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Kritik an Lauda Air 25 Jahre nach Absturz: "Von Lauda kam gar nichts!"

Heute vor 25 Jahren stürzte die Lauda Air Boeing "Mozart" kurz nach dem Start in Bangkok in den thailändischen Dschungel. Alle 223 Passagiere und Crewmitglieder fanden bei diesem größten Unglück der österreichischen Luftfahrtgeschichte den Tod. Ursache für den Crash war ein plötzliches Aktivieren der Schubumkehr am linken Triebwerk während des Steigfluges, wodurch die Piloten die Kontrolle über den Jet verloren. Weshalb die Schubumkehr sich plötzlich aktivierte konnte aufgrund des Zerstörungsgrades nicht mehr geklärt werden. Allerdings sprach der offizielle thailändische Untersuchungsbericht davon, dass Lauda Air "Wartungsmaßnahmen nicht immer im Einklang mit den Herstellervorschriften" durchgeführt habe. Und der Gutachter Professor Ernst Zeibig erstellte im Auftrag der österreichischen Behörden eine Expertise, in der er penibel Dutzende Fehlermeldungen betreffend die Schubumkehr auflistete und zu dem Schluss kam, dass die "Mozart" am Unglückstag gar nicht mehr fliegen hätte dürfen. Heute treffen sich die Hinterbliebenen der 223 Lauda Air Opfer zu einer Gedenkfeier in Salzburg. Austrian Wings sprach mit Markus H. (Name von der Redaktion geändert) und der Trauerbegleiterin Astrid Bechter-Boss, welche Angehörige im Rahmen des Treffens betreut.

Austrian Wings: Herr H., danke, dass Sie mit uns sprechen. Wen haben Sie bei dem Absturz verloren?

Markus H.: Mein Bruder und seine Freundin saßen an Bord der Unglücksmaschine. Sie waren 33 beziehungsweise 29 Jahre alt.

 

"Als ich später erfuhr, dass die Maschine mangelhaft gewartet war, stieg große Wut in mir auf."

 

Angehöriger Markus H.

Austrian Wings: Was war der Zweck der Reise der beiden?

Markus H.: Sie hatten Urlaub gemacht und waren auf dem Rückweg nach Österreich. Ironischerweise hatte ich meinen Bruder zuvor einmal gefragt, ob er denn nicht Flugangst habe, weil er so viel unterwegs war. Er antwortete, dass ich mir keine Sorgen machen solle, er fliege nur mit "ausgewählten sicheren Fluglinien".

Austrian Wings: Wie haben Sie von dem Absturz erfahren?

Markus H.: Aus der Zeitung und dann vom Reisebüro, in dem mein Bruder gearbeitet hat.

Austrian Wings: Wie und von wem wurden Sie und Ihre Familie nach dem Unglück betreut?

Markus H.: Der Gemeindepfarrer hat sich um uns gekümmert, sonst niemand.

Austrian Wings: Haben wir Sie richtig verstanden, Lauda Air hat Sie nicht betreut?

Markus H.: Nein, die Fluglinie hat sich absolut enttäuschend verhalten. Um uns Hinterbliebene hat sie sich nicht gekümmert.

Austrian Wings: Wie war Ihr Eindruck von Herrn Lauda zu dieser Zeit? Viele Medien zeichneten ja damals das Bild vom mitfühlenden Unternehmer.

Markus H.: Zu Beginn habe ich Herrn Lauda durchaus noch positiv erlebt, das änderte sich jedoch rasch. Von ihm kam einfach nichts. Und als ich sehr viel später langsam mitbekommen habe, dass die Maschine mangelhaft gewartet war, stieg große Wut in mir auf. Es könnten meiner ganz persönlichen Meinung nach alle 223 Menschen noch leben, wenn die Wartung bei Lauda Air korrekt durchgeführt worden wäre. Doch Lauda selbst verleugnet alles und lebt einfach so weiter. Außer einem Flug für die Angehörigen nach Bangkok haben wir von Lauda rein gar nichts bekommen.

Austrian Wings: War wenigstens die finanzielle Entschädigung von Lauda Air angemessen?

Markus H.: Die von Lauda Air angebotene Summe war sehr niedrig. Ein Anwalt aus den USA hat dann für die Hinterbliebenen eine höhere Summe erstritten.

