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Die fliegende Notaufnahme: Ein Tag an Bord von Christophorus 9

Rund 1.800 Mal hob der auf dem alten Flugplatz Aspern stationierte Wiener Notarzthubschrauber Christophorus 9 im Vorjahr ab, das entspricht statistisch gesehen etwa fünf Einsätzen pro Tag. Jeder Start bedeutet, dass sich irgendwo in Wien, Niederösterreich oder dem Burgenland ein Mensch in höchster Not befindet, oder zumindest bei der Alarmierung von diesem Zustand auszugehen ist. Tausende Patienten verdanken den Piloten des Christophorus Flugrettungsvereines, den Notfallsanitätern und Notärzten der Wiener Berufsrettung (MA 70) ihr Leben.

Eigentlich sind Mitflüge von Journalisten seit geraumer Zeit nicht mehr möglich. Der Grund dafür sind negative Erfahrungen mit Vertretern dieser Zunft, welche leider manchmal nicht ganz zu Unrecht einen zweifelhaften Ruf genießt. Doch für Austrian Wings wurde seitens des ÖAMTC und der Stützpunktleitung von Christophorus 9 freundlicherweise eine Ausnahme gemacht. Dafür ausschlaggebend war neben unserer seit Jahren ausgezeichneten Kooperation mit Österreichs Flugrettern schließlich, dass einer unserer Autoren vor einiger Zeit selbst als Notfallpatient unfreiwillig auf der Trage eines "gelben Engels" lag. Mit dieser Reportage sagt Austrian Wings diesen Frauen und Männern ein herzliches Danke, und möchte zugleich das Verständnis für die nicht immer einfache Arbeit der fliegenden Retter bei der Bevölkerung stärken. Denn so unglaublich es klingt, noch immer beschweren sich manche Zeitgenossen über den "störenden Fluglärm" der Notarzthelikopter und scheinen dabei zu vergessen, dass auch sie schneller als gedacht in die Situation kommen könnten, deren Hilfe zu benötigen. Denn schon eine Sekunde der Unachtsamkeit im Straßenverkehr oder ein simpler Insektenstich können genügen, und man ist auf die medizinische Kompetenz und die unübertroffen rasche Eintreffzeit eines Notarzthelikopters angewiesen ...

Seit dem Jahr 2001 ist Christophorus 9 in Wien Aspern beheimatet - der moderne EC 135 löste den seinerzeit in der Kaserne Meidling stationierten "Martin 3" des Innenministeriums als Wiener Notarzthubschrauber ab. Tagtäglich ist der Helikopter seither mit einer Dreier-Crew, bestehend aus einem Piloten, einem Notarzt und einem HEMS-Crewmember (Flugretter), von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang im Einsatz. Er wird immer dann angefordert, wenn der Verdacht besteht, dass bei einem Patienten aufgrund einer Verletzung oder Erkrankung akute Lebensgefahr besteht oder ein rascher beziehungsweise schonender Transport - etwa bei Wirbelsäulenverletzungen - in eine (Spezial-) Klinik erforderlich ist. Auch Verlegungen von einem Krankenhaus in ein anderes, so genannte Sekundärtransporte, werden gelegentlich durchgeführt, wenn es besonders schnell gehen muss.

Sicherheit und höchste Qualität stehen bei der Christophorus-Flugrettung an erster Stelle, weshalb Pilot und medizinische Crew jeden Morgen die gesamte Ausrüstung einer genauen Kontrolle unterziehen.

Dr. Herbert Heissenberger ist Routinier und leitender Flugrettungsarzt.
Dr. Herbert Heissenberger ist Routinier und leitender Flugrettungsarzt des Asperner Notarzthubschraubers. Seit 1998 ist er Notarzt. Nach zwei Jahren beim Roten Kreuz wechselte er zur Wiener Berufsrettung. Seit neun Jahren fliegt er auf Christophorus 9.

Dienstbeginn ist im Sommer gegen sechs Uhr Früh, folglich finden sich Notarzt, Flugretter und der diensthabende Flieger rund 30 Minuten zuvor am Stützpunkt ein. Beim Austrian Wings-Besuch sind dies Pilot Robert Schornsteiner (nicht zu verwechseln mit Robert Schornstheimer, jenem Piloten, der 1988 eine schwer havarierte Boeing 737 auf Hawaii sicher landen konnte), Harald Glück (HEMS-Crewmember) und Dr. Herbert Heissenberger (Notarzt).

