Reportagen

Hinterbrühl: Unterirdische He-162 Produktion durch KZ-Häftlinge

Vor 70 Jahren wurde das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau von der Roten Armee befreit. Wenige Monate später endete der Zweite Weltkrieg ihn Europa. Kaum bekannt ist dagegen, dass es auch in der Hinterbrühl bei Mödling ein Konzentrationslager gab, dessen Häftlinge unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Seegrotte zum Bau des "Volksjägers" He-162 eingesetzt wurden.

Um den raschen Vormarsch der Alliierten und ihre Luftüberlegenheit zu brechen, setzten die deutschen Ingenieure im Zweiten Weltkrieg alles daran, möglichst rasch neue Technologien zu entwickeln. Eines dieser Konzepte war die Heinkel He-162, der erste strahlgetriebene Jäger der Welt. Das aus Holz gefertigte Flugzeug verfügte über eine BMW-003-Turbine auf dem Rücken und sollte auch von unerfahrenen Piloten geflogen werden können - ein Wunschdenken der Konstrukteure. Am 6. Dezember 1944 erfolgte der Erstflug, doch schon 4 Tage später stürzte Testpilot Gotthold Peter bei der offiziellen Vorführung des neuen Musters auf dem Flughafen Schwechat tödlich ab, nachdem seine Maschine in der Luft auseinander gebrochen war.

Auch der Fronteinsatz der He-162 verlief katastrophal, da sie enorm anspruchsvoll zu fliegen war und zahlreiche Piloten durch Unfälle ums Leben kamen.

Produziert wurden die Flugzeuge wegen der immer stärker werdenden alliierten Luftangriffe auf das Gebiet des Deutschen Reiches in Bergwerken unter Tage. Weil qualifizierte Facharbeiter in dieser Phase des Krieges jedoch Mangelware waren, wurden KZ-Häftlinge herangezogen.

Einer der Produktionsstandorte befand sich in der Seegrotte Hinterbrühl. Um die Arbeitskräfte unterzubringen, wurde auf einem nahe gelegenen Areal hastig ein Außenlager des Konzentrationslagers Mauthausen errichtet. Es umfasste vier so genannte Wohnbaracken für die Häftlinge, ein Krankenrevier, Küchen-, Verwaltungs- und Wohnräume für die Bewacher.

Insgesamt waren hier rund 1.800 Häftlinge untergebracht, die im nahen Bergwerk auf dem Grund des trockengelegten Sees unter Anleitung von Heinkel-Mitarbeitern aus Deutschland  die Rümpfe der He-162 montieren mussten. Dabei waren sie ständigen Misshandlungen ihrer sadistischen Aufseher ausgesetzt, dazu kamen Hunger und Krankheiten, wodurch viele KZ-Insassen starben. Die fertigen Flugzeug-Rümpfe wurden über Geleise ans Tageslicht gebracht und schließlich zum Flugplatz Schwechat überstellt, wo die Endmontage erfolgte. Allerdings verließen bis zur Aufgabe der Produktion im Frühjahr 1945 gerade einmal rund 50 Rümpfe, die unterirdische Produktion in der Hinterbrühl. Wie viele davon überhaupt noch endmontiert wurden, ist unbekannt. Rund 170 He-162 wurden im gesamten damaligen Deutschen Reich produziert, etwa ein Drittel der Rümpfe kam also aus der Hinterbrühl.

Ende März wurde von den Entscheidungsträgern beschlossen, das KZ-Außenlager wegen der heranrückenden Roten Armee zu räumen. Am 1. April wurden 50 kranken Häftlinge vom "Lagersanitäter" Karl Sasko mit Benzininjektionen ins Herz ermordet, wobei der alkoholisierte Sasko häufig nicht das Herz traf, wodurch das Leid der Gequälten noch weiter verlängert wurde. Anschließend wurden die Opfer in einem Massengrab verscharrt. Sasko überlebte den Krieg und musste sich später vor Gericht für seine Taten verantworten, verstarb jedoch noch vor Ende seines Prozesses.

Die übrigen in der Flugzeugproduktion eingesetzten Häftlinge wurden auf einem mehrere Tage dauernden Gewaltmarsch unter SS-Bewachung zu Fuß ins oberösterreichische Mauthausen getrieben. Wer, von Misshandlungen, Hunger, Durst und Krankheit erschöpft, nicht mehr weiter konnte, wurde an Ort und Stelle ermordet. 56 Häftlingen gelang unterwegs die Flucht.

Heute wird in der Seegrotte Hinterbrühl mit Teilen einer He-162 an die Flugzeugproduktion erinnert, die Umstände, unter denen diese Maschinen gefertigt wurden, bleiben jedoch weitgehend unerwähnt.

Auf einem Teil des ehemaligen KZ-Außenlagers befindet sich eine Gedenkstätte für jene Unglücklichen, die von den NS-Schergen dazu missbraucht wurden, am Bau einer jener "Wunderwaffen" mitzuwirken, die ihr Leiden schlussendlich nur weiter verlängert hätten. Ein Glück, dass die Geschichte diesen Plänen einen Strich durch die Rechnung gemacht hat.

(red CvD / Titelbild: Eine Heinkel He-162 - Foto: Archiv Austrian Wings)