Georg Mader: Herr Gross, bitte erzählen Sie uns etwas über die Anfänge der Emirates-Flüge nach Wien
Martin Gross: Begonnen hat EMIRATES in Wien im Jahr in dem ich zur Firma kam, am 1. Mai 2004. Vorerst viermal pro Woche mit einem A330-200 mit 278 Sitzplätzen. Ganz kurz danach wurde schon auf tägliche Frequenzen umgestellt. Zuerst nur während der Sommersaison, kam die mit 354 Plätzen erheblich größere Boeing 777-300ER zum Einsatz und die wurde dann ab Ende 2008 überhaupt zum Standard. Es ging für uns zwischen Wien und Dubai stetig bergauf, 2009 wirde die 200.000-Passagiermarke geknackt. Seit Mitte 2011 haben wir auf 13 Flüge pro Woche expandiert, also zusätzlich zur ‚Triple Seven‘ ein A340-500 mit 258 Sitzen. Seit Ende 2014 gab es dann durchgehend zwei tägliche Flüge pro Woche, mit der 777-300ER, dem größten Flugzeug von EMIRATES unterm A380.
Georg Mader: Dass Emirates nun mit dem A380 auch Wien ansteuert, ist keineswegs selbstverständlich, es gab massive Widerstände seitens der AUA ...?
Martin Gross: Zuerst sollte man festhalten, dass die AUA hat ihre Dubai-Flüge schon im September 2015 eingestellt hat, also lange bevor EMIRATES mit A380 nach VIE kam. Es war allerdings ein harter Kampf bis wir letztendlich die Genehmigung bekamen, mit dem A380 nach Wien zu kommen. Aber wir haben jetzt schon über 900 Sitze pro Tag und speziell der A380 wird von Passagieren extrem stark nachgefragt.. Auch wegen der gegenüber der 777 nochmals großzügigeren Sitzabstände in der Economy-Class. Wann der Abendflug auch auf den A380 umgestellt wird, hängt natürlich in erster Linie von den Verkaufszahlen ab – in der Regel ist es aber bisher immer so gewesen, dass es in ähnlichen Situationen 1 bis 2 Jahre gedauert hat. Der Abendflug hat in Dubai eine Menge mehr Anschlüsse als jener der abends ankommt. Eine entscheidende Hürde auf ganz anderer, technischer Ebene war, dass es in VIE an geeigneten A380-Gates mangelte. Es war für uns aber Voraussetzung um den A380 nach Wien zu bringen, dass er nicht auf dem Vorfeld bzw. mit Busgates abgefertigt wird. VIE hat nach einer Möglichkeit gesucht, und in der Zusammenlegung von Gates am Pier Ost auch gefunden. D.h. die Passagiere der verschiedenen Klassen boarden das Flugzeug durch zwei Fluggastbrücken– aber immer noch auf einer Ebene. Operativ funktioniert das in der Praxis eigentlich recht gut, trotz Hauptsaison hatten wir im Sommer keine einzige Verspätung. Ändern wird sich das erst in einigen Jahren, wenn für die nächste Terminalerweiterung dann zwei-Ebenen-Gates vorgesehen sind.. Zwar gibt es seit dem Sommer in der ‚Jet-Lounge‘ einen EMIRATES-Bereich, aber ein weiterer Wunsch den EMIRATES geäussert hat, ist eine ganz eigene Lounge. In Summe glaube ich an eine große Zukunft für EMIRATES in Wien,
Georg Mader: Wie bewerten Sie die Stellung von Emirates heute, beziehungsweise die Bedeutung "Ihres" Unternehmens im Europaverkehr
Martin Gross: Die EMIRATES Gruppe hat heute rund 90.000 Mitarbeiter weltweit, davon über 20.000 Cabin Crew und ca. 4.000 Piloten. Die Flotte hat rund 250 Maschinen, weitere rd. 235 sind bestellt. Momentan konzentrieren wir uns auf die Flugzeugtypen B 777 und A 380 (für beide Flugzeugtypen sind wir der mit Abstand größte Betreiber weltweit.) Eine Entscheidung ob dazu u.U. Dreamliner oder A350 kommen, ist derzeit noch nicht gefallen. Wir fliegen zu etwas über 150 Destinationen in über 80 Ländern, das ist für ein einzelnes Unternehmen schon eine Größe für sich. Aber wenn oft gesagt wird EMIRATES wäre am Weg zur größten Fluglinie