Aber es sind nicht nur Jagdflugzeuge wie die deutschen Fokker, Albatros, Halberstadt und Junkers, die sich heftige Kämpfe mit den alliierten SPADs, Sopwiths, SE-5a und Nieuports liefern. Deutsche Gotha und Zeppelin-Staaken Bomber fliegen Nachtangriffe auf englische Städte, während englische Handley-Page und französische Farman und Voison ihrerseits deutsche Städte attackieren. Es ist der Beginn des Bombenkriegs auch gegen die Zivilbevölkerung, der seinen schrecklichen Höhepunkt kaum 25 Jahre später im nächsten Weltkrieg finden wird. Aber das Flugzeug kann noch mehr – es erobert auch die Weltmeere. Die Royal Navy stellt die ersten Flugzeugträger in Dienst, HMS Argus und HMS Furious. Gleichzeitig fliegen große Flugboote über der Nordsee Seeaufklärung und bekämpfen auch wirkungsvoll deutsche U-Boote. Und von improvisierten Startrampen, auf Kähnen montiert, die von Zerstörern gezogen werden - man nennt sie Leichter - starten Jagdflugzeuge und machen Jagd auf die letzten Zeppeline der kaiserlichen deutschen Marine.
Der Stand der Dinge 1918 ...
Das Jagdflugzeug, das für diesen Einsatz ausgewählt wird, hat sich bereits über der Westfront einen legendären Ruf erworben, die Sopwith Camel. Sie ist einer von zwei Standardjägern der Royal Air Force und verkörpert zusammen mit ihrer Nachfolgerin, der weiter entwickelten Sopwith Snipe den Zenith in der Entwicklung der von Umlaufmotoren angetriebenen Jäger des Ersten Weltkriegs. Angetrieben von einem 130 PS starken Clerget 9 Umlaufmotor ist der knapp 6 Meter lange und fast 200 km/h schnelle, stoffbespannte Doppeldecker eines der wendigsten Flugzeuge des Krieges. Doch die Evolution im Flugzeugbau hat auch diesen Typ bereits überholt.
In Deutschland entwickelt Hugo Junkers Ganzmetallflugzeuge, die zunächst in Doppeldeckerauslegung als Erdkampfflugzeuge mit der Typenbezeichnung J-4 Verwendung finden, später aber auch in Eindecker-Form als Jagdflugzeug Junkers D-1 eingeführt werden und bei den Kämpfen im Baltikum 1919/20 ihren Wert unter Beweis stellen werden. Ihre Auslegung, Eindecker mit Reihenmotor in Ganzmetallbauweise, zeigt den Weg in die Zukunft des Flugzeugbaus und bildet den direkten Vorläufer für die berühmte Junkers F-13, die Urgroßmutter aller modernen Verkehrsflugzeuge, wenn man so will.
… und vier Jahre zuvor …
Anfang Juli 1914 lag dies aber alles noch in weiter Ferne. Man genoss einen der schönsten und heißesten Sommer des neuen Jahrhunderts und dachte nicht im Traum daran, dass in weniger als sechs Wochen ein Krieg beginnen würde, der mehr als 20 Millionen Menschen das Leben kosten würde, das Ende für vier europäische Kaiserreiche und Großmächte bringen würde und das restliche Jahrhundert nachhaltig prägen würde. Vielmehr erfreute man sich an all den Unterhaltungen, welche die moderne Zeit zu bieten hatte und für einige wenige Abenteurer hieß der letzte Schrei Aviatik, oder Fliegerei.
Wie aber wurden aus diesen tollkühnen Männern in ihren fliegenden Kisten die „Ritter der Lüfte“, die die Propaganda auf beiden Seiten zu den neuen Helden hochstilisierte, während Millionen einfacher Soldaten einen anonymen und grausamen Tod in den Schützengräben starben? Auf welchem Entwicklungsstand war die Fliegerei im Sommer 1914, als die Schüsse von Sarajevo und die Ermordung des österreichischen Thronfolgers und seiner Gattin am 28. Juni jene verhängnisvolle Kettenreaktion in Gang setzten, die schließlich zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 führten? Und welche Rolle dachten die Militärs für das neue "Spielzeug" einiger Reicher und Abenteurer an, das so überhaupt nicht nützlich und schon gar nicht kriegstauglich auszusehen schien?
