Punktlandung

Kommentar: "Andreas Lubitz hätte niemals Pilot werden dürfen"

Als sich vor einem Jahr die Nachricht vom Absturz des Germanwings-Flugs von Barcelona nach Düsseldorf verbreitete, da schien für einen sehr langen Moment die Erde still zu stehen. Man hoffte inständig, dass es sich um eine Falschmeldung handelte. Es konnte nicht sein, was nicht sein durfte. Doch die Bestätigung kam schnell: 150 Menschen waren tot; 72 davon aus Deutschland, die meisten aus NRW, 16 Schüler aus Haltern am See.

Für die Eltern, Geschwister, Großeltern, Tanten, Onkel, all die Angehörigen und Freunde der Opfer ist ein geliebter Mensch plötzlich nicht mehr da. Für immer weg, ohne dass man Abschied nehmen konnte. Und es kommt noch schlimmer. Es wird bekannt, dass es kein technisches Versagen war, das die Maschine zum Absturz brachte. Es war Selbstmord. Der lebensmüde Copilot Andreas Lubitz hatte das Flugzeug absichtlich ins Alpenmassiv gesteuert. Er war, wie sich herausstellen sollte, instabil und psychisch krank. Dennoch besaß er eine Fluglizenz. Dafür kann es für die Angehörigen keinen Trost geben. Wie kann jemand mit einer diagnostizierten Depression überhaupt Pilot werden? Liest man den Abschlussbericht der französischen Ermittlungsbehörde, so kann es nur eine Antwort auf diese Frage geben: Niemals! Die Mediziner stellten bei Lubitz schon 2009 in seiner Zeit als Flugschüler eine schwere Psychose fest, ausgelöst durch Stress. Sein Umzug zur Pilotenschule nach Bremen soll ihn schwermütig gemacht haben. Lubitz musste eine Psychotherapie machen. Trotzdem gab man ihm die Pilotenlizenz, weil man annahm, er sei genesen. Die Lufthansa verzichtete darauf, ihn weiter von Psychiatern untersuchen zu lassen; stattdessen vertraute man den flugärztlichen Prüfern, die aber nicht auf psychische Erkrankungen spezialisiert sind. Das zeigt, dass der Katastrophe eine lange Kette von Versäumnissen und Fehleinschätzungen vorausging. Lubitz hätte während seiner Ausbildung aussortiert werden müssen. Wem schon ein Umzug zu stressig ist, dem darf man nicht die Verantwortung übertragen, ein Flugzeug zu steuern. Noch unbegreiflicher wird seine Einstellung, wenn man sich vor Augen führt, dass in einem Beruf wie diesem schon eine schlechte Mathenote ausreichen kann, um nicht genommen zu werden. Doch die Fluggesellschaft weist jegliche Mitschuld von sich. Die Opferanwälte wollen noch in dieser Woche Klage in den USA einreichen. Es bleibt zu hoffen, dass es zu einem Prozess kommen wird. Dabei geht es den meisten Angehörigen nicht ums Geld, sondern um die Übernahme der Verantwortung. Diese anzunehmen, ist auch eine Frage des Gewissens und des Anstandes.

Text: Christian Schwerdtfeger via OTS-Aussendung über das Presseportal der Rheinischen Post

Titelbild: Erster Offizier im Cockpit eines A320, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew

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