Nach der morgendlichen Überprüfung der Ausrüstung im Hangar wird der Helikopter ins Freie geschoben.
Nach der morgendlichen Überprüfung der Ausrüstung im Hangar wird der Helikopter ins Freie geschoben.

Schornsteiner begeisterte sich schon in frühester Jugend für die Luftfahrt und war als Modellflugpilot international erfolgreich, ehe er beim Bundesheer die Pilotenlaufbahn einschlagen konnte: "Die Basisschulung erfolgte für alle Piloten auf Flächenflugzeugen wie der Saab Safir, danach ging es für mich und einige Kameraden zur weiteren Ausbildung auf Hubschraubern nach Langenlebarn". Hier flog er zunächst etwa ein Jahr lang die Bell 206, ehe er nach Aigen im Ennstal wechselte, auf die Alouette III umschulte und im Gebirge Rettungseinsätze flog. Aber auch die berühmten Grenzüberwachungsflüge bei Nacht von Punitz oder Trausdorf aus stehen in Schornsteiners Flugbuch. Darüber hinaus ist er Instruktor, Simulatorfluglehrer und Prüfer im Auftrag der Behörde. 2001 wechselte er zum ÖAMTC, "weil das Bundesheer die Rettungsfliegerei eingestellt hat". Sonst würde er wohl noch heute die olivgrüne Kombi der Heeresflieger tragen.

Cpt. Robert Schornsteiner,einer der erfahrensten ÖAMTC-Rettungspiloten.
Cpt. Robert Schornsteiner gehört zu den erfahrensten ÖAMTC-Rettungspiloten.

HEMS-Crewmember Harald Glück ist ein Ur-Gestein der Flugrettung. Der Notfallsanitäter NKI der Wiener Berufsrettung flog von 1994 bis 2001 schon auf Martin 3 und wurde danach ins Team von Christophorus 9 übernommen, wo er mittlerweile als stellvertretender leitender Flugrettungssanitäter tätig ist. Er ist übrigens der letzte Flugretter aus der "alten Garde", die noch auf der damaligen Ecureuil des Innenministeriums Rettungseinsätze absolviert hat.

Für Harald Glück is Retten nicht Beruf, sondern Berufung.
Für Harald Glück ist Retten nicht Beruf, sondern Berufung.

Daneben ist Glück im Ausbildungszentrum der MA70 (Berufsrettung Wien) für die Aus- und Fortbildung seiner Kollegen zuständig. Der 50-jährige entdeckte seine Liebe zur (Notfall-) Medizin beim Bundesheer, als er dort eine Sanitätsgehilfenausbildung absolvierte: "Seit 1987 bin ich jetzt bei der Berufsrettung in Wien und kann mir keinen anderen Job mehr vorstellen."

Der erste Einsatz des Tages

Nach der Überprüfung der Ausrüstung begibt sich die Crew in den mit Küche, Sofa, Fernseher und Ruheräumen behaglich ausgestatteten Aufenthaltsbereich des Stützpunktes.

Sanitäter und Notarzt checken den Einsatzrucksack vor Dienstbeginn.
Sanitäter und Notarzt checken den Einsatzrucksack vor Dienstbeginn.

Eigentlich steht jetzt erst einmal das Frühstück auf dem Programm. Wie gesagt, eigentlich. Denn daraus wird heute nichts, die Pager schlagen an: Alarm! Die Leitstelle hat einen Verkehrsunfall mit mehreren Fahrzeugen auf der Südosttangente gemeldet. Näheres ist zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt.

Zügigen Schrittes begeben sich die drei Männer zum Helikopter. Cpt. Schornsteiner nimmt auf dem Pilotensitz rechts vorne Platz, Notarzt Heissenberger im Patientenabteil mit Blick in Flugrichtung. Notfallsanitäter Glück überwacht den Anlassvorgang der beiden Turbinen von außen und steigt dann zu.

Cpt. Schornsteiner im Cockpit, der Notfallsanitäter wartet als HEMS-Crewmember so lange außerhalb des Helikopters, bis dieser abflugbereit ist.
Cpt. Schornsteiner im Cockpit, der Notfallsanitäter wartet als HEMS-Crewmember so lange außerhalb des Helikopters, bis dieser abflugbereit ist.

Binnen drei Minuten nach Alarm ist Christophorus 9 in der Luft und nimmt Kurs auf den angegebenen Notfallort. Es ist 06:24 Uhr.

Da sich der Helikopter in der Kontrollzone Wien bewegt, muss der Pilot mit der Flugsicherung Kontakt aufnehmen und seine Absichten bekannt geben, wobei der Notarzthubschrauber absolute Priorität gegenüber jeglichem anderen Luftverkehr hat. Sanitäter Glück steht indes über Sprechfunk mit der Rettungsleitstelle in Verbindung und versucht, weitere Details zur Situation am Unfallort in Erfahrung zu bringen. Der Notfallmediziner im hinteren Bereich der Kabine kann den gesamten Funkverkehr über das Intercom-Bordsprechsystem mithören.

Der Notarzt steht mit den übrigen Crewmitglieder in Sprechverbindung. Im Hintergrund ist ein Teil der medizinischen Notfallausrüstung des Helikopters zu erkennen.
Der Notarzt steht mit den übrigen Crewmitgliedern in Sprechverbindung. Im Hintergrund ist ein Teil der medizinischen Notfallausrüstung des Helikopters zu erkennen.

Nach wenigen Minuten Flugzeit erreicht Christophorus 9 die Unfallstelle und die Besatzung erkennt aus der Luft, dass offenbar drei Fahrzeuge miteinander kollidiert sind - ein klassischer Auffahrunfall im Wiener Frühverkehr. Noch aber ist unklar, ob beziehungsweise wie viele Verletzte es gibt.

Unfall im Frühverkehr auf Österreichs meistbefahrener Straße. Zum Glück gab es keine Verletzten.
Unfall im Frühverkehr auf Österreichs meistbefahrener Straße. Zum Glück gab es keine Verletzten.

Eine Landung auf der dicht befahrenen Straße ist zudem nicht möglich, da die Polizei die Fahrbahn noch nicht gesperrt hat. Wenige Augenblicke später meldet sich der Sanitäter eines bodengebundenen Einsatzmittels über Funk und teilt den fliegenden Rettern mit, dass sie nicht benötigt werden. Schornsteiner wendet seinen EC 135 und fliegt zurück zum Stützpunkt, wo er um 06:35 landet. Der gesamte Einsatz dauerte nur 11 Minuten. Obwohl kein Patient transportiert wurde, wartet auf den Arzt und den Piloten jetzt einiges an Schreibarbeit, denn auch Fehleinsätze müssen penibel protokolliert werden. Diese werden von den Krankenkassen übrigens nicht bezahlt. Hier springt die Stadt Wien ein, da der ÖAMTC sonst auf diesen Kosten sitzen bleiben würde.

Zeit fürs Frühstück und etwas Entspannung

Nach der Rückkehr ist endlich Zeit fürs Frühstück - es gibt Gebäck, Wurst, Schinken, Käse, Kaffee und Fruchtsäfte. Danach entspannt sich jedes der Crewmitglieder auf seine Art und Weise, sei es beim Fernsehen, Internetsurfen oder bei einem kurzen Nickerchen.  Gerade in den Sommermonaten, wo die Dienste mitunter über 14 Stunden dauern und durch eine hohe Einsatzfrequenz - 8 bis 12 Alarmierungen sind keine Seltenheit - psychisch wie physisch extrem fordernd sind, ist jede Minute Erholung äußerst wertvoll.

Die Ruhe währt rund zweieinhalb Stunden, dann schlagen die Pager erneut an: "Verkehrsunfall, Autofahrer gegen Motorrad", lautet die Berufungsmeldung. Es ist 09:08 Uhr. Der Einsatzort soll in unmittelbarer Nähe des Stützpunktes im Stadtteil Hirschstetten liegen. Kaum in der Luft, nimmt Christophorus 9 Kurs dorthin. Doch so sehr sich die Besatzung auch bemüht, sie kann den Notfallort zunächst nicht entdecken. Erst als ein RTW der Berufsrettung Wien zufährt, wird die Situation klarer: Ein Pkw-Lenker hat beim Abbiegen einen Radfahrer umgestoßen, der nun auf dem Boden liegt.