der Welt, muß man schon relativieren. Zu den US-Airlinekonglomeraten und z.B. der Lufthansa-Gruppe ist da schon noch ein deutlicher Unterschied, da diese im Vergleich zu uns natürlich viel Domesticverkehr haben. Besonders in Europa haben mittlerweile Fluggsellschaften, von denen man es vielleicht auf den ersten Blick nicht erwartet extrem hohe Passagierzahlen (Beispiel Ryanair mit ca. 100 Mio und Easyjet 75 Mio). Mit über 50 Mio jährlichen Passagieren sind wir aber mittlerweile - gemessen an internationales Passagieren - die größte Fluggesellschaft. Natürlich fliegen z.B. Ryanair und Easyjet in einem ganz anderen Segment, wir fliegen ja nahezu ausschließlich Langstrecke. Aber dank des Hubs Dubai - und unserer Airline – kann man mittlerrweile praktisch von jedem Punkt der Erde mit einem Mal Umsteigen zu jedem anderen Punkt fliegen. (Beispiel Toronto nach Karachi, oder Kuala Lumpur nach Sao Paolo). Möglich ist das durch die Möglichkeit Flüge mit einer Länge von über 15 Stunden durchzuführen. Während derartige Flüge früher ausschliesslich über die großen Europäischen Hubs, wie Frankfurt, London, Amsterdam möglich waren, geht das jetzt auch über Dubai. Das ist ja das Konzept von DXB - ein Drittel der größten Populationszentren der Welt liegen im Radius von vier Stunden Flugzeit, zwei Drittel innerhalb von acht Stunden. Die längste Flugverbindung von EMIRATES ist neuerdings Auckland, in ca. 17 Stunden ...
Georg Mader: Stichwort neuer Airport Dubai World ...
Martin Gross: Ein völliger Umzug von EMIRATES wird sich bis 2020 bzw. bis zur auf unseren Fliegern beworbenen EXPO-2020 nicht ausgehen, nach neuesten Planungen wird das erst im Jahr 2025 geschehen. Aber einige Fluglinien sind schon dort, der neue Airport, der im Endausbau 5 Runways haben wird, ist ja schon im Betrieb. Wir haben beispielsweise unsere gesamte Frachterflotte bereits dort stationiert.
Georg Mader: Wie bewerten Sie die Bedeutung der Märkte in Österreichs Nachbarländern?
Martin Gross: Für die ebenfalls von uns hier in Wien betreuten Märkte Serbien, Slowenien und Kroatien pflegen wir eine sehr enge Zusammenarbeit mit FlyDubai. Diese expandiert dort stark und fliegt nach Belgrad, Skopje und Sarajevo. Zwar haben alle größeren Städte Potenzial um sie auch ins EMIRATES-Netz aufzunehmen, aber derzeit gibt es keine konkreten Pläne dazu. Prag – dort übrigens parallel mit FlyDubai - entwickelt sich für uns sehr gut, in Budapest bleibt es vorerst bei der 777.
Georg Mader: Leider kann man sich in EMIRATES nicht mittels Aktien einkaufen, denn eigentlich wäre ja jetzt ein guter Zeitpunkt dafür, oder?
Martin Gross: Ja bestimmt – wenn es welche gäbe! Es gibt aber keine EMIRATES-Aktien. Die Airline ist der größte Teil eines Mischkonzerns [The Emirates Group], der sich vollständig im Besitz des Emirats Dubai befindet, Chairman ist Scheich Ahmad ibn Sa'id Al Maktum, President ist Tim Clark. Charakteristisch und entscheidend ist, dass für die Regierung von Dubai die Airlineindustrie ein sogenanntes ‚Strategic Asset‘ ist, das heisst, dass sehr viel dafür getan wird, dass sich die Luftfahrtindustrie dort gut entwickeln kann. (Beispiel kontinuierlicher Ausbau der Flughäfen, 24 Stunden Öffnungszeit etc. etc.) Das fehlt speziell in Europa oft fast völlig, im Gegenteil werden noch Hemmnisse wie Ticketsteuern eingezogen. Im übrigen fliegt die überwältigende Anzahl unserer Passagiere zu Destinationen, welche AUA überhaupt nicht anbietet – damit leisten wir also definitiv einen Beitrag zur österreichischen Wirtschaftsentwicklung!
