen Absatzmarkt. Der russischen Regierung war einstmals sehr viel an der heimischen Luftfahrtindustrie gelegen, so wurden auf den Import von westlichen Flugzeugen, insbesondere von Widebodies, hohe Zölle eingehoben. In der Anfangszeit, nach dem Zerfall der UdSSR gab es in Russland weit über 500 Fluglinien, viele mit nur einem Flieger. Diese, aus der alten Sowjet-Aeroflot hervorgegangenen, Airlines hatten kein Geld für große neue russische Fabrikate. Alles, was irgendwie fliegen konnte, wurde in der Luft gehalten. Erst eine schrittweise Konsolidierung führte neben der Aeroflot (nunmehr mit dem Beinamen Russian International Airlines mit Heimatflughafen Sheremetyevo) zu weiteren, größeren Fluglinien wie der Transaero (Moskau), Sibir (Novosibirsk), Vnukovo Airlines (Moskau Vnukovo), Domodedovo Airlines (Moskau Domodedovo), Ural Airlines (Jekaterinburg), Atlant Soyuz (Moskau Vnukovo) und Pulkovo Airlines (Sankt Petersburg).
Auffallend war aber, dass keine der größeren Airlines neue Flieger bestellte. Ganz im Gegenteil, Transaero beschaffte westliche Flieger und warb mit ihrer Flotte aus importierten, dafür aber steinalten B737-200, B757 und DC-10. Nur Aeroflot erhielt im Laufe der ersten Produktionsjahre die Ilyushin 96. Diese Tendenz hatte zwei erhebliche Nachteile für die Luftfahrtindustrie in der gesamten ehemaligen Sowjetunion: Einerseits wurden keine neuen Flugzeuge abgesetzt und andererseits alterten die bestehenden Flotten schnell und es war kaum modernes Gerät verfügbar. Somit versuchte man die Airlines mit zartem Druck zum Ankauf modernen russischen Geräts zu bewegen, indem man die Zölle auf Importflieger reduzierte, für den Fall, dass man russisches Gerät kaufen würde. So optierten einige Unternehmen für die damals neue TU-204, andere wie Domodedovo Airlines, Kras Air und Atlant Soyuz wiederum entschieden sich für die IL-96. Bei den langsamen Produktionsraten konnten dennoch keine nennenswerten Flotten bei den Betreibern untergebracht werden. Schlussendlich betrieben Aeroflot 6, Domodedovo Airlines 3, Kras Air 2 und Atlant Soyuz 1. Wobei letzterer Betreiber seine einzelne IL-96-300 als Stückgutfrachter einsetzte, was ein wahres Kuriosum darstellt.
Die wachsende Wirtschaft der Russischen Föderation brachte es mit sich, dass etwas Geld da war, um die Flotte der Spezialfliegerstaffel am Flughafen Vnukovo zu modernisieren. Zwar gab es bereits unter Jelzins Zeit zwei IL-96 in Regierungsdiensten, doch erst Putin setzte zum Großeinkauf an: mit nunmehr 8 Fliegern und 2 Bestellungen ist der russische Staat der größte Nutzer der Langstrecken-Ilyushin. Einen zwar nicht unerwarteten aber doch etwas späten Erfolg landete man mit dem Verkauf von 3 Ilyushin 96-300 an die staatliche Fluglinie Kubas. Cubana de Aviacion setzt die Flieger auf ihren Flügen nach Lateinamerika und nach Europa ein.
Was die Gerüchte um den Verkauf an Air Simbabwe und Syrian Airlines anging, so gab und gibt es relativ wenig Informationen dazu, und wenn überhaupt, dann eher in westlichen Medien. In Russland wurde weniger darüber berichtet. Auch der Iran hat sich an der IL-96 interessiert gezeigt, aber auch daraus wurde letztlich nichts.
Die vier Frachtmaschinen welche bei Polet Airlines aus Ulyanovsk Dienst versahen, waren eine sehr gute Ergänzung zur bestehenden AN-124 Frachter- Flotte. Mit Ende 2013 finden sich diese vier Modelle jedoch nicht mehr in der aktiven Flotte der Polet Airlines. Diese sind zurzeit abgestellt. Gerüchten zufolge hat Dmitri Medvedev persönlich angeordnet, die vier Flieger mit einem Passagiersalon nachzurüsten und diese im Rahmen der Modernisierung der Cubana an diese auszuliefern. Diese Vorgehensweise mag auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar wirken, dennoch gab es bereits ähnliches. So fliegt heute eine TU-204-300 bei Air Koryo, welche ursprünglich als lange Urversion einer TU-204 flog. Man hat hier die alte Zelle komplett entkernt, 2 Rumpfsektionen entfernt und daraus ein neues Flugzeug gebaut. Man darf also gespannt sein, wie die vier IL-96-400T in Zukunft genutzt werden.
Durch die Restrukturierung der russischen Luftfahrtfirmen und deren Zusammenlegung unter einer gemeinsamen Holding, der UAC (United Aircraft Corporation), fand eine Konsolidierung der Produktpalette statt. So ist das erklärte Ziel der nunmehr neu aufgestellten Industrie, global Fuß zu fassen. Dass dies ausschließlich und nur mit Neuentwicklungen möglich sein wird, war auch den konservativsten Kräften der Luftfahrtobrigkeit bewusst. Somit wurden alte Designs aufgegeben und die Produktion in den verschiedenen, über Russland verstreuten Produktionsstätten aufgelassen. Klassiker wie die TU-154M und die IL-62M, die noch bis ins Jahr 2012 (zumindest auf Sparflamme) produziert wurden, wurden eingestellt und mussten der moderneren TU-204 Serie Platz machen. Auch die Yak-42 wurde im Angesicht eines Sukhoi Superjets und der neuen AN-148 aufgegeben. In Ermangelung hauseigener Alternativen wurden alle IL-96 Versionen zwar noch lange Zeit angeboten, letztlich wurde aber auch die Ilyushin 96 im Angesicht unleugbarer Tatsachen gestrichen und nicht mehr angeboten. Somit endete mit der Ilyushin 96 vorläufig die Widebodyproduktion in Russland.
Tickets für die IL96
Mit 2013 konnte man nur mehr noch auf die Maschinen der Aeroflot oder der Cubana für einen Flug mit der IL-96 zurückgreifen. Doch, sofern die aktuellsten Gerüchte stimmen, wird Aeroflot ihre Maschinen nur mehr bis April 2014 betreiben. Als Alternative könnte man russischer Präsident werden, dann bekommt seine eigene, ganz private. Somit sind die Möglichkeiten stark eingeschränkt.
Cubana fliegt weder Deutschland, noch Österreich oder die Schweiz an, somit muss man auf Reiseangebote von spanischen oder französischen Anbietern zurückgreifen. Oder aber man organisiert sich seine Kuba - Reise individuell und bucht im Internet. Dies ist mittlerweile auch bei der Cubana kein Problem mehr. Inwieweit man die Inlandsstrecken in Kuba, oft wird über Santiago de Cuba als Transitpunkt nach Havanna geflogen, buchen kann, sollte man am besten selbst bei der Planung erfragen. Tickets aus Europa in die Karibik, an Bord des russischen Airliners, sind ab ca. €700 online auf der Homepage der Cubana zu buchen, je nach Saison. Die Business Klasse „Club Tropical“ ist entsprechend teurer.
Mit Aeroflot gibt es zwar einen Betreiber der, in globalen Maßstäben, gleich ums Eck sitzt. Doch auch in Russland ist schon lange nicht mehr alles Gold was glänzt. Mit den vielen B767, A330 und B777 in der Flotte, greift Aeroflot immer weniger auf die IL9 zurück. Klassische Inlandsstrecken wie nach Kamtschatka oder nach Sachalin sind schon lange passé. Was bleibt sind einige Charterflüge nach (wie sollte es anders sein) Antalya (AYT) und Ägypten. Linie flieg die IL-96 in der Regel nur mehr nach Sotschi / AER. Als Backup- Flieger findet man sie dann aber doch das eine oder andere Mal nach Novosibirsk, Krasnojarsk oder sogar nach Pulkovo. Der Flieger kann ja problemlos alle Anforderungen der Aeroflot abdecken, aber leider eben nicht sehr ökonomisch.
Mit der „Verbannung“ des Fliegers auf die AER und AYT Flüge kommt natürlich auch ein Gefühl des nahenden Endes auf, war es doch bei der IL-86 ein ähnlicher Flugplan, kurz vor deren Ende. . Im Winter kam Aeroflot einst mit der IL9 nach Salzburg, im Zeitraum der russischen Neujahresfeiern und des russischen Weihnachtsfestes, dann sogar als Saisonlinie und Charter. Doch auch diese Chance ist wohl leider passee. Eine günstige „Last Minute Möglichkeit“ für einen Flug auf der IL-96 mit Aeroflot sind Umsteigeverbindungen aus Skandinavien via Sheremetyevo nach Istanbul. Mit etwas Glück bekommt man die Ilyushin und den Superjet.
Will man die IL-96 in authentischerem Umfeld fliegen, so empfiehlt sich natürlich die Strecke Moskau – Sotschi. Zwar ist das ein Flug von nur knapp 3 Stunden, er bringt aber alles was das Fliegerherz begehrt, und das zu erschwinglichen Kosten. Sieht man von der Anreise ab, so kann man Tickets schon ab €270 inklusive aller Nebenkosten buchen, wiederum je nach Saison. Auch wird die IL-96 relativ wenig getauscht auf diesem Leg. Dennoch, auch nach Sotschi fliegt die neue B777-300 und auch die Serie 200 (von Orenair für Aeroflot) macht den Job. Mit dem Ausbau des Airports für die Olympischen Spiele sind auch die Kapazitäten besser, was sich sofort in mehr Frequenzen und kleineren Fliegern bemerkbar macht. Die besten Chancen hat man aber zurzeit eben nach AER. Doch auch hier tickt die Uhr!
Auf russischen Flügeln ins Sommerparadies am Schwarzen Meer
Wäre man vor einigen Jahre noch von Sankt Petersburg über Moskau nach Sibirien, und von dort weiter, wieder über Moskau, nach Sotschi für unter € 600 geflogen, so bucht man 2013 direkt, da andere Optionen entweder unerschwinglich sind, oder gar nicht mehr angeboten werden. Im Gegenteil, man bangt angesichts der wenigen in Russland noch aktiven, russischen Flieger darum, das gebuchte Fluggerät auch zu bekommen. Im Falle der Aeroflot war dies die Ilyushin 96 nach Sotschi, für wohlfeile € 266 ein im Grunde sehr preiswerter Spaß.
Nachdem der Reise nach Sotschi ein Abstecher nach Saratow (natürlich auf SarAvia Yak-42D) vorhergegangen war, wurde ein Umsteigen zwischen den Flughäfen nötig. In Moskau gibt es 3 Passagierflughäfen, Domodedovo in Süden (DME), Sheremetyevo im Norden (SVO) und Vnukovo (VKO) im Südwesten. Von DME aus operieren die meisten internationalen Fluglinien, große, russische Airlines, wie Transaero und Sibir S7, aber auch Fluggesellschaften aus den Nachfolgerepubliken der UdSSR. Unter den letztgenannten findet man interessante Airlines wie z.B. Azerbaijan mit dem A340-500. Kleinere lokale Fluglinien sind eher selten. SarAvia aus Saratow an der Wolga ist eine davon. Aus Sheremetyevo fliegt Aeroflot und viele Skyteam Allianzpartner oder Airlines unter dem Dach der Aeroflot- Holding. Vnukovo war einst der Moskauer Flughafen mit den meisten kleinen russischen Airlines, vielen alten Sowjetfliegern und wenig internationalen Verbindungen. Heute gibt es kaum mehr interessantes Fluggerät in VKO, und UTAir als einer der größten Betreiber fliegt nur mehr sehr sporadisch mit Tupolevs, Yakovlevs oder Antonovs. Den Löwenanteil des Fluggeräts in Russland stellen mittlerweile Boeing (737 Classic) und Airbus (A320 Serie), eine globale Tendenz, die bei eingefleischten Fliegerfans mitunter zu Brechreiz führt.
Vorab sei angemerkt, dass nicht wie in den Medien so oft berichtet, London Europas größte Stadt ist, sondern Moskau. Und diese Stadt wächst rapide. Mehr als zwei Jahrzehnte nach der Wende sind die im Kommunismus unter Größenwahn erbauten Riesenstraßen mittlerweile zu klein und immer verstopft. Die U-Bahn, eine der größten der Welt, gleicht mehr einer S-Bahn unter Tage. Zwischen den Stationen brauchen die Züge oftmals bis zu vier Minuten. Dafür ist die Frequenz mit ca. 90 Sekunden (zur Stoßzeit) sehr hoch. Andere im Westen übliche Infrastruktur wird erst schrittweise implementiert. Die Metropole ist eine gewaltige, 24 Stunden rund um die Uhr pulsierende Millionenstadt, die (Gott sei Dank) nach ganz eigenen Prinzipien funktioniert. Wer London, New York oder Paris gewohnt ist, könnte mit Moskau durchaus überfordert sein. Englisch sprechen, wenn überhaupt, eher die jüngeren. Wer also zum ersten Mal in Moskau ist oder zwischen den drei Flughäfen umsteigen muss, der sollte sich auf enorme Distanzen gefasst machen. Verbindungen zwischen den Flughäfen gibt es nicht, man will sich ja das Geschäft nicht verderben. Um nun von einem Flughafen zum anderen zu kommen, hat man drei Möglichkeiten. Einmal gibt es den Aeroexpress Zug, eine Schnellbahn mit Endbahnhöfen an der Ring- U- Bahnlinie und den jeweiligen drei Flughäfen, ein Taxi, oder aber Öffis wie Busse und Marshrutkas (Sammeltaxis, sind wie Linienbusse). Wer allerdings Moskaus Staus kennt, der wird auf den etwas teureren (je ca. € 17 pro Fahrt) Aeroexpress Zug zurückgreifen, wobei man jeweils ein paar Stationen mit der (braunen) Ringlinie fahren muss. Die Intervalle sind so gewählt, dass man, mit der Metrofahrt, den Anschlusszug gerade nicht erwischen wird. Warum das so ist? Ganz einfach: das ist Russland! Wie auch immer, man sollte bei der Aeroexpress- Variante mindestens 5 Stunden zwischen der Ankunft auf einem Flughafen und dem Abflug am anderen rechnen. Beim Taxi ist von drei bis sechs Stunden alles möglich. Öffis machen für ungeübte Reisende oder Personen, die nicht Russisch sprechen, keinen Sinn.
