Flugverlauf
Am 06.05.2015 fand der geplante Linienflug vom Flughafen Wien-Schwechat (LOWW) zum Flughafen Innsbruck (LOWI) statt. Der steuernde Pilot (PF) war auf diesem Flug der Erste Offizier während der Kapitän auf diesem Flug die Funktion des nicht-steuernden Piloten (PM) übernahm.
Kurz nach dem Abheben vom Flughafen Wien-Schwechat (LOWW), als die Piloten die Schalter für die Zapfluft von beiden Triebwerken (Bleed 1 und 2) betätigten, kam es zu einem Auftreten von Rauch, zuerst in der Kabine sowie kurz darauf im Cockpit - schon dieser Umstand ist für Insider ein klares Indiz für eine Kontamination der Kabinenluft durch Triebwerksöl. Trotzdem erklärte AUA-Sprecher Peter Thier einen Tag nach dem Zwischenfall noch ausweichend gegenüber Austrian Wings, dass "ein beschädigtes Triebwerk Rauch" entwickelt habe. Von hochtoxischen Öldämpfen in der Kabine sagte er kein Wort.
Die Kabinenbesatzung, zwei Flugbegleiter und ein Flugbegleiter in Ausbildung, bemerkte Rauch in der Passagierkabine, unterbrach die After-Take-Off-Ansage und informierte unverzüglich die beiden Piloten. Zum selben Zeitpunkt aktivierte sich der Rauchmelder in der Toilette, welcher in weiterer Folge durch die Kabinenbesatzung nicht stumm geschaltet werden konnte. Der PF ordnete das Aufsetzen der Sauerstoffmasken und das Abarbeiten der Checkliste „Fire/Smoke Flight Deck“ an. Beide Piloten entschieden sich kurz darauf zur Umkehr zum Flughafen Wien-Schwechat (LOWW). Der PM meldete sich kurz darauf mit einem „Normal Call“ bei der Kabinenbesatzung bezüglich einer Lagebesprechung und dass die Passagierkabine für das Verfahren „Prepared Emergency Minimum Time“ vorbereitet werden solle. Die verbliebene Zeit bis zur Landung gab der PM mit ca. 15 Minuten an. Es würde seiner Einschätzung nach eine normale Landung werden.
Die Piloten begannen die Notverfahren, wie im Quick Reference Handbook (QRH) vorgeschrieben, abzuarbeiten. Der PF stoppte den Steigflug in ca. 5000 ft. Eine Flugnotlage wurde nicht erklärt. Gegenüber der Flugverkehrskontrolle wurde die Natur des Vorfalls via Funk beschrieben. Es wurde die QRH-Checkliste „Fire/Smoke – Flight Deck“ abgearbeitet. Dies verbesserte die Situation jedoch nicht. Auch das Abarbeiten der QRH-Checkliste „Fire/Smoke-Cabin“ brachte keine Veränderung. Erst das Abarbeiten der QRH-Checkliste „Fire/Smoke-Unknown Source“ brachte eine Verbesserung der Situation. Durch das Abarbeiten dieser QRH-Checkliste erkannten die Piloten, dass die Rauchbildung offensichtlich mit der Zapfluft des rechten Triebwerkes zusammenhing. Das Luftfahrzeug befand sich zu diesem Zeitpunkt ca. 12 NM von der Schwelle der Piste 34 des Flughafens Wien-Schwechat entfernt. Es erfolgte ein „Combined Briefing“ an Passagiere und Kabinenbesatzung über das Passenger Address System (PA). Die Passagiere reagierten ruhig, niemand geriet in Panik. Die Kabinenbesatzung machte das „Emergency Announcement“ für die Passagiere in englischer Sprache. Vom Cockpit kam zwei Mal das Kommando „Emergency Landing in 8 Minutes“
Der Landeanflug zur Piste 34 des Flughafens Wien-Schwechat erfolgte über das Instrumentenlandesystem. Vorgegebener Landekurs sowie Gleitweg wurden eingehalten. Der PM gab noch zwei weitere Male die Anweisung an die Kabinenbesatzung „Cabin Crew, Emergency Stations“. Die Kabinenbesatzung nahm ihre Plätze ein und schnallte sich an. Kurze Zeit später kam dann vom PM über PA das Kommando „Brace for Impact“.
