Reportagen

Ein Vormittag an Bord der neuen SWISS Boeing 777-300ER

Es war eigentlich eine verrückte Idee, aber warum soll man als Vielfliegerin und Hobby-Fotografin nicht die Gelegenheit nutzen, ein Langstreckenflugzeug von innen kennen zu lernen, wenn man persönlich keine Reiseziele auf anderen Kontinenten plant. Swiss hat in diesem Jahr die Boeing 777-300ER eingeflottet. Piloten müssen eingeschult werden, und das ist auch der eigentliche Sinn, einen Europa-Flug mit einem Langstrecken-Flugzeug durchzuführen, um z. B. Übernachtungskosten zu sparen. Am 26. August 2016 war in diesem Sommer die letzte Gelegenheit, noch ein kostengünstiges Economy-Class-Ticket zu ergattern. Mit dem Risiko, dass sich das Equipment ändern könnte, wählte ich die Strecke Zürich-Hannover-Zürich. Also war es wirklich nur die Rotation in Hannover, denn für einen Aufenthalt in Hannover bis zum Abend wäre das Ticket wesentlich teurer gewesen.

Schon beim Web-CheckIn konnte man die Besonderheit des Europa-Fluges erkennen. Es wurden nicht alle Sitzplätze verkauft, nur im üblichen Maß im Vergleich eines Airbus A320/A321. Die Swiss Boeing 777 hat die Class-Einteilung in fünf Sektoren: First, Business 1/Business 2. Economy 1/Economy 2. Tatsächlich konnte man für Hin- und Rückflug nur die Plätze im Bereich Economy 1 wählen.

Blick in die Economy Class (Section 2)
Blick in die Economy Class (Section 2)

Es war ein sehr heißer Sommertag in ganz Europa. Der Flughafen Zürich wachte jedoch im Nebel auf. Der Hotel-Shuttle brachte mich nach dem Frühstück (Buffet ab 4:00 Uhr geöffnet) bereits um 5:45 Uhr in einer Fahrzeit von 15 Minuten von Rümlang zum Zürich Airport-Center. Der geplante Abflug um 07:35 Uhr war jedoch nach planmäßiger Ankunft aus Montreal um 20 Minuten verspätet, also wurde ich nach dem etwas zu frühen Aufstehen (es ist eigentlich auch ein Jet-Lag) mit tollen Stimmungsaufnahmen von den Parkhäusern P3 und P6 belohnt.

Neue Eindrücke bekam ich von den Gates B, darüber liegt die Besucherterrasse, die ich den letzten Jahren schon öfters besucht habe und für mich als Fotografin ein Favorit ist, allerdings aufgrund der Lichtverhältnisse nur bis zum frühen Nachmittag für gute Fotos geeignet.

Der Einstieg war bereits ein besonderes Erlebnis. Es gibt je einen Jetway für die Business und Economy Class. Mit der Kamera bereits in der Hand wurde eine kurze Erklärung zu meinem Vorhaben von der Crew sofort sehr erfreut aufgenommen, und es wurde mir versprochen, mich in allen Anliegen zu unterstützen. Eine Auflage bekam ich aus schlechter Erfahrung mit Journalisten: Bitte keine Passagiere fotografieren. Dies war jedoch kein Problem, denn das wollte ich ohnehin nicht.

Vor dem Start konnte ich die First Class besichtigen und alle Features der Ausstattung ausprobieren, z. B. Liegeposition. Dort wurde mir sofort ein Mineralwasser und ein Erfrischungstuch gebracht, obwohl es zu diesem Zeitpunkt noch nicht so heiß war und die Fenster noch Wassertropfen an der Außenseite hatten - nicht gerade ideal zum Fotografieren.

Breiter First Class Sitz mit netter Beleuchtung und Bedienungselement für Info- und Entermaint-System
Breiter First Class Sitz mit netter Beleuchtung und Bedienungselement für Info- und Entermaint-System
Großer Bildschirm für Info- und Entermaint in der First Class. Das zusätzliche innenliegende Fenster ist für Fotos nach außen nicht ideal.
Großer Bildschirm für Info- und Entermaint in der First Class. Das zusätzliche innenliegende Fenster ist für Fotos nach außen nicht ideal.

