Punktlandung

Fume Unfall: Condor-Kapitän überfordert oder unter Druck gesetzt?

Zwei noch immer arbeitsunfähige Flugbegleiterinnen und eine Kollegin, die aufgrund massiver Lungenschäden nicht mehr (beruflich) fliegen kann. Das sind die hinlänglich bekannten Fakten zum Fume-Unfall auf der Condor Boeing 757-300 D-ABOC am 22. März 2013. Fragwürdig erscheint vor dem Hintergrund der Ereignisse vor allem das Verhalten des Kapitäns. Eine Punktlandung zum Thema.

Ein Flugkapitän trägt juristisch und auch moralisch die gesamte Verantwortung für die sichere Durchführung eines Fluges, für das Wohlergehen seiner Passagiere und das der Crew. Doch einige der Aktionen, die der Kapitän des betreffenden Fluges auf dem Flughafen von Las Palmas gesetzt hat, sind bedenklich und werfen Fragen auf.

So erkundigte er sich am Boden noch nach dem Befinden der Kabinenbesatzung, nachdem kurz vor der Landung ein Fume event eingetreten war, was den Ersten Offizier sogar gezwungen hatte, seine Sauerstoffmaske anzulegen. Bis hierher ist das Verhalten des Kommandanten also durchaus positiv zu bewerten.

An Bord dieser Maschine der Condor (D-AOBC) spielten sich die dramatischen Ereignisse ab - Foto: tvbmedia
An Bord dieser Maschine der Condor (D-AOBC) spielten sich die dramatischen Ereignisse ab - Foto: tvbmedia

Als jedoch zwei Flugbegleiterinnen als Antwort auf seine Frage nach dem Befinden ihren Zustand mit "schlecht (4 auf einer Skala von 1 bis 5) angaben und eine weitere gar nicht mehr antworten konnte, weil sie sich just zu diesem Zeitpunkt übergeben musste, hätte der Kapitän den Rückflug umgehend, und zwar ohne wenn und aber, streichen müssen. Denn diese drei Besatzungsmitglieder waren ganz offensichtlich "unfit to fly", auf gut Deutsch dienstuntauglich.

Und selbst dann, wenn man wohlwollend unterstellt, dass die drei anderen Flugbegleiter - obwohl auch sie angaben, Kopfschmerzen und Übelkeit nach dem Fume event zu verspüren - noch dienstfähig waren, hätte die Maschine nicht mehr starten dürfen. Denn die 757-300 von Condor verfügen über 275 Sitzplätze - folglich sind sechs flugtaugliche Flugbegleiter die gesetzlich vorgeschriebene "Minimum Crew". Doch ein gestrichener Flug kostet die Airline Geld. Viel Geld. Zudem ist er darüber hinaus mit erheblichem Aufwand für Umbuchungen, Entschädigungszahlungen an Passagiere, etc ... verbunden und bringt häufig auch noch negative Kundenkommentare im Internet mit sich.

Kapitän wollte offenbar "mit dem Kopf durch die Wand"

Vielleicht wollte der Kommandant deshalb "auf Biegen und Brechen" nach Hause fliegen, ignorierte den gesundheitlichen Zustand seiner Crew und ging sogar noch einen Schritt weiter - er "zwangsverpflichtete" die gesamte Kabinenbesatzung, als "menschliche Sensoren" bei einem Triebwerksprobelauf auf dem Vorfeld in der Kabine anwesend zu sein, um herauszufinden, ob der beim Hinflug aufgetretene Geruch erneut auftauchen würde. Und auch als drei der Crewmitglieder ausdrücklich darum baten, das Flugzeug währenddessen verlassen zu dürfen, ignorierte der Kapitän diese Bitte und bestand auf die Anwesenheit dieser Flugbegleiter. So etwas kann durchaus als Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses betrachtet werden. Unter jeder Kritik ist diese Handlungsweise des Kommandanten allemal.

"Ein solches Verhalten ist ein Skandal", bringt es auch ein von Austrian Wings konsultierter Ausbildungskapitän auf den Punkt. "Ich habe eine Sorgfaltspflicht gegenüber meiner Crew und die hat der Kollege, so wie sich das im Untersuchungsbericht darstellt, meiner Ansicht nach definitiv nicht eingehalten. Ich bin einfach sprachlos."

Drei Flugbegleiter brachen zusammen

Die Folge dieser fatalen Kapitänsentscheidung: Drei Flugbegleiter brachen beim neuerlichen Fume event zusammen und mussten hospitalisiert werden. Die (bis heute andauernden) dramatischen gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen wurden eingangs bereits erwähnt. Der Flug fiel nun in jedem Fall aus.

Weshalb aber agierte der 35-jährige Kommandant so wie er es getan hat? Dafür gibt es nach Meinung des Autors eigentlich nur zwei Erklärungen. Die erste ist, dass der 35-Jährige mit seiner Funktion und Verantwortung in diesem Moment schlichtweg überfordert war und die Lage völlig falsch einschätzte. Die zweite Möglichkeit wäre, dass er sich massiv unter Druck gesetzt fühlte, diesen Flug unbedingt durchführen zu müssen, und sich deshalb zu seiner verantwortungslosen Handlungsweise hinreißen ließ.

Beide Erklärungen rücken jedoch auch Condor in ein schiefes Licht. Für den Fall, dass Annahme eins zutreffen sollte, müsste sich die Airline die Frage gefallen lassen, weshalb dieser Pilot überhaupt zum Kapitän befördert wurde. Träfe jedoch die letztgenannte Annahme zu, stünde die generelle Frage nach der Sicherheitskultur bei Condor im Raum.

So oder so: Es bleibt daher nur zu hoffen, dass sowohl der Pilot als auch sein Arbeitgeber aus diesem Vorfall gelernt haben. Denn die Frage ist nicht, ob es wieder einen Fume event geben wird, sondern lediglich wann es soweit sein wird.

Text: HP
Titelbild: Symbolbild Flugkapitän - Foto: Austrian Wings Media Crew

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.