1903 - Aller Anfang ist schwer … aber die Gebrüder Wright fliegen
Auch wenn neuere Forschungen in Frage stellen, dass die Gebrüder Wright wirklich die Ersten waren, denen es gelungen war, dass "eine Maschine mit einem Menschen sich selbst durch ihre eigene Kraft in freiem Flug in die Luft erhoben hatte, in waagerechter Bahn vorwärts geflogen und schließlich gelandet war, ohne zum Wrack zu werden", so stellt ihr Flug vom 17. Dezember 1903 dennoch eine technische Glanzleistung dar.
Aufbauend auf diesem ersten Flug entwickelten sie ihr Fluggerät ständig weiter und boten es schließlich 1905/06 erstmals auch den Kriegsministerien verschiedener Länder zum Kauf an. Bis dahin hatten ihre Flüge unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden, um ihre Entwicklung zu schützen. Nun aber, auch angestachelt durch die Entwicklungstätigkeit anderer Flugpioniere in Europa, die dabei waren, ihnen den Rang abzulaufen, sahen sich die Brüder genötigt, mit ihrer Flugmaschine Geld zu machen, um weitere Projekte finanzieren und die Weiterentwicklung vorantreiben zu können.
Zu diesem Zweck unternahm Wilbur 1907, noch ohne seinen Flugapparat und auch ohne Konstruktionspläne eine erste Reise nach Frankreich, um sich über den Stand der Entwicklung von Fluggeräten selbst ein Bild zu machen und die Vermarktung seiner eigenen Maschine voranzutreiben. Am 8. August 1908 führte er dann schließlich seinen „Model A Flyer“ endlich bei einem Schaufliegen in Le Mans öffentlich vor. Es gelang ihm, seine Flugleistungen kontinuierlich zu steigern. Er beförderte nicht nur mehrere Passagiere, sondern begann sogar, selbst Flugschüler auszubilden.
Seine Flüge gingen nun immer höher, weiter und länger. Auch sein Bruder blieb nicht untätig und begann im September 1908 mit Schauflügen für die US Army. Zunächst ging noch alles gut, er konnte sich alleine über eine Stunde in der Luft halten, während es ihm auch gelang, mit einem Offizier an Bord (also doppelt so schwer) neun Minuten lang zu fliegen.
Am 14. September jedoch kam es zur Katastrophe. Orville stürzte mit Oberleutnant Thomas Selfridge an Bord nach Propellerbruch aus einer Flughöhe von knapp 30 Meter ab. Während Orville mit einer komplizierten Schädelfraktur überlebte, starb Selfridge. Er war damit nicht nur das erste Todesopfer des Motorflugs überhaupt, sondern auch der erste Militärangehörige, der durch Absturz starb.
Die Vorführungen der Wrights und anderer Pioniere hatten jedoch der Welt gezeigt, dass Motorflug mit Apparaten, die schwerer als Luft waren nicht nur praktikabel war, sondern auch, welches Potential in diesen neuen Geräten steckte, nicht nur für zivile Zwecke.
Der Krieg in der Luft 1908 – Fiction überholt Science … aber nur fast
"And now the whole fabric of civilisation was bending and giving, and dropping to pieces and melting in the furnace of the war."
Was wie die Erfüllung der Vorhersagen späterer Theoretiker des Bombenkrieges wie Giulio Douhet oder auch Luftmarschall Arthur "Bomber" Harris , des Kommandeurs des englischen Bomber Command im Zweiten Weltkrieg klingt, stammt in Wahrheit aus der Feder eines anderen, noch viel berühmteren Landsmannes von Harris. Sein "Krieg der Welten" hatte das viktorianische England bereits mit einer großartigen Schilderung des Kampfes Menschheit gegen Marsbewohner erschaudern lassen und nun thematisierte er einen zukünftigen, ebenso zerstörerischen Krieg zwischen Menschen, der hauptsächlich in der Luft ausgetragen wird.