Nach der Ankunft des Aeroexpress in Sheremetyevo war die Vorfreude auf das neue Terminal groß. SVO hat sich in seiner Größe in den letzten 3 Jahren verdoppelt. Der altgediente Inlandsterminal 1 wurde zugesperrt. Dies bringt einen großen Vorteil mit sich: man erspart sich das lästige Umsteigen zwischen dem internationalen und dem nationalen Terminal, die nur per 15 minütiger Busfahrt erreichbar waren (mit Stau bei einer Fahrzeit bis zu eineinhalb Stunden). Zwar findet man diese Auslegung noch auf einigen anderen Flughäfen in Russland, aber auch dort wird neu gebaut und dieses Erbe der Sowjetunion wird bald Geschichte sein (wie z.B. in Pulkovo). Was auffällt ist, dass in Moskau, aber auch in anderen Städten, neue Flughäfen aus dem Boden gestampft werden, innerhalb weniger Jahre und mit relativ wenigen Problemen. Denkt man da an den Flughafen BER, so kommt man angesichts der Neubauten in SVO und LED ins Grübeln.
Der Platzhirsch in Sheremetyevo ist eindeutig Aeroflot. Sieht man eine andere Airline, so ist diese wahrscheinlich ein Teil von SU, oder aber ein Allianzpartner. Somit ist klar, dass sich auch im neuen Terminal eine Aeroflot- Maschine an die andere reiht. Eines hat sich aber gewaltig geändert: alte sowjetische Airliner sind verschwunden. Das höchste der Gefühle ist der Superjet, immerhin auch noch eine Rarität. Und dann steht da noch der eigentliche Zweck dieser Reise in SVO, die IL-96-300. Das interessante an der neuen, modernen Aeroflot- Flotte ist, dass man diese russische Schönheit neben A330, B767 und B777 stehen sehen kann, was so den russischen Widebody gut in Relation setzt.
Die Station des Aeroexpress- Zuges liegt in Sheremetyevo ziemlich in der Mitte zwischen dem alten und dem neuen Terminalbereich. Hier ist auch schon die erste Hürde für Reisende eingebaut: biegt man falsch ab, so landet man gleich einmal am falschen Ende des Flughafens. Bei der jetzigen Größe des Airports ergeben sich dadurch größere Distanzen. Um vom einen Ende in das andere zu kommen, muss man mit mindestens 20 Minuten zu Fuß rechnen. Wer läuft, schafft es auch nicht unter 15, denn die Verbindung zwischen dem alten und dem neuen Gebäude ist lang und schmal und leider oft verstopft. Doch einmal am richtigen Check- In Schalter angekommen, ist es zum Gate Bereich nicht mehr weit.
Aeroflot (SU) ist heute eine Airline wie jede andere auch mit einer modernen Webseite, Online- Check- In und allem was man als „Westler“ gewohnt ist. Mitunter überrascht der Service an Bord sogar sehr positiv, denn neben einer freundlichen Besatzung gibt es in der Regel immer gut und ausreichend zu essen. Und so nebenbei hat SU mittlerweile eine moderne Flotte aufgebaut, um die sie so mancher alteingesessene Westcarrier beneidet. Für den Ilyushin Flug wurde neben des Online- Check- Ins im Flughafenbüro der Aeroflot in Wien vorab eine Sitzplatzreservierung vorgenommen. Zwar ist dies nicht in allen Buchungsklassen möglich (schon gar nicht in der günstigsten), aber das Schöne an Russland wiederum ist, dass man sich ja auf alles irgendwie einigen kann. Die Bitte eines Flugenthusiasten nach einem garantierten Fensterplatz war etwas, dem die Mitarbeiter der SU in VIE gerne nachgekommen sind. In diesem Sinne sei auf diesem Wege auch ein ganz herzliches „Спасибо!“ an die betreffenden Personen der Aeroflot Station VIE übermittelt.
An jenem Tag flog die SU1122 nach Sotschi vom neuen Terminal aus ab. Im Inlandsbereich entfielen natürlich die nervigen Passkontrollen, doch wer die Sicherheitscheckpoints in Russland kennt, der weiß, dass diese genug Unannehmlichkeiten für einen Flug mit sich bringen. In diesen Breiten sind Nacktscanner im Übrigen ganz normal, und wer sich auf die Zehenspitzen stellt, der kann auch über den Sichtschutz hinweg einen Blick in sein Innerstes werfen, sofern sein Scan noch am Bildschirm des Sicherheitsbeamten zu sehen ist. Nach den Sicherheitsschleusen kommt man im Inlandsbereich des neuen Terminals an. Die Auslegung des Gebäudes spiegelt im Wesentlichen Aeroflots Flotte und Netzwerk wieder. So sind einige der augenscheinlichsten Neuerungen im Vergleich zum alten Terminal 1 die vielen Flugastbrücken. Das macht natürlich Sinn, denn konnte man in SVO1 die IL-86 noch gemütlich am Fußweg über das Vorfeld boarden, so fällt diese Option bei den vielen A330 und B777 nun komplett weg, und auch die IL9 hat keine eigenen Stiegen mehr eingebaut. Und SU (aber auch andere Airlines) setzt vermehrt Großgerät auf Inlandsflügen ein. So kommt die IL9 hin und wieder nach Sankt Petersburg, die B767, B777-200 und B777-300 sowie der A330 in den fernen Osten, nach Sachalin und Kamtschatka, oder aber einfach in die Ballungszentren in Sibirien, wie zum Beispiel Krasnojarsk, Novosibirsk und Irkutsk. Dazu kommen klassische Feriendestinationen wie Sotschi oder aber Tashkent (an der Seidenstraße) zum Einsatz.
Neben den zahlreichen Fluggastbrücken gibt es in der unteren Ebene die Bus- Gates. Da alle Piers an jenem warmen Sommertag besetzt waren, wurde die IL9 nach Sotschi auf einer offenen Position am Vorfeld abgefertigt. Vom Terminal aus konnte man sie gut sehen, sie stand am äußersten linken Ende des Vorfelds. Im Wartebereich des Ausgangs zeichnete sich bereits eine voll ausgebuchte Maschine ab, was in diesem Falle viele erholungshungrige Russen waren. Ausländer sucht man in der Regel auf solchen Flügen eher vergebens. Viele der Plätze auf der Maschine waren an Reiseveranstalter verkauft, individuelles Zusammenstoppeln von Reisen ist in Russland noch weniger üblich. Nach einer kurzen Ansprache begann das Einsteigen in den Autobus. Um einige Aufnahmen vom Inneren der Maschine, ohne viel Menschen um einen herum, zu bekommen, sollte man im ersten Autobus sitzen. Am Weg zu Ilyushin fuhr der Bus auch am Super Jet, dem zweiten russischen Fabrikat in der Aeroflot Flotte, vorbei. Der Unterschied in Größe und Erscheinung kann signifikanter gar nicht sein. Bringt die IL9 doch noch viel vom klassischen sowjetischen Flieger- Charakter mit sich, so ist dieses Flair beim Sukhoi Super Jet eindeutig passé.
