Ein Airport platzt aus allen Nähten
Schon im Anflug über Istanbul und seinen Agglomerationen wurde uns bewusst wie gross diese Stadt eigentlich ist; und ergo auch der 1912 eröffnete Internationale Flughafen Atatürk (IATA Code: IST) wohl schon seit längerer Zeit aus allen Nähten platzt! So entwickelte sich Istanbul mit seinen Vororten in den vergangenen Jahrzehnten immer näher an den Flughafen im Südwesten der Stadt. Ausbau: unmöglich – und so war es nicht verwunderlich, dass die Immigration hoffnungslos überlastet war und mehr als eine Stunde dauerte. Obwohl die Logistik, Pick-up und Drop-off Zonen, Security, Check-In etc. vorbildlich gelöst sind, steht die Airport Authority von Istanbul am Anschlag. Abhilfe tut Not!
„Rushhour“ auf dem Vorfeld
Mit seinen drei Runways 05/23 (für Landungen), 17R/35L und 17L/35R (für Take-off) bewältigt IST durchschnittlich 1‘100 Starts- und Landungen(!) pro Tag; und dies bei einer Betriebsdauer rund um die Uhr. Bei diesem Verkehr ist es wohl nicht erstaunlich, dass längere Wartezeiten auf den Taxiways und dem Vorfeld zur Tagesordnung gehören. Während unseres Aufenthalts konnten wir oft bis zu 20 Flugzeuge beim Take-off; oder nach der Landung zu einem der freigewordenen Gates im Line-up beobachten.
Da bringt im Südosten, auf der asiatischen Seite von Istanbul, der zweite Flughafen Sabiha Gökçen nur wenig Abhilfe, in dem er den zusätzlichen Verkehr der Low-Cost-Carrier und einen Teil der Cargo Airlines bewältigt. Dringende Alternativen sind gefragt und die Verantwortlichen haben gehandelt.
Und wie sieht die Zukunft aus?
Den schwierigen Verhältnisse am Airport Atatürk durchaus bewusst hat die Türkische Regierung in den vergangenen Jahren einen neuen Grossflughafen intensiv geplant und realisiert. Am 7. Juni 2014 war es soweit. Da erfolgte die Grundsteinlegung, ausgeführt durch Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan der in einer ersten Etappe den neuen Flughafen bereits im Jahr 2017 in Betrieb nehmen möchte. In einer ersten Phase soll der neue Flughafen rund 90 Mio. Passagiere pro Jahr abfertigen. Bis zum Jahr 2020 dürfte der neue Airport an der Schwarzmeerküste; nur rund 40 Km. nordöstlich von Istanbul entfernt, mit sechs Start- und Landebahnen den vollen Betrieb aufnehmen. Das geplante Passagieraufkommen soll ab dann rund 150 Mio. Passagiere pro Jahr bewältigen. Damit würde wohl der neue Flughafen von Istanbul den weltgrössten Airport Hartsfield-Jackson in Atlanta, Georgia ablösen. Wir dürfen mal gespannt sein!
Turkish Airlines: Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan!
Diese Redewendung hat durchaus seine Berechtigung. Gegründet im Jahre 1933 fristete Turkish Airlines bis Anfangs der 90er Jahre ein mehr oder weniger „Mauerblümchen“ da sein. Erst mit Beginn des neuen Jahrtausend wurden gewaltige Anstrengungen unternommen, dass Image der Airline auf ein Top-Niveau zu steigern. Mit einer Flotte von aktuell ≥300 Flugzeugen stehen weitere Investitionen im Milliardenbereich von 191 Flugzeugen der nächsten Generation an, die logischerweise zum Teil auch ältere Muster ersetzen werden. Aber nicht nur im Bereich der Flottenerneuerung wurden grosse Anstrengungen unternommen; auch beim Komfort für die Passagiere hat sich einiges getan. Neuste Technologien beim Sitzkomfort und der Bordunterhaltung, so wie im kulinarischen Bereich sind bereits Standard. Auch beim Training der „Staff“ wird auf Freundlichkeit, Service und Spezialwünsche der Kunden grossen Wert gelegt. Diese Anstrengungen haben sich gelohnt und so erhielt Turkish Airlines sieben Mal in Folge (2009-2015) den begehrten Skytrax-Award überreicht! Als Mitglied der renommierten Star-Alliance-Group bedient Turkish national- und international mehr Destinationen als jede andere Airline dieser Welt! Ausser in Australien ist Turkish Airlines auf allen Kontinenten zu Hause.