Die Rede ist natürlich von Herbert George Wells, dem berühmtem englischen Science Fiction Autor der Jahrhundertwende. Sein "The War in the Air", erschienen 1908, dem Jahr der Flugvorführungen von Wilbur Wright in Europa, beschreibt, wie die menschliche Zivilisation nach einem verheerenden Luftkrieg, ausgetragen im Wesentlichen von zwei Allianzen, einer europäischen und einer asiatischen, langsam auseinander bricht, da sie die Zerstörungen, die dieser Luftkrieg mit sich bringt, nicht länger ertragen kann. Wells liefert hier eine fast hundertprozentige Blaupause für das Konzept des "Moral Bombing", das nur einige Jahre später zunächst von einem der Hauptakteure in der fiktiven europäischen Allianz des Romans, Deutschland, gegen England und hier vor allem gegen London zur Anwendung kommen sollte. Auch die von Wells dabei verwendeten Waffen, riesige Zeppeline, stellen eine geniale Vorhersage dessen dar, was sich später tatsächlich ereignen sollte.
In Bezug auf die Resultate des tatsächlichen Einsatzes der deutschen Marineluftschiffe zur Bombardierung englischer Städte und ziviler Ziele später im Ersten Weltkrieg sollte Wells in seinem Roman ebenfalls recht behalten: "The third peculiarity of aerial warfare was that it was at once enormously destructive and entirely indecisive."
Was in England jedoch durch die zunehmende "Kolonialisierung" der Luft immer mehr für Besorgnis sorgte, war die Tatsache dass man sich als Insel nicht mehr sicher fühlen konnte, die "first peculiarity of aerial warfare" – der Luftkrieg findet in drei Dimensionen statt.
"And in the air are no streets, no channels, no point where one can say of an antagonist, "If he wants to reach my capital he must come by here." In the air all directions lead everywhere.", schreibt Wells und sollte auch damit recht behalten.
Und auch die Vorhersage der "second Peculiarity" sollte sich als richtig erweisen. Der Luftkrieg findet nicht nur über der Front statt, er macht alle Nationen, die daran teilnehmen, zur Front. Der Bombenkrieg wird auch gegen Zivilisten fernab des eigentlichen Kriegsgeschehens geführt, er trifft sie an ihren Arbeitsplätzen, in ihren Häusern, im Schlaf. Wells dazu, "Once the command of the air is obtained by one of the contending armies, the war becomes a conflict between a seeing host and one that is blind."
"The War in the Air" ist einer der brilliantesten Romane von Wells und einer, der in seinen Vorhersagen am zutreffendsten ist. Viele Jahre später, der nächste Weltkrieg ist ein Jahr alt und englische Städte, vor allem London leiden unter dem Dauerbombardement durch die deutschen Luftwaffe, wird Wells schreiben "For consider: what we call war to-day is not war as history has known it. It is a different thing. Its destructive effect is immeasurably greater. It is now a truism that if we do not end war, war will end us."
Keine fünf Jahre später ist die Menschheit im Besitz jener Waffe, deren Entwicklung Wells ebenfalls vorhergesagt hatte und die der Zivilisation wirklich ein Ende setzen kann – der Atombombe.
Bis dahin sind es aber noch fast vierzig Jahre, als sein Roman 1908 erscheint. Die bedrohlichen Zeppeline aus dem "Krieg in der Luft" gibt es wirklich, und nur eine Nation ist im Besitz dieser riesigen, Ehrfurcht einflößenden, zigarrenartigen Gebilde.
Sie verdankt dies einem exzentrischen, zu Beginn belächelten Erfinder und adeligen Offizier im Ruhestand – Graf Ferdinand von Zeppelin. Der „Narr vom Bodensee“, wie er zunächst genannt wird, hat seiner Erfindung gleich auch seinen Namen gegeben.
Das Starrluftschiff – Zeppeline beherrschen den Himmel … vorerst
Ferdinand Adolf Heinrich August von Zeppelin, geboren am 8. Juli 1838 in Konstanz, diente seinem Reich als Offizier der Kavallerie. Über Umwege gelangte er 1863 nach Nordamerika, wo er nach einer Audienz bei Präsident Lincoln Ausweispapiere für die Unionsarmee bekam, und als militärischer Beobachter der Potomac-Armee zugeteilt wurde. Hier kam er zum ersten Mal mit Fesselballons in Berührung und erlebte ihren Einsatz zu militärischen Zwecken aus erster Hand. Am 30. April 1863 nahm er sogar selbst an einer Fahrt in einem Ballon teil und war von da an im wahrsten Sinn des Wortes "gefesselt". Er erkannte jedoch auch die Schwachstellen des Fesselballons im Kriegsdienst. Seine Verankerung am Boden machte ihn unbeweglich und unlenkbar und seine kleine Größe und Tragkraft ließen kaum mehr als zwei Mann Besatzung zu.
Aus diesen Gründen waren Fesselballone zwar seit ihrer Erfindung Ende des 18. Jahrhunderts immer wieder zur Beobachtung des Kampfgeschehens bei Schlachten im Einsatz gewesen, hatten jedoch die Kavallerie, das traditionelle Aufklärungsinstrument jeder modernen Armee, nicht verdrängen oder ablösen können. (Ein erbeutetes Exemplar eines französischen Aufklärungsballons aus den Revolutionskriegen findet sich zum Beispiel im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien).
Zeppelin hatte nun die Idee, mehrere, gleich große Gaszellen in einer selbsttragenden, aerodynamisch geformten Rahmenkonstruktion aus leichtem Aluminium zu kombinieren, diese dann mit Leinen zu ummanteln und die gesamte Konstruktion durch Steuerflächen am Heck und durch das zusätzliche Anbringen von Motoren und Luftschrauben steuerbar zu machen. Nutzlast beziehungsweise Passagiere ließen sich in weiteren, außen angebrachten Gondeln oder in weiterer Folge im Rumpf des Zeppelins transportieren.
Zu Beginn kämpfte der Graf mit der Ablehnung seiner Idee und mit schweren Problemen bei der Finanzierung des Baus eines ersten Prototypen. Zusätzlich zu spärlichen finanziellen Unterstützungen durch Staat und private Gönner mußte er fast sein gesamtes Privatvermögen einsetzen, um endlich mit dem Bau beginnen zu können. Am 13. August 1898 konnte Zeppelin schließlich das Reichspatent Nummer 98580 für ein "Lenkbares Luftfahrzug mit mehreren hintereinander angeordneten Tragkörpern" erwerben.
Seine Probleme waren jedoch damit keinesfalls gelöst. "Für mich steht naturgemäß niemand ein, weil keiner den Sprung ins Dunkel wagen will. Aber mein Ziel ist klar und meine Berechnungen sind richtig", so der Graf, in Replik zu den vielen Hürden, die ihm in den Weg gelegt wurden. Kaiser Wilhelm II. nannte ihn sogar den "dümmsten aller Süddeutschen".
Doch der Graf blieb beharrlich und nach vielen weiteren Rückschlägen, die ihn jedoch nie entmutigten, wurden seine Konstruktionen immer ausgereifter, besser und größer und konnten sich mit immer mehr Passagieren und Last immer länger in der Luft halten. Als aber bei einer Demonstration für das Militär, bei der es darum ging, ob ein Luftschiff auch 24 Stunden in der Luft bleiben konnte der dabei eingesetzte Zeppelin LZ-4 abstürzte, hätte dies das Ende für den Grafen bedeuten können.
