Mit dem Zusammenschluss der Junkers Luftverkehr AG und Deutsche Aero Lloyd AG wurde am 6. Januar 1926 in Berlin die nationale Fluggesellschaft „Deutsche Luft Hansa“ aus der Taufe gehoben - die Schreibweise in einem Wort wurde erst 1933 eingeführt. Es war eine der ersten großen, international beachteten Fusionen der deutschen Wirtschaftsgeschichte: Mit ihr ging die Ära der abenteuerlichen Nachkriegsfliegerei zu Ende. Im Mittelpunkt standen jetzt die Sicherheit, die Erweiterung des Streckennetzes und mehr Komfort für die Fluggäste. Für den Luftverkehr, für Passagiere und Fracht, ging es in gewaltigen Schritten nach vorn. Durch die Einführung des Instrumentenflugs verlor das Fliegen seinen Saisoncharakter und größere Flugzeuge ermöglichten die Bewältigung längerer Strecken. 1939 flogen Lufthansa-Flugzeuge planmäßig bis Santiago de Chile und Bangkok und Probeflüge führten bis nach New York und Tokio. Auf den Großverkehrsflugzeugen Junkers Ju90 und Focke-Wulf FW200 wurden die ersten Stewardessen eingesetzt.
Der Beginn des Zweiten Weltkrieges verhinderte jede Weiterentwicklung. Lufthansa wurde von der Reichsregierung per Gesetz zu Dienstleistungen, Transportflügen und technischem Einsatz verpflichtet. Der Luftverkehr, vor allem Verbindungen in das neutrale Ausland, unterlag in diesen Kriegsjahren stets kurzfristigen Änderungen. Und am Ende – 1945 – stand das Aus für die erste Lufthansa. 1951 verfügten die alliierten Siegermächte die Liquidation der Fluggesellschaft, die 1965 mit der Löschung im Handelsregister endete.
Detailliert aufgearbeitet ist die spannende Geschichte der ersten Lufthansa in dem Buch
„Im Zeichen des Kranichs“ von Joachim Wachtel und Günther Ott, das im kommenden Februar von der Deutschen Lufthansa AG publiziert wird und im Piper Verlag erscheint. Es schildert die Geschichte der Fluggesellschaft vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Zeitgeschehens und spart auch die dunklen Jahre der Firmengeschichte nicht aus: Als Supplement wird dem 340 Seiten umfassenden historischen Werk die wissenschaftliche Untersuchung „Die Lufthansa und ihre ausländischen Arbeiter im Zweiten Weltkrieg“ von Dr. Lutz Budraß beigefügt.
Die Verfasser beschreiben die stürmischen Gründungsjahre, die von zahlreichen fliegerischen Pionierleistungen gekrönt waren. Jubelstimmung herrschte bei den „Gründervätern“ im Januar 1926 nicht, denn die Firmenfusion erfolgte auf staatlichen Druck und aus der schieren Not heraus: Die Subventionierung des Flugbetriebs der beiden stark defizitären Vorgänger-Firmen Junkers Luftverkehr AG und Deutsche Aero Lloyd AG war für die Staatskasse der Weimarer Republik zu einem Fass ohne Boden geworden.
Am Gründungskapital von 50.000 Reichsmark beteiligten sich das Deutsche Reich, die Länder, der Deutsche Aero Lloyd, Junkers sowie regionale Luftfahrtgesellschaften. Einen Anteil am Kapital der Deutsche Luft Hansa AG brachte indirekt auch die Berliner Wirtschaft ein, voran Firmen wie Siemens, AEG, Deutsche Erdöl, Schenker & Co. sowie die Berliner Handels-Gesellschaft. Zum „Corporate Design“ der neuen, fusionierten Gesellschaft steuerte Junkers die Firmenfarben Blau und Gelb und Aero Lloyd den stilisierten Kranich am Leitwerk bei. Noch im selben Jahr übernahm die „Kranichlinie“ Anteile an der 1921 gegründeten Deutsch-Russischen Luftverkehrsgesellschaft (Deruluft).