Exekutive und der bodengebundene Rettungsdienst sind bereits vor Ort.
Exekutive und der bodengebundene Rettungsdienst sind bereits vor Ort.

Gemeinsam suchen Pilot und Flugretter einen geeigneten Landeplatz in der Nähe. Schornsteiner: "Die Hindernisfreiheit ist das A und O, denn Hochspannungsleitungen, Lichtmasten und dergleichen können uns wirklich gefährlich werden."

Auch der Notarzt im hinteren Teil des Helikopters beobachtet das Areal ganz genau und Meter für Meter setzt Schornsteiner seinen EC 135 schließlich neben einem Supermarktparkplatz auf, wo der Helikopter sofort zum begehrten Fotoobjekt der Kunden wird. Notarzt und Sanitäter begeben sich zu Fuß zum etwa 300 Meter entfernt auf dem Boden liegenden Patienten, der bereits von der RTW-Crew erstversorgt wurde. Nach einem kurzen Check des jungen Mannes entscheidet Dr. Heissenberger, dass der Radfahrer - er war ohne Helm unterwegs - wegen des Verdachts auf ein Schädel-Hirn-Trauma rasch mit Arztbegleitung ins Krankenhaus muss.

Rechts NAH Christophorus 9, im Hintergrund der RTW der Berufsrettung Wien.
Christophorus 9 im Einsatz mit einem Rettungswagen der Berufsrettung Wien.

Über die Rettungsleitstelle wird indes abgeklärt, welches Spital freie Kapazitäten hat, während das Unfallopfer mit dem Rettungstransportwagen zum Helikopterlandeplatz gefahren und auf die Trage des Hubschraubers umgeladen wird.

Bodengebundener Rettungsdienst, Exekutive und Flugrettung arbeiten zum Wohle des Patienten eng zusammen.
Bodengebundener Rettungsdienst, Exekutive und Flugrettung arbeiten zum Wohle des Patienten eng zusammen.

"Wir fliegen ins Wilheminenspital", informiert Sanitäter Glück seinen Piloten. Der lässt die Turbinen an und macht sich startbereit. "Kabine klar", meldet der Notarzt aus dem Patientenabteil, und Schornsteiner zieht sein Fluggerät in die Höhe.

Während des Fluges verabreicht der erfahrene Notfallmediziner seinem Patienten noch ein Medikament.
Während des Fluges verabreicht der erfahrene Notfallmediziner seinem Patienten noch ein Medikament und überwacht die Vitalfunktionen lückenlos.

Kurz darauf wird der Patient auch schon von den Traumaspezialisten im "Willi", wie das Krankenhaus auch liebevoll genannt wird, übernommen.

Ankunft im Wilheminenspital.
Ankunft im Wilheminenspital.

C9 startet wieder, und nimmt Kurs auf den Stützpunkt in Aspern. Die Landung erfolgt um 09:45, der gesamte Einsatz hat nur 37 Minuten gedauert. Ein Zeitwert, der mit bodengebundenen Rettungsmitteln niemals zu schaffen gewesen wäre.

Der Stützpunkt liegt direkt am altern Asperner Flughafen.
Der Stützpunkt liegt direkt am ehemaligen Asperner Flughafenareal.

Einsätze am laufenden Band

Gerade einmal ein Glas Wasser geht sich zur Erfrischung aus, denn keine zehn Minuten nach der Rückkehr nach Aspern schlagen die Melder erneut an - diesmal geht es nach Hainburg an der Donau. Der dortige Notarztwagen hat den Hubschrauber als Transportmittel angefordert, weil ein Mann von einem Hausdach gestürzt ist und der Verdacht auf ein Wirbelsäulentrauma besteht.

Christophorus 9 beim Start.
Christophorus 9 beim Start.

Kurz vor 10 Uhr nimmt der Helikopter mit der Kennung OE-XEN Kurs auf die Stadt Hainburg. Nach 15 Minuten Flug setzt der Pilot die Maschine auf einer Wiese auf.