Ein Augenzeuge des Unglücks startete jedoch eine spontane Spendenaktion und eine Welle der Spendenbereitschaft und Solidarität ging durch das Volk. Bald war eine stattliche Summe von fast 7 Millionen Reichsmark (heute etwa 34 Millionen Euro) zusammengekommen, die es Graf Zeppelin ermöglichte, die "Luftschiffbau Zeppelin GmbH" zu gründen sowie eine Stiftung ins Leben zu rufen, um seine Projekte weiter finanzieren zu können. Und bald begann auch das Militär, genauer gesagt, die Kaiserliche Marine, ernsthaft Interesse an den immer weiter verbesserten fliegenden Zigarren zu zeigen. Deutschland befand sich in einem mörderischen Wettrüsten zur See, in dem England weit voran lag.
Dreadnoughts, große Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer, waren die Prestigeobjekte der Marinen in aller Welt. Ihre Geschütze konnten Ziele in 20 Meilen Entfernung treffen, darüber hinaus jedoch waren sogar diese Leviathane der Meere weitestgehend blind. Ihr Bau verschlang jedoch Unsummen und Deutschland lag bei der Anzahl der in Dienst gestellten Dreadnoughts weit zurück. Da der deutsche Kaiser Wilhelm II. jedoch propagiert hatte, dass "Deutschlands Zukunft auf dem Wasser liege", wurde alles unternommen, um die zahlenmässige Unterlegenheit gegenüber der Royal Navy irgendwie auszugleichen.
Der Zeppelin wurde nun als Möglichkeit gesehen, die Blickweite eines eigenen Flottenverbands um ein vielfaches zu erweitern und so den eigenen Schiffen taktische Vorteile zu verschaffen. Ebenso könnten Zeppeline ja auch in das Kampfgeschehen eingreifen, in dem sie zu Angriffen auf feindliche Schiffe eingesetzt würden. Hier trafen sich nun also Science und Fiction, der Kampfzeppelin aus H.G. Wells Roman war Wirklichkeit geworden.
Dass er im kommenden Krieg in seiner angedachten Rolle jedoch kaum Verwendung fand sondern vielmehr unter dem grausamen Synonym "Babykiller" in Erinnerung bleiben sollte, konnte damals noch niemand vorhersehen. Und dass seine große Zeit kaum mehr als 30 Jahre dauern und mit einer Katastrophe, die 1936 Geschichte machte, enden sollte, lag auch noch in der Zukunft.
Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des neuen Jahrhunderts schien es vielen Beobachtern, als ob der Narr vom Bodensee und seine fliegenden Zigarren eine große Zukunft vor sich hätten, während das Aeroplan nur langsam aus den Startlöchern kam und militärisch, im Gegensatz zu den Zeppelinen, kaum von Nutzen sein könnte.
Doch wie so oft sollte alles anders kommen…
Tollkühne Männer in ihren fliegenden Kisten
Die Flugvorführungen der Wrights 1908 hatten das Flugzeug der Weltöffentlichkeit gezeigt und eine Welle der Begeisterung und Faszination für das Fliegen ausgelöst. Flugtage wurden organisiert, um die neuen, fliegenden Maschinen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und es wurden gut dotierte Preise für neue Rekordleistungen ausgelobt.
So hatte zum Beispiel Lord Northcliffe, der Verleger des britischen „Daily Mail“ 1.000 Pfund für denjenigen Piloten ausgesetzt, der als Erster den Ärmelkanal überqueren würde. Um diesen Preis setzte ein regelrechtes Rennen zwischen mehreren Piloten ein, die alle unterschiedliche Fluggeräte flogen. Wilbur Wright, galt als aussichtsreichster Konkurrent, hatte zuvor aber schon abgelehnt, da ihm ein derartiger Versuch zu gefährlich erschien. Auch wollte er sein Bemühen, sein Fluggerät zu verkaufen nicht durch einen eventuellen Absturz zu Nichte machen.
Die besten Karten schien somit der Brite Hubert Latham zu haben. Er hatte ein hervorragendes Flugzeug, eine französische Antoinette IV, war wohlhabend und konnte Flugerfahrung vorweisen. Er scheiterte jedoch nach Motorproblemen sogar zweimal und musste beide Male im Kanal notwassern, aus dem er aber glücklicher Weise ebenso beide Male gerettet werden konnte. (Latham sollte im Juni 1912 - untypisch für einen Flugpionier dieser Zeit - bei einem Jagdunfall in Afrika den Tod finden. Andere Quellen berichten von seiner Ermordung durch seine eingeborenen Träger, um seine Jagdwaffen zu stehlen, dies konnte jedoch nicht eindeutig verifiziert werden.)
Am 25. Juli 1909 war es schließlich so weit. Entgegen aller Erwartungen gelang es einem Außenseiter, dem Franzosen Louis Bleriot mit einer Eigenkonstruktion, einer Bleriot XI, den Ärmelkanal zu überqueren und den Preis für sich zu beanspruchen. Großbritannien war endgültig keine Insel mehr.
Der große englische Luftfahrtpionier Sir Alan Cobham schrieb über diese Großtat Bleriots so:
"Der Tag an dem Bleriot den Ärmelkanal überflog, war der letzte Tag unserer Sicherheit als Inselvolk und der erste Tag, an dem Großbritannien sich nach anderen Formen der Verteidigung als der Seefahrt umsehen muss."
Dass es einem Europäer mit einem europäischen Flugapparat gelungen war, diese Pionierleistung zu setzen, verwunderte in Fachkreisen etwas, hatte doch bis dahin Amerika und hier vor allem die Gebrüder Wright mit ihren Aeroplanen dominiert. Die Wrights waren jedoch in einen lästigen Patentstreit mit dem anderen großen amerikanischen Flugpionier Glenn Curtiss verwickelt und so zogen die Europäer langsam an Amerika vorbei. Dieser Patentstreit, es ging um ein Patent für die Art der Quersteuerung von Flugapparaten, lähmte die weitere Entwicklung der amerikanischen Luftfahrtindustrie, wenn man damals schon von Industrie sprechen konnte, und erlaubte es europäischen Konstrukteuren und Firmen, die Wrights und Curtiss zu überflügeln.
Während sich die Wrights die Quersteuerung mittels Verwindung der Tragflächen patentieren hatten lassen, hatte Curtiss das viel effektivere System mittels Querrudern quasi erfunden. In welche Richtung die weitere Entwicklung tendieren würde, war zu diesem Zeitpunkt noch unklar, die Wrights wollten jedoch keinesfalls ins Hintertreffen geraten und verklagten Curtiss deshalb. So verwendeten zu Beginn des Ersten Weltkriegs noch viele Flugzeuge, darunter auch die ersten richtigen Jagdflugzeuge, die Fokker Eindecker, Flügelverwindung zur Quersteuerung. Bald jedoch setzte sich das von Curtiss entwickelte System mittels Querrudern durch.
Klingende Namen wie Voisin, Farman, Etrich, Bleriot, Morane oder Aviatik übernahmen nun die Spitze in der Entwicklung des Flugzeugs und europäische Modelle begannen nun auch immer mehr, Rekorde aufzustellen und Pionierleistungen zu vollbringen. Dennoch war es ein Amerikaner, dem ein weiterer Meilenstein in der Entwicklung der Militärluftfahrt gelang. Eugene Ely startete mit seiner Curtiss im November 1910 von einer Plattform, die auf dem Vordeck des leichten Kreuzers USS Birmingham errichtet worden war. Im Jänner 1911 schließlich landete er seinen Curtiss „Pusher“ auch auf dem Panzerkreuzer USS Pennsylvania unter erstmaliger Verwendung des heute noch gebräuchlichen Fanghaken-Systems.
Ely gilt heute als Wegbereiter bei der Entwicklung des Flugzeugträgers, auch wenn er dessen Verwirklichung nicht mehr erleben sollte. Er starb 1911 bei einer Flugvorführung in Macon, einer der vielen Pioniere, die bei Vorführungen oder Rekordversuchen, oder auch nur bei einfachen Flügen ihr Leben verloren. Die Entwicklung machte dennoch nicht halt und immer mehr junge und alte Männer (und auch einige mutige Frauen) lernten fliegen und trieben so den Fortschritt in der Aviatik voran.