Danach wechselte ich in die Business Class, die Monitore für das Entertainment-System sind dort etwas kleiner, die Liegeposition genauso bequem, auffallend das Ablagefach. Hier ist der Sicherheitsgurt genauso wie im PKW konzipiert - eine große Überraschung. Generell muss man sich von "eingespielten" Vielflieger-Gewohnheiten auf Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeugen schon "gewaltig umstellen".

Design-Identity: Im Vergleich zur First Class sind die Lämpchen in der Business Class entsprechend kleiner, dennoch das gleiche "Salon-Feeling".
Design-Identity: Im Vergleich zur First Class sind die Lämpchen in der Business Class entsprechend kleiner, dennoch das gleiche "Salon-Feeling".
Praktisches kleines Ablagefach vor dem Sitz in der Business Class
Praktisches kleines Ablagefach vor dem Sitz in der Business Class
Start-Seite des Info- und Entertainment-Systems, welches in allen Klassen einheitlich ist.
Start-Seite des Info- und Entertainment-Systems, welches in allen Klassen einheitlich ist.

Da es beim Flug ZRH-HAJ keine Fluggäste in der Business Class gab, durfte ich mir dort einen Platz frei wählen. Ich bekam wieder ein Mineralwasser und ein Erfrischungstuch. Der Start erfolgte über die Runway 28, was für Europa-Flüge üblich ist. Auch wenn ich den regulären Service der Economy Class nicht Anspruch nehmen konnte (total egal), einen Espresso nach freier Wahl bekam ich dennoch. Die Zeit bei herrlichen Blicken auf ein wolkenfreies Deutschland ging viel zu schnell vorbei, um alle Fotos von der Kabine zu bekommen.

Bei den 3D-Landkarten im Info-System werden die Staatsgrenzen erhöht angezeigt.
Bei den 3D-Landkarten im Info-System werden die Staatsgrenzen erhöht angezeigt.
Blick auf die Tragfläche bei wolkenlosem Himmel während des gesamten Fluges HAJ-ZRH
Blick auf die Tragfläche bei wolkenlosem Himmel während des gesamten Fluges HAJ-ZRH

Am Flughafen Hannover bekam die HB-JNB eine Außenposition zugewiesen - ein Highlight für Fotografen. Aus "politischen Gründen" musste ich dennoch aussteigen, der Bus brachte uns direkt zum Abflug-Gate für den Rückflug, die Sicherheitkontrollen blieben mir erspart. Relativ kurz fand ich die Zeit der Rotation. Ein Blick auf die Monitore beim Gate vermittelte mir die Wettervorhersagen für extrem heißes Wetter in Deutschland.

Beim Einstieg an der Außenposition entstanden viele Detail-Fotos von der B777. Die Passagiere waren etwas von den Plätzen in den Positionen J, K überrascht oder verwirrt, die Einweisung durch die Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen erfolgte professionell. Wie zuvor angekündigt, musste ich diesmal den "offiziell" bewusst über der Tragfläche gewählten Sitz in der Economy Class einnehmen, für weitere Perspektiven am Fenster ideal. Aber es wurde mir noch ein weiteres Highlight versprochen.

Bugrad der B777 (fotografiert beim Einstieg in Hannover)
Bugrad der B777 (fotografiert beim Einstieg in Hannover)
Triebwerk General Electric GE90-115BL (aufgenommen beim Einstieg in HAJ)
Triebwerk General Electric GE90-115BL (aufgenommen beim Einstieg in HAJ)
Blick auf Fahrwerk und Triebwerk an der Außenposition in Hannover
Blick auf Fahrwerk und Triebwerk an der Außenposition in Hannover

Die Gepäckablagen sind in allen Klassen sehr tief. Im Gegensatz zur Airbus A319/A320/A321-Family müssen diese mit dem gesamten Gewicht nach oben gedrückt werden. Etwas kleinere Flugbegleiter steigen an den Rand der Sitze im Gang, um die sicherheitsrelevante Abschließung zu gewährleisten. Die Konstruktion mit dem Stemmen nach oben mit vollem Gewicht des regulär möglichen Handgepäcks pro Passagier ist bei der B777 nicht sehr vorteilhaft.

Die Ablagefächer für das Handgepäck sind sehr tief und werden herunter geklappt.
Die Ablagefächer für das Handgepäck sind sehr tief und werden herunter geklappt.

Das hervorragende Service der Economy Class konnte ich in vollen Zügen genießen.