Starten- und Landen im Minutentakt
Neben Turkish Airlines ist der Airport Atatürk auch Heimatbasis von Onur Air, Atlas Global (ehemals Atlas Jet) und den Fracht Airlines MNG Cargo und ULS Cargo. Klar dominieren, wie auf jedem anderen, einheimischen Airport dieser Welt, die Home-Carrier das Geschehen. Doch auch bekannte, internationale Fluggesellschaften wie etwa Lufthansa, SWISS, British Airways, Iberia, Air Canada, Delta Airlines, Singapore Airlines, Emirates u.v.a. bedienen täglich die Metropole am Bosporus. So starten- und landen die Maschinen im Minutentakt aus aller Herrenländer und ein Spottertag verging sprichwörtlich wie im Flug.
Exotische Gäste am Atatürk
Davon gab es in dieser Woche doch einige vor unsere Kameras! Ob Exoten oder nicht – zumindest waren es Airlines die bei uns in Westeuropa nur selten oder gar nicht anzutreffen sind. So zeigten sich uns folgende Highlights vor unseren Objektiven:
Turkmenistan Airlines B777-22K(LR) EZ-A778, Azerbaijan Airlines B767-32L(ER) 4K-AZ82,
Afriqiyah A320-214 5A-ONO, Mahan Air A340-313 EP-MMC, Turkish Air Force AC-130E, Hercules #68-01608, Iran Air A320-232 EP-IEC, Buraq Air Transport B737-8GK(WL) 5A-DMG, Jazeera A320-214 9K-CAI, Dniproavia ERJ-145-(LR) UR-DPB, Ghadames Air A320-211 A5-WAT, Private Cessna Caravan-Float-Plane TC-MRN u.v.m.
Das grösste Highlight war wohl der A330 von Libyan Airlines. Bereits im Dezember 2014 wurde die fabrikneue A330-202 5A-LAT an Libyan Airlines ausgeliefert. Wegen der anhaltenden unsicheren Lage in Libyen wurde der Jet jedoch für mehrere Monate auf dem Spanischen Flugfeld Teruel im Nordosten des Landes abgestellt und erst im März 2015 nach Tripoli überflogen.
Spotting in Istanbul: Low Cost oder eher teuer?
Keine Frage: Eine Spotterreise nach Istanbul ist es nicht nur wegen der Vielfalt der Airlines wert, sondern auch für ein kleines Budget wie etwa des eines Schülers/Studenten absolut erschwinglich. Kurz gefasst schlägt sich eine solche Reise mit ca. Euro 750 für eine Woche zu Buche. (Flug, 4-5 Sterne Hotel, Taxikosten, Mahlzeiten und sonstige Extras inbegriffen)
Plane-Spotter Tipps
Die besten Jahreszeiten für einen Besuch in IST sind sicherlich die Monate April – Juni und September und Oktober. Juli und August, so wie November – März sind wegen den Wetterverhältnissen nicht zu empfehlen. In den Sommermonaten sind die Temperaturen zu heiß und lassen doch ein erhebliches „Hitzeflimmern“ auf den Bildern zurück; abgesehen von den körperlichen Belastungen. Die Wintermonate haben es oft auch in sich, sinken doch die Temperaturen unter den Gefrierpunkt und Schneetreiben ist keine Seltenheit.
Flüge
Nebst den bekannten Low-Cost-Carrier die im Normalfall alle den Flughafen Sabiha Gökçen ansteuern, empfiehlt sich die Alternative mit Turkish Airlines zu nehmen die nonstop den Flughafen Atatürk von den meisten europäischen Haupt-Destinationen bedient. Preis/Leistung darf sich hier auch mit der Konkurrenz jederzeit sehen lassen. Grosser Vorteil: Man ist bereits in der Nähe des Airports Atatürk und in einem der Hotels rund um den Flughafen. Somit erübrigt sich die zeitraubende Fahrt von Sabiha Gökçen (ca. 60km entfernt von der City Istanbul) und den doch erheblichen Buskosten (ca. 90TL = 30 Euros pro Fahrt)
Transport
Hier empfehlen wir auf einen Mietwagen zu verzichten. Nebst permanent überlasteten Autobahnen/Strassen ist die Fahrweise der Einheimischen mehr als gewöhnungsbedürftig! A
Eines der über 15‘000 staatlichen, gelben Taxis zu nehmen ist die beste und günstigste Variante um sicher und in Kürze an die gewählte Spotter-Location zu kommen. Die Taxikosten halten sich hier völlig im Rahmen und sind mit europäischen „Wucherpreisen“ nicht zu vergleichen. Eine Fahrt von 10km. kostet ca. 20-25TL = 7-8Euro). Trinkgeld ist im Preis inbegriffen oder wird im Normalfall aufgerundet. Ein Novum ist, dass alle Taximeter mit Preisangaben im Fahrerrückspiegel angezeigt werden. Ein sogenanntes Taxameter wie wir es kennen sucht man vergeblich. Also aufgepasst und schön in den Rückspiegel schauen!
