Punktlandung

BFU: Von „Unfällen“ und „schweren Störungen“, die keine sein dürfen

Symbolbild Flugverkehr - Foto: Austrian Wings Media Crew

Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchungen im deutschen Braunschweig untersucht Unfälle und schwere Störungen im Flugverkehr. Offiziell unabhängig und unbeeinflusst durch die Politik. Doch angesichts seltsamer Vorgänge zweifeln Flugbesatzungen mitunter daran ...

„Die BFU hat die Aufgabe, Unfälle und schwere Störungen beim Betrieb von Luftfahrzeugen in Deutschland zu untersuchen und deren Ursachen zu ermitteln.“

So klar und unmissverständlich definiert die BFU selbst auf ihrer Webseite ihre Aufgabe. Zu einem guten Teil melden die Airlines selbst Zwischenfälle an dieses Institut, und die BFU entscheidet dann nach Beurteilung aller vorliegenden Fakten, ob es sich bei dem Ereignis um einen Unfall oder eine schwere Störung handelt.

Am 30. September kam es auf einem Germanwings-Flug zu einem so genannten Fume event. Zwei Flugbegleiter erkrankten dadurch derart schwer, dass sie ihren Dienst nicht fortsetzen konnte, noch an Bord mit Sauerstoff versorgt werden musste und nach der Landung sogar ins Spital kamen. Danach waren sie für mehrere Wochen krank geschrieben. Die BFU bewertete diesen Zwischenfall allerdings weder als Unfall noch als schwere Störung.

Ebenso die Einschätzung der gleichen Behörde bei einem Fume event an Bord eines A319 der Germanwings-Mutter Lufthansa rund zwei Monate zuvor, am 5. August. Hier klagten alle drei Flugbegleiter während des Fluges über gesundheitliche Probleme nach dem Einatmen der in die Kabine eingedrungenen Dämpfe und kamen nach der Landung ebenfalls ins Krankenhaus. Noch fast drei Monate später waren alle drei arbeitsunfähig. Doch für die BFU ebenfalls weder ein Unfall noch eine schwere Störung.

BFU kalmiert zunächst - und schweigt auf Nachfrage
Schon rein nach dem gesunden Menschenverstand erscheint das kaum logisch, und so fragte Austrian Wings bei der BFU nach der Begründung für diese Entscheidungen an. Der Pressesprecher, Herr Freitag, antwortete prompt, in allgemein gehaltenem „Journalisten-Abwimmel-Schönsprech“:

„Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, sind die rechtliche Grundlagen der Arbeit der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) die Verordnung der Europäischen Union, EU VO 996/2010 und das Flugunfalluntersuchungsgesetz, FLUUG aus 1998, sowie der ICAO Annex 13. Nach den, der BFU vorliegenden Unterlagen ist es keine Schwere Störung oder Flugunfall. Daher wird es keine Untersuchung der BFU zu diesen gemeldeten Ereignissen geben.“

Glasklare Definitionen
Fakt ist jedoch, dass die BFU nach ihren eigenen im Internet veröffentlichten Definitionen unter anderem dann von einem „Unfall“ spricht, wenn bei einem Zwischenfall an Bord eines Luftfahrzeuges „schwer verletzt“ wurde – und das ist in beiden Fällen anhand der Krankheitsgeschichte der betroffenen Flugbegleiter wohl der Fall, wie von Austrian Wings konsultierte Mediziner meinen.

In den Definitionen einer „schweren Störung“ heißt es, dass eine solche beispielsweise dann vorliegt, wenn Umstände eintreten, „die die Flugbesatzung zur Benutzung von Sauerstoff zwangen“. Auch das ist zumindest in einem der beiden geschilderten Fälle geschehen. Als „schwere Störung“ gilt nach der BFU-eigenen Definition aber auch „jeder Ausfall von Flugbesatzungsmitgliedern“ - diese Qualifikation ist gleichermaßen erfüllt.

Also konfrontierte Austrian Wings Pressesprecher Freitag ganz konkret mit der Frage, weshalb die BFU diese beiden Zwischenfälle weder als Unfall noch als schwere Störung klassifiziert, obwohl dies nach ihren eigenen Richtlinien eigentlich erforderlich wäre. Die Antwort auf unsere Nachfrage war eisernes, aber durchaus beredtes Schweigen.

Wenn eine offiziell unabhängige Behörde derart agiert, dürfen sich ihre Repräsentanten nicht wundern, wenn sie das Vertrauen des Flugpersonals sukzessive verliert und Gerüchte in Umlauf kommen, in denen der Verdacht der politischen Einflussnahme bei Untersuchungen geäußert wird – insbesondere dann, wenn es um das politisch und wirtschaftlich heiße Eisen „Fume event“ geht.

Übrigens, die Schweizer Unfalluntersuchungsstelle (SUST) klassifizierte jüngst ein Fume event auf einem Avro der SWISS sehr wohl als „schwere Störung“, obwohl dort – anders als bei Lufthansa und Germanwings – keine Verletzten zu beklagen waren. Ebenso die britische Untersuchungsbehörde AAIB bei einem Vorfall mit einer British Airways Maschine am 21. Oktober.

Wen also angesichts dieser merkwürdigen Vorgänge bei der BFU auch nur der leiseste Verdacht beschleicht, dass hier womöglich unter Umständen wirtschaftliche oder politische Interessen auf Intervention von höchster Stelle Vorrang gegenüber einer qualifizierten unabhängigen Ermittlung haben könnten, der muss ein ganz ein schlimmer Schelm sein, denn in einem Rechtsstaat wie Deutschland ist so etwas selbstverständlich denkunmöglich ...

Text: HP

Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.