AW: Seit wann agieren Sie als Betriebsrat?
KM: Zunächst von Mai 2001 bis Mai 2005, danach habe ich eine Pause eingelegt. Seit 2009 bin ich wieder als Betriebsrat aktiv und seit 2011 Vorsitzender des Bordbetriebsrates.
AW: Das ist sicherlich eine sehr stressige und verantwortungsvolle Tätigkeit. Was hat Sie dazu bewegt, diese Verantwortung zu übernehmen?
KM: Ich möchte lieber gestalten als gestaltet werden.
AW: Das Urteil des EuGh, wonach der alte AUA-KV sowie der alte Tyrolean-KV nachwirken, war ja eine große Stärkung der Arbeitnehmerrechte, wie sogar Unternehmenssprecher Peter Thier eingestehen musste. Wie wird es jetzt weitergehen?
KM: Damit ist die Situation eindeutig geklärt und wir brauchen über Rechtsansichten nicht mehr diskutieren. Jetzt sollten wir die Zeit für ernste Verhandlungen nutzen.
AW: Industriellenvereinigungs-Generalsekretär Christoph Neumayer warnte angesichts dieses Urteils vor Kettenreaktionen. Es gehe um Arbeitsplätze, daher müsse eine Standort-verträgliche Lösung gefunden werden. Wörtlich sagte er: „Es kann nicht sein, dass 800 Piloten gleichsam die gesamte Republik in Geiselhaft nehmen.“ Sind solche Aussagen zutreffend oder eher völlige Panikmache und was sagen Sie dazu?
KM: Die Aussage von Herrn Neumayer ist entbehrlich und zeigt, dass er sich mit dieser Thematik nicht ernsthaft auseinander gesetzt hat. Von dem Streit sind mehr als 2.000 Flugbegleiter und rund 850 Piloten betroffen. Anstatt Öl ins Feuer zu gießen sollte er sich für eine Standortinitiative einsetzen. Alle Stakeholder (Regierung, Flughafen, Flugsicherung, Zulieferer ….) müssten an einen Tisch um eine sinnvolle Lösung zur Standortsicherung zu erreichen. Natürlich kann man dabei die Lufthansa als Eigentümer nicht aus der Verantwortung lassen. Die hat den Kurs des Vorstands, der uns in diese Situation gebracht hat, voll mitgetragen und unterstützt. Die Entscheidung der Regierung die Ticketsteuer in Österreich einzuführen, ohne Abstimmung innerhalb der EU, hat dem Standort bereits massiv geschadet.
AW: Der AUA-Vorstand hat die Piloten in der Vergangenheit immer wieder als großen Kostenfaktor in der Öffentlichkeit und in den Massenmedien dargestellt. Welchen Anteil machen die Gehälter des fliegenden Personals an den Gesamtkosten der AUA tatsächlich aus?
KM: Flugbegleiter und Piloten haben einen Anteil von rund 10 Prozent an den Gesamtaufwendungen.
AW: Darunter werden sich viele Leser nichts vorstellen können. Bitte sagen Sie uns ganz konkret: Verglichen mit der Mutter Lufthansa und der Schwester SWISS – sind die Personalkosten laut AUA-KV-alt konkurrenzfähig?
KM: Mit der Reform des AUA-Kollektivvertrages von 2004 haben wir einen kostengünstigen Kollektivvertrag geschaffen, der deutlich unter denen von Lufthansa und SWISS liegt. Damit sind die Personalkosten bei Austrian die niedrigsten dieser drei Fluggesellschaften.
AW: Wie kommt es dann Ihrer Meinung nach, dass weite Teile der österreichischen Medien oftmals die ureigenste Aufgabe des Journalismus, das kritischen Hinterfragen von Behauptungen nämlich, vernachlässigen, und stattdessen auf das "Piloten-Bashing" einschwenken?
KM: AUA-Pressesprecher Peter Thier ist Vorstand im Public Relations Verband Austria (PRVA), also einer der obersten Spin Doctors in Österreich. Er nützt seine Kontakte, um das Personal in ein schlechtes Licht zu rücken. So lesen wir von vermeintlichen Privilegien und überbezahlten Piloten, aber niemals von unseren Leistungen und unserer Kompetenz. Natürlich hat die Fliegerei sehr schöne Seiten. Man sollte aber auch betonen, dass nicht alles nur toll ist.
