"Da Pauli is da Pauli, so einen gibt's kein zweites Mal!" - "Er hat bei der Rettung so vieler Menschenleben mitgeholfen" - "Er war der beste Rettungspilot, den es gibt!" - "Pauli ist ein Ruhepol, mit hoher sozialer Kompetenz!" - "Man kann nur danke sagen, für das was er geleistet hat..." - "Man muss den Hut vor ihm ziehen!" - "Der Pauli ist so viel geflogen, dass ihn selbst die Vögel schon für ihresgleichen gehalten haben." - "Ein super Bursch und Kollege!" - "Der C2 ohne den Brunner Pauli? Unvorstellbar ..."
So sprechen und schreiben Freunde, Kollegen sowie (ehemalige) Patienten über einen Mann, der schon zu Lebzeiten zur Legende wurde, und dabei stets freundlich, loyal und bescheiden geblieben ist. Man muss ihn einfach mögen, diesen Johann-Paul Brunner, oder "Pauli", wie er von Vorarlberg bis Wien in Rettungskreisen hochachtungsvoll genannt wird. Nach 44 Jahren Flugdienst, davon 32 beim ÖAMTC, ging er am 27. Mai 2015 in den wohlverdienten Ruhestand. "Aus freien Stücken; mir war es sehr wichtig, den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen zu können", betont Brunner. Mit seinem Weggang endet auch eine Ära. Denn Brunner hat die Flugrettung in Österreich mit aufgebaut und geprägt wie kaum ein anderer. Eine beachtliche Leistung für jemanden, der ursprünglich gar nicht vor hatte, Pilot zu werden. Doch der Reihe nach.
"Ich wollte nach der Schule in einen metallverarbeitenden Beruf einsteigen", erzählt Brunner bei unserem Gespräch auf dem Stützpunkt und zündet sich dabei eine Zigarette an. "Doch alle Bewerbungen verliefen im Sand, weil ich meinen Präsenzdienst noch nicht abgeleistet hatte. Also meldete ich mich freiwillig zum Heer, damit ich endlich einen Job bekam." Eine Entscheidung, die seinen weiteren Lebensweg bestimmen sollte. "Beim Militär fragte mich ein Vorgesetzter, ob ich Interesse an einer Pilotenausbildung hätte, man suche Personal. Und ich dachte mir, ich probier's." Brunner bestand die medizinischen und psychologischen Selektionen und begann die Ausbildung zum Helikopterpiloten. "Meine Grundschulung begann ich 1971 auf dem Bell 206 Jet Ranger in Langenlebarn, und ich beendete sie im Herbst 1972." Drei Jahre später flottete das Heer die militärische Version der Bell 206, den OH-58 Kiowa, ein – und Brunner flog auch dieses Muster. "Fliegerisch war das im Wesentlichen das gleiche Gerät, nur die Sitze waren noch spartanischer", erinnert er sich an diese Zeit zurück.
Wechsel ins Zivilleben
1982 schied der zu diesem Zeitpunkt bereits sehr erfahrene Pilot aus dem Bundesheer aus, weil er "etwas anderes machen wollte", und heuerte bei der Heliair auf dem Flugplatz Niederöblarn an. "Hier flog ich Hughes 500 und wieder mein erstes Muster, den Jet Ranger." Im gleichen Jahr pilotierte Brunner auch erstmals einen Helikopter im Rahmen von zivilen Rettungseinsätzen: "Die Österreich-Ring-Sicherheitsstaffel war für den Sicherheitsdienst auf dem Österreich-Ring, dem Salzburg-Ring und bei diversen Motorsport Großveranstaltungen zuständig. Ich schloss im Namen der Heliair ein Kooperationsabkommen und so stellten wir, wenn das notwendig war, einen Rettungshubschrauber bei." Das war ein Jahr vor dem Start der regulären Flugrettung in Österreich durch den ÖAMTC. Sein Arbeitgeber, die Heliair, wurde schließlich von der Tiroler Unternehmerfamilie Swarovsky aufgekauft, und 1983 trat der ÖAMTC an Heliair mit der Idee, einen Flugrettungsdienst aufzubauen, heran. Noch im gleichen Jahr wurde mit der Installation von Christophorus 1 auf dem Flughafen Innsbruck ein Stück Luftfahrtgeschichte geschrieben. Der Notarzthelikopter (NAH) nahm am 1. Juli 1983 den Betrieb auf, Brunner gehörte zu den ersten Besatzungen. Schon damals gab es Pläne, das System auf Ostösterreich auszuweiten. Brunner leistete Aufbau- und Pionierarbeit, was dazu führte, dass der zweite ÖAMTC-Notarzthubschrauber, folgerichtig als Christophorus 2 bezeichnet, im September 1983 in Krems stationiert wurde. "Meinen ersten Einsatz auf C2 absolvierte ich am 8. September", erinnert der Flugrettungspionier sich zurück. Ein knappes Jahr später, 1984, folgte Christophorus 3 auf dem Flugplatz Wiener Neustadt Ost. Wieder an vorderster Front in der Aufbauphase mit dabei: Paul Brunner.
