Toulouse „City of Airbus“
Schon bei unserer Ankunft in Toulouse war die Dominanz von Airbus Industries in der Region nicht zu übersehen. Egal wohin man schaut, überall stehen Gebäude die zum Airbus Konzern gehören. Auch Zuliefererfirmen aus aller Welt sind in den verschiedenen Industrieparks rund um den Flughafen Toulouse angesiedelt. So ist Toulouse-Blagnac zwar der Hauptsitz von Airbus S.A.S. aber bei weitem nicht der einzige Produktionsstandpunkt. Aus ganz Europa wie Deutschland, England, Spanien und Frankreich, treffen täglich tausende Airbus-Bauteile für die verschieden Flugzeugtypen der Reihe A318/319/320/321/330/350 und A380 in Toulouse ein - zu Wasser, auf dem Landweg oder per Luftfracht. Weltweit beschäftigt Airbus rund 80.000 Mitarbeiter- und Mitarbeiterinnen, davon alleine etwa 20.000 in Toulouse, womit der Flugzeughersteller wohl der größte Arbeitgeber der Region sein dürfte.
Netzwerke rund um den Globus
Nebst den beiden Hauptauslieferungswerken in Toulouse-Blagnac und Hamburg-Finkenwerder, um der „Order- und Ablieferungsflut“ der weltweiten Kunden überhaupt noch gerecht zu werden, baute Airbus zwei weitere Produktionswerke für die A320-Familie in Tianjin (China) und Mobile, Alabama (USA), die beide ihren Betrieb zwischenzeitlich aufgenommen haben. Das Werk in China ist kein reines Airbus-Werk sondern ein Joint Venture der beiden Partner Airbus und China Aviation Industry Corp. und lediglich ein Endmontage-Werk für die A320.
Für die Entwicklung und Forschung neuer Technologien bei Airbus entschied sich der Konzern für den Standort Bangalore (Indien), bekannt durch seine hochqualifizierten Ingenieure. Im militärischen Bereich kümmert sich die Abteilung Airbus Defence and Space um die Belange des Airbus Transporter A400M „Atlas“, sowie die Produktion von Komponenten der Raumfahrt. Neben dem Firmensitz ist auch die Endmontage der A400M in Sevilla (Spanien) beheimatet. Aber auch das französich-italienische Konsortium ATR (Avions de Transport Régional) hat seinen Sitz/Produktion in Toulouse. So konnten wir neben Airbus Produkten auch diverse zur Ablieferung anstehende ATR42/72 in oft exotischen und farbenfrohen Bemalungen bewundern.
Heaven can wait: Jetzt wird gespottet!
Kaum angekommen ging die Fahrt nicht etwa in unser Hotel, sondern Spotten war angesagt. Im Wirrwar der vielen Autobahn Ein- und Ausfahrten um TLS führte uns das Navi präzise zur ersten Spotterlocation: Runway 32L & 32R. Nicht ganz einfach zu finden, liegt doch dieser Spotterpunkt in einem Industriepark auf der südöstlichen Seite des Flughafengeländes und bietet eindrucksvolle Aufnahmen im Final Approach.
Kaum angekommen, ging es auch schon los. An diesem sonnigen Spätnachmittag gab es doch einigen Verkehr auf den wir uns freuen konnten. Nebst dem normalen Flugverkehr der vorwiegend durch Air France, HOP, easyJet, Vuelling, British Airways, Alitalia und vielen weiteren, bekannten Airlines bestritten wurde, konnten wir auch einige Airbus-Kundenmaschinen die von einem Testflug zurückkehrten, oder kurz vor der Ablieferung standen, auf unseren Chipkarten verewigen. Schon am ersten Tag bekammen wir drei von fünf Airbus-Werksmaschinen des Typs A300B4-600ST „Beluga“ vor unsere Objektive! Ein weiteres Highlight war der Prototyp A350-900 F-WWCF in seiner unverwechselbaren Carbonbemalung, der von südosten kommend auf Runway 32L einschwebte. Aber auch der in Kürze an Air Vietnam abzuliefernde A350-900 F-WZFI war hier beim Touch-down zu erwischen. Auch in den kommenden Tagen, an diesem und den anderen Spotterpunkten, gab es einige Objekte der Begierde für das Spotterherz zu bewundern:
- A350 Prototyp für statische Belastungstest
- Al Maha Airways A320-214 (WL) F-WWBZ aus Saudi Arabien (Qatar Airways Group)
- A320 neo LEAP, F-WNEW und A320neo F-WNEO
- Air Asia A330-300 F-WWKM
- Kuwait Airways A330-243 9K-APB (ex F-WWKF)
- ATR 72-600 PR-AKB (ex F-WWEE) von Azul Airlines aus Brasilien
- Prototyp A321-211(WL) D-AVZY
- B717-200 EI-EXI von Volotea mit Sonderschriftzug „Calypso“ am Rumpf
- Alitalia A319-112 EI-IMI wirbt mit einer Sonderbemalung für Venedig
- Libyan Arab Airlines A330-202 F-WWCT
- A320-214 (SL) B-8035 (ex F-WWDA) Juneyao Airlines aus Shanghai
- Tigerair aus Singapore A320-232 (SL) F-WWDG
- Air Tahiti ATR 72-600 F-WWEG
- Qingdao Airlines aus China A320-214 (WL) F-WWBF
- A330-243 N378HA von Hawaiian Airlines
- Euro AtlantiCarco B767F CS-TLZ
- Lockheed L-1329 JetStar II VP-CSM
- u.v.m.