Die Landung gestaltete sich normal, abgesehen vom noch immer bestehenden Rauch in der Kabine. Die durch den diensthabenden Flugplatzbetriebsleiter alarmierten Rettungskräfte hatten nahe der Piste 34 Stellung bezogen und erwarteten bereits das Luftfahrzeug.
Nach der Landung wurde das Luftfahrzeug auf der Piste 34 zum Stillstand gebracht. Die Rettungskräfte konnten das Luftfahrzeug visuell von außen untersuchen. Abgesehen von leichter Rauchentwicklung auf der Innenseite des rechten Triebwerks waren keine sichtbaren Beschädigungen ersichtlich. Dies wurde über Funkkontakt den beiden Piloten mitgeteilt, worauf sich diese dazu entschlossen keine Evakuierung auf der Piste 34 durchzuführen, sondern das Luftfahrzeug zu einer zugewiesenen Parkposition zu steuern und die Passagiere dort auf normalen Wege aussteigen zu lassen (Normal Operation). Auf dieser Parkposition angekommen, wurden unverzüglich die Einstiegstüren des Luftfahrzeuges geöffnet um den Rauch entweichen und frische Luft in die Kabine des Luftfahrzeuges zu lassen. Die Passagiere durften jedoch erst Minuten später das Luftfahrzeug verlassen, da noch kein Passagierbus auf der Parkposition verfügbar stand und waren somit noch weitere Minuten den Öldämpfen ausgesetzt.
Als der Passagierbus kurze Zeit später eintraf, wurden die Passagiere zum Terminal gebracht, wo die Betreuung durch die AUA nach Zeugenaussagen von betroffenen Fluggästen schlecht war: „Die geschockten Passagiere wurden nicht betreut, es gab keine Angebote für Betreuung oder medizinische Untersuchungen, wir hatten 20 Minuten Rauch eingeatmet. Es gab auch keine Informationen."
Ausgetretenes Öl wurde noch am Vorfeld entdeckt
Bereits auf dem Vorfeld entdeckten Unfallermittler massive Ölaustritte am linken Triebwerk, womit auch der AUA spätestens ab diesem Zeitpunkt klar gewesen sein dürfte, dass es an Bord einen - nach übereinstimmender Expertenansicht - Vorfall mit hochtoxischen Stoffen gegeben hatte, dennoch gab es keine Information darüber für die Passagiere, welche die gesundheitsschädlichen Dämpfe eingeatmet hatten.
Ölspuren in der Klimaanlage
Im Untersuchungsbericht heißt es dazu: "Nach der Landung, auf der Parkposition, konnte am rechten Triebwerk ein massiver Austritt von Triebwerksöl festgestellt werden. Triebwerksölspuren befanden sich am rechten Hauptfahrwerk, den rechten Landeklappen, am hinteren rechten Rumpf des Luftfahrzeuges sowie am rechten Höhenleitwerk des Luftfahrzeuges. Abgesehen davon war das Luftfahrzeug äußerlich unversehrt. Nachdem das Luftfahrzeug in einen Wartungshangar des Luftfahrtunternehmens geschleppt wurde, konnte unverzüglich mit einer ersten Befundaufnahme des rechten Triebwerkes begonnen werden. Bereits nach kurzer Zeit wurde ein erster Hinweis für den Ölverlust am rechten Triebwerk gefunden: ein Riss am Zwischenverdichtergehäuse (Inter Compressor Case ICC), in ca. 6 Uhr Position. Das Zwischenverdichtergehäuse (ICC) leitet komprimierte Luft vom Niederdruckverdichter zum Hochdruckverdichter. Das Zwischenverdichtergehäuse beinhaltet weiters die Lagerausnehmungen der Lager #3 und #4." Bei weiteren Untersuchungen wurden schließlich auch Ölspuren in der rechten Zapfluftleitung sowie der Klimaanlage entdeckt.