Bereits mit geschlossenen Türen konnte man die APU der IL9 deutlich hören. Dies ist zwar typisch für russische Flieger, aber ein enormes Minus beim Einsteigen, denn die Lautstärke ist einfach unerträglich. Auf dem Vorfeld achteten einige Mitarbeiter darauf, dass keine Aufnahmen vom Flugzeug gemacht wurden. Der Grund dafür ist ein neues Gesetz in Russland, das fotografieren und filmen am Vorfeld und im Inneren des Fliegers verbietet. Seit dem dieses Gesetz in Kraft ist, ist es nicht mehr möglich ordentliche Aufnahmen zu machen. So auch beim Flug nach Sotschi und retour. Glücklicherweise nahmen die Arbeiter am Vorfeld es eher gelassen und wiesen einen darauf hin dass dies untersagt sei.
Der erste Eindruck zählt, und dieser war hervorragend.
Die Ilyushin wurde, wie bei Widebodies üblich, an zwei Eingängen geboardet. Der noble Russe stieg vorne in die Business Klasse zu, der Rest geht durch die 2. Türe an Bord. Am Weg nach Oben bekam man das erste Mal einen echten Eindruck von der Größe dieses Vogels. Unterschätzte man von der Weite aufgrund des kurzen Rumpfes die Ausmaße der IL9, so fühlte man sich spätestens beim Einsteigen ganz schön klein. Das Hauptfahrwerk ist massiv und mächtig, in Auslegung gleich dem des A340-500/600. Die Triebwerke sind eine Spur größer als bei einem A340, und der Flügel ist enorm. Auch das Bugfahrwerk ist das massivste seiner Klasse, griff man wie schon bei der IL-86 auf den gleichen Reifentyp wie beim Hauptfahrwerk zurück. Westliche Flieger haben vorne immer anders dimensionierte Reifen. Interessanterweise war die Ilyushin auf dieser Position mit der Nase Richtung Rollgasse platziert, was den Schluss nahelegte, dass ankommende Airliner auf dieser Position mittels Pushback Fahrzeug eingeparkt werden.
Oben am Flieger angekommen, wurde man vom Kabinenchef empfangen und dem richtigen Gang zugeteilt, was bei einer 3-3-3 Anordnung sinnvoll ist. Ein kleiner Teil der Economy Kabine befindet sich vor der Mittelküche, und vor dem mittleren Eingang. Wie schon in der IL-86 waren diese Plätze Reisenden mit Kindern vorbehalten. Auch hier wurden die betroffenen Personen vom Purser in Empfang genommen und gleich auf die richtigen Sitze gesetzt. Die Nummerierung der Sitze ist wie schon im Vorgängerflieger auch in der IL9 höchst verwirrend, ist doch die Sitznummer wieder an der Rücklehne angebracht, der letzte Ort an dem man danach sucht. Doch die Besatzung war sehr geübt und platzierte alle Passagiere ohne Probleme auf die zugeteilten Sitze. Die Reihen vor den Ausgängen beziehungsweise vor der Küche werden bei SU gegen Aufpreis angeboten, obgleich dort eigentlich weniger Beinfreiheit als bei allen anderen Plätzen gegeben ist.
Nach und nach trafen die Busse am Flugzeug ein, und nach ca. 30 Minuten waren auch die letzten Gäste an Bord. Dadurch kann der Flieger zwar schneller abrollen, das Parken dauert allerdings seine Zeit. Nachdem die Türen nun endlich geschlossen wurden und alle auf ihren Sitzen saßen begann das Warten auf den Start Up. Die Erfahrung lehrt, dass russische Airliner immer einen lauten, charakteristischen Triebwerksstart hinlegen. Die Klimaanlage in der Kabine begann zu wirken, die Temperatur sank auf ein sehr angenehmes Niveau. Ein bisschen konnte man die Kondensation der kalten Luft erkennen, was ebenfalls typisch ist für russische Flieger. Die Minuten verstrichen, einige Fotos und mehrere Minuten Film wurden bereits gemacht, jedoch noch kein Startup weit und breit. Der Finger auf dem Auslöser schmerzte bereits, und kein erlösendes Aufheulen der Triebwerke weit und breit. Und plötzlich begann die Ilyushin zu rollen! Spätestens jetzt war klar, der Flieger ist innen sehr leise. Völlig überraschend hat die IL9 alle vier Triebwerke angeworfen, ohne dass man auch nur ansatzweise irgendetwas davon erlauschen konnte. Und wer denkt der A380 ist leise, der kennt die Il-96 nicht.
Der Moment des Starts war beeindruckend unbeeindruckend.
Erst beim Erhöhen der Rollgeschwindigkeit waren die Triebwerke bei genauem Hinhören zu erahnen. In Anbetracht dessen was man von einer IL-62 oder einer TU-134 kennt, war dies eine wahre Enttäuschung. Für „normale“ Passagiere aber kann es gar nichts besseres geben. Langsam zeichnete sich ab, welch tollen Flugapparat Ilyushin da erschaffen hat. Zusammengefasst bietet der Flieger seinen Reisenden Platz ohne Ende, er ist leise und die Inneneinrichtung ist ebenfalls modern gehalten, mit Ledersitzen. Die Lehne kann komfortabel nach hinten geneigt werden, Frischluft (kleine Ventilatoren wie in der IL-86), Leselampen und das Tischchen sind in den Sitz integriert, und hinten im Heck der Maschine sind ausreichend Toiletten untergebracht. Wenn der Flieger auch Airbus oder Boeing Modellen aus ökonomische Sicht um Längen unterlegen ist, so ist dieser Airliner in Sachen Passagierkomfort (in der Economy Klasse) eine Klasse für sich.
Nach ein paar Minuten des Rollens in Sheremetyevo bog die IL9 in die Piste ein. Die Klappen wurden mittlerweile in die Take-off Konfiguration gebracht, der Moment an dem der Kapitän Vollgas gibt, der Moment, den man so sehnsüchtig erwartet, war nun gekommen. Endlich ist es soweit, die Ilyushin setzt sich langsam aber bestimmt in Bewegung. Der Moment ist einfach unglaublich......unspektakulär! Als gelernter Tupolev- Reisender sitzt man mit offenem Mund da und denkt sich im Angesicht dieser Geräuschlosigkeit: das ist alles? Wo ist der Donner, wo das Heulen, wo das Grollen? Und überhaupt, wo bleibt der Spaß wenn man so viel Kerosin ganz ohne Lärm verbrennt? Das charakteristische Scheppern der Kabinenverkleidung war kaum wahrnehmbar, der Flieger wurde obendrein noch so pilotiert, dass es nicht einmal dem empfindlichsten Magen sauer aufstieß. Ja was war denn das? Auf jeden Fall ist der Punkt an den die IL9 Vollgas gibt ein Aha- Moment für jeden Luftfahrtenthusiasten. Wer ein Lärm- und Donnerjunkie ist, der kommt in diesem Airliner definitiv nicht auf seine Kosten. Nur wer den A380 kennen lernen durfte, kann ansatzweise in Relation setzen, was Fliegen auf Ilyushins Modell 96-300 heißt. Eines ist aber sicher: es ist ein Meilenstein in Sachen Passagierkomfort!
Trotz fehlenden IFEs bietet die Kabine ein hohes Maß an Komfort.
