"Im Projekt Man4Gen, Manual Operation of 4th Generation Airliners, haben wir in Simulatorflügen die Reaktionen auf unerwartete Ereignisse untersucht", erklärt Dominik Niedermeier vom DLR-Institut für Flugsystemtechnik. "Im Mittelpunkt stand die Crew. So haben wir beispielsweise das Situationsbewusstsein der Crew bei einem unerwarteten Übergang von vollautomatischer zu manueller Steuerung, die Entscheidungsfindung in Situationen, für die es keine Standardverfahren gibt, sowie die Zusammenarbeit untersucht."
Aufwändiges Szenario im Simulator sorgt für Extremsituation
Entscheidend für den Erfolg der Simulatorversuche war der Entwurf von realistischen Szenarios, zusammengesetzt aus Ereignissen, die in der Realität nur sehr selten zeitgleich während eines Fluges auftreten. "Nur so konnte getestet werden, wie sich die Besatzungen in unerwarteten Extremsituationen verhalten", erklärt Dominik Niedermeier. An "Bord" des bewegten A320-Simulators waren nacheinander 17 real zusammengestellte Crews, bestehend aus einem Captain und einem First Officer derselben Airline.
Als Szenario für die erste Versuchsreihe diente ein realer Linienflug von Amsterdam Schiphol nach Frankfurt/Main. In Amsterdam mussten sie das Flugzeug mit einer Einschränkung, die das automatische Landen verhindert, übernehmen. Jedoch machten Nebelfelder eine manuelle Landung unmöglich, so dass die Piloten zum Durchstarten gezwungen waren. Während des Durchstartens wies die Flugsicherung eine schnelle Rechtskurve an, ein zusätzlicher Autopilotenfehler zwang die Crew in dieser zeitkritischen Situation, die manuelle Steuerung zu übernehmen. Doch damit nicht genug: in der Rechtskurve erlitten beide Triebwerke einen Vogelschlag. Der hierdurch verursachte Leistungsverlust, starke Vibrationen, sowie der in diesem Moment aufreißende Nebel am Zielflughafen zwangen die Teams zu einer schnellen Entscheidung über das weitere Vorgehen.
Ziel dieses Szenarios war es, herauszufinden wie die Crews Entscheidungen treffen und mit welchen technischen Hilfsmitteln dies unterstützt werden kann. Auf Basis dieser Ergebnisse entwickelten die DLR-Wissenschaftler den Prototypen des "Risk Information Systems", eines Pilotenassistenzsystems, das die Crews auf einen Blick über den Gesamtzustand des Flugzeuges informiert und sie bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt.
Assistenzsystem unterstützt Piloten bei Entscheidungsfindung
Auch im zweiten Versuchsszenario waren die Piloten einer sehr anspruchsvollen Situation ausgesetzt, hatten diesmal aber das "Risk Information System" mit an Bord des Simulators. Die auf einem Display dargestellten Risikoeinschätzungen und Hinweise dienen der Crew gewissermaßen als "roter Faden" während unklarer und komplexer Situationen. Das Assistenzsystem stellt das Risikolevel für die verschiedenen Flugphasen Steigflug, Reiseflug, Sinkflug und Landeanflug dar und zeigt den Piloten, welche Auswirkungen die Fehler auf den Gesamtzustand des Flugzeuges bezogen auf den aktuellen Flug haben. So können sich die Piloten auf die bevorstehenden Schritte zur Fehlerbehebung vorbereiten und diese strukturiert abarbeiten.
"Alle Crews meisterten diese Extremsituationen gut und trafen am Ende die richtigen Entscheidungen, um das Flugzeug sicher zu landen", fasst Niedermeier die Ergebnisse zusammen. Die Versuche haben außerdem gezeigt, dass das neu entwickelte "Risk Information System" die Arbeitsbelastung der Piloten während unerwarteter und komplexer Situationen reduziert. Aufgrund dieser vielversprechenden Ergebnisse soll der Systemansatz in zukünftigen Arbeiten weiter erforscht werden.
In dem EU-Projekt "Man4Gen" arbeitete das DLR mit Partnern wie dem NLR, Airbus, Boeing, verschiedenen Universitäten und weiteren Industriepartnern zusammen.
(red / DLR / Titelbild: Piloten bei der Arbeit im Cockpit, Symbolbild - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew)