Wer ein Luftfahrt-Fachmagazin betreibt, hat in den allermeisten Fällen ein äußerst positives Interesse an dieser Sparte der Mobilität. Das ist auch bei Austrian Wings nicht anders - unser Magazin wird in völlig nonkommerzieller Form von Luftfahrtenthusiasten unterschiedlichster aviatischer Herkunft betrieben. Von Piloten über Techniker bis hin zu Sachverständigen und Gutachtern ist jede nur erdenkliche Berufsgruppe ein Teil des Fundaments unseres Magazins. Allen ist gemeinsam: Wir lieben die Luftfahrt, und am liebsten würden wir täglich ausschließlich Jubelmeldungen in die Welt posaunen.
Hin und wieder sieht die Realität bedauerlicherweise anders aus. Zwischenfälle, Ungereimtheiten und - selten, aber leider doch - Unglücke lassen uns alle oft selbst irritiert, erschüttert und von vielen Fragen bewegt zurück. Häufig lassen sich viele Szenarien, die dann von der fachlich weniger versierten Presse gelegentlich künstlich dramatisiert werden, rasch entkräften. Doch in manchen Fällen ist die Frage, was hinter einem bekannt gewordenen Zwischenfall gesteckt ist, weniger trivial.
Die Pressestelle wird's schon richten...?
Erster Ansprechpartner für Medien in derartigen Fällen ist selbstverständlich die Abteilung Presse und Öffentlichkeitsarbeit des jeweiligen Luftfahrtunternehmens. Sie hat, wie der Name ja bereits deutlich unterstreicht, die Aufgabe, für Pressevertreter Fakten zu liefern und Klarheit zu schaffen. Dass auf der anderen Seite natürlich auch jede Gesellschaft ein berechtigtes Interesse daran hegt, in der öffentlichen Wahrnehmung stets positiv aufzufallen, liegt auf der Hand. Doch positive Perzeption erfolgt, gerade angesichts aviatischer Zwischenfälle, definitiv nicht, wenn unangenehme Themen unter den Teppich gekehrt werden - sondern durch faire, transparente Kommunikation und erkennbare Bestrebungen, an künftiger Verbesserung intensiv zu arbeiten.
Die Geschehnisse nach dem tragischen Absturz von Germanwings-Flug 4U9525 in den südfranzösischen Alpen haben die Konzern-Medienbetreuer und Pressesprecher von Lufthansa in ein teils exterm schiefes Licht gerückt. Nicht etwa, weil es zu dem Unglück gekommen ist. Sondern auf Grund der Tatsache, wie mit den gewonnenen Erkenntnissen und nachfragenden Journalisten umgegangen wurde.
Chronologie einer Vogel-Strauß-Medienbetreuung?
Am 24. März 2015 lief die Besorgnis erregende Meldung über eine vermisste Germanwings-Maschine über die weltweiten Nachrichtenticker. Kurze Zeit später bestätigte die französische Polizei bereits das gesichtete Wrack des Airbus A320. Such- und Rettungstrupps brachen in das entlegene Gebiet auf. Selbst der französische Präsident sprach über den Absturz und kommunizierte die Befürchtung, dass es wohl keine Überlebenden geben würde.
Was kommunizierte Lufthansa? - Nichts. Die Pressestelle des "Kranichs" hüllte sich, auch Austrian Wings gegenüber, in stundenlanges Schweigen. Man prüfe, ob es tatsächlich einen Zwischenfall gegeben habe, hieß es. Zu einem Zeitpunkt, als die französischen Rettungsteams bereits längst mit dem schrecklichen Anblick des im Alpenmassiv zerschellten Flugzeugs konfrontiert waren.
Später sickerten im Laufe der Untersuchung immer mehr bedrückende Details zum Unglückshergang durch. Die verstörende Annahme, dass Co-Pilot Andreas Lubitz das Fluggerät absichtlich zum Absturz gebracht habe, bestätigte sich mit jedem Schritt der Ermittlungen immer deutlicher. Deutsche Medien deckten auf, dass Lubitz seine Pilotenausbildung bedingt durch psychiatrische Erkrankung sogar zeitweilig unterbrechen musste. Und Lufthansa? Die wollte zunächst von alldem nichts gewusst haben. Erst unter dem Druck publizierter Fakten musste schließlich auch die Airline eingestehen, sogar von Lubitz selbst über dessen Gesundheitszustand informiert worden zu sein, ihrerseits aber diese Information nicht an das deutsche Luftfahrtbundesamt weitergereicht zu haben.
Während Helmut Brandstätter, Herausgeber der Tageszeitung "Kurier", kurz nach der Germanwings-Tragöde die "Krisen-PR der deutschen Lufthansa" noch als "vorbildlich" hervorzuheben versuchte, kam auch sein Blatt nicht herum, bereits wenige Tage später der Lufthansa massive "Erklärungsnot" und unangenehme Widersprüche attestieren zu müssen.
Eine bedauerliche Einmaligkeit, eine mögliche Unkoordiniertheit oder gar Überforderung, angesichts eines schier unbegreiflich anmutenden Ereignisses? - Dann scheinen diese "Einmaligkeiten" bei Lufthansa durchaus in gewissen periodischen Abständen erkennbar, wenn es um unbequeme Themen geht.