Austrian Wings: Wir danken für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Kraft und alles Gute für die heutige Gedenkfeier.

Astrid Bechter-Boss ist als Trauerbegleiterin tätig und betreut in dieser Eigenschaft die Hinterbliebenen der Absturzopfer auch bei der heutigen Gedenkveranstaltung.

Austrian Wings: Frau Bechter-Boss, wie kam es zu dieser Berufswahl?

Astrid Bechter-Boss: Mein Stammberuf ist Pädagogin. Zu meiner Tätigkeit als Krisen- und Trauerbegleiterin kam ich nach und nach. Ursprung war die eigene Betroffenheit nach einem Todesfall in unserer Familie vor 13 Jahren. Seither beschäftige ich mich auf unterschiedlichsten Ebenen mit dem Thema Trauer und Krisen. Das Schreiben meiner Diplomarbeit an der RPA-Stams mit dem Titel: „Die Trauer um (m)ein Kind und wenn der Tod die Schule betrifft“ brachte mich zum Ersten Mal mit Theorien zum Thema in Kontakt. Seit 2011 leite ich in unterschiedlichen Abständen Trauerseminare und begleite Trauernde in meinem Umfeld. 2015 schrieb ich für die Ausbildung zur Trainerin am Ehe- und Familienzentrum Feldkirch meine Diplomarbeit mit dem Titel: „Ich geh den langen Weg mit dir - Chancen und Grenzen der Trauerbegleitung.“ Auch hier lernte ich wieder Fachwissen kennen und setze es um. Im Moment mache ich den Lehrgang zur Krisen- und Trauerbegleiterin und schließe diesen im September ab. Mit der Zeit wurde dieses Thema zu einer Herzensangelegenheit.

Austrian Wings: Wie sind Sie mit Markus H., beziehungsweise anderen Angehörigen, in Kontakt gekommen?

Astrid Bechter-Boss: Ich habe Markus zufällig kennen gelernt, und er ist einer der Organisatoren des heutigen Treffens. Er fragte mich dann eines Tages, ob ich ihm bei der Vorbereitung des Treffens helfen würde. Als er erzählte, dass er dieses Treffen selbst leiten möchte, bekam ich Bauchweh. Durch meine Erfahrung als Leiterin von Erwachsenengruppen ist mir klar, dass es mehr Hilfe als nur die bei der Vorbereitung braucht. Deshalb fahre ich gerne für dieses Treffen nach Salzburg und begleite den Nachmittag mit und für die Angehörigen. Als Betroffene dieses Unglücks würde ich trotz meiner Professionalität ein solches Treffen nicht selber leiten wollen.

Austrian Wings: Wie kann man sich diese Unterstützung für die Angehörigen konkret vorstellen?

Astrid Bechter-Boss: Mich begleitet der Gedanke, was die Angehörigen nach 25 Jahren bewegt, zu diesem Treffen zu kommen. Sich auf den Weg zu machen und mit fremden Menschen an diese schmerzvolle Zeit zu denken. Ich bin schon gespannt, was die Teilnehmenden erzählen werden. Einerseits möchte ich ihren Blick auf das richten, was ihnen half das Schwere und Schmerzvolle zu über- und durchleben. Was heute im Leben lebenswert ist. Die Sammlung dieser oft kleinen und doch so wichtigen „Überlebensretterchen“ aus dem Alltag ist ein großer Schatz. Andererseits möchte ich mit einem kleinen Ritual auch die Verstorbenen der Angehörigen in unsere Mitte nehmen. Den Fokus möchte ich nicht auf das Schwere, sondern AUCH auf das Schöne legen. Nach 25 Jahren, so denke ich, ist keine Krisenarbeit mehr nötig, es soll ein Erinnern sein und Erinnern darf schön sein – auch wenn es sehr berührend ist. An diesem Nachmittag darf geweint UND gelacht werden, die eigene Verletztheit UND Stärke darf Platz haben und es soll alleine UND miteinander Zeit verbracht werden.

Austrian Wings: Wir danken für das Gespräch und wünschen auch Ihnen alles Gute für den heutigen Tag.

(red / Titelbild: Die Unglücksmaschine - Foto: Werner Fischdick)