Notarzt Heissenberger auf dem Weg zum Patienten.
Notarzt Heissenberger auf dem Weg zum Patienten, Flugretter Glück im Gespräch mit einem Rot-Kreuz-Helfer.

Der Patient, ein älterer Mann, wurde bereits vom bodengebundenen Notarzt versorgt und wird nun von der Flugrettung übernommen. Dr. Heissenberger: "Bei Rückenverletzungen ist der Helikopter das schonendste Transportmittel und deshalb absolut sinnvoll." Nur 14 Minuten später nimmt ein Ärzteteam auf dem neu errichteten Dachlandeplatz des Krankenhauses in Mödling den Patienten zur weiteren medizinischen Behandlung in Empfang.

Patientenübergabe im Krankenhaus Mödling.
Patientenübergabe im Krankenhaus Mödling.

C9 macht sich auf den Rückflug um zu tanken. Um 10:45 Uhr erreicht der gelbe Helikopter seinen Stützpunkt. Cpt. Schornsteiner: "Wir verfügen am Stützpunkt über eine eigene Tankstelle, wo wir den Helikopter innerhalb weniger Minuten auftanken können."

HEMS-Crewmember Harald Glück ist auch für die Betankung der EC 135 verantwortlich.
HEMS-Crewmember Harald Glück ist auch für die Betankung des EC 135 verantwortlich.

"Atemnot"

Doch es vergehen nur Minuten, bis der nächste Alarm die Routine auf der Station unterbricht. Schon um 10:54 Uhr ist Christophorus 9 wieder in der Luft. Diesmal geht es in Richtung Breitenfurt im Wienerwald, wo ein älterer Mann über akute Atemnot klagt. Ein Rettungswagen des Roten Kreuzes befindet sich bereits vor Ort. Neun Minuten nach dem Start setzt der Hubschrauber bei strahlend blauem Himmel und sommerlichen Temperaturen auf einer großen Wiese auf.

C9-Repo_ÖAMTC Notarzhubschrauber Christophorus 9 OE-XEN Heissenberger Glück Foto Huber Austrian Wings Media Crew_001

Glück und Heissenberger begeben sich zu Fuß zur Wohnung des Patienten, während Cpt. Schornsteiner beim Helikopter bleibt. Rasch weckt der Einsatz auch hier die Neugierde von Bewohnern und Spaziergängern, die sich den Rettungshubschrauber aus der Nähe ansehen wollen. "Wenn es einsatztechnisch möglich ist, zeigen wir Kindern und natürlich auch junggebliebenen Eltern sehr gerne unser Arbeitsgerät", schmunzelt der routinierte Pilot.

Schornsteiner ist ein "alter Hase" und besonders kinderfreundlich, wenn kleine Fliegerfans seinen Helikopter anschauen wollen.
Schornsteiner ist ein "alter Hase" und besonders kinderfreundlich, wenn kleine Fliegerfans seinen Helikopter anschauen wollen.

Auch Geschenke für die Kinder hat er immer dabei. Und so erhält ein entzückendes 13 Monate altes Mädchen, das den Hubschrauber zusammen mit seiner Mutter bestaunt, gleich ein Bilderbuch als Erinnerung. Indes kehrt die medizinische Besatzung alleine zurück. Nach entsprechender Versorgung durch den Hubschraubernotarzt konnte der Patient bodengebunden per Rettungsauto hospitalisiert werden, ein Luftransport oder weitere ärztliche Begleitung waren nicht mehr erforderlich.

Etwa eine halbe Stunde nach Einsatzbeginn geht es nun wieder Richtung Stützpunkt, wo sich die Crew schon auf das Mittagessen freut. Theoretisch. Denn ein ungeschriebenes Gesetz für Einsatzkräfte besagt, dass meist genau dann, wenn man warme Nahrung zu sich nehmen möchte, ein Alarm eingeht ...