Erste Einsätze im Krieg ... was tun mit der neuen Waffe
1910 schrieb ein gewisser Leutnant Humphreys, einer der ersten beiden Militärpiloten der Vereinigten Staaten vorausschauend: "From a military standpoint, the first and probably the greatest use will be found in reconnaissance. … The next use will probably be in carrying messages. … Another time where advantage might be taken of the speed of these machines is when officers of high rank might desire to give personal supervision at a distant point of the line or to go form one point to another for a council of war. This is particularly the case in modern armies of large size where the front is 70 or 80 miles long."
Er nahm dabei schon einige der Rollen vorweg, die im großen Krieg, der kommen sollte, von Flugzeugen übernommen werden sollten. Diese noch graue Theorie sollte jedoch schon im darauffolgenden Jahr, 1911, in die Tat umgesetzt werden, als während des Türkisch-Italienischen Konflikts um Libyen ein gewisser Capitano Carlos Piazza am 23. Oktober 1911 einen Aufklärungseinsatz in einer Bleriot XI flog, um türkische Positionen zu erkunden.
(Er experimentierte später auch mit Kameras, um den Feind vom Flugzeug aus fotografieren zu können.) Kaum eine Woche später warf sein italienischer Landsmann Leutnant Giulio Gavotti einige kleine Bomben aus einer Etrich Taube auf die Oasen Tajura und Ain Zhara. Auch wenn dieser Konflikt nur ein kleiner Kolonialkrieg mit beschränkten Mitteln war, so zeigten diese ersten Einsätze von Flugzeugen den Weg in die militärische Zukunft der Luftfahrt.
Kaum ein Jahr später, 1912 wurden Flugzeuge erneut im Rahmen des Ersten Balkan-Kriegs eingesetzt. Es wurden hier nicht nur die ersten, speziell konstruierten Bomben abgeworfen, sondern bulgarische Flugzeuge flogen auch den ersten Nachtangriff der Geschichte. Schlussendlich begann am 30. November auch die psychologische Kriegführung aus der Luft mit dem Abwurf der ersten Flugblätter auf Edirne. Das Flugzeug hatte aber auch bereits schießen gelernt. Im August 1910 feuerte ein gewisser A. Fickel zwei Schüsse aus einem Gewehr auf ein Bodenziel ab und auch ein Maschinengewehr war schon versuchsweise in die Luft gegangen.
So hatte Captain Chandler erfolgreich ein Maschinengewehr abgefeuert, während er in einem Wright B Flyer über dem College Park in Maryland flog. Und 1913 (oder aber doch erst 1914? man weiß es nicht so genau) kam es wohl erstmals zu so etwas Ähnlichem wie einem Luftkampf zwischen zwei Flugzeugen, als während des Mexikanischen Bürgerkriegs zwei Söldner, die für die beiden verfeindeten Seiten kämpften, aufeinandertrafen und, so will es die Legende, einige Schüsse aus ihren Revolvern aufeinander abfeuerten. Sollte sich dieser Kampf wirklich so zugetragen haben, er endete jedenfalls ohne Blutvergiessen und ohne Verlust eines Flugzeugs.
Es war dann schlussendlich ein Deutscher, August Euler, Inhaber der ersten deutschen Pilotenlizenz und Gründer der ersten deutsche Flugzeugfabrik (die französische Voisins in Lizenz fertigte), der 1910 ein Patent für eine Befestigung eines Maschinengewehrs an einem Flugzeug anmeldete. Als er diese Vorrichtung, die er "Luftschiff-Zerstörer" nannte, 1912 nach Erhalt des Patents bei der Berliner Luftfahrt-Ausstellung zeigen wollte, wurde er jedoch vom Deutschen Kriegsministerium gezwungen, sie zurückzuziehen. Man wollte wohl das Kronjuwel in der deutschen Luftfahrt, den Zeppelin, nicht brüskieren. Genauso gut kann es aber auch sein, dass man diese Entwicklung als Geheimnis erachtete und dieses nicht preisgeben wollte. Jede Seite war bereits misstrauisch gegenüber der Anderen.
