In Kolumbien ist - wie berichtet - ein Avro RJ-85 der Gesellschaft LAMIA Bolivia beim Anflug auf den Flughafen der Stadt Medellin abgestürzt. An Bord der aus Santa Cruz Viru kommenden Maschine mit der Kennung CP-2933 befanden sich 72 Passagiere und 9 Besatzungsmitglieder, unter ihnen das brasilianische Fußballteam Chapecoense, das auf dem Weg zum Finale des Südamerika-Cups gegen das kolumbianische Team Atlético Nacional war. 75 Menschen starben sofort, 6 überlebten, wobei einer der Überlebenden später seinen Verletzungen erlag. Unter den Geretteten befinden sich drei Fußballspieler und zwei Besatzungsmitglieder, darunter eine 27-jährige Flugbegleiterin. Zwar wurden die bereits geborgenen Flugschreiber und der Cockpit Voice Recorder noch nicht ausgewertet, doch die Hinweise darauf, dass der Absturz durch Treibstoffmangel verursacht wurde, verdichten sich immer weiter.
So erklärte der Direktor der betroffenen Fluggesellschaft, Gustavo Vargas, in einem Interview mit der spanischsprachigen Zeitung "El Tiempo", dass ein Tankstopp in Bogota (Kolumbien) vorgesehen war und bestätigte damit indirekt, dass die Maschine lediglich über die Standardtankkonfiguration mit einer Kapazität von rund 9.300 Kilogramm verfügte, was ihr eine Reichweite von maximal 1.600 nautischen Meilen ermöglicht hätte. Doch die Entfernung zwischen Start- und Zielflughafen betrug sogar 1.605 nautische Meilen, wir berichteten. Auffällig ist allerdings - trotz der Aussage, es sei ein Tankstopp geplant gewesen - dass die gleiche Maschine die Strecke in der jüngeren Vergangenheit laut Radaraufzeichnungen bereits mindestens einmal nonstop zurückgelegt hat.
Zudem bestätigten andere Piloten, dass die Warteschleife der LAMIA Bolivia Maschine nicht freiwillig, sondern erzwungen war, da eine andere Maschine einen Notfall aufgrund von zu wenig Treibstoff gemeldet hatte und deswegen von den Fluglotsen bevorzugt behandelt wurde. Nach dem Holding hätten die Piloten des Avro dann plötzlich um "Priorität bei der Landung" und einen "direkten Kurs zum Flugplatz" gebeten, da sie ein "Treibstoffproblem" hätten. Eine - für solche Fälle verpflichtend vorgeschriebene - Erklärung einer Luftnotlage nahmen sie jedoch nach dem bisherigen Erkenntnisstand nicht vor.
Die von den Piloten der Unglücksmaschine dagegen gemeldeten "elektrischen Probleme" führen erfahrene mit diesem Muster vertraute Flugzeugführer darauf zurück, dass infolge des Treibstoffmangels die Drehzahl der Triebwerke abgefallen sei. Die Turbinen jedoch treiben Generatoren an, die die elektrischen Systeme des Jets mit Energie versorgen. Fallen die Triebwerke aus oder verlieren an Leistung, wirkt sich das unter Umständen auch auf das elektrische Bordnetz aus.
Weshalb die Piloten auf die Erklärung einer Luftnotlage verzichteten, bleibt unklar. Andere Flugzeugführer mutmaßen, dass das Deklarieren eines Notfalls zu einer anschließenden Untersuchung durch die Behörden geführt hätte und dann aufgedeckt worden wäre, dass der Flug mit zu wenig Treibstoff durchgeführt wurde - womöglich um Zeit und Geld (für einen Zwischenstopp) zu sparen.
Tanks laut Berechnungen zum Unglückszeitpunkt leer geflogen
Davon ausgehend, dass die verunglückte Maschine lediglich mit den Standardtanks (Tragflächentanks und ein Rumpftank) ausgerüstet und beim Abflug vollgetankt war, betrug die maximale ausfliegbare Treibstoffkapazität rund 9.300 Kilogramm Kerosin. Der Treibstoffverbrauch eines Avro RJ-85 liegt bei etwa 2.000 Kilogramm Kerosin pro Stunde. Zum Zeitpunkt des Absturzes war der Jet bereits 4 Stunden und 37 Minuten in der Luft, hatte zu diesem Zeitpunkt also etwa 9.000 Kilogramm Treibstoff - de facto den gesamten Tankinhalt - verbraucht.
Kleine Fluggesellschaft
Bei der Eigentümerin des verunglückten Flugzeuges, LAMIA Bolivia, handelt es sich um eine im Jahr 2009 gegründete Fluggesellschaft, die in ihrer Blützeit bis zu fünf Avro Regional Jets und eine ATR72 betrieb. Zuletzt standen noch drei Avro RJ-85 mit einem Durchschnittsalter von rund 17 Jahren in den Diensten der Gesellschaft. Nach dem Absturz der CP-2933 besteht die Flotte nunmehr aus zwei Maschinen dieses Typs.
(red)