Eine der Neuerungen gegenüber der Il-86 ist ein komplett integriertes Fly-By-Wire System, sowie ein ausgefeiltes, superkritisches Tragflächenprofil. Schon kurz nach dem Abheben fielen die Querruder auf, die unaufhörlich kleinste Korrekturen der Fluglage vornahmen. Die Frequenz und das Bild der Bewegungen gleicht dem dreigeteilten äußeren Querruder des A380 und bringt selbigen Effekt: einen komplett ruhigen Reiseflug. Man sollte aber dabei nicht vergessen, dass die IL96 noch eine sowjetische Entwicklung ist. Alleine das Fluggefühl auf diesem Airliner ist eine Auszeichnung sowjetischer und russischer Ingenieurskunst. Die IL-96 ist angesichts der sowjetischen Flugzeuge ihrer Generation mehr als nur ein Schritt in der Entwicklung. Ein Manko aber gibt es, und zwar das mangelnde Inflight Entertainment System (IFE). Auf den Cubana Maschinen behalf man sich mit dem nachträglichen Einbau mehrerer Flachbildschirme, etwas, das es so bei Aeroflot nicht gibt. Andererseits ist der Zugang zur IFE Materie in Russland ein komplett anderer, denn trotz des mittlerweile weitverbreiteten westlichen Lebensstils greifen selbst junge Russen gerne noch zu Büchern. Dennoch sind 2013 auf modernen Airlinern Personal TVs Standard, und hier kann und wird auch die verbleibende IL-96 Flotte nicht nachgerüstet werden. Wer etwas Geld in die Hand nimmt, der kann aber in der Business Klasse auf allen Ilyushins auf das sehr umfangreiche Angebot in Aeroflot‘s Entertainment Plattform zurückgreifen. Bei einem Flug von gerade einmal 2 ½ Stunden hat man aber kaum Zeit genug sich den Flieger ausreichend zu Gemüte zu führen, geschweige denn einen kompletten Film anzusehen.
Während des Reiseflugs in Richtung Sotschi machte es natürlich Sinn, quer durch den Flieger zu rennen, um auch den letzten Winkel zu erkunden. Blickt man zum Beispiel von hinten in der Kabine nach vorne, so scheint es als sei der Flieger breiter als er lang ist. Zu diesem Eindruck tragen die fehlenden Überkopfgepäcksfächer über der Mittelreihe bei. Irgendwie gleicht die Atmosphäre der einen Bahnhofswartehalle. Aufgrund der großzügigen Platzverhältnisse, man könnte ohne Probleme statt der 3-3-3 Bestuhlung 3-4-3 unterbringen, fielen die zahlreichen herumwandernden Personen kaum ins Gewicht. Auch störten diese nicht beim Servieren der Mahlzeiten, da die Gänge sehr breit sind.
Von den hintersten und den vorderen Sitzreihen aus kann man einen guten Blick auf die Triebwerke werfen, trotzdem macht der Bereich, den die enormen Tragflächen abdecken, gut die Hälfte aller Fensterplätze unbrauchbar. Dazu kommt noch, dass viele der Fenster leicht gesprungen (auf Englisch ist der Ausdruck dafür „crazed“) sind, was sie bei Sonneneinstrahlung zumindest fürs Filmen und Fotografieren unbrauchbar macht. Und wenn man dann obendrein noch Pech hat, sitzt man auf einem Fensterplatz ohne Fenster. Das betrifft in der Economy in Summe gleich 4 Reihen. Somit ist es wieder eine reine Glückssache, ob man brauchbare Fenster hat oder nicht. Doch wieder gilt, wie eigentlich bei allen fliegenden Raritäten, dass man froh sein muss, einmal auf ihnen geflogen sein zu dürfen. Alles was zusätzlich noch möglich ist, ist das berühmte „nice to have“:
Zum Reiseflug an sich gibt es wenig zu berichten, außer dass er unspektakulär und ruhig war. Nach einigen Minuten wurde dann das Essen serviert. Man merkte eindeutig, dass auch Aeroflot beginnt beim einen oder anderen Eck zu sparen. So war es kaum verwunderlich, dass auf diesem Flug das Essen nicht so üppig ausfiel wie noch auf den guten alten Aeroflot Shuttle TU5 Flügen nach Sankt Petersburg, wo man mitunter mit Sandwichs ohne Ende gemästet wurde. Andererseits ist es, angesichts eines vollen Widebodies klar, dass man als Besatzung versucht, alles so schnell wie möglich unter zu bringen, zweieinhalb Stunden vergehen auf einem Widebody „wie im Flug“.
Die Freundlichkeit des Personals war wie auf alles SU Flügen auch diesmal herausragend, auffallend aber war das Verhalten des Kabinenchefs, welcher einen sehr engagierten und professionellen Eindruck machte, aber nicht älter als 30 Jahre zu sein schien. Alle Besatzungsmitglieder sprachen hervorragendes Englisch, dennoch ist es in Russland bis heute so, dass man eher verschlossen gegenüber Ausländern ist. Dies ist natürlich etwas, das über drei im Kommunismus groß gewordenen Generationen an nachfolgende weitergegeben wird und nur sehr langsam ausklingen wird. Was auch immer die Gründe dafür sind, bringt man einige Brocken Russisch mit auf den Weg, taut auch der kälteste Stalinist auf. Russen fühlen sich sehr geehrt, wenn jemand heutzutage noch ihre Sprache erlernt und spricht. Und wie überall auf der Welt, so lieben auch die meisten Russen in der Branche das Fliegen. Wenn man dann auch noch mit russischen Flugzeugtypen und einigem Insiderknowhow auftrumpfen kann, dann sollte man aufpassen, dass man sich nicht gleich im Cockpit findet und 100 Gramm Wodka mit der Besatzung auf „Bruderschaft“ trinkt (auch Russen verwenden das deutsche Wort Bruderschaft, nur anders betont). Wie schon im Iran, in Bangladesh und in Nordkorea, so sind es auch in Russland die Emotionen und die Leidenschaft fürs Fliegen dass was uns Aviatiker verbindet, und geistige Grenzen niederreißt.
Nach ein paar Sätzen mit dem Kabinenchef, der im Übrigen unendlich stolz darauf war, auf dem Flaggschiff des russischen Flugzeugbaus fliegen zu dürfen, zeichnete sich eine Einladung in die Galley im Unterdeck ab. Das Flugdeck darf man in der Regel nicht besuchen, auch wenn man sich noch so sehr darum bemüht. Hier sind andere Gelegenheiten (wie der Moskauer Aerosalon MAKS) besser geeignet. Doch bei aller Liebe zur Luftfahrt und viel beidseitigem Interesse musste der Purser darauf achten, auch seinen Job zu erledigen und die volle Maschine zu versorgen. Serviert wurden neben alkoholfreien Getränken auch ein Tablett mit einem Salat, einem Stück Fleisch, einer süßen Nachspeise und einer Scheibe Brot, einer in Russland üblichen Zusammenstellung. Entgegen seinem Ruf ist russisches Catering sehr schmackhaft und macht nicht nur optisch immer einen frischen Eindruck. Hier merkt man schon, dass der Konkurrenzdruck greift, denn auch bei anderen Airlines, sei es Transaero, UT Air oder kleineren, wie SarAvia oder Gazprom, bekommt man immer frisches, ordentliches Essen serviert. Lediglich S7 fährt eine Low Cost Schiene, Getränke sind aber auch dort gratis.
Schrittweise wurde die IL-96 in Landekonfiguration gebracht.