„Ein schöner Sport…aber unbrauchbar“
1914 hatte der Entwicklungsstand im Flugzeugbau also ein Niveau erreicht, das es ermöglichte, das Flugzeug als Waffe in den Krieg zu schicken. Ein Blick auf die damals bestehenden, von der FAI akzeptierten Rekorde gibt einen groben Überblick über die Leistungsfähigkeit der damaligen Aeroplane:
Geschwindigkeit:
203,9 km/h, aufgestellt am 29. September 1913 von Maurice Prevost in einer Deperdussin
Flugdauer:
1699 km, aufgestellt am 7. Februar 1914 von Karl Ingold in einem Mercedes Aviatik Pfeil
Flughöhe:
5610 m, aufgestellt am 11. September 1912 von Roland Garros in einer Bleriot
Das Flugzeug hatte sich also durchaus zu einem leistungsfähigen Stück Technik entwickelt. Was noch fehlte war die weitverbreitete Akzeptanz des Flugzeugs in den Stabskreisen der Armeen. Der obige Ausspruch stammt von niemand geringerem als dem französischen Marschall Ferdinand Foch und auch in Deutschland, England, Russland und Österreich-Ungarn war man sich nicht sicher, was man mit dem Maschinen aus Draht und Leinwand genau anstellen sollte. Es fehlten einheitliche Vorschriften und Taktiken, ja sogar das Ausbildungswesen war nicht vorhanden.
Ein kurzer Blick auf die Zahlen der verfügbaren Flugzeug und Piloten in den jeweiligen Ländern 1914 spricht eine interessante Sprache:
Land / Flugzeuge / Ausgebildete Piloten*
Frankreich / 260 / 171
Russland / 100 / 28
Deutschland / 46 / 52
Grossbritanien / 29 / 88
Italien / 26 / 89
Japan / 14 / 8
Vereinigte Staaten / 8 / 14
(Quelle: Holley, Ideas and Weapons, p. 29.)
Wer fliegen lernen wollte, musste das privat tun, auf eigene Kosten – ein schöner Sport eben. All dies sollte sich nach dem 28. Juni 1914 und den darauffolgenden Ereignissen grundlegend ändern.
Das alte Europa taumelte in einen Krieg apokalyptischen Ausmaßes und es riss seine Aeroplane und Piloten mit.
Zum Abschluss soll noch einer der großen Veteranen des Ersten Luftkriegs zu Wort kommen, der wohl eine der beeindruckendes Biographien eine Fliegers im Ersten Weltkrieg hinterlassen hat, der Engländer Cecil Lewis.
Er beschreibt eindrucksvoll, was es für diese jungen Männer in ihren offenen Cockpits bedeutet hat, fliegen zu können, ja fliegen zu dürfen. Viele von ihnen haben den Krieg nicht überlebt, denn auch der Kampf in der Luft sollte schlussendlich den Mythos der Ritterlichkeit verlieren und der Tod in einem brennenden Flugzeug, ohne Fallschirm, war ebenso grässlich wie das Sterben in den Schützengräben.
„You should live gloriously, generously, dangerously. Safety last … we who fly do so for the love of flying. We are alive in the air with this miracle that lies in our hands … you can´t get that feeling in anything else.“ (aus Cecil Lewis – "Sagittarius Rising")
Wie sich das Flugzeug aber tatsächlich im Kriegseinsatz behaupten sollte, welche Entwicklungen es durchmachen würde und wie sich die Bedingungen für die Piloten in den ersten Jahren im Kampfeinsatz darstellen sollten, das soll in weiterer Folge das Thema eines anderen Artikels sein.
Text und Titelbild: Phil Weber, alle übrigen Fotos: Wikipedia Commons)