An dem weit über Deutschlands Grenzen hinaus wohl bekanntesten Oldtimer der Lüfte war im vorigen Herbst ein Mittelholmbruch diagnostiziert worden. Seither wird das 1936 in den Dessauer Junkers-Werken gebaute 16sitzige Passagierflugzeug bei der Lufthansa Technik in Hamburg in einem sehr aufwendigen und komplizierten Verfahren repariert. Im Rahmen dieser Arbeiten müssen etliche Teile komplett neu angefertigt werden. Da die Original-materialien heute nicht mehr verfügbar sind, gilt es, Ersatzmaterialien und Fertigungs-prozesse zu ermitteln. Dies und die jeweils notwendige abschließende sorgfältige Qualitäts-kontrolle führte in den vergangenen Monaten zu vorher nicht absehbaren Zeitverzügen, so dass der ursprünglich für Anfang Mai geplante Start in die Flugsaison 2016 mehrfach verschoben werden musste.
Jetzt zogen der Vorstand und das Technik-Team der DLBS die Reißleine und machen aus der Not eine Tugend: Eine weitere aufwendige strukturelle Verjüngungskur insbesondere der Tragflächen der „Tante Ju“, die ursprünglich erst für die kommende Winterpause vorgesehen war und die zu einem verspäteten Start in die Flugsaison 2017 geführt hätte, wird jetzt vorgezogen. Statt zweier getrennter Reparaturphasen erlebt die Ju52 nun also eine Generalüberholung aus einem Guss. „Hinsichtlich der Qualität unserer Wartungs- und Überholungsarbeiten machen wir keine Kompromisse, auch wenn wir unsere Ju52 Fangemeinde für die Flugsaison 2016 enttäuschen müssen“, betont der neue Vorstandsvorsitzende und Accountable Manager der DLBS, der ehemalige Lufthansa Chefpilot Werner Knorr. Seine gute Botschaft: „Der Verzicht auf eine wenige Wochen kurze Restflugsaison 2016 ermöglicht es, die Wiederherstellung der Lufttüchtigkeit unserer Ju52 in bester Verfassung pünktlich zum regulären Saisonbeginn im April kommenden Jahres sicherzustellen“. Zur Erreichung dieses Zieles arbeiten erfahrene Ingenieure, Flugzeug- und Strukturmechaniker von Lufthansa Technik und Kälin Aero Technologies motiviert und eng zusammen.
Ein wesentlicher Beitrag zur aufwendigen und teuren Restaurierung des fliegenden Oldtimers kommt aus Berlin: Am vergangenen Mittwoch gab der Haushaltsausschuss des Bundestages insgesamt gut 20 Millionen Euro aus Bundesmitteln für die Co-Finanzierung von bundesweit insgesamt 138 Projekten im Rahmen eines Denkmalschutz-Sonder-programms frei. 400.000 Euro davon sind zur Freude von Werner Knorr für die Restau-rierung der Ju52 D-AQUI vorgesehen, der im vorigen Jahr als erstem Passagierflugzeug
der Welt der Status eines beweglichen Kulturdenkmals zuerkannt wurde: „Es ist eine großartige Nachricht für unser engagiertes Team und für alle Fans der ‚Tante Ju‘, dass diese einmalige Ehrung nicht nur in einer Urkunde Ausdruck fand“, so Knorr. „Die materielle Unterstützung der Restaurierung dieses wunderbaren Großraumflugzeuges der Dreißiger Jahre durch den Bund ist eine ebenso besondere wie verdiente Würdigung der herausragenden Ingenieurleistung von Hugo Junkers.“
Die Ju52 D-AQUI ist ein Flugzeug mit sehr bewegter Geschichte. 1936 zunächst an die damalige Lufthansa ausgeliefert, wurde sie bald nach Norwegen verkauft. Nach dem Krieg erlebte das Flugzeug eine wahre Odyssee mit Einsätzen in Süd- und Nordamerika. In erbarmungswürdigem Zustand von Lufthansa Piloten zufällig auf einem Flugfeld im Süden der USA entdeckt, wurde sie 1984 von der Lufthansa gekauft und „nach Hause“ geholt. Es folgte ein regelrechter Jungbrunnen für das Flugzeug mit der charakteristischen Wellblechhaut. Knapp zwei Jahre dauerte die Restaurierung und Totalüberholung bei der Lufthansa Technik in Hamburg. Dabei wurde die Ju52 mit leistungsstarken Kolben-Sternmotoren ausgestattet und technisch so aufgerüstet, dass sie vom Luftfahrtbundesamt für den gewerblichen Luftverkehr selbst unter Instrumentenflugbedingungen zugelassen wurde.
Als die Tante Ju wieder flugtüchtig war, wurde im Juni 1986 unter der Ägide des damaligen stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der Lufthansa, Reinhardt Abraham, die Deutsche Lufthansa Berlin Stiftung ins Leben gerufen. Ihr gemeinnütziger Zweck: “Förderung von Kultur und Wissenschaft durch die Erhaltung historischen Fluggeräts und Vorführung am Boden und im Flug.“ Dies geschah bis zum vergangenen Herbst auf tausenden Rund- und Streckenflügen in ganz Deutschland und im benachbarten Ausland. Insgesamt kam die „Tante Ju“ in den vergangenen 30 Jahren auf über 5000 Flugstunden. Mehr als 120.000 Fluggäste erlebten dabei an Bord des Oldtimers kurze Zeitreisen in die frühen Jahre der zivilen Luftfahrt und das wunderbare Gefühl der Entschleunigung.
In den vergangenen zehn Jahren leitete der frühere Top-Manager der Lufthansa Technik Bernhard Conrad als Stiftungs-Vorstand die Geschicke der DLBS. Höhepunkt seiner Amtszeit war „die Anerkennung unserer ‚Tante Ju‘ als fliegendes Denkmal und damit die weltweit erste Unterschutzstellung eines historischen Verkehrsflugzeugs im August 2015.“
Wenige Wochen später mussten Conrad und sein engagiertes Team die nieder-schmetternde Nachricht des komplizierten Mittelholmbruchs verkraften, der den eigentlich für Anfang Mai geplanten Start in die Flugsaison 2016 verhinderte. Doch pünktlich zum 30.Geburtstag der DLBS ist Bernhard Conrad wieder zuversichtlich, dass unter seinem Nachfolger Werner Knorr und dessen Vorstandskollegen Karl-Heinz Steinke wieder optimistisch angepeilt werden kann, was er immer als „nächstes Etappenziel im Leben unserer „Tante Ju“ vorgegeben hat: dass die Ju52 ihren 100. Geburtstag im Jahr 2036 „im Fluge“ erreicht.
Laufende Informationen über den aktuellen Stand der Restaurierungsarbeiten werden regelmäßig auf der Webseite www.lufthansa-ju52.de sowie auf www.facebook.com/LufthansaJu52 veröffentlicht.
(red / Lufthansa / Titelbild: Tante Ju der Lufthansa im Flug - Foto: Austrian Wings Media Crew)