"Murphys Law" außer Kraft

Allerdings scheinen die Götter diesmal ein Einsehen zu haben, und so kommen die drei Rettungsflieger zu ihrem wohlverdienten Mittagessen - samt anschließender Ruhepause. Erst kurz vor 16 Uhr meldet sich die Leitstelle wieder mit einem Einsatz zu Wort: Verkehrsunfall auf der Außenringautobahn, nähere Informationen liegen noch nicht vor. Doch noch auf dem Weg dorthin wird der Helikopter nach Hainburg umdirigiert, wo zwischenzeitlich ein Motorradfahrer schwer gestürzt ist. Weil der Arzt des dortigen Notarztwagens neben einer Oberarmfraktur auch ein Wirbelsäulentrauma vermutet, hat er einen Hubschrauber angefordert. Zum ursprünglich gemeldeten Verkehrsunfall auf der Autobahn rückt stattdessen das Notarztteam des Roten Kreuzes Mödling aus.

Der Notarztwagen Mödling auf dem Weg zu einem Einsatz, Symbolbild.
Der Notarztwagen Mödling auf dem Weg zu einem Einsatz, Symbolbild.

Nach rund 10 Minuten Flugzeit schwebt Robert Schornsteiner mit seinem Helikopter über der Unfallstelle bei Hainburg, die von oben durch die zahlreichen anwesenden Feuerwehr- und Rettungsfahrzeuge gut zu erkennen ist.

C9-Repo Christophorus 9 OE-XEN Notarzthubschrauber Unfallstelle zweiter Einsatz Hainburg Foto Huber Austrian Wings Media Crew

Drei Minuten später setzt die OE-XEN auf der durch die Polizei bereits abgesperrten Fahrbahn auf.

NAW und NAH-Mannschaft treffen sich an der Unfallstelle.
Die Rettungsmannschaften treffen einander an der Unfallstelle.
C9-Repo_ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Notarztwagen NAW Hainburg Verkehrsunfall Foto Huber Austrian Wings Media Crew

Auch hier ist der Patient bereits ausreichend versorgt, sodass Christophorus 9 die Funktion des schonenden und schnellen Transportmittels übernimmt. Der Flugrettungsarzt gewährleistet dabei die lückenlose Weiterbetreuung des Verletzten.

Flugretter (re.) und Pilot besprechen sich hinsichtlich des Zielkrankenhauses.
Flugretter (re.) und Pilot besprechen sich hinsichtlich des Zielkrankenhauses.

Eine Viertelstunde nach der Ankunft am Notfallort in Hainburg hebt die fliegende Intensivstation ab und erreicht nur 14 Minuten später das Krankenhaus Mödling, wo der Patient medizinisch weiterbetreut und unter anderem ein Röntgen der Wirbelsäule vorgenommen wird. Zum Vergleich: Mit dem Notarztwagen hätte die Fahrt selbst unter Verwendung von Blaulicht und Folgetonhorn mehr als eine Stunde gedauert!

Während des Fluges protokolliert der Notarzt den Einsatz sowie die erhobenen Vitalparameter des jeweiligen Patienten.
Während des Fluges protokolliert der Notarzt den Einsatz sowie die erhobenen Vitalparameter (Blutdruck, ggf. Blutzucker, Atemfrequenz, Pulsfrequenz, etc ...) des jeweiligen Patienten.

Vom Krankenhaus Mödling zurück nach Aspern braucht C9 gerade einmal neun Minuten. Rund eine dreiviertel Stunde bleibt der Besatzung nun Zeit, sich um das Protokollieren der vorherigen Einsätze zu kümmern, sich zu erholen, etwas zu essen und zu trinken - dann wird sie zu einem Verkehrsunfall in Wien gerufen.

C9-Repo_ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Flugretter Glück Pilot Schornsteiner Foto Huber Austrian Wings Media Crew

Noch auf dem Flug dorthin allerdings erfolgt das Storno. Schornsteiner wendet seinen Helikopter und steuert den Stützpunkt an. Doch kaum dort angekommen, wird von der Leitstelle der Wiener Rettung eine nicht ansprechbare Person gemeldet. Notfallort: Ein Haus im dritten Wiener Gemeindebezirk.