Georg Mader: Die Emirates-Mitarbeiter kommen aus aller Welt, auch aus Österreich. Wie rekrutieren Sie das Personal?
Martin Gross: Ja das stimmt, etliche unsere Mitarbeiter sind Österreicher. Wir haben sogar zehn österreichische Kapitäne auff dem A380. Ein- bis zweimal im Jahr sind auch in Wien sog. ‚Cabin Recruitment Days‘, in einem großen Hotel wie dem Marriot. Dort können sich Interessierte direkt vor Ort bewerben. Nach einem relativ kurzen Auswahlverfahren folgt dann ein sechswöchiges Training in Dubai. Die Firma stellt dort kostenlosen Wohnraum zur Verfügung. Im Bereich Cabin Crew bewohnen jeweils 2-3 Mitarbeiter ein sehr großzügiges Appartment, für Cockpit Crew wird in der Regel eine sog. „Villa“ zur Verfügung gestellt. Das Gehalt ist eigentlich brutto für netto, weil es in Dubai ja bekanntlich keine Steuern in unserem Sinne gibt. Selbstverständlich sind alle Mitarbeiter auch krankenversichert.
Georg Mader: Immer wieder sieht sich Emirates ja mit diversen Unterstellungen von Mitbewerbern konfrontiert, Stichwort ‚Gratissprit‘ ...
Martin Gross: Nein, wir erhalten – leider - kein gratis Kerosin. Wir tanken in Dubai bei internationalen Konzernen zu Weltmarktpreisen, wie jeder andere auch. Dubai setzt seit langem auf die Entwicklung der Wirtschaft und des Tourismus. Und unternehmensfreundliche Gesetzgebung bzw. – im Vergleich zu Europa - niedrige Flughafengebühren sind keine ‚versteckten Subventionen‘, sondern schlicht Wirtschaftspolitik. Der Verbund aus Langstreckendrehkreuz, kundenfreundlichem Flughafen welcher nicht um 22 Uhr dicht macht sowie Rückendeckung der lokalen Politik, hilft uns, unsere starke Stellung im internationalen Luftverkehr zu behaupten.
Georg Mader: Was schätzen Sie an Ihrem Job als Regionaldirektor und wie würden Sie ihn beschreiben?
Martin Gross: Für mich ist die Vielfältigkeit meiner täglichen Anforderung essentiell. Ich kann in der Regel entscheiden, welchem Bereich ich meinen Fokus zuwende. Also der Buchhaltung, dem Verkauf oder den Abläufen draußen am Airport. Manchmal diktiert zwar der Tagesablauf die Dinge, aber sehr oft kann ich mir alles selber einteilen. Es ist aber trotzdem keineswegs ein 8 bis 5 Job, es gibt Zeiten da muss man einfach ‚ran‘ – aber das macht ja auch Spaß. Wir haben hervorragende Abteilungsleiter in allen Bereichen, die natürlich selbsständig arbeiten und entscheiden – ich bin da mehr oder weniger der „Ratgeber“ und bin natürlich an vielen Entscheidungen beteiligt. Ich habe ein abgeschlossenes Betriebswirtschaftstudium und konnte im Laufe meiner verschiedenen Tätigkeiten im Airlinebereich intensive Auslandserfahrungen in Frankfurt, Manila und Toronto bei renomierten Fluggesellschaften wie Canadian Airlines, Northwest Airlines/KLM sammeln, die mir natürlich in meinem jetzigen Job helfen.
Georg Mader: Danke für das Gespräch.
Titelbild: Emirates-Manager Martin Gross hat gut Lachen - Foto: Georg Mader