AW: Der deutsche Luftfahrt-Journalist Jens Flottau schrieb am Freitag in der Aviation Week, dass es bei der AUA das Szenario gebe, das Unternehmen aufzulösen und neu zu gründen. Glauben Sie, dass das wirklich passieren könnte beziehungsweise wie bewerten Sie diese Drohung, die zumindest seitens der AUA bisher nicht dementiert wurde?
KM: In einer wirtschaftlich schwierigen Situation erwarte ich von einem Vorstand alle Optionen zu evaluieren um einen Weg aus der Krise zu finden. Der eingeschlagene Weg des AUA-Vorstands, Maßnahmen gegen das Personal umzusetzen, hat dabei nicht zum Erfolg geführt. Man kann nur hoffen, dass er aus diesem Fehler gelernt hat und diesmal einer Verhandlungslösung den Vorrang gibt.
AW: Sie gelten als Mann mit großem Gerechtigkeitsempfinden, als harter aber fairer und besonnener Verhandler – was werden Betriebsrat und Gewerkschaft unternehmen, wenn der AUA-Vorstand auch in den neuen Verhandlungen nicht von seinen alten Positionen abrücken sollte?
KM: Ich halte nichts von Ankündigungen, die als Drohgebärden abgetan werden könnten. Wir sind uns der Verantwortung für das Unternehmen und den Standort bewusst. Dabei werden wir aber sicher nicht die Interessen der Mitarbeiter* aus dem Auge verlieren.
AW: Mit welchem konkreten Ziel gehen Sie als Betriebsrat in die neuen Verhandlungen mit dem Vorstand?
KM: Um den Fokus nach vorne richten zu können, muss die Vergangenheit fair und korrekt abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass die entstandenen Ansprüche abgegolten werden müssen. Aufgrund der Rechtslage ist dabei der Spielraum der Gewerkschaft und des Betriebsrates sehr gering, da der Anspruch dem Einzelnen zuzurechnen ist und nur er oder sie darüber verfügen kann. Aber trotzdem werden wir unsere Verantwortung wahrnehmen und versuchen, einen Vergleich mit den Mitarbeitern zu erreichen. Dann kann und sollte man ohne zu zögern alle Anstrengungen in den Abschluss eines neuen Regelwerk stecken.
AW: Herr Minhard, wir danken für das Gespräch.
* Aktuell beschäftigt die AUA knapp 3.000 Mitarbeiter als "fliegendes Personal" (Piloten und Flugbegleiter). Davon entfallen 1.900 auf den gemäß EuGh-Urteil weiterhin gültigen AUA-Kollektivvertrag und 800 auf den Tyrolean-KV. Weitere 250 Mitarbeiter wurden nach dem Betriebsübergang, welcher von einem österreichischen Gericht bereits für nichtig erklärt wurde, aufgenommen.
About
Bordbetriebsratschef Karl Minhard trat im Jahr 1987 nach erfolgreich bestandener Pilotenselektion (Drop-out-Rate bei rund 90 Prozent) die Ausbildung zum Verkehrspiloten bei Austrian Airlines an. Von 1989 bis 1993 flog er als Erster Offizier auf der MD-80 Reihe, danach wechselte er auf das Langstreckenmuster Airbus A310, wo er ebenfalls als Erster Offizier eingesetzt war. Danach Ausbildung und Upgrade zum Kommandanten, bis 2000 saß er im Cockpit der Fokker 70. Danach Umschulung auf die A320-Reihe. Seit 10 Jahren ist Karl Minhard Kapitän auf der Boeing 767-300ER. Außerdem war er zwei Jahre lang Lehrer in der Basisausbildung der Piloten und von 1999 bis 2000 Teilnehmer an einem Nachwuchsführungskräfteprogramm bei Austrian.
(red / Titelbild: Bordbetriebsratschef Karl Minhard, hier im Cockpit einer Boeing 767-300ER, gilt als hart aber kompromissbereit - Foto: ZVG von Karl Minhard)