C9-Repo_ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Foto Huber Austrian Wings Media Crew

Zentimetergenau setzt der Pilot nur wenig später den Helikopter zwischen parkenden Autos, Straßenlaternen und Hauswänden auf. Für den Laien scheint es unvorstellbar, dass hier ein Hubschrauber Platz hat. Zuvor hat die Polizei den Landebereich abgesperrt, ein Rettungswagen der Wiener Berufsrettung ist ebenfalls vor Ort.

Selbst auf kleinsten Flächen kann ein Helikopter von der Größe eines EC 135 problemlos landen, einen guten Piloten und vorbildliches CRM vorausgesetzt.
Selbst auf kleinsten Flächen kann ein Helikopter von der Größe eines EC 135 problemlos landen, einen guten Piloten und vorbildliches CRM vorausgesetzt.

Nach einer kurzen Untersuchung des Patienten stellt Dr. Heissenberger die Diagnose: "Der Mann hat eine schwere Hypoglykämie", einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel.

C9-Repo_ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Einsatz Wien 3 Foto Huber Austrian Wings Media Crew
C9-Repo_ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Einsatz Wien 3 Foto Huber Austrian Wings Media Crew_1

Infolge dessen hatte der Patient das Bewusstsein verloren. Der Notarzt appliziert eine Glukose-Infusion und übergibt ihn der Mannschaft des anwesenden Rettungswagens, die für den Transport ins Krankenhaus sorgen wird. Für die Crew von Christophorus 9 ist dieser Auftrag damit erledigt. Der Helikopter fliegt zurück zum Heliport Aspern, wo er um 18:34 Uhr ankommt. Noch etwas weniger als zwei Stunden bis Dienstende.

Notarzt Heissenberger nützt die Zeit, um die Daten der handgeschriebenen Protokolle ins Computersystem zu übertragen.

Kindernotfall

Kurz vor Dienstschluss wird die Mannschaft dann zu einem Einsatz in Wien gerufen, der ihr mental noch einmal alles abverlangt: "Kinderreanimation" lautet die Erstinformation. "Derartige Situationen sind selbst für erfahrene Helfer stets aufs Neue eine große Herausforderung", weiß auch Ronald Packert, Sprecher der Wiener Berufsrettung.

Start zum letzten Einsatz des Tages.
Start zum letzten Einsatz des Tages.

Während des Fluges zum Notfallort bereitet sich Dr. Heissenberger bereits gedanklich auf die Situation vor Ort vor und ruft sich mit Hilfe eigener Tabellen, die er immer griffbereit hat, die Dosierungen wichtiger Medikamente für solche Fälle noch einmal in Erinnerung.

Zwischenzeitlich informiert die Leitstelle über Funk die Männer an Bord des Hubschraubers, dass bereits eingetroffene Sanitäter und ein Notarzt der Wiener Berufsrettung mit medizinischen Maßnahmen begonnen haben.

NEF (links) und RTW aus der Luft gesehen.
Notarzteinsatzfahrzeug und Rettungswagen aus der Luft gesehen.

Weil unmittelbar am Einsatzort eine Landung aus Platzgründen nicht möglich ist, setzt Schornsteiner den Hubschrauber auf dem Parkplatz eines nahegelegenen Freizeitzentrums auf.

Ein Autoparkplatz wird kurzerhand zum "Helipad" umfunktioniert.
Ein Autoparkplatz wird kurzerhand zum "Helipad" umfunktioniert - die Exekutive sichert den Landeplatz.

Nach der Landung erfährt Notarzt Heissenberger, dass das Kleinkind von Polizeibeamten und der bodengebundenen Rettungscrew bereits erfolgreich wiederbelebt wurde. In Wien werden Streifenpolizisten oftmals zu Lebensrettern - ihre Einsatzfahrzeuge verfügen über medizinisches Equipment und werden bei lebensbedrohlichen Notfällen, parallel zum Rettungsdienst, mitalarmiert. Nun soll in wenigen Minuten der Rettungswagen den jungen Patienten zum Helikopter bringen. Der gelbe Eurocopter ist mittlerweile von interessierten Familien umbringt.

Wann immer es die Situation zulässt, wird Interessierten auch am Einsatzort die Möglichkeit zur Besichtigung des Hubschraubers gegeben.
Wann immer es die Situation zulässt, wird Interessierten auch am Einsatzort die Möglichkeit zur Besichtigung des Hubschraubers gegeben.