Beluga A300B4-600ST „Meister der Logistik“
Um die von Kunden bestellten Flugzeuge der verschiedensten Airbus-Typen überhaupt termingerecht ausliefern zu können, bedarf es einer ausgefeilten Logistik die wohl ihresgleichen sucht. da die meisten Komponenten die über ganz Europa verstreut produziert werden (UK: Broughton & Filton, F: Toulouse, Saint-Nazaire, Nantes, Méaulte, Rochefort, D: Hamburg, Bremen, Augsburg, Stade, Laupheim, Dresden, Stuttgart und Ulm, Esp: Getafe, Madrid, Sevilla, Cadiz Puerto Real), wird die Hauptlast mit den fünf werkseigenen A300B4-600ST „Beluga‘s“ bewälltigt. Im Stundentakt, fleissigen Bienen gleich, verkehren die Belugas zwischen den diversen Produktionsstandpunkten hin und her und bringen die benötigten Bauteile termingerecht zur Endmontage nach TLS. So ist es wohl kaum verwunderlich, dass man als Planespotter in kürzester Zeit alle fünf Beluga‘s vor die Linsen bekommt. Diese Logistik gilt hauptsächlich für alle Flugzeuge der Serien A318 bis zur A350.
Beluga A330-200 „New Generation“
Mit dem Startschuss im Herbst des Jahres 2014 gab Airbus grünes Licht für ein Nachfolgemuster des nun schon in die Jahre gekommenen Beluga-Transporters A300-600. Ab 2017 bis 2025 erhält Airbus fünf neue Transporter, basierend auf der bewährten A330-200F mit der Bezeichnung „Beluga XL“.
A380: Transport zu Wasser und zu Land
Wie sieht es aber mit den Bauteilen der gigantischen A380 aus? Auch da hat sich Airbus in der Vergangenheit ein detailliertes Transportsystem einfallen lassen. Keine Frage: Die Bauteile passen in keinen Beluga. Also wie dann? Mit speziellen Schiffen, sogenannten Barge werden die Komponenten des A380 (Rumpfsegmente, Cockpit, Tragflächen, Seiten- und Höhenleitwerke) an den verschiedenen Standorten in England, Spanien, Frankreich und Deutschland per Schiff abgeholt und in den Hafen von Bordeaux verschifft. Angekommen, geht dort die Reise auf einer weiteren Barge von Bordeaux auf dem Fluss Garonne bis nach Langon im Departement Gironde weiter. Umgeladen auf modifizierte Schwertransporter steht nun das letzte, aber auch spannenste und anspruchvollste Stück der Reise auf dem Landweg an.
Präzision an seiner Grenze
In einem minutiösen Ablauf bewegt sich der Konvoi mit den A380 Elementen durch die Nacht. Gesäumt von hunderten von schaulustigen Zuschauern bewegt sich der Tross durch kleinen Ortschaften von Langon in Richtung Toulouse. Oft nur im Schritttempo passieren die Trucks die schmalen Strasssen, mit wenigen Zentimetern Abstand zu den Häuserwänden, um ihre wertvolle Fracht, termingerecht abliefern zu können. Ein Spektakel das sicherlich empfehlenswert ist; allerdings nichts für Langschläfer. Früh aufstehen ist hier angesagt!
Airbus: Blick hinter die Kulissen
Wie Boeing in Seattle, bietet auch Airbus eine gut zweistündige Besichtigungstour auf seinem Gelände an. Schon fast wie an einem Airport waren die Registrationsformalitäten zur Tour zu bewerten. Anmeldung nur mit Personalausweis, mindestens 1-2 Tage vorher. Beim Check-In wurde auch das mitgebrachte Gepäck durch einen Scanner geschoben. Endlich in der Besuchergruppe zusammen, teilte uns eine charmante Französin die Verhaltensregeln mit.
