Punktlandung

MetroJet/Kolavia: Hochgradig unseriöse Behauptungen der Airline

224 Menschen sind tot, unter ihnen 24 Kinder. Das jüngste Opfer war gerade einmal 10 Monate alt. Sie starben, als ein A321 der russischen Fluggesellschaft MetroJet (Kolavia) kurz nach dem Start in Sharm el Sheikh offenbar in der Luft auseinanderbrach und abstürzte. Das sind alle bislang bekannten Fakten. Wer mehr behauptet, spekuliert - und ist damit unseriös. Genau das aber macht die verantwortliche Fluggesellschaft in unverantwortlicher Art und Weise. Es wirkt, als werfe sie die sprichwörtlichen Nebelgranaten. Doch weshalb? Hat sie etwas zu verbergen? Ist es Präpotenz? Oder einfach nur Dummheit? Ein Kommentar aus gegebenem Anlass.

Sehen wir uns dazu an, was die Verantwortlichen der Airline bisher von sich gegeben haben: Bereits kurz nach dem tragischen Crash, die Trümmerteile waren noch nicht einmal ausgekühlt, verkündete das Management schon, dass menschliches Versagen als Ursache der Tragödie ausgeschlossen werden könne. Vielmehr müsse ein technisches Problem zu dem Unglück geführt haben. Denn der Kapitän sei mit 12.000 Flugstunden sehr erfahren gewesen. Das mag sein, doch es haben schon viele Piloten mit einer ähnlich hohen Anzahl an Flugstunden versagt. Und was noch erschwerend hinzukommt ist, dass gerade in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion auch noch so an Flugstunden  erfahrene Piloten häufig über massive fachliche Leistungsmängel und CRM-Defizite verfügen sowie auffallend häufig alkoholisiert unterwegs sind, wie glaubwürdige Zeugen nach Reisen in diesem Gebiet berichten. Auch sind mehrere derartige Vorfälle auf internationalen Flügen in der jüngeren Vergangenheit publik geworden, zuletzt bei Air Baltic. Ob einer dieser Punkte auch beim MetroJet-Absturz zutreffend war und/oder eine Rolle gespielt hat, ist noch völlig offen. Genau deshalb kann man es auch nicht im Vorhinein ausschließen. Fakt ist: Eine hohe Flugstundenanzahl alleine sagt überhaupt nichts über die Qualität eines Piloten aus, denn man kann auch 12.000 Stunden mehr schlecht als recht unterwegs gewesen sein und einfach keine großen Notfälle dabei erlebt haben.

Hatte es bisher also geheißen, technische Probleme seien die einzige Erklärung für das Unglück, schwenkte die Fluglinie gestern plötzlich um und sprach von einer "äußeren Einwirkung" als "einzige Erklärung" für den Crash. Aha. Woher die Verantwortlichen das plötzlich wissen wollen und was sie damit genau meinen, verschweigen sie freilich. Fakt ist nämlich, dass Unfallermittler aus Russland, Ägypten, Irland (dort war die Unglücksmaschine registriert), Deutschland und Frankreich (beide Länder sind an der Herstellung des A321 beteiligt) gerade erst dabei sind, das Puzzle mühsam zusammenzusetzen und derzeit noch gar keine gesicherten Aussagen über die Absturzursache möglich sind.

Was MetroJet/Kolavia derzeit öffentlich von sich gibt, ist daher einfach nur unseriös und durchaus geeignet, bei vielen Menschen den Eindruck aufkommen zu lassen, als wolle das Unternehmen von möglicher eigentlicher (Mit-) Verantwortung ablenken - das könnten beispielsweise schlechte Wartung generell oder die mangelhafte Reparatur struktureller Schäden sein. Oder auch Piloten, die mit einem eventuell plötzlich auftretenden technischen Problem überfordert waren.

Welches Szenario nun aber tatsächlich zutrifft, werden hoffentlich in ein paar Wochen die wahren Experten geklärt haben. Zwischenrufe fachlich ahnungsloser Manager und/oder Unternehmenssprecher sind da entbehrlich.

Text: HP
Titelbild: Die Trümmer an der Absturzstelle am Sinai - Foto: Screenshot YouTube

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.