In der Galley wird gearbeitet.
In der Galley wird gearbeitet.
Espresso mit Schweizer Schokolade - nationales Markenzeichen
Espresso mit Schweizer Schokolade - nationales Markenzeichen

In einer Warteschleife im Anflug auf ZRH konnte ich dann das Versprechen des Pursers realisieren: Ohne Passagiere den Economy Class Bereich 2 und die riesige Bordküche am den Ende der Röhre der B777 zu fotografieren.

Riesige Board-Küche für die Economy Class am Ende der Röhre der B777
Riesige Board-Küche für die Economy Class am Ende der Röhre der B777

Fast pünktlich landeten wir auf Runway 14 in Zürich. Vor dem Aussteigen bekam ich noch die Gelegenheit, das Cockpit zu besichtigen, und stolperte beinahe noch über eine Stufe. Der Kapitän war mit seinem Schulungskandidaten sehr zufrieden. Nach dem Briefing durfte die Crew nach Hause gehen.

Cockpit der B777 "HB-JNB" (nach der Landung in ZRH)
Cockpit der B777 "HB-JNB" (nach der Landung in ZRH)
Bord-Küche im vorderen Bereich (für First und Business Class)
Bord-Küche im vorderen Bereich (für First und Business Class)

Fazit des Kabinen-Tests: Für einen Langstreckenflug ist die Buchung in der Bussiness Class im Preis-Leistungs-Verhältnis empfehlenswert, vor allem, wenn man öfters aufstehen und einige Bewegungen bequem machen will oder muss (zur Gesundheit der Venen) und nur im Liegen schlafen kann (laut Statistik 80% der Menschen). Das Design bei Swiss ist in First und Business Class sehr ansprechend, man lebt in einem Salon. Auch in der Ecomomy Class sind Infos und Entermaint gleichwertig, ebenso gibt es Anschluss-Möglichkeiten für Kopfhörer und USB.

Technische Daten der Swiss B777

Auf den Europa-Schulungs-Flügen sind 11 FlugbegleiterInnen und 2 Piloten, auf den Langstreckenflügen 14 FlubegleiterInnen und 3 Piloten im Einsatz.
Sitzplätze: 340; First Class 8 (Bestuhlung 1-2-1), Business Class 62 (10+52, Bestuhlung abwechselnd 2-2-1 und 1-2-2), Economy Class 270 (144+126, Bestuhlung 3-4-3)
Länge: 73,9 m
Spannweite: 64,8 m
Höhe: 18,6 m
Reichweite: 10700 km
Höchstgeschwindigkeit: 945 km/h

Die HB-JNB hob am frühen Nachmittag über Runway 16 nach Los Angeles ab. Das letzte Foto entstand bei einem Imbiss in einem Restaurant im nur für Passagiere zugänglichen Sicherheitsbereich, denn die Sommerhitze musste ich nicht sofort erleben.

Die weiteren Aktivitäten in ZRH und aktuelle Infos:

Nach zwei Ruhestunden im Hotel (um den Jetlag etwas auszugleichen) fuhr ich am späten Nachmittag mit einem Mietwagen zum berühmten Heli-Grill. Die Sommerhitze erlaubte jedoch nur kurze Momente zum Fotografieren im Freien. Der Heli-Grill wird umgebaut und Mitte Oktober 2016 geschlossen, man braucht mehr Platz in der Zone West für die neuen Langstrecken-Flugzeuge. Der Baubeginn erfolgte am 4. Juli 2016. Die Beschreibung für die Neugestaltung des Foto-Punkts ist vielversprechend. Die Neuereröffung ist für Frühjahr 2017 geplant.

Zum Abschluss meiner Planespotter-Mission in ZRH besuchte ich am nächsten Tag am Morgen das Pistenende Runway 14 (nur am Vormittag bis ca. 10 Uhr gute Lichtverhältnisse auf der Ostseite), und fuhr dann "zum Foto-Motiv-Ausgleich" auf den Spuren von Wilhelm Tell bei wolkenlosem Wetter zum Gotthard-Pass. Der Rückflug am Samstag abends mit Austrian Airlines nach Wien war planmäßig; gerade entkommen dem Chaos am Sonntag infolge der Computerpanne bei Austro Control.

Im Winterflugplan 2016/17 können wir uns auch Wien auf die Besuche der Swiss Boeing 777 am Wochenende freuen.

Text und Fotos: Dr. Ingrid Muhr für Austrian Wings
Titelbild: Start der Swiss B777 "HB-JNB" nach Los Angeles in ZRH über Rwy 16