"Ihr könnt euch den Hubschrauber anschauen, aber wenn die Rettung kommt, müsst ihr sofort weg, einverstanden?", lädt Dr. Heissenberger die anwesenden Kinder ein. Die lassen sich nicht zweimal bitten und nehmen Christophorus 9 genau unter die Lupe.

Alle Überwachungsgeräte sowie die Beatmungseinheit werden vorbereitet.
Alle Überwachungsgeräte sowie die Beatmungseinheit werden vorbereitet.

In der Zwischenzeit richten Doktor Heissenberger und Flugretter Glück den Patientenraum für den Transport des Kleinkindes her. Nur Augenblicke später kommt auch schon der Rettungswagen mit dem jungen Patienten an Bord.

Per RTW wird das Kind zum NAH gebracht.
Per Rettungswagen wird das Kind zum Landeplatz gebracht.

Mit vereinten Kräften laden Polizisten und Sanitäter ihren kleinen Patienten vom Rettungsauto in den Helikopter um. Es zählt jede Minute. Die beiden Notärzte führen ein kurzes Übergabegespräch, ehe Christophorus 9 abhebt und so rasch als möglich den Dachlandeplatz des Wiener Donauspitals ansteuert. Mittlerweile ist es dunkel geworden.

Der Notarzt überwacht seinen kleinen Patienten intensiv.
Der Notarzt überwacht seinen kleinen Patienten mit Argusaugen.

Am Helipad des Krankenhauses stehen schon Spezialisten bereit, die das intubierte und künstlich beatmete Baby in ihre Obhut nehmen. Notarzt Heissenberger begleitet sie hinab ins Gebäude, um vor Ort im Behandlungsraum seine ärztlichen Kollegen über alle bereits getroffenen Maßnahmen detailliert zu informieren.

C9-Repo_Nachtaufnahme ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Dachlandeplatz SMS Ost Patientenübergabe Foto Huber Austrian Wings Media Crew_1
C9-Repo_Nachtaufnahme ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Dachlandeplatz SMS Ost Patientenübergabe Foto Huber Austrian Wings Media Crew_2
C9-Repo_Nachtaufnahme ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Dachlandeplatz SMS Ost Patientenübergabe Foto Huber Austrian Wings Media Crew_3
Zügiger Kliniktransport auch bei Dunkelheit: für viel Patienten könnte dies bedeutende Vorteile bringen.
C9-Repo_Nachtaufnahme ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 Dachlandeplatz SMS Ost Patientenübergabe Foto Huber Austrian Wings Media Crew_4

Erst nach rund 20 Minuten kehrt er zurück. Das Kind lebt, sein Zustand aber bleibt vorerst kritisch.

C9-Repo_Nachtaufnahme Cockpit ÖAMTC Notarzthubschrauber Christophorus 9 OE-XEN Foto Huber Austrian Wings Media Crew

Es ist ein schweigsamer Rückflug zum nur vier Minuten entfernten Stützpunkt. Für die Schönheit der nächtlichen Bundeshauptstadt, die unter ihnen vorbeizieht, haben die Männer in diesem Moment kaum einen Blick. Jeder verarbeitet letztlich anspruchsvolle Einsätze auf seine Weise.

Rückflug nach Aspern.
Rückflug nach Aspern.

Doch obwohl ihr Dienst offiziell seit mehr als 40 Minuten vorbei ist, wartet jetzt noch jede Menge Arbeit auf das Team. Neben der Protokollierung dieses Einsatzes muss auch der Helikopter gereinigt und desinfiziert werden. Außerdem gilt es, verbrauchte Medikamente aufzufüllen. Erst danach haben die drei Männer Feierabend.

Wieder zurück in Aspern ...
Wieder zurück in Aspern ...
... wird die OE-XEN mit vereinten Kräften wieder in den Hangar gezogen.
... wird die OE-XEN mit vereinten Kräften in den Hangar gezogen.

Am nächsten Morgen wird Christophorus 9 wieder bereit stehen, um Menschen in Not rasche Hilfe zu bringen. So wie jeden Tag seit dem 1. April 2001.

Text & Fotos: Patrick Huber, www.der-rasende-reporter.info

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