Im Mai 2012 kam es auf dem Lufthansa-Transatlantikflug LH 467 zu starkem Ölgeruch an Bord. Diese Wahrnehmung hatte sogar schon vor dem Abheben bestanden, dennoch entschied man sich zum Start. Die Besatzung musste sich anschließend, nachdem sie der unter Umständen sogar toxisch kontaminierten Kabinenluft stundenlang ausgesetzt war, in medizinische Behandlung begeben. Austrian Wings wollte damals von Lufthansa wissen, ob man auch den Passagieren angeraten hat, sich untersuchen zu lassen. Dies ließ der Kranich auch nach mehrfacher Nachfrage geflissentlich unbeantwortet, versuchte das brisante Thema gar herunterzuspielen. Pilot und Luftfahrtgutachter Tim van Beveren in diesem Zusammenhang: "Hier sollte sich ein Staatsanwalt damit beschäftigen!"
Nur wenige Monate später, im September 2012, wurde ein bereits zwei Jahre zurückliegender Vorfall mit einem Jet von Germanwings, der in einen Beinahe-Absturz verwickelt war, bekannt. Auch hier war es offensichtlich zum Eintritt möglicherweise hochgiftiger Substanzen in die Kabinenluft gekommen. Wieder wiegelte die Lufthansa-Pressestelle ab und schob - allen Expertisen zum Trotz - die Geruchentwicklung, die den Ersten Offizier sogar für ein halbes Jahr flugunfähig gemacht haben dürfte, auf angeblich "verbrannte Enteisungsflüssigkeit". Man habe "jederzeit alles unter Kontrolle" gehabt, tönte die Airline. Ob es der Gesellschaft da nicht ungelegen kommt, dass ihr eigener, betroffener Flugkapitän in einem internen Bericht genau dieser Darstellung vehement widerspricht? Der "intensive Geruch", den er beschreibt, hatte seiner Auffassung nach "definitiv keinerlei Ähnlichkeiten mit dem von verbrannter Enteisungsflüssigkeit", gibt der erfahrene Pilot zu Protokoll. Und schon im Rettungswagen, mit dem er ins Klinikum abtransportiert werden musste, hätten sich Vorgesetzte telefonisch danach erkundigt, ob und wie viel die Fluggäste von dem dramatischen Zwischenfall mitbekommen haben.
Dass derartige Auffälligkeiten für die Lufthansa-Konzernkommunikation grundsätzlich nicht als diskussionswürdiges Problem angesehen werden und nachfragenden Medien gegenüber eine, gelinde ausgedrückt, deutlich unkooperative Haltung entgegen gebracht wird, zeigt sich auch in einem Fall von März 2013. Wieder beißender Gestank in der Kabinenluft; sogar so intensiv, dass die Piloten sich zum Anlegen ihrer Sauerstoffmasken entscheiden mussten. Und wieder soll es Enteisungsflüssigkeit gewesen sein, bekräftigten die Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty und Andreas Bartels mehrfach gegenüber Austrian Wings. Aus gut informierten internen Konzernkreisen sickerte jedoch durch, dass beim betreffenden Jet unmittelbar nach dem Vorfall ein Triebwerktausch vorgenommen worden sei.
Von dicker Luft, speziell in ihren Flugzeugen, will man also beim "Kranich" offensichtlich nichts wissen, oder man möchte es ganz einfach nicht wahrhaben. Anders lässt sich wohl auch ein Vorfall von September 2013 nicht erklären. Bei einem A319 der Lufthansa war es augenscheinlich zu Rauchentwicklung im Cockpit gekommen. Das dementierte ein Sprecher auf Nachfrage von Austrian Wings vehement: Nein, es habe keine Form von Rauch an Bord gegeben. Vorliegende Aufzeichnungen des Funkverkehrs zeichneten jedoch ein gegenteiliges Bild - die Crew hat demnach die Situation eindeutig mit Rauchentwicklung beschrieben. Damit konfrontiert, musste schließlich auch die Lufthansa-Pressestelle telefonisch kleinlaut zugeben, dass die Fachmedien hier offensichtlich besser informiert waren als erwartet.
Ein Flugzeugabsturz wie bei Germanwings-Flug 4U9525 zählt ohne Frage zu den traurigen Höhepunkten, bei denen eine Konzernpressestelle gefragt ist. Doch die Kompetenz eines Unternehmens zeigt sich darin, mit Ereignissen wie diesen offen und ehrlich umzugehen.
Ziel verfehlt - Bruchlandung vorprogrammiert?
Offensichtlich scheint es an diversen Luftfahrt-Pressesprechern völlig vorbeigegangen zu sein, dass Fachjournalisten aus dem Aviatikbereich berechtigtes Interesse daran haben, Hintergründe von Zwischenfällen zu beleuchten und die Öffentlichkeit darüber in Kenntnis setzen zu können, welche Maßnahmen getroffen werden, um derartige Ereignisse in Zukunft zu vermeiden. So könnten sich viele initial unangenehm erscheinende "Incidents" in eine zumindest teilweise Positiv-Berichterstattung umkehren lassen. Eine Haltung von Verleugnung, Falschinformation oder sogar versuchter Einschüchterung recherchierender Journalisten wird jedoch maximal Boulevardblättern in die Hand spielen, denn diese leben bedauerlicherweise in erster Line von der Ausschlachtung schlechter und dramatischer Ereignisse.
Schon die Schauspielerin Marlene Dietrich konstatierte, dass Presseleute "immer die gleichen Fragen" stellen. Der beste Weg, dem zu entgegnen, wäre wohl, diese Fragen auch fair, transparent und vollständig zu beantworten. Denn zu warten, bis man von immer erdrückenderen Fakten fast schon erschlagen wird, bevor man sich zu einem Vorfall umfassend zu äußern gedenkt, kann für kein Unternehmen zu Glaubwürdigkeit und damit einhergehender Kundenbindung beitragen.
(AG; Titelbild, Symbolfoto: Austrian Wings Media Crew)
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.