Als die Deutsche Luft Hansa AG am 6. April 1926 – auf den Tag drei Monate nach ihrer Gründung - den Flugbetrieb startete, bedienten drei der acht Start-Verbindungen Berlin-Tempelhof. Darunter befand sich auch die erste Auslandverbindung, die von Berlin über Halle, Erfurt und Stuttgart nach Zürich führte. Noch im ersten Geschäftsjahr stieg die Zahl der beflogenen Routen auf 54, davon 20 von und nach Berlin. Die Reichshauptstadt war zum Luftfahrtdrehkreuz des europäischen Kontinents geworden. Ein erster interkontinentaler Erkundungsflug ging - in zehn Tagesetappen - bis nach Peking.
Die Flotte der neuen Airline umfasste zum Gründungszeitpunkt 162 Flugzeuge fast aller namhaften Flugzeughersteller jener Zeit: Albatros, AEG, Dornier, Focke-Wulf, Fokker, Junkers, Rohrbach, Rumpler, Sablatnig, Udet. Im ersten Geschäftsjahr beförderten diese Flugzeuge mit dem Kranich am Leitwerk im planmäßigen Flugdienst 56.268 Fluggäste, 258 Tonnen Fracht und 302 Tonnen Post.
Als die „alte Tante Ju“ noch jung war
Ab 1936/37 wurde der Flughafen Berlin-Tempelhof Zug um Zug ausgebaut. Der riesige, zusammenhängende Gebäudekomplex gilt bis heute als einer der größten weltweit. Die Lufthansa bot Verbindungen zu praktisch allen deutschen und europäischen Großstädten an. Rückgrat der Flotte war nun die von Junkers in Dessau gebaute Ju 52. Die als „Tante Ju“ legendär gewordene Propellermaschine war eines der bekanntesten Flugzeuge der 30er Jahre – mit ihren 16 Sitzen für die damalige Zeit quasi ein Großraumflugzeug.
Für die vor allem bei Fracht- und Postflügen notwendigen nächtlichen Starts und Landungen wurde Tempelhof mit einer starken Flughafen-Befeuerung ausgerüstet. Auch die Hauptverwaltung der Lufthansa zog 1938 von der ehemaligen Zentrale in der Lindenstraße in das Gebäude des „Zentralflughafens“ nach Tempelhof.
Im Dritten Reich geriet Lufthansa wegen ihrer strategischen Bedeutung zunehmend in den Sog der politischen Entwicklungen. Nach Kriegsausbruch wurden die Geschäftsberichte der Lufthansa von den Machthabern sogar zur „geheimen Reichssache“ erklärt. Der Ausbruch des Krieges zwang zu einer drastischen Reduzierung der gesamten Verkehrsleistungen. Der innerdeutsche Verkehr wurde fast völlig eingestellt. Gleichzeitig wurden Linien ins neutrale Ausland sowie in besetzte Länder Europas aufrechterhalten. Berlin hatte als internationales Luftverkehrsdrehkreuz ausgedient. Das Kriegsende bedeutete zugleich das Aus für die erste Lufthansa; die alte Reichshauptstadt und die in ihr groß gewordene Fluggesellschaft lagen gleichermaßen in Schutt und Asche. Die wenigen unzerstörten Flugzeuge wurden von den Siegermächten konfisziert. Im Anschluss an das Potsdamer Abkommen vom 2. August 1945 verboten die Alliierten den Deutschen Herstellung, Besitz und Betrieb von Flugzeugen.
Erst im Frühjahr 1955 durfte die mit Hauptsitz in Köln neu gegründete Deutsche Lufthansa AG abheben. Der Wiederanflug Berlins blieb der neuen nationalen Airline Deutschlands infolge der deutschen Teilung und des Kalten Krieges bis zum Herbst 1990 - ein Jahr nach dem Mauerfall – verwehrt. Heute ist der Lufthansa Konzern in Berlin mit über 3000 Mitarbeitern wieder der mit Abstand größte Luftfahrt-Arbeitgeber in der Hauptstadt.
(red / Lufthansa / Titelbild: "Großraumflugzeug" der 1930er Jahre, die legendäre Tante Ju - Foto: Archiv Lufthansa)