Spotter-Hotels: Die Qual der Wahl
Im Internet ausgiebig erkundet gibt es doch einige Hotels in allen Preisklassen rund um den Flughafen Atatürk. Hier erlaube ich mir angesichts der vielen „Schnäppchen“ im Internet nur die besten 3-5 Sterne Hotels kurz zu erwähnen. Alle Preisangaben sind hier weit unter denen in Europa und bieten besten Komfort und Luxus.
Hotels rund um den Airport Atatürk
Sapko Airport Hotel ***
Osaka Hotel ***
Ramada Encore Istanbul Airport Hotel ****
Airport Inci Hotel ***
Esilköy Airport Hotel ****
Elite World Business Hotel *****
Alle erwähnten Hotels liegen in der Preisklasse zwischen 40 – 70 Euros pro Nacht und Person. (Spezialpreise im Internet unbedingt beachten!)
Meine Begleitung und ich haben uns für das Elite World Business 5-Sterne Hotel entschieden. Die Wahl war gut. Nebst 2 King-Size Betten, Minibar, Highspeed Internet, Flat Screen TV, Roomservice etc. und einem 30 Meter langen Balkon bot das Hotel auch sonst alle Annehmlichkeiten einer 5-Sterne Kategorie. So bewohnten wir die oberste Etage des Hotels mit grandiosem Ausblick auf eine der schönsten Moscheen von Istanbul und weitläufigem Blick auf das Geschehen am Airport; wenn auch nur aus der Entfernung. Bei einem allfälligen Besuch in diesem Hotel: Nachfragen und buchen des Zimmers #1622 oder # 1623, sofern noch erhältlich.
Spotter-Locations
Rund vier Spotterpunkte laden den Aviatik begeisterten Fotografen am Atatürk-Airport ein um seiner Passion nachzugehen. Allerdings sind nur 2 Fotopunkte wirklich interessant, schlicht und einfach wegen der vorherrschenden Benutzung des Pistensystems.
Spotterpunkt #1
Dieser befindet sich direkt an der Küste des Marmarameers in unmittelbarer Nähe des Anflugs auf die Piste 05. In nur wenigen Minuten mit dem Taxi zu erreichen liegt das bekannte Ausflugsrestaurant Sahin Tepesi, Park Ici Yolu, Yesilkoy 34149. Mit seiner weitläufigen Terrasse an bester Lage auf einem Hügel direkt am Meer und einen uneingeschränkten Blick auf den landenden Verkehr bietet dieser Spotterpunkt die besten Möglichkeiten. Bereits um 08:00h empfängt die Belegschaft seine Gäste mit einem reichhaltigen Frühstücksbuffet und kennt mittlerweile die internationale Spottergemeinde. Sicherlich die Adresse für gelungene Morgenaufnahmen ab 08:00h bis ca. 11:30h. Objektiv-Brennweiten von 70 – 200/300mm reichen hier völlig aus.
Spotterpunkt #2
Dieser Fotopunkt ist angeblich der Beste und bietet ab den frühen Nachmittagsstunden bis in den späten Abend wohl die besten Bilder. Direkt neben den beiden Runways 17R/35L und 17L/35R gelegen lassen sich hier in der Fly Inn Shopping Mall nicht nur beim Line-up sondern auch beim Take-off spektakuläre Bilder schiessen. Noch besser werden die Aufnahmen wenn in gegengesetzer Richtung gestartet wird und die Maschinen; just bei uns Fotografen abheben. Auch hier lassen sich alle Starts mit 70 – 300mm Brennweiten realisieren. Schwieriger wird es mit Aufnahmen auf den gegenüberliegenden Taxiways, da die Nachmittagshitze mit ihrem Flimmern das eine oder andere Bild unbrauchbar machte. Warten heisst hier die Devise: Je später der Nachmittag desto besser werden die Bilder. Mit goldenem Abendlicht lassen sich hier wahrlich einige schöne Motive mit Hintergrund auf den Speicherkarten einfangen.
Koordinaten:
Garanti Fly Inn Shopping Mall
Senlikköy Mah.
Yesillöy Cd. Harman Sk. No.48/46
34145 Istanbul
Täglich geöffnet von: 09:00h – 22:00h
Spotterpunkt #3
Sicherlich wert diesen Fotopunkt einmal zu besuchen obwohl sich der Traffic am Boden in Grenzen hält. Nebst ein paar Line-up Aufnahmen bei der Piste 35 zeigen sich hier oft nur ein paar BIZ-Jets so wie der eine oder andere Frachter A300-B4-600RF/A330-200F und eine B737-400F von MNG Cargo. Liegt der Spotterpunkt doch in einiger Entfernung bei einer Brücke über der Europa-Autobahn, sind Brennweiten von min. 100 – 400mm erforderlich.
Spotterpunkt #4
Dieser Spotterpunkt auf dem Parkdeck eines Einkaufzentrums südwestlich der Piste 23 bietet zwar eine optimale Fotoposition um Flugzeuge im Final-Approach aufzunehmen. Allerdings ist die „23“ so gut wie nie in Betrieb, ausser die Windverhältnisse drehen sich markant. Brennweiten von 200/300 – 400/600mm sind hier schon erforderlich.
In militärischen Ehren
Für die Spotterkollegen die nicht nur an der zivilen Aviatik interessiert sind bietet Istanbul ein weiteres, aviatisches Highlight. Nebst vier grossen, militärischen Museen in der Türkei ist das Turkish Air Force Museum in Istanbul nicht nur das Grösste, sondern auch das bedeutendste in der Geschichte des Landes. Über 60 Exponate auf dem Ausstellungsgelände und in den Hallen zeugen von der einhundertjährigen Luftfahrt in der Türkei. Zeitzeugen aus der militärischen Luftfahrt mögen den Betrachter zu begeistern, aber auch etliche Exponate aus dem zivilen Bereich sind auf dem Museumsgelände ausgestellt. Eine Sonderausstellung widmet sich der weltweit ersten Militärpilotin, Sabiha
Gökçen benannt nach dem gleichnamigen Airport auf der asiatischen Seite von Istanbul.
Das Museum liegt gerade mal 500 Meter entfernt vom Spotterpunkt #1. Geöffnet jeweils Mittwoch bis Sonntag von 09:00h – 17:30h. Ein Besuch lohnt sich hier allemal und sollte wegen den Lichtverhältnissen (Gegenlicht) auf den Vormittag eingeplant sein.
Ein Spotter-Urgestein spricht
So geht eine unvergessliche Woche in Istanbul zu Ende die uns beiden einige Highlights geboten hat. Uns Beiden? Ja klar war einmal mehr mein langjähriger Aviatik-Freund und Mentor auch diesmal mit dabei. Einigen Leserinnen und Lesern ist Guido E. Bühlmann sicherlich ein Bergriff. Mit 76 Jahren ist Guido der „Dinosaurier“ in der internationalen Spottergemeinschaft und bereiste in mehr als 50 Jahren als Spotter wohl mehr Länder dieser Erde als manch einer von uns! Schon einige Reisen durfte ich mit ihm unternehmen, unter anderem nach Russland, die jedes Mal bedeutende Eindrücke hinterlassen haben. Als ich ihn fragte wie es ihm am Atatürk-Airport gefallen hat: Zitat: „Nun ja; ein bisschen zu viele Turkish Airlines Maschinen; aber ansonsten doch einige Highlights die auch ich erstmals auf Dia’s bannen konnte. Einzigartig waren die tollen Spotterlocations in Istanbul. Solche Verhältnisse treffe ich auf meinen weltweiten Reisen nur selten an“. Ein ehrliches Statement von einem der es wissen muss.
Fazit unserer Reise
Eine wahrlich gelungene Woche im September 2015. Nebst tollen Spottermöglichkeiten mit allem Komfort wie Sonnenschirm, Klimaanlage und nur wenige Schritte entfern von einem grossen, kulinarisches Angebot hat uns auch das Preisleistungsverhältnis überzeugt. Wie bereits erwähnt ist Istanbul auch für ein kleines Budget erschwinglich ohne gleich den Haushalts-Etat zu sprengen. Nebst den erwähnten Pluspunkten standen natürlich die aviatischen Höhepunkte im Fokus. Klar dominierten die heimischen Carriers das Geschehen, doch gab es etliche Raritäten zu sehen für die sich eine Reise nach Istanbul allemal lohnt. Kommen wir wieder? Aber sicher!
Fotoimpressionen:
Text & Fotos: Andy Herzog