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Deutsche Zeitung veröffentlicht CVR-Auszüge von Germanwings 9525

Die deutsche Zeitung "Bild am Sonntag" hat heute Auszüge aus den Aufzeichnungen des Cockpit Voice Recorders der vor fünf Tagen in den französischen Alpen abgestürzten Germanwings-Maschine veröffentlicht.

Demnach habe sich der 34-jährige Kapitän Patrick S., ein verheirateter zweifacher Familienvater, bei den Passagieren nach dem verspäteten Start um 10:01 Uhr für die Verzögerung entschuldigt und gegenüber dem Ersten Offizier Andreas Lubitz erwähnt, dass er es vor dem Abflug nicht mehr geschafft habe, die Toilette aufzusuchen.

Daraufhin habe Lubitz geantwortet, dass der Kapitän jederzeit zur Toilette gehen könne und er als Erster Offizier sowohl die Steuerung als auch den Funkverkehr übernehmen würde - ein international absolut übliches Vorgehen auf Reiseflughöhe. Zunächst sei Kapitän S. aber noch im Cockpit verblieben und habe kurz nach Erreichen der Reiseflughöhe ein Briefing mit Lubitz, der erst 630 Flugstunden Erfahrung hatte, durchgeführt. Dessen Antworten seien, was auch die französische Staatsanwaltschaft auf ihrer Pressekonferenz vor wenigen Tagen bestätigte, "auffallend lakonisch" gewesen. Nach dem Briefing habe Lubitz zu seinem Kommandanten "Du kannst jetzt gehen" gesagt. Danach sei auf dem Band zu hören, wie einer der beiden Pilotensitze elektronisch zurückgefahren wird und offenbar der Kapitän das Cockpit verlässt.

Sinkflug nachdem der Erste Offizier alleine war

Unmittelbar darauf ging Germanwings Flug 9525 laut Angaben der Flugsicherung in einen aerodynamisch stabilen Sinkflug mit schließlich etwas weniger als 4.000 Fuß Sinkrate pro Minute über, woraufhin die französischen Fluglotsen über Funk versuchten, die Besatzung der Maschine zu kontaktieren. Doch aus dem Cockpit des A320 kam keinerlei Reaktion, auch der Transpondercode wurde nicht verändert, was etwa im Falle eines Funkausfalles oder Notfalles ein Standardverfahren wäre.

Auf dem Stimmenrekorder sei die Warnung "Sink-Rate, "Sink-Rate" aufgezeichnet worden, die den Piloten auf die überdurchschnittlich hohe Sinkgeschwindigkeit aufmerksam machen sollte. Es sei jedoch keine Reaktion von First Officer Lubitz feststellbar gewesen.

Kapitän S. dürfte zunächst versucht haben, mittels "anläuten" Einlass ins Cockpit zu erhalten, als keine Reaktion von Lubitz kam, gab er vermutlich den Notfallcode ein. Da Lubitz jedoch nach Überzeugung der Ermittler, die Türe von innen mittels eines Schalters verriegelt hatte, war auch dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt.

In weiterer Folge sei auf der Aufnahme des Cockpit Voice Recorders zu hören, wie der Kapitän gegen die Cockpittüre hämmerte und versuchte, mit dem Ersten Offizier Kontakt aufzunehmen. Dieser habe jedoch überhaupt nicht reagiert, nur sein "ruhiges, normales Atmen" sei auf dem Band zu hören. In der Zwischenzeit versuchte die Flugsicherung erneut mehrere Male, Kontakt zu Flug 9525 aufzunehmen, doch Lubitz antwortete nicht und auch der Transpondercode blieb weiterhin völlig unverändert.

Kapitän S. habe immer fester gegen die Cockpittüre geschlagen und getreten sowie Andreas Lubitz "Mach die verdammte Türe auf!" zugerufen. Schließlich habe er, so vermuten es die Ermittler aufgrund der aufgezeichneten Geräusche, mit der in der Kabine an einem sicheren Ort verwahrten Crash axe versucht die Türe einzuschlagen - vergeblich, seit 9/11 ist das nicht mehr möglich.

Nach und nach hätten dies auch die Passagiere, allen voran jene im vorderen Teil der Kabine, mitbekommen, denn ihre Schreie seien in der letzten Phase des Fluges auf der Aufnahme zu hören. Nach insgesamt acht Minuten, in denen der Kapitän vergeblich versucht habe, wieder ins Cockpit zu gelangen um das Leben seiner Passagiere zu retten, kollidierte die Maschine mit einem Berg, alle 150 Insassen waren sofort tot.

Lufthansa bestätigt Echtheit des "Bild"-Berichtes nicht

Auf telefonische Anfrage von Austrian Wings wollte die Lufthansa-Pressestelle die Authentizität dieser Abschrift nicht bestätigen: "Das können wir nicht, uns liegt das Band nicht vor." Allerdings decken sich die Angaben der "Bild am Sonntag" mit den Aussagen der französischen Staatsanwaltschaft, sind jedoch detaillierter.

Frage nach dem Warum?

Für den Leiter der Psychiatrie im Wiener AKH, Siegfried Kasper, habe die "grausame Tat", die dem Ersten Offizier von der französischen Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird, "weniger" mit "psychiatrischen Erkrankungen" zu tun, als vielmehr mit dessen "krimineller Energie", wie er gegenüber dem Nachrichtenmagazin "profil" (Ausgabe 14/2015) erklärte. "Er steht Amokläufern und anderen Attentätern in nichts nach. Andreas L. ist in erster Linie ein Verbrecher", zitierte das Blatt den Psychiater, der bei Andreas Lubitz eine "Persönlichkeitsstörung mit antisozialem Charakter" vermutet.

Fachmann fordert Anlaufstellen bei Airlines

Flugpsychologe Peter Grössenbrunner fordert im gleichen "profil"-Beitrag, dass die Airlines "künftig psychologische Anlaufstellen für Piloten" anbieten sollen, und zwar "unter Wahrung der Anonymität".

Weiter nach Suche nach zweitem Flugschreiber

Indes gehen an der Unglücksstelle in den französischen Alpen die Bergung der Opfer und die Suche nach der zweiten Black Box weiter. Bislang wurde lediglich das leere Gehäuse des Flugdatenschreibers (FDR) entdeckt.

(red CvD, HP / Titelbild: Symbolbild Germanwings - Foto: Austrian Wings Media Crew)