Um Flugretter beim Christophorus Flugrettungsverein zu werden, muss ein Bewerber hohe Anforderungen erfüllen: Eine Qualifikation als Notfallsanitäter, mehrjährige Erfahrung im bodengebundenen Rettungsdienst sowie eine abgeschlossene Ausbildung als Bergretter (an alpinen Stützpunkten) sind Grundvoraussetzung. Das Mindestalter bei Ausbildungsbeginn beträgt 22, das Höchstalter 40 Jahre. Besteht ein Kandidat das strenge dreitägige ÖAMTC-Selektionsverfahren, wird er am Air Rescue College intensiv unter anderem an einem eigens dafür konstruierten Cockpitsimulator auf seine künftigen Aufgaben vorbereitet – denn bei der Tätigkeit als Flugretter ist die Unterstützung des Piloten ein wichtiger Aspekt. Der international auch als HEMS-Crewmember bezeichnete Flugretter fungiert im täglichen Einsatzbetrieb nämlich als eine Art Co-Pilot, allerdings ohne selbst das Steuer zu übernehmen. Doch wie sieht das in der Praxis aus?
Start zum Einsatz
Unmittelbar nach der Alarmierung steigen Mediziner und Pilot in den Helikopter, wo Letzterer auf dem rechten vorderen Sitz mit dem Anlassen der Turbinen beginnt. Der Flugretter überwacht diesen gesamten Vorgang von außen und steht dabei mit dem Piloten in Funkkontakt. Erst wenn die Triebwerke rund laufen und auch sonst alles in Ordnung ist, steigt der Flugretter ebenfalls in den EC-135 und verriegelt seine Türe.
Sekunden später zieht der Pilot den Hubschrauber zügig in die Höhe und nimmt Kurs in Richtung des zuvor gemeldeten Notfallortes. Hierbei ist von den beiden Männern im Cockpit höchste Konzentration gefragt. Der Flugretter beobachtet intensiv den Luftraum um Drohnen, andere Flugzeuge oder Hindernisse wie Stromleitungen, Transportseile, etc. rechtzeitig zu erkennen. Unmittelbar danach nimmt der Mann auf dem linken Sitz auch schon Kontakt mit der Rettungsleitstelle auf und erhält über Funk die exakten Koordinaten des Einsatzortes, die er in das Navigationssystem eingibt, sowie Informationen über den Zustand des Patienten. Auf dem Weg zum Einsatzort hält er Kontakt zur Leitstelle, beobachtet den Luftraum parallel dazu weiterhin und nimmt in Absprache mit dem Piloten zusätzlich noch Navigationsaufgaben wahr, während sich der Christophorus-Helikopter mit rund 250 Stundenkilometern seinem Ziel nähert.
Landung
Dort angekommen, herrscht erneut höchste Konzentration im Cockpit, denn die Landung im fremden Gelände – mitunter zwischen hohen Häusern, Lichtmasten und Stromleitungen - birgt ein nicht zu unterschätzendes Risiko, das nur durch höchste Professionalität auf ein vertretbares Maß minimiert werden kann. "Zunächst suchen wir gemeinsam einen Platz, der für die Landung grundsätzlich geeignet erscheint", schildert Einsatzpilot Cpt. Robert Schornsteiner. „Danach fliegen wir einen Vollkreis und ich beurteile zusammen mit meinem Flugretter ob die Stelle auch tatsächlich für die Landung in Frage kommt.“
Trifft das zu, beginnt der eigentliche Endanflug. "Dabei ist es die Aufgabe des Kollegen, die linke Seite des Rotorkreises und den Bereich des Heckrotors genau im Auge zu behalten – gegebenenfalls durch die geöffnete Türe, insbesondere im dicht verbauten Gebiet", unterstreicht Schornsteiner, wobei die Letztverantwortung für eine Landung natürlich immer beim Hubschrauberführer selbst liegt.
Am Boden
Nach dem Aufsetzen der fliegenden Intensivstation verlässt der Flugretter dann als erstes Crewmitglied den Helikopter – wieder steht er dabei in Funkkontakt mit dem Piloten –, sichert den Landeplatz und achtet darauf, dass Schaulustige nicht zu nahe kommen und sich nicht in Gefahr begeben. Sobald der Rotor steht, wechselt das Multitalent dann sogleich in seine Rolle als Notfallsanitäter oder Bergespezialist und unterstützt den Notarzt bei den medizinischen Maßnahmen, bis der Patient schließlich auf der Trage in die Kabine geladen wird.
Transport ins Krankenhaus
Dann, vor Abflug des Hubschraubers in Richtung Krankenhaus, muss der Flugretter sicherstellen, dass sich keine gefährlichen Gegenstände, die in den Rotor geraten könnten, in der Nähe des Fluggerätes befinden. Das könnten etwa Planen oder kleine Plakatständer sein, wie sie beispielsweise auf Supermarktparkplätzen zu finden sind, die regelmäßig als Landeplatz dienen. Außerdem ist es seine Aufgabe – gegebenenfalls im Zusammenwirken mit der Polizei – Passanten aufzufordern, einen entsprechenden Sicherheitsabstand einzuhalten. Den Anlassvorgang der beiden Turbinen überwacht der Flugretter wieder von außen.
Nach dem Start zum Zielkrankenhaus ist er dafür verantwortlich, wieder den Luftraum zu beobachten und den Piloten auf Anforderung hin auch bei anderen Aktivitäten wie dem Lesen oder Abarbeiten diverser Checklisten zu unterstützen. Im Spital angekommen, übergibt der Flugretter schließlich gemeinsam mit dem Notfallmediziner den Patienten an die Ärzte im Krankenhaus, ehe es zurück zum Stützpunkt geht.
Dort führt der "Dreifach-Spezialist" nach Rücksprache mit dem Piloten selbstständig die Betankung des EC-135 durch – sollte der nächste Einsatzbefehl bereits erfolgt sein, mitunter auