Eine Besonderheit an unserer Leidenschaft ist das sogenannte Inselhüpfen, eine Form der kommerziellen Luftfahrt, in welcher mittels Flugzeug Inseln an das sogenannte „Festland“ angebunden oder aber je nach Geografie untereinander verbunden werden. Zwar kommt es schon einmal vor, dass die eine oder andere Insel mit Großgerät angeflogen wird, die Insel Kish im Iran ist so ein Beispiel, jedoch fällt diese Form des Inselverkehrs nicht direkt unter den Begriff „Inselhüpfen“. Vielmehr ist dieser Begriff mit einem gewissen Flair verbunden. Unweigerlich gehört kleines Fluggerät dazu, um kleine Airports in entlegenen Gegenden mit wenig Flugaufkommen mit geringer oder gar keiner Infrastruktur zu bedienen. Man denkt bei der Inselfliegerei oft an die Karibik, Palmen, Sonne, Strand und Meer. Fakt ist, dass die Ausprägungen dieser Art der Fliegerei bei näherer Betrachtung unglaublich vielfältig sind, obwohl sie in Summe von den Transportmengen im Vergleich zu den klassischen Operations der Mainline- Industrie wenig oder gar keine Rolle spielt. Wenn Sie „reif für die Insel“ sind, dann sollten Sie die nachfolgenden Zeilen nicht bloß überfliegen. Es geht gemeinsam mit Austrian Wings an Bord zweier kleiner Turboprops auf zwei faszinierende Eilande, die unterschiedlicher nicht sein können.
Die Flüge der AUA mögen zwar für Flugzeugenthusiasten immer langweiliger werden, da vom aeronautischen Erlebnis die Strecken auf dem A319 eher unspektakulär sind. Die Durchführung ist in der Regel immer pünktlich und die Fenster sind sauber, somit ist die Airline ideal für unvermeidbare Flüge und gute Fotoshootings der Landschaft.
Mit Avies, einer Regionalairline aus Estland geht es einerseits im Norden Europas von Tallinn aus auf die Insel Saaremaa, an Bord einer Jetstream 31. Und um im Süden Palmen, Sonne, Strand und Meer nicht zu kurz kommen zu lassen, hüpfen wir im zweiten Teil der Story an Bord einer Twin Otter vom Wasserflughafen Male aus in das Ari Atoll auf den Malediven! Die Diversität der Inselfliegerei wird einem bei diesen beiden weit von einender entfernten Destinationen erst so richtig bewusst. Was es dabei neben interessantem Fluggerät und erfrischenden Airlines noch so zu sehen gibt, wird das Thema der beiden Berichte sein.
Mit Avies nach Kuressaare
Wer einmal auf die Insel will, der muss dazu nicht gleich um die halbe Welt fliegen und tief ins Börserl greifen! Oft ist das Gute so nah und günstig, dass sich bereits ein Wochenend- Trip lohnt. Und gleich vorweg, Palmen findet man im Norden Europas nicht, was aber eine Reise nicht weniger aufregend macht. Im Gegenteil, der Sprung auf die Insel sollte lediglich ein kleiner Teil einer Rundreise durch die faszinierenden Baltischen Staaten sein, mit ihrer reichen Kultur und Geschichte.
Das aus drei Staaten bestehende Baltikum (Estland mit seiner Hauptstadt Tallinn, Lettland mit Riga und Litauen mit Vilnius) ist für Aviatiker vor allem wegen Air Baltic ein Begriff. Der Low- Cost- Carrier mit Basis in Riga ist der größte Player am dortigen Markt und eine sehr interessante Wahl für Umsteigeverbindungen in den gesamten ehemaligen Ostblock. Eine weitere international operierende Airline der Region ist Estonian Airlines, mit Hub in Tallinn. Dass diese Airlines mit anderen Billigfliegern und den Legacy Carriern aus Europa kämpfen, verwundert nicht. Dass aber durch den enormen Preiskampf das eine oder andere interessante Angebot für den Kunden dabei herausspringt, ist ein anderer Aspekt des freien Marktes.
Der Flug auf die Insel Kuressare fand im Rahmen einer Reise von Tallinn nach Riga statt. Die An- und Abreise ins Baltikum erfolgte selbstverständlich mittels Luftfahrzeug. Zwischen Tallinn und Riga verkehrt man am Besten mit dem PKW, sowie regional mit Bussen und Zügen. Gebucht wurden die Tickets jeweils one-way, bei unterschiedlichen Airlines. Mit ca. 170 EUR und einem CRJ-900 machte die mittlerweile pleite gegangene Estonian Airlines das Rennen, retour waren knapp zwei Stunden auf einer Air Baltic Dash 8-Q400 sowohl preislich als auch vom Erlebnis her zu verlockend. Somit setzte sich die Reise durch das Baltikum aus folgenden aeronautischen Elementen zusammen: AUA A319, Estonian CRJ-900, Avies Jetstream 31, Air Baltic Q400. Alle Tickets kamen in Summe auf nicht mehr als 320 EUR, was für die Menge entsprechend günstig ist.
Mittelalterliches Tallinn
Man hat als Reisender wohl immer irgendwie das Gefühl, dass sich Städte versuchen touristisch über ein Thema zu positionieren. Ist dies für Wien Kultur, klassische Musik und die jüngere österreichische Geschichte, so bringt Tallinn mittelalterlichen Charme mit. Die estnische Hauptstadt glänzt durch Sauberkeit, skandinavischem Lifestyle und perfekter Inszenierung. Dabei lässt die Stadt jeglichen touristischen Kitsch und „Zwang“ vermissen. Was Tallinn bietet, ist eine atemberaubende Schönheit mit einem Flair einer längst vergangenen Zeit, welche man problemlos in zwei vollen Tagen komplett zu Fuß erkunden kann.
Auffallend war, dass im Zentrum vor allem Russisch gesprochen wird. Als einstige Elite in den damals sowjetischen Republiken, stellen Russen heute die größte Minderheit im Baltikum, obwohl sie immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. In den touristischen Zentren aber sind sie eine sehr wichtige Einnahmequelle und werden dementsprechend hofiert.
Tallinn ist eine alte Hansestadt, älteren Generationen ist sie noch unter dem Namen Reval bekannt. Das eigentliche Stadtzentrum aber liegt etwas abseits des Hafens und ist bis heute noch zu großen Teilen von einer Stadtmauer umgeben. Vom Rathausplatz ausgehend erhebt sich der Domberg, von welchem man einen sehr guten Blick über die Dächer der Stadt hinweg bis zur baltischen See hat. Auf ihm findet man neben dem Tallinner Dom (Estnisch- Evangelisch- Lutherisch) auch die Alexander- Newski- Kathedrale (Russisch- Orthodox). Der Rathausplatz bietet mit seinem Wahrzeichen in der Mitte eine wunderschöne Kulisse. Im Rathaus findet man ein traditionelles mittelalterliches Restaurant, in welchem man sehr rustikal Elchsuppe und andere estnische Spezialitäten in historischem Ambiente genießen kann.
Begibt man sich jenseits der alten Stadtmauer, so findet man immer weniger historische Gebäude. Einerseits dominiert dort die klassische sowjetische Architektur, andererseits werden derzeit alte Industrieruinen zu neuen, stylischen Luxusgebäuden umgewandelt. Weil Tallinn relativ klein ist, merkt man diese krassen Gegensätze umso mehr. Die Stadt ist ein interessantes Gefüge aus mittelalterlichem und sowjetischem Erbe, gepaart mit einer modernen, offenen, europäischen Zukunftsorientierung.
Ab auf die Insel
Neben der wunderschönen Hauptstadt bietet Estland auch ein reiches Angebot an Natur, sowie eine beeindruckende Küstenlinie von über 1500km Gesamtlänge. Auch liegen über 1500 Inseln vor der Küste Estlands. Von all diesen sind jedoch nur 19 bewohnt. Die größte der Inseln, mit einer Fläche von 2672 km² ist Saaremaa, mit ihrer Hauptstadt Kuressaare.
Um den Bewohnern der Insel einen einigermaßen schnellen und komfortablen Weg in die Hauptstadt zu ermöglichen, werden subventionierte Inlandsflüge angeboten. Zurzeit werden die zwei größten Inseln Estlands, Saaremaa (Flughafen Kuressaare) und Hiiumaa (Flughafen Kärdla) angeflogen. Einziger Anbieter ist Avies, mit je nach Flugplan 3 bis 4 Flugpaaren pro Woche. Zum Einsatz kommen heute BAe Jetstream 31 Turboprops. Aus den oben genannten Flugverbindungen ergeben sich entsprechende Passagiervolumina, für Kuressaare ca. 20.000 und für Kärdla ca. 11.000 Passagiere pro Jahr. Um hier leistbare Tickets anbieten zu können, benötigt man massive Subventionen. Und eben diese machen sich, wenn man im Rahmen einer Rundreise sowieso vor Ort ist, bezahlt. Mit 44,40 EUR hin und retour sollte man keine Sekunde überlegen. Gebucht werden kann bei Avies ganz einfach online, nach der Bezahlung bekommt man E- Tickets sowie eine separate Rechnung zugemailt. Es gibt je nach Buchungszeitraum eine günstigere und eine teurere Ticketklasse, der Unterschied sind aber nicht mehr als 20 EUR.