Langsam neigte sich der Flug seinem Ende zu, war es in Moskau noch wohlig warm mit 22 Grad, so sollte das Wetter im legendären Russischen Kurort Sotschi tropisch sein. Mit der Küste in Sichtweite war klar, kalt wird es nicht sein, und das Wetter würde für die Landung perfekt passen. Erstaunlicherweise verließ die Ilyushin 96 erst beim Erreichen der Küstenlinie die Reiseflughöhe. Langsam wurde Höhe abgebaut, bis nur noch Wasser zu sehen war, erst dann drehte die IL-96 langsam auf Gegenkurs. Und wieder bewegte sich der Flieger sanft durch die Luft, ganz anders als die schwerfällige, bullige IL-86. Schrittweise wurden die Landeklappen ausgefahren, die Klimaanlage belüftete wieder die Kabine, und etwas Kondenswasser bildete sich an den Wänden und zwischen den Fenstern.
Die sanfte und weiche Landung rundete den hervorragenden Eindruck des Airliners ab!
Über dem Meer war die eigentliche Flughöhe schwer abzuschätzen, doch mit der Küste in Sicht war klar, bald würde wieder fester Boden unter der Ilyushin sein. Dann endlich erreichte die Maschine sanft schwebend die Küste, unten konnte man schon die Bauten für die Olympischen Spiele sehen, einige Häuser und die Küstenstraße, und dann setzte der Riesenvogel butterweich in Sotschi auf. Die Schubumkehr fiel erwartungsgemäß unspektakulär aus, wie alles an diesem Flug. Nach der sanften Landung rollte die IL9 mit etwas Verspätung gemächlich zu ihrer Parkposition, etwas außerhalb des Vorfeldes, um von Heerscharen von Abfertigungspersonal in Empfang genommen zu werden. Ob und wann die Triebwerke abgeschaltet wurden, konnte man nur anhand der Personen erahnen, die sich dann den Motoren näherten. Die Türen öffneten sich und die Urlauber begannen aus der Ilyushin in die Busse zu strömen.
Der Blick hinter die Kulissen, ein unfassbares Glück für jeden Spotter!
In der Mittelküche wartete der Purser mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Wie bereits erwähnt, die Einladung in die Küche war noch ausstehend, und wurde nun eingelöst. In der IL9 reist man trotz eingebauter Stiege stilecht im Lift für die Trolleys nach unten. Dort angekommen öffnete der für die Küche zuständige Koch die Türen des Liftes. Erst dann bekommt man eine Vorstellung von der Größe der Küche im Unterdeck, und den tollen Arbeitsbedingungen für das Personal. Dort unten kann man ohne Probleme aufrecht stehen, es ist wieder Platz ohne Ende vorhanden. Hier werde die Speisen in der Regel zubereitet und dann mit dem Lift in einem Trolley nach oben geschickt, um dort nur noch serviert zu werden. Das bedeutet mehr Platz in der Kabine, mehr Platz in der Küche und eine Trennung der Passagiere von den Arbeitsabläufen hinter den Kulissen, was weniger gut möglich ist, wenn gleich neben der Küche die Toiletten sind. Eine wahrlich elegante Lösung und eine unfassbares „Geschenk“ des Pursers! So sei auf diesem Wege Herrn Artyom größter Dank und Anerkennung gezollt! Eben diese Freude an der gemeinsamen Leidenschaft macht solche Flugsafaris zu unglaublichen Erlebnissen! Schnell ging es nach einem kurzen Rundgang durch die Küche wieder nach oben, man wollte ja seinen Bus nicht verpassen. Welch einmaliges Erlebnis das war!
Der vorläufig letzte Blick auf die kurze, dicke Ilyushin. Welch tolles Erlebnis dies doch war!
Ein Tag im Sommerwinterwunderland
Nachdem der Bus die Reisenden in den Ankunftsbereich am Flughafen gebracht hatte, war jegliche Sicht auf die IL-96 versperrt. Der Flug war nun definitiv zu Ende. Der Flughafen in Sotschi ist größtenteils brandneu und für die Spiele 2014 ausgebaut worden. Er befindet sich im Besitz des Mischkonzerns „Basel“ von Oleg Deripaska, auch österreichische Unternehmen haben an und um den Flughafen gebaut, wie man ja aus diversen Medien weiß. Im Mai 2013, zum Zeitpunkt des Fluges, machte der Airport auf Laien einen kompletten, also fertiggebauten Eindruck. Auch die Auslegung und die Größe scheinen intelligent gewählt zu sein, weder zu groß, noch zu klein. Neben dem Flughafen führt die Eisenbahn nach Krasnaja Poljana, dem Ort an dem die Winterspiele stattfindenden werden. Dieser liegt aber noch gute 50km weiter Richtung Norden in den Bergen. Eigentlich liegt der Flughafen Sotschi auch nicht in Sotschi, sondern in Adler, dem Nachbarort, ca. 20km weg. Daher auch der Dreiletter Code des Flughafens (AER). Und überhaupt bekommt man angesichts der Distanzen die man an der russischen Riviera zurücklegen muss als Mitteleuropäer Vorstellungsprobleme. Klar, fliegt man von einem Ende des deutschsprachigen Europas zum anderen, so braucht man dafür 1,5 Stunden und bewegt sich in derselben Zeitzone. Russland ist ein Land, welches sich einschließlich Kaliningrads über 9 Zeitzonen erstreckt, mit Inlandsflügen von 8 oder mehr Stunden. Wenn daher Mitteleuropäer und Russen von „in der Nähe“ sprechen, meinen sie zwangsläufig etwas anderes. Wie dem auch sei, in Sotschi ist nach russischen Maßstäben alles in der Nähe.
Wie auf allen Flughäfen in der russischen Föderation wird man auch in AER von Taxilenkern in Empfang genommen. Je nach Auftragslage, eigener Nationalität und Tageszeit fallen die Preise für eine Fahrt unterschiedlich aus. Kommt man als Geschäftsreisender im Anzug zur Stoßzeit an, und kann womöglich kein Russisch, so wird die Taxifahrt entsprechend teuer. Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahren will, der kann auf den örtlichen Bus zurückgreifen. Dieser fährt vom Hauptparkplatz ab und klappert die ganze Küstenlinie vom Süden (beim Airport) bis ins nördlich gelegene Sotschi ab. Aber auch hier ist einiges an Reiseerfahrung von Vorteil, denn angeschrieben ist wie so oft gar nichts und an Hilfe kommt man ohne Russischkenntnisse nur sehr schwer.