Hersteller selbst weist auf toxische Substanzen im Triebwerksöl hin
Am gegenständlichen Luftfahrzeug wurde laut Untersuchungsbericht ein Triebwerksöl der Type Mobil Jet Oil II verwendet, welches toxische Stoffe beinhaltet. So weist der Hersteller selbst in einem Beiblatt unter dem Punkt „Health and Safety“ auf folgendes hin: „WARNING ! While no significant adverse effects on health are expected when properly handled and used, this product contains tricresyl phosphate (TCP) which, if taken internally, can cause paralysis.“
Untersuchungskommission weist auf Problematik des "Aerotoxischen Syndroms" hin
Auch die Experten der untersuchenden Dienststelle VERSA gehen auf die Problematik der mit Triebwerksöl kontaminierten Kabinenluft ein: "Triebwerksöle, Hydraulikflüssigkeiten und andere Materialien, die im Luftfahrzeugbau und Betrieb verwendet werden, haben gemeinsam, dass sich in den Rezepturen solcher Stoffe auch toxische, also für den Menschen giftige Chemikalien, hier speziell aus der Gruppe der Organischen Phosphate, befinden. So befindet sich im Triebwerksöl moderner Luftfahrzeugtriebwerke unter anderem auch die Chemikalie Trikresylphosphat (TCP). Dieser Stoff wird besonders wegen seiner hervorragenden Eigenschaften als Weichmacher für Kunststoffe (Dichtungen, O-Ringe,…), als Schmiermittelzusatz für Triebwerks-Öl und als unbrennbarer Zusatz für Hydraulikflüssigkeiten verwendet. Mit seinen besonderen Eigenschaften ist TCP ein idealer Bestandteil für Schmierstoffe, die optimale und reibungslose Funktionsfähigkeit der rotierenden Teile im Inneren moderner Luftfahrzeugtriebwerke auch bei sehr hohen Temperaturen und längerer Belastung zu gewährleisten. Allen am Markt verfügbaren Triebwerksölen wird TCP mit Anteilen zwischen drei und bis zu fünf Prozent, je nach Hersteller, beigemischt. Als eines der möglichen toxischen Agentien, das zu peripheren Neuropathien des Nervensystems führen kann, steht u.a. das Ortho-isomer des TCP im Vordergrund. Zu den bekannten Symptomen nach einem solchen Öldampf-Vorfall bei Passagieren und Besatzungsmitgliedern zählen Beklemmungen, Leistungsminderung, Sprachstörungen, gereizte Schleimhäute, brennende Augen, Husten, Speichelfluss, erhöhte Bronchialsekretion, Bronchospasmus (Krampfzustand der Bronchialmuskulatur), Atemnot, oberflächliches Atmen, bis hin zu Lähmungen und plötzlich auftretendes Zittern in den Gliedmaßen, Übelkeit, Erbrechen oder auch starke (migräneartige) Kopfschmerzen."
Crew und Passagiere bekamen keine medizinische Unterstützung
Obwohl der AUA schon unmittelbar nach dem Zwischenfall die Brisanz klar gewesen sein muss, unterblieb laut VERSA ein Angebot zur medizinischen Betreuung für Crew und Passagiere. Wörtlich heißt es dazu im Untersuchungsbericht: "Nach dem Verlassen des Luftfahrzeuges von Passagieren und der Besatzung wurden keine medizinischen Untersuchungen oder Behandlungen angeboten."
Untersuchungen gefordert
Dabei schreibt die VERSA unter dem Punkt "Sicherheitsempfehlungen" ausdrücklich, dass die "Auswirkungen von kontaminierter Kabinenluft in Luftfahrzeugen auf den menschlichen Körper zeitnah, umfassend und unabhängig untersucht werden sollen, um aus den daraus gewonnenen Ergebnissen Lösungsansätze für den Schutz von Passagieren und Besatzungsmitgliedern (Arbeitnehmerschutz) aufzuzeigen und verpflichtend umzusetzen".
(red / Versa / Titelbild: Die betroffene Maschine im Steigflug, Symbolbild - Foto: Austrian Wings Media Crew)