Der Flughafen Tallinn ist an das öffentliche Verkehrsnetz per Bus angeschlossen. Problemlos kommt man vom Ankunftsbereich ins Stadtzentrum, oder aber in andere Städte Estlands und des Baltikums. Die Flüge auf die Inseln finden jeweils morgens und abends mit je einem Flugpaar statt. Angeflogen wird immer nur eine Insel, somit kann man morgens anreisen und abends zurück nach Tallinn fliegen.
Dass bei einem solch günstigen Ticket versucht wird, den Aufwand möglichst gering zu halten, ist nur recht und billig. Eingecheckt wird an einem Schalter, ungefähr eine Stunde vor Abflug. Sind alle gebuchten Passagiere abgefertigt, macht der Schalter wieder dicht. Tallinn Airport bietet ein recht modernes Antlitz, mit Fluggastbrücken und offenen Parkpositionen. Die am entlegensten Flecken des Vorfelds geparkte Jetstream erreicht man mittels Autobus. Dass bei einem so kleinen Flieger und relativ wenigen Passagieren alles sehr schnell von statten geht, ist ein enormer Komfortgewinn.
Avies besaß Ende 2013 neben einer Reihe von Businessjets auch zwei BAe Jetstream Regionalprops für die Linienflüge auf die Inseln. Die BAe Jetstream ist eigentlich eine sehr alte Konstruktion, welche noch auf die Handley Page Jetstream aus dem Jahre 1969 zurückgeht. Die modernsten Versionen Jetstream 31 und 32 wurden ab 1988 produziert und nach circa 380 Einheiten 1993 eingestellt. Geflogen wird die Maschine üblicherweise mit 2 Piloten und einer Person als Kabinenbesatzung. Heute findet man diesen kleinen Prop nur mehr sehr selten im Linienverkehr an, da ein 19- Sitzer nur unter sehr eingeschränkten Bedingungen gewinnbringend zu betreiben ist.
Die J31 (3 Letter Code für die Jetstream 31) bringt trotz ihrer Größe kaum Einschränkungen im Flugbetrieb mit sich. Sie hat alles was ein moderner Airliner benötigt an Bord. Alles ist aber entsprechend dem mangelnden Platzangebot angepasst und auf das nötigste reduziert. In der typischen 1+2 Sitzplatzkonfiguration findet man ausreichend Platz für einen kurzen Hüpfer. Eingestiegen wird in die Maschine über eine im Heck integrierte, bordeigene Treppe. Geboarded wird die Maschine immer nur von jeweils 2 Passagieren, um die Bodenstabilität zu gewährleisten. Mehrere Personen hinten in der Kabine der Maschine könnten bedeuten, dass diese zu schwer wird und auf das Heck fällt.
Beim Flug nach Kuressaare wurde seitens der Flugbegleiterin penibelst darauf geachtet, dass die vorderen Reihen in der Maschine zuerst belegt wurden. Das Einsteigen an sich dauerte kaum eine Minute, Platz für Hängepack gab es ausreichend an Bord. Beladen wurde die Maschine in das Gepäckabteil im Heck. Sofort auffallend beim Betreten der Maschine war die im Vergleich zum Rumpfquerschnitt riesige Türe der bordeigenen Toilette. Mehr dazu aber später.
Nachdem die Bordtreppe hochgehoben war und alle Türen geschlossen wurden, starteten die beiden Piloten die beiden Garrett Propellerturbinen. Saß man in der ersten Reihe, so hatte man einen guten Blick auf die beiden Aggregate, welche mit jeweils etwas mehr als 700kw die J31 beflügelten. Dass das Fliegen in kleineren Maschinen einen ganz anderen Reiz mit sich brachte, merkte man sehr gut in dieser kleinen Jeststream. Beim Rollen auf der Piste spürte man Unebenheiten intensiver als im etwas größeren CRJ-900. Offensichtlich war auch, dass kleinere Airliner keine Panzertüre zum Cockpit benötigten. Das stellte sich beim morgendlichen Flug nach Saaremaa als absolut vorteilhaft heraus.
Relativ rasch bewegte sich die kleine BAe Richtung Piste, um dann in Propmanier ordentlich zu beschleunigen. Der Lärm in der Maschine war wie z.B. bei der An-24 beim Rollen am Boden wesentlich lauter als in der Luft. Leider ermöglichten ein unklarer Horizont und die allmählich aufgehende Sonne keine idealen Aufnahmen an diesem Tag. Auf der einen Seite der Maschine war es zu hell, auf der anderen zu dunkel. Aber wie immer ist es das Erlebnis, das zählt. Das sind die Geschichten, welche man sein Leben lang mit sich trägt.
Die Fenster sind nicht nur in Relation zum kleinen Luftfahrzeug groß, sie sind tatsächlich so. Angenehm für den Spotter ist auch die Konstruktion von „Bullaugen“. Die erlaubt durch die sehr eng anliegenden inneren Kunststoffschichten des Fensters sehr gute Rundumaufnahmen des Geschehens auf den Tragflächen.
Die Temperatur im Norden ist zu dieser Jahreszeit üblicherweise kalt. In der Jetstream ist das jedoch von untergeordneter Rolle. Sitzt man vergleichsweise im Winter in einer An-28 ohne Druckkabine, mit schwindligem Kopf und gefühlten „schwersten Erfrierungen“, so reist man in dem kleinen Britprop wohlig warm in druckbelüfteter Umgebung. Die J31 bietet nüchtern betrachtet elementarstes Propeller- Feeling, auf sehr hohem Niveau. Und dazu gehört auch eine Toilette! Welch Komfortgewinn zu sonstigen Lösungen auf anderen kleinen Flugzeugen. Man muss aber kein Flugzeugkonstrukteur sein um zu erkennen, dass es sich dabei um eine Einrichtung für absolute Krisenfälle handelt!
Doch was hat es mit der riesigen, halbkreisförmigen Türe auf sich, die zum stillen Örtchen führt? Das ist nicht ganz so leicht erklärt, soll aber nicht unversucht bleiben:
Da der Rumpf mit seinem geringen Durchmesser keinen ausreichenden Platz für die gesamte Infrastruktur einer Toilette mit sich bringt, wurde seitens der Konstrukteure einfallsreich improvisiert. Öffnet man die Türe, so befindet sich dahinter ein komplettes Airliner- WC, mit allem was man so kennt. Zwischen Muschel und Türe liegen aber gerade einmal einige Millimeter. Man schließt das WC, in dem man die Türe 90° öffnet. Nun ergibt auch die halbkreisförmige Auslegung einen Sinn: sie legt sich plan an den kreisförmigen Rumpf an. Somit ist der komplette hintere Kabinenabschnitt zum vorderen Teil abgeschlossen. Eine absolut geniale Lösung, welch sicher stellt, dass im Ernstfall nichts in die Hose geht!
Wer in der ersten Reihe sitzt, der kann den Flug bequem am GPS im Cockpit verfolgen. Im Reiseflug verhielt sich das Flaggschiff der kleinen Airline erstaunlich ruhig, wohl auch wegen des stillen Wetters. Dass bis auf die Piloten und den Spotter in der ersten Reihe alle gemütlich der Landung entgegen schliefen war nicht weiter schlimm, denn der Bordservice beschränkte sich auf ein Zuckerl. Für mehr fehlt auf so kleinen Airlinern einerseits der Platz und andererseits die Zeit. Und wer bei einem 44 EUR Ticket auch noch ein Sandwich und Getränke will, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen.
Saaremaa war zwar nicht mehr winterlich zu dieser Jahreszeit, aber Schönwetter traf auf die vorherrschenden meteorologischen Gegebenheiten als Beschreibung auch nicht zu. Langsam löste sich die Jetstream aus der Wolkendecke. Unter ihr war Estlands größte Insel bereits gut zu erkennen. Ein Landeanflug in einem kleinen Prop unterscheidet sich wirklich gewaltig von dem eines Widebodies. An jenem Morgen war es laut in der Jetstream, die Landeklappen quiekten, als sie gesetzt wurden und beim Ausfahren des Fahrwerks ging es gleich merklich ein paar Meter in die Tiefe – ein herrliches Erlebnis.