Geografisch befindet sich Sotschi im Süden, auf mittlerer Höhe des Kaukasusgebirges, welches mehr oder weniger direkt abfallend ins Schwarze Meer die Küstenlinie der Russischen Riviera bildet. Die im äußersten Süden gelegene Stadt Adler beherbergt den Flughafen der Region, sowie gleichzeitig die Grenze nach Abchasien. Je nach Blickwinkel ist diese Grenze eine nach Georgien oder aber in die von Russland und in die von einigen anderen Staaten anerkannte Republik Abchasien. Die Abchasen sind ein eigenständiges Volk in einem fremden Land, welches mit russischer Unterstützung bis vor nicht allzu langer Zeit einen Unabhängigkeitskrieg gegen das georgische Regime unter Saakaschwili (einem in den USA ausgebildeten und von den Vereinigten Staaten unterstützten und finanzierten Autokraten) geführt hat. Möglicherweise sind die beiden im Konflikt von Rebellen abgeschossenen Passagiermaschinen der Transair Georgia ein Begriff, bei diesen Katastrophen mussten 135 Menschen ihr Leben lassen (TU-134A „65893“, TU-154B „85136“). Der von Saakaschwili mit Massakern an der russischen Minderheit in Georgien provozierte Krieg in Südossetien (ebenfalls eine Republik, die um ihre Unabhängigkeit von Georgien bestrebt war) besiegelte den Status der Republik Abchasien, deren Schwarzmeerküste man beim Anflug auf Sotschi fast zur Gänze sehen kann. Neben dieser mittlerweile seit nunmehr 2 Jahren stabilen politischen Lage im Süden, befinden sich auf der Nordseite des Kaukasus die Republiken Tschetschenien, Inguschetien und Daghestan, in welchen islamistische Strömungen Gottesstaaten mit dem Rechtssystem der Scharia errichten wollen. Zwar sind diese Republiken mit circa 200 Kilometer Luftlinie recht nahe, der Kaukasus bietet hier aber eine natürliche Barriere, mit dem Elbrus (mit 5.642m höchster Berg in Europa) in seiner Mitte. Richtung Norden, entlang der Küste reihen sich viele kleine „Kurorte“ bis hin nach Gelendzik, bekannt durch die jährliche Wasserflieger Show mit Beriev-Flugzeugen. Am Nordwestlichen Ende des Kaukasus befindet sich die Kuban-Ebene, eine der fruchtbarsten Regionen Russlands, bekannt für seine vielen landwirtschaftlichen Produkte und seinen Wein.
Dass man in einer solchen Region olympische Spiele ausrichtet, scheint einerseits aufgrund der Sicherheitslage ein Wagnis zu sein, andererseits mutet die Subtropische Küste nicht gerade winterlich an. Doch wie oben erwähnt, legt man 50 km in Richtung Norden zurück, so befindet man sich inmitten hochalpinen Geländes, mit ähnlich langen und kalten Wintern wie üblich in österreichischen Skigebieten. Und wer Russland, und in diesem Zusammenhang auch Putin kennt, der weiß dass sich die Rodina (das Vaterland) vor der Welt keine Blöße geben wird, koste es was es wolle.
In Sotschi selbst war im Mai 2013 noch kaum olympisches Flair zu fühlen. Im Gegenteil, es wurde an allen Ecken und Enden gebaut, alte und teilweise leider auch historische Bausubstanz wurde zugunsten schellen Geldes einfach geschliffen. Was in den Geschichtsbüchern als idyllisches sowjetisches Badeparadies Eintrag gefunden hat ist heute ein Vergewaltigungsopfer des schnellen Geldes. Doch auch diese Sichtweise hängt vom Auge des Betrachters ab. Fest steht aber, dass man hier keine Idylle mehr findet, Sowjetnostalgie kommt auch keine mehr auf, weder in der Ilyushin 96 auf der Hinreise, noch in den pseudomodernen Hotels. Auch wirkt die Küste, mit ihren Wellenbrechern die oft über hundert Meter lang ins Meer ragen, zerschnitten und zerhackt. Mit dem Einzug des Kapitalismus haben sich gierige Geschäftsleute Strandabschnitte mitsamt den Hotels unter den Nagel gerissen, mit dem Resultat dass es auf zig Kilometern Länge nur noch gut 250 Meter öffentlichen Strand gibt. Dort ist die „Besatzdichte“ an urlaubenden Russen auch außerhalb der Saison äußerst hoch und gleicht eher einer Aquakultur. Hier gibt es noch viel Aufholbedarf, doch am Ende des Tunnels scheint Licht zu sein. Die ersten Russen die aus dem Westen zurück in ihre Heimat kommen und gesehen haben, wie man zum Beispiel in Österreich für wenig Geld in hervorragenden Privatunterkünften übernachten kann, setzen dies nun selbst um. Keiner will mehr in den Monopolhotels viel Geld für wenig Gegenleistung ausgeben. Und wer das Internet durchforstet, der stellt schnell fest, dass sogenannte „Minihotels“ und Privatunterkünfte in Russland aus dem Boden sprießen und diese sehr preiswert mit ansprechender Qualität sind. Hoffentlich schafft es die Hotellobby nicht, Gesetze gegen diese Privatinitiativen durchzusetzen – es wäre in Russland nicht das erste Mal.
Bleibt zu hoffen, dass die Neureichen Russen im Rahmen des Olympiabooms in Sotschi nicht zu viel kaputt machen, denn wie schon in den Emiraten gilt auch in Sotschi: wenn Bildungsferne Schichten schnell zu viel Geld kommen, kommt nichts Gutes dabei raus! Zusammengefasst kann man sagen, dass die Gegend um Sotschi traumhaft schön ist, und auf alle Fälle eine Reise wert ist. Nächtigen sollte man außerhalb der Ballungsgebiete, und ein Tag am Strand reicht. Die wahren Juwelen dieser Region sind seine Gebirge, die vielen Flüsse und Seen, die (noch) unberührte Natur und die einheimische Kultur, die hoffentlich auch nach den Spielen erhalten bleibt. Mit einem Mehrfachvisum sollte man auf alle Fälle nach Abchasien reisen, dort finden sich zahlreiche Klöster und Kirchen mitten im Gebirge, sowie eines der größten Höhlensysteme der Welt, mit eigener Schmalspur- U-Bahn. Das Meer in Sotschi ist zwar rein, aber trotzdem nicht so klar wie zum Beispiel das Mittelmeer in Kroatien. Doch wie bereits erwähnt, zur Abkühlung taugt es allemal, und wer etwas mehr Zeit mitbringt, der kann sich Tagesausflüge an der Strandpromenade buchen. Die dortigen Trips nach Adygeja mit seinen vielen Wasserfällen ermöglichen leichten Zugang zur Schönheit des Kaukasus, ohne viel Anstrengung. Wenn die Olympischen Spiele und die geldgierigen Neureichen nicht zu viel Natur zerstören, so ist Sotschi´s Zukunft als Tourismusdestination gesichert. Und wer weiß, vielleicht kann man ja noch einige Zeit stilvoll und komfortabel in der Ilyushin 96 anreisen! Nach einer Nacht in einem hervorragenden Minihotel stand am nächsten Morgen wieder der Rückflug nach Moskau am Programm. Wie gewohnt wurde wieder übers (hoteleigene) Internet eingecheckt. Nachdem auch dieses Mal eine IL-96 im Online- Check- In aufschien, war die Chance groß, auch wieder retour in der IL9 fliegen zu können. Einige Tage davor wurde nämlich selbiger Kurs auf eine B777-300 getauscht.
„Heim“ nach Moskau
Die Anreise zum Flughafen dauerte an diesem Tag mehr als 1 ½ Stunden im öffentlichen Autobus. In ganz Sotschi herrschte bereits seit den Morgenstunden dichter Verkehr und damit Stau auf der Küstenstraße. Diesen zu Umfahren gelingt angesichts der vielen Nadelöhre nicht. Am Flughafen angekommen machte es Sinn, gleich einzuchecken, da man zum Spotten entweder weit zu Fuß gehen oder auf das Taxi zurückgreifen muss. Die Sicht auf die Piste ist auch vom Busgate aus akzeptabel. Nach der bereits etwas verspäteten Ankunft bei der Anreise, schien es auch auf diesem Flug zu Verspätungen zu kommen. Angesichts eines Anschlussfluges nach Sankt Petersburg, noch dazu aus Vnukovo, zählte eigentlich jede Minute, denn die geplanten 5 Stunden sind in Moskau schnell aufgebraucht.