Doch den Wahl-Kremser zog es zurück in die Wachau, wo er von 1984 an über 20 Jahre als Stützpunktleiter fungierte. Zum seinem Markenzeichen wurde die dunkelrote Fliegerjacke aus Leder mit jeder Menge Aufnähern.
"Mitte der 1980er Jahre war ich damit beschäftigt, von einer Rot-Kreuz-Dienststelle zur nächsten zu fahren und skeptischen Funktionären sowie Sanitätern das neue System Flugrettung vorzustellen." Obwohl er selbst niemals im bodengebundenen Rettungsdienst Einsätze gefahren ist, trat er zu dieser Zeit dem Landesverband des Roten Kreuzes in Niederösterreich bei. "Ein weiser Rot-Kreuz-Kollege gab mir diesen Rat. Er meinte, ich könnte die Leute besser vom Flugrettungssystem überzeugen, wenn ich selbst Rot-Kreuz-Angehöriger wäre."
Eine Strategie, die von Erfolg gekrönt war - denn heute gehören die "gelben Engel" fix zum Notfallrettungssystem in Österreich, womit sie eine rasche notärztliche Versorgung auch in entlegenen Gebieten des Landes sicherstellen. Nicht unwichtig, sind doch die Kompetenzen des überwiegenden nichtärztlichen Rettungsdienst-Personals in Österreich im internationalen Vergleich auf einem eher niedrigen Niveau angesiedelt. Dies ist jedoch weniger den Hilfsorganisationen als vielmehr der Politik anzulasten, die es seit Jahrzehnten verabsäumt, für adäquate finanzielle Rahmenbedingungen zu sorgen, die unabdingbare Voraussetzung dafür wären, um die Ausbildung zu verbessern und etwa auf das Niveau der Schweiz, Niederlande oder Tschechischen Republik anzuheben.
Neben seiner fliegerischen Tätigkeit begann Brunner im Herbst 2003 an der Donau-Uni-Krems das Masterstudium "Rettungsdienst-Management" und ergänzte dieses ab Frühjahr 2006 um den Masterstudiengang "Management im Gesundheitswesen" an der Wirtschaftsuniversität Wien. Im gleichen Jahr wurde er zum Bezirkstellenleiter des Roten Kreuzes Krems gewählt, wo er seither mit viel Engagement eine Menge bewegen konnte. Parallel dazu blieb er weiterhin Einsatzpilot auf Christophorus 2 sowie anderen Notarzthubschraubern und konnte am 20. März 2012 seinen 10.000 Einsatz verzeichnen.
Eine ungeheure Zahl, die noch gewichtiger wirkt, wenn man sich vor Augen führt, dass ein Einsatz im Regelfall aus mindestens zwei Starts und zwei Landungen besteht, und diese Flugphasen die herausforderndsten sind. Am 26. Dezember 2014 durchbrach Brunner dann die 11.000er-Marke und gab bekannt, im Frühjahr 2015 den Pilotenhelm an den Nagel zu hängen.
Für seine außergewöhnlichen Verdienste wurde Brunner auch von offizieller Seite geehrt: 1993 verlieh ihm Stadt Krems die Wappenplakette in Silber, 1999 erhielt er das Silberne Verdienstzeichen der Republik Österreich und 2004 erkannte ihm das Bundesland Oberösterreich die Verdienstmedaille in Gold zu. Doch damit zu prahlen, ist nicht Paulis Sache, nur wenige wissen überhaupt von diesen Auszeichnungen. Bescheidenheit und Bodenhaftung sind zwei seiner größten Tugenden.
Der letzte Dienst
Und als die Zeit, mit dem Fliegen aufzuhören, nun tatsächlich gekommen war, ließen es sich aktive und ehemalige Kollegen nicht nehmen, ihrem Pauli eine ganz besondere Freude zu bereiten.
"Für mich war mein letzter Dienst am 27. Mai ganz normal, wie jeder andere, nichts Besonderes", sagt Brunner. Kurz vor 6 Uhr Früh war er auf dem Stützpunkt, bereitete sich eine Tasse Filterkaffee zu. Danach zog er seine abgewetzte rote Lederjacke an, öffnete die Tür zur Terrasse, schritt hinaus und zündete sich eine seiner geliebten Camels an, von denen er - so wird unter Freunden und Kollegen gemunkelt - pro Tag beinahe so viel konsumiert wie sein Helikopter Kerosin … ;-) Danach wartete er gemeinsam mit Sanitäter Markus Pöschl und Notarzt Martin Klezl auf den ersten Einsatz. Es sollten insgesamt zwei Flüge an diesem Vormittag werden. Der Nachmittag verlief ruhig, bis... ja, bis zu dem Zeitpunkt, als sich rund 40 aktive und ehemalige Kollegen von Johann-Paul Brunner beim Kremser Flugplatzrestaurant einfanden.