Dann setzte die Jetstream in Kuressaare auf, leichtfüßig und ohne sonderlich zu scheppern. Je nach Landerichtung wird entweder wie wild gebremst oder aber die Maschine rollt gemütlich zum Pistenende, an welchem sich der Airport befindet. Nachdem die Maschine ausgerollt war und in die Parkposition eingewiesen wurde, wurden das Bodenaggregat angebunden und die beiden Turboprops abgedreht. Und das war es, der erste Inselhüpfer war vorüber.
Kuressare wird mittlerweile nur mehr von Avies bedient. Inwieweit noch Charterverkehr stattfindet, ist abhängig von der Saison. Obgleich das sehr, sehr wenig Verkehr ist, findet man alles, was man von einem großen Airport erwartet – und überraschend viel Personal! Zur Zeit der Sowjetunion wurde jedes Kuhkaff von der Aeroflot angeflogen und Kuressaare war keine Ausnahme. Im Gegenteil - an Bord der TU-134 ging es nicht nur nach Tallin; auch nach Moskau und in andere Städte wurde geflogen. Fisch, einst wichtigstes „Exportgut“ der Insel wurde direkt per Frachter nach Moskau geflogen. Diese goldenen Zeiten, aus aviatischer Sicht, sind heute definitiv Geschichte! Wer aber einen alten, verfallenden Sowjetairport erwartet, der irrt. Auf Saaremaa findet man einen Airport, bei dem das Management so mancher mitteleuropäischer Regionalflughäfen neidisch wäre. Das topmoderne Aufnahmegebäude hat neben einigen Check-in Schaltern auch eine ständig besetzte Information, einen dreifach besetzten Tower, sechs Mann Vorfeldpersonal, eine Reinigungskraft und etliche weitere Diensthabende – bei maximal 76 Passagieren, an drei Tagen in der Woche!
Dass es da etwas lockerer zugeht, ist logisch! Das Personal fährt schon einmal zu Mittag für ein paar Stunden nach Hause. Wenn aber Hilfe benötigt wird, so ist diese wirklich einzigartig, freundlich und sehr hilfreich! Irgendwie wünscht man sich, dass einmal ein voller A380 in Kuressaare zwischenlanden muss, das Personal am Airport würde auch damit fertig! Bis zu welchem Grad der Airport für medizinische Notfälle gerüstet ist, war nicht ersichtlich. Was man aber sicher in den Griff bekommt, ist eine Verkühlung! Denn wohl einzigartig ist die Sauna des Airports, die man sich auch als Passagier vorheizen lassen kann. Und Fremdenzimmer hat der Airport auch! Was einem also auf der Insel Saaremaa erwartet, kann einen durchaus in Staunen versetzen!
Unberührtes Saaremaa
Saaremaa mit seinem Hauptort Kuressaare ist allein schon wegen seiner Luft und seiner reinen Umwelt eine Reise wert. Was man allerdings benötigt, ist ein Mietwagen. Diesen bekommt man über die Airline Avies oder aber die lokalen Anbieter. Die Homepage des Airports hilft hier weiter. Neben einem reichlichen historischen Angebot, von der mittelalterlichen Festung bis hin zu den vielen Leuchttürmen, bietet die Insel auch archäologische Schmankerln.
Auf Saaremaa kommt man mit Russischkenntnissen nicht sehr weit. Obwohl die Insel zur Zeit der Sowjetunion einst den Status eines Vorposten hatte und von höchster militärischer Wichtigkeit war, lebten nie wirklich viele ethnische Russen auf Saaremaa. Das hatte zur Folge, dass heute kaum jemand Russisch spricht. Darüber hinaus ist man zu Russen sehr freundlich. Wer einen Tagesrandflug auf die Insel wählt, sollte sich einige Sehenswürdigkeiten herauspicken. Für eine Umrundung in einem Tag reicht die Zeit reicht nicht aus.
Nicht fehlen sollte eine Besichtigung der Burg von Kuressaare. Im imposanten Gebäude findet man eine umfassende Ausstellung, vom archäologischen Erbe der Insel bis hin zur sowjetischen Waschmaschine vom Typ „Riga“.
Je nachdem wie man seine Reiseroute wählt, stößt man immer wieder auf Überraschungen, so wie ein erst kürzlich wieder eröffnetes griechisch orthodoxes Frauenkloster. Und wen die Neugierde nicht halten kann, der sollte keine Scheu haben, einfach einzutreten. Auf Saaremaa ist man sehr freundlich und Besuchern sehr offen gegenüber. Übrigens, eine der sieben Schwestern des Ordens kommt auch aus Österreich, eine andere wiederum aus Deutschland. Und so erhält man eine wunderbare, deutschsprachige Führung durch das Anwesen. Was auf keinen Fall fehlen darf, sind die vorzüglichen und sehr gesunden Kräutertees aus dem Garten der Ordensschwestern, welche man gegen einen kleinen Unkostenbeitrag käuflich erwerben kann.
Wer in seinem Leben ein aeronautisches Hobby pflegt, der wird auch dem vielfach noch auf Saaremaa auffindbaren Militärschrott etwas abgewinnen können.
Im Gegensatz dazu liegt auf der äußersten Südspitze der Insel der Ort Sääre, auf dem sich das Wahrzeichen der Insel befindet, dem aus der Sowjetzeit stammenden Leuchtturm. Es gibt viele dieser nautischen Bauten auf der Insel, aber keine ist so beeindruckend wie der schwarz- weiße Gigant. Der eine oder andere wird sich vielleicht an die im ORF ausgestrahlte Universum Dokumentation „Wildes Baltikum“ erinnern. Der Leuchtturm war hier in atemberaubenden Aufnahmen zu sehen, neben der einmaligen Vogelwelt der Insel. Wie die Ornithologen vor Ort verrieten, liegt Saaremaa an einem Flaschenhals für Zugvögel. Das bedeutet, dass beinahe jedes Federvieh im Umkreis von hunderten Kilometern genau an jenem Punkt im Süden der Insel, beim Leuchtturm vorbeikommt, wenn es von Nord nach Süd oder umgekehrt zieht. Auch kann man an der dort zugefrorenen Baltischen See im Winter Robben mit ihren Jungen sehen.
Wer aber gerne in Jahrtausenden rechnet, für den ist der Meteoritenkrater von Kaali die erste Wahl der Sehenswürdigkeiten auf Saaremaa. Vor ca. 4000 - 8000 Jahren formte auf der Insel ein Meteorit mehrere Krater, der größte hat einen Durchmesser von 110 Metern, bei einer Tiefe von 22 Metern. Im Umkreis des Hauptkraters finden sich noch acht weitere Einschläge. Alleine der größte Teil des Meteorits, welcher vor dem Einschlag in einer Höhe von ca. 10km zerbrach, hatte die Kraft der Atombombe auf Hiroshima.
Weiter sind die vielen Windmühlen der Insel sehr sehenswert. Viele von ihnen modern vor sich hin oder sind bereits völlig verfallen, oft aber ist es die Initiative einiger Insulaner, welche aus den alten Mahlwerken wieder außergewöhnliche Bauwerke machen. Diese fügen sich übrigens hervorragend in die Landschaft der Insel ein. Je nachdem wie man sich auf der Insel bewegt, findet man das eine oder andere Juwel, oder aber die eine oder andere Ruine. Trotz der wechselhaften Geschichte ist klar, dass es vor allem die Natur ist, die Saaremaa auszeichnet.
Durch die Nacht nach Tallinn
Die Tagesrandverbindungen auf die Inseln bedingen, dass zumindest ein Leg nachts geflogen wird. Will man fotografieren und filmen, so ist das natürlich nicht im Sinne des Spotters. Nicht nur, dass man keine brauchbaren Außenaufnahmen machen kann, auch vom Inneren aus der Maschine hinaus gelingen nur in den seltensten Fällen brauchbare Aufnahmen. Dabei sind vor allem alte, zerkratzte und verschmierte Fenster der Hauptgrund für schlechte Resultate. Die ständigen Bewegungen des Luftfahrzeuges, sowie die langen Belichtungszeiten bedeuten meist einen entspannten Flug, ohne Fotoapparat in den Händen.
Es gibt jedoch zwei Plätze in jeder Maschine, in der man auch nachts gut fotografieren und vor allem filmen kann, diese finden sich im Cockpit. Nun ist es aber meist so, dass man dort selten hinkommt, vor allem seit den Ereignissen des 11. Septembers. Hier profitiert man vor allem von den kleinen Inselhüpfern, da für diese oft Ausnahmeregelungen gelten, vor allem im Hinblick auf verschließbare Flugdecks.
Und so verwundert es nicht, dass man auch an Bord von Avies' Jetstream in Reihe Eins buchstäblich in der ersten Reihe sitzt. Zwar bietet der Blick aus dem Fenster, je nach Konfiguration der bordeigenen Außenbeleuchtung, eine gute Sicht auf die Flächen und die Triebwerke, eine kleine Verrenkung aber ermöglicht einen uneingeschränkten Blick ins Cockpit. Doch damit nicht genug, man sieht sogar auf die Piste, respektive den Flugweg der Maschine. Bringt man Basiswissen mit an Bord, so kann man dem ganzen Fluggeschehen uneingeschränkt folgen. Und je kürzer der „Hüpfer“, desto besser, denn Bordservice verpasst man sowieso keinen und das Erlebnis ist so am stärksten.
Im Falle von Avies galt es auch am Rückflug, sich im Free Seating Rennen zu behaupten. Einmal an Bord, konnte man sich auf die nächtlichen Rahmenbedingungen vorbereiten. Dazu war es gleich stockfinster an Bord, als die Innenbeleuchtung „gedimmt“ wurde. Das hatte einen entscheidenden Vorteil: der Blick ins Cockpit und auf die Piste war sensationell!
Wer etwas Anstand und gutes Benehmen mitbringt, der fragt die beiden Piloten um Erlaubnis, um etwas fotografieren und filmen zu dürfen. Wie immer galt auch auf diesem Flug der Grundsatz „wie man in den Wald hineinruft, so kommt es zurück“. Nach einem kurzen klärenden Gespräch konnte dann mit befreiter Seele losfotografiert und gefilmt werden.
Man ist als Spotter sehr gut beraten, wenn man sich beim Tagflug auf Aufnahmen in und aus der Kabine fokussiert und sich beim Nachtflug auf das Cockpit konzentriert.
Beim Start aus Kuressaare zeigte sich die J31 wieder von ihrer spritzigen Seite. Selbst halbvolle Narrowbodies kommen nicht mit der Anfangsbeschleunigung kleiner Props mit. Im Reiseflug ist außer einer etwas erhöhten Lärmkulisse und weniger Platz kein merklicher Unterschied zu herkömmlichen Jets. Der Landeanflug und die Landung in Tallinn waren wieder besonders aus der Perspektive des Cockpits. Nachts ist das wohl das Beste was einem passieren kann! Alles in allem entpuppten sich die letzten Minuten an Bord der BAe Jetstream 31 als traumhafter Ausklang eines wunderbaren Erlebnisses an Bord eines wahrlich hinreißenden Airliners! Dass man da Lust auf mehr bekommt ist klar!
Von Riga nach Wien mit Air Baltic
Neben Ryanair und EasyJet gibt es in Europa auch noch kleinere „System“- Lowcoster, wie Air Baltic. Die kleine Airline aus Riga bietet Umsteigeverbindungen vor allem von West nach Ost an. Und wer nicht möchte, dass jeder zweite Flieger im Himmel über Europa ein oranger Airbus oder eine weißblaue Boeing ist, der sollte auf andere kleinere Fluglinien ausweichen.
Mit einem Ticket für unter 70 EUR war Air Baltic obendrein nicht zu schlagen. Man muss dabei etwas kreativ mit seinem Gepäck werden, denn sonst wird es erheblich teurer. Lettlands Carrier fliegt Wien zwei Mal täglich an, und je nach Buchungslage wird mit B737-300/500 oder DHC8-Q400 geflogen. Dass man als Aviatiker einem zweieinhalb Stunden Trip auf einer Dash nicht wiederstehen kann, ist klar.
Letztlich gestaltete sich der Flug auf Air Baltic als lohnender Abschluss einer kleinen aber sehr feinen Reise durch das Baltikum. Sie bot sogar aus touristischer Sicht mehr als aus aeronautischer. Unterm Strich aber sind alle Flugsafaris lohnenswert und diese gehörte definitiv auch dazu.
Im zweiten Teil geht es auf eine komplett andere Insel. Mit TMA fliegen wir vom Wasserflughafen Malé nach Velidhu im Ari- Atoll. Die Malediven sind mit ihren Twin Otter Wasserfliegern vor unbegreiflich schöner Kulisse des Indischen Ozeans wohl der Inbegriff des Inselhüpfens schlechthin!
Text, Fotos & Videos: Roman Maierhofer