Nach einigen Minuten der Bummelei durch die wenigen, kleinen und recht teuren Airport Shops wurde endlich mit dem Einsteigen begonnen. Und wie sollte es anders kommen, zwar stand die Ilyushin 96 am Vorfeld bereit, jedoch dauerte der Prozess einen vollen Widebody zu boarden eben. Noch war Zeit den Flug nach Sheremetyevo zu genießen. War es am Hinflug RA-96011, so war heute RA-96010 nach AER unterwegs. Beide wurden an Aeroflot ausgeliefert und befinden sich seither im Dienste des russischen Flag - Carriers. Lediglich die Kabine hat über die Jahre hinweg einige Modernisierungen erlebt. Untereinander unterscheiden sich die Maschinen nicht voneinander.
Auf nach Moskau, wieder über eine Passagiertreppe am Vorfeld.
Am Vorfeld ging es wieder über die Passagiertreppe, vorbei an den PS-90 Triebwerken, in die Kabine. Mit einem Sitz im vorderen Bereich des Hauptsalons konnte man einigermaßen auf die Triebwerke sehen. Um in diese hineinsehen zu können, direkt auf den Fan, muss man vor der Mittelgalley sitzen. Doch auch die dieser Blickwinkel bietet einen tiefen Blick in den Charakter der IL9. Interessant dabei sind die riesigen Slats, die scheinbar mannshohen Auftriebshilfen benötigten eine gefühlte Ewigkeit, bis sie vollständig abgesenkt waren. Und wieder konnte man sich den Startup nur erahnen, es war alles so leise. Nachdem der Kapitän die Maschine auf der Mittellinie der Piste ausgerichtet hat, war einerseits klar, dass der Abflug über das Meer erfolgen würde, andererseits die Sonne mit voller Kraft auf die Risse im Fenster scheinen würde. Dies machte ordentliche Aufnahmen unmöglich. Wie immer ist es aber die Freude , in solch einem Flugapparat sitzen zu dürfen, die überwiegt.
Ein Sitz etwas weiter vorne in der Kabine erlaubt beim Start einen Blick auf die Triebwerke.
Langsam beschleunigte die Ilyushin Richtung Meer, um zuerst sehr flach, fast wie eine IL-62 abzuheben. Erst nach einigen Sekunden zog der Kapitän die Maschine nach oben. Wie schon beim Landeanflug, so wurde erst nachdem die Küste beinahe aus dem Sichtfeld verschwunden war die Kurve Richtung Norden Eingeleitet. Der Flug verlief ähnlich unspektakulär, doch mit nun bereits über einer Stunde Verspätung. Nun musste mit dem Umsteigen in Moskau alles klappen, ansonsten würde die Yak-42D der Gazprom Avia mit einem Passagier weniger nach Sankt Petersburg abfliegen.
Der Flug zurück glich dem Hinflug bis ins kleinste Detail. Die Ilyushin braust einfach butterweich und leise Richtung SVO. Die vom Sonnenbrand gezeichneten Urlauber schliefen fast ausnahmslos. Erst als die Maschine begann, einige Wolken zu umfliegen war klar, bald würde sie in Sheremetyevo aufsetzen. Flugmanöver, die sich in der IL-86 noch wie ein Kampf anfühlten, sind in der IL-96 ein wahrer Genuss. Langsam wurde die Geschwindigkeit reduziert und die Klappen auf die Landung eingestellt. Das alles passierte beinahe lautlos und ohne größere Irritation der Passagiere. Vorbei sind die Zeiten in denen die erste Leistungserhöhung der Triebwerke beim Anflug nicht nur die Reisenden aufgeweckt hat, sondern auch gleich zu Gehörschäden führte. Das ausgefahrene Fahrwerk und die Wolkenkratzer am Firmament waren das untrügliche Zeichen dafür, dass die Ilyushin bald wieder festen Boden unter den Rädern haben wird.
Lange schwebte der Widebody über die Piste hinweg, ehe das mittlere Hauptfahrwerk erstmals den Boden berührte. Sofort wurden die Störklappen ausgefahren und volle Schubumkehr gegeben. Diese kann man vom vorderen Bereich der Kabine gut sehen, entlang der Gondel fährt die hintere Hälfte zurück und leitet so den Luftstrom gegen die Flugrichtung. Gott sei es gedankt, hier war dann doch ein kleines Röhren zu vernehmen, aber dennoch kein Vergleich gegen eine alte Tushka. Die Verspätung war nicht weniger geworden, und die Zeit zum Umsteigen zwischen den Flughäfen reichte so gut wie gar nicht mehr. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt.
Und wie nicht anders zu erwarten war auch diese Landung eine wahre Freude!
Was dann kommen sollte, war eine echte Überraschung. Wurde von Sheremetyevo aus die Ilyushin vom Vorfeld aus abgefertigt, so fuhr sie nun auf eine Pier Position zu und... blieb gut 15 Meter davor stehen, drehte die Triebwerke ab und wurde still. Was der Laie nicht wusste, machte den unter Zeitnot befindlichen Weiterreisenden sehr nervös. Instinktiv standen beinahe alle auf und begaben sich Richtung Exits, nur um dann in Minutenlanger Kleinarbeit von den Besatzungsmitgliedern wieder auf die Sitze zurückgeschickt zu werden. Was war passiert? Die IL-96 kann an diesem speziellen Ausgang nur mit einem Pushback Fahrzeug an die benötigte Stelle gezogen werden. Dort erst kann mit den Brücken angedockt werden. Dieser Prozess dauerte beinahe eine halbe Stunde. Wie bereits erwähnt, die Zeit war nun schon extrem knapp, der Aeroexpress Zug nach in die Stadt würde in 10 Minuten losfahren und war die einzige Möglichkeit den Anschlussflug aus Vnukovo pünktlich zu erreichen. Obendrein befindet sich der Bahnhof in SVO am ganz anderen Ende des Gates an dem die IL9 andockte...
Wie dem auch immer sei, die Reise auf der IL-96-300 war zu Ende. Die Impressionen dieser Maschine könnte aus technischer Sicht beeindruckender nicht sein. Wer allerdings spektakulär reisen will, der sollte auf andere Maschinen ausweichen. Fest steht, dass die IL9 für Passagiere einer der besten Flieger ist, der je den Himmel erklommen hat. Dass ihre Zukunft bereits 20 Jahre zurück liegt ist eine andere Sache. Wer allerdings eine Leidenschaft fürs Fliegen hat, der sollte einen Abstecher auf diesem phantastischen Airliner wagen!
Und was den Anschlussflug nach LED auf der Gazprom Yak angeht: das ist Thema einer anderen Geschichte.
Der Autor hofft, Sie auch für die nächsten Flüge durch Russland begeistern zu können. In diesem Sinne freuen wir uns schon, gemeinsam mit Ihnen auf die Yak-40 einzuchecken, dem ersten Regionaljet der Welt, und dem kleinsten Trijet obendrein.
Text, Fotos und Videos: Roman Maierhofer