Fotografieren verboten
Was für eine Frage?! Ich denke die meisten Besucher der Tour wussten dies bereits. Kommerziell gut organisiert, ging es zu den Produktionshallen des A380, Flaggschiff von Airbus. Wie zu erwarten befanden sich darin 2 A380 von Emirates und eine Maschine der Qatar Airways; alle in verschidenen Stadien der Produktion, mit oder ohne Triebwerken. Nicht die A380 begeisterten mich, sondern die Grösse der Halle. Auf über 17 Stockwerke hoch angelegt erstreckte sich die Produktionshalle gut 400 Meter in der Breite. Einfach gigantisch. Die vielen hunderten von Mitarbeitern bei der Arbeit an den Flugzeugen sahen aus dieser Perspektive aus wie ein Ameisenhaufen. Nach einem kurzen Besuch einer Videovorführung über den Jungfernflug des A380 war die Vorführung beendet. Wie üblich führte der Ausgang natürlich durch den werkseigenen „Souveniershop“ der einige Modelle der verschiedenen Airbus-Flugzeuge in den Regalen anbot. Eigentlich Interessant – doch als ich die unverschämten Preise sah verging mir die Laune am Kaufen. Kein Problem: Meine Vitrinen zu Hause sind ja eh voll mit Modellen und ich wollte ja nur ein Modell des A350 kaufen. Sicherlich einen Besuch wert, doch danach einfach geradeaus aus dem Laden. Ihre Kreditkarte ist ihnen dankbar dafür!
Tipps für Planespotter
Wie schon eingangs erwähnt, lohnt sich auf jeden Fall ein Besuch in Toulouse.
Bei einer Anreise per Flugzeug empfiehlt sich ein Mietwagen für die Dauer des Aufenthaltes. Am besten ein SUV mit abklappbarer Hecköffnung; als erhöhter Standplatz am Zaun rund um den Flughafen. Sollten man die Reise mit dem eigenen PKW ins Auge fassen, empfehlen wir, die Mitnahme einer grösseren Trittleiter. Einige der Spotterpunkte können ohne Trittleiter doch ein Handicap sein. Die besten Spotterpunkte für TSL findet man auch auf den diversen Foren und Webseiten. Beste Reisedaten sind sicherlich April – Juli und September & Oktober. August ist keineswegs zu empfehlen, da in dieser Zeit in Frankreich Sommerferien sind und Airbus in Toulouse Betriebsferien hat. Bis auf wenige Ablieferungsflüge ist im August „Tote Hose“.
Und der Tag hat nur 24 Stunden
Für alle Nachteulen/Schwärmer die noch nicht genug bekommen haben, denen empfehlen wir einen besonderen Nachttrip an den Landstrassen zwischen Langon und Toulouse um den A380 oder seine Bauteile LIVE auf der Strasse in der Dunkelheit der Nacht zu begleiten. Stativ empfehlenswert. Den wöchentlich publizierten „Fahrplan“ bekommt man im Museum Aeroscopia an der Rezeption. Das Aviatik-Museum ist ein weiteres Highlight der französischen Luftfahrt das zu empfehlen ist und liegt gegenüber der A380 Produktionshangars. Also Vormerken um keine Entäuschung zu erleben.
Last but not least: Günstige Übernachtungsmöglichkeiten in und um Toulouse bieten die vielen Hotel-Portale im Internet an.
Fazit
Nun ja, wir sind schon fast geneigt TLS als Spotter-Destination in unseren jährlichen Terminplaner aufzunehmen. Nebst einigen, unerwarteten Überraschungen im zivilen Verkehr waren sicherlich die Test- und Ablieferungsflüge der verschiedenen Airbus Kundenmaschinen das „Highlight“ der Reise. Darunter auch viele Exoten in farbenprächtigen Bemalungen die wir so sicherlich nicht mehr in unseren Breitengraden zu Gesicht bekommen werden. Und wo kann man einen erfolgreichen Spottertag bei einem guten Nachtessen besser ausklingen lassen als in Frankreich?! Bone appetite et à bientôt.
Fotoimpressionen:
Text: Andy Herzog
Fotos: Andy Herzog, Paul Bannwarth und Benjamin Schudel
Titelbild: ATR72 von HOP Air France - Foto: Paul Bannwarth