Die Überraschung
Um 19 Uhr wurde die Crew von Christophorus 2 zu einem dritten Einsatz alarmiert.
Während sich der in die Pläne der Kollegen eingeweihte Notarzt und der Sanitäter das Grinsen wohl nur schwer verkneifen konnten, ahnte Brunner nichts und startete routiniert seinen EC135 mit dem Kennzeichen OE-XEG, hob ab und nahm Kurs auf den via Funk angegebenen Notfallort im Bezirk Tulln.
Noch in der gleichen Sekunde setzte sich der Pulk aus Sanitätern, Piloten und Notärzten in Bewegung und erreichte keine halbe Minute später den Stützpunkt, wo sie im Hangar rasch ein Stehbuffet aufbauten. Parallel dazu fuhr ein Fahrzeug der Freiwilligen Feuerwehr Krems hinaus aufs Vorfeld. Brunner hatte von all dem keine Ahnung, als der Einsatz über Funk storniert und er zurück zum Stützpunkt beordert wurde.
Was mag er sich wohl gedacht haben, als er im Landeanflug das Löschfahrzeug neben dem Landeplatz stehen sah und dieses mit Wasser Salut "schoss"?
Doch die eigentliche Überraschung sollte erst noch kommen: In der Zwischenzeit hatten sich Brunners Mitstreiter im Hangar aufgestellt und öffneten das Rolltor. Das Manöver war gelungen, ein sichtlich gerührter Johann-Paul Brunner wurde von Stützpunktleiter Günter Grassinger "außer Dienst" gestellt, damit er feiern konnte - ein Ausdruck ganz besonderer Kameradschaft. Noch ehe Brunner seinen Helm dann tatsächlich an den Nagel hängte, zog er spontan seine Lederjacke, ohne die ihn in den vergangenen drei Jahrzehnten kaum ein Kollege gesehen hatte, aus und überreichte sie seinem Freund und Kollegen, Cpt. Günter Grassinger, dem es leider nur kurz vergönnt war, an der Feier teilzunehmen, da er gemeinsam mit teils neuer Crew (Notarzt Martin Klezl und Sanitäter Robert Huber, der Max Pöschl als Flugretter abgelöst hatte) zu einer Reanimation gerufen wurde, die bis in die Dunkelheit hinein dauern sollte.
In der Zwischenzeit wurde der Ruheständler Pauli von alten Weggefährten und jungen Kollegen gebührend gefeiert und mit Geschenken überhäuft. Man tauschte Geschichten aus, sprach über alte Zeiten und spannende Einsätze. Zu vorgerückter Stunde stellte sich auch ÖAMTC-Flugrettungs-Geschäftsführer Cpt. Reinhard Kraxner persönlich ein und überreichte Cpt. Brunner einen Modellhubschrauber samt Urkunde sowie die Nummer zwei einer limitierten Ausgabe einer Fliegeruhr als Dank für sein Wirken. Brunner gegenüber Austrian Wings: "Es war eine wunderbare Zeit, ich möchte mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, bei allen Notärzten und den Sanitätern für die großartige Zusammenarbeit bedanken. Als Team konnten wir etwas bewegen und Menschen helfen. Es war ein sinnvolles Tun und ich möchte keinen Tag davon missen."
Ein Einsatz ist ihm in ganz besonderer Erinnerung geblieben: "Ganz am Anfang meiner Karriere wurden wir zu einem ertrunkenen Kleinkind gerufen. Als wir ankamen, war es klinisch tot. Notarzt und Sanitäter konnten den Buben erfolgreich wiederbeleben, wir flogen ihn danach ins Krankenhaus. Wir haben noch heute Kontakt zu ihm." Der Junge von einst heißt Johannes und dank des Einsatzes von Johann-Paul Brunner und seiner Crew war es ihm vergönnt, ein Studium zu beginnen und heute selbst als Sanitäter Menschen in Not zu helfen.
Auch, wenn es nun etwas ruhiger um ihn werden wird - einen Pensionsschock wird Brunner sicher nicht bekommen: "Ich bin ja weiterhin Bezirksstellenleiter beim Roten Kreuz hier in meiner Heimat Krems, da gibt es genug zu tun." Jetzt zieht es ihn aber erst einmal auf Segelurlaub nach Kroatien. Der Autor dieser Zeilen, der Pauli vor rund 15 Jahren als blutjunger Journalist im Rahmen einer Reportage kennenlernen durfte, verneigt sich mit Respekt vor diesem Ausnahmemenschen und -flieger. Mögen ihm noch viele glückliche Jahre vergönnt sein. Pauli, lass es Dir gut gehen in der Pension, Du hast es Dir mehr als verdient. Wir sehen uns demnächst wieder in Krems!
Weitere Fotoimpressionen dieses Abends
Text: "Da Huberer"
Titelbild: Nach seinem letzten Flug verlässt Johann-Paul Brunner den Helikopter und geht zum Hangar; im Hintergrund ist die Wasserfontäne der Feuerwehr zu sehen
Fotos & Videos: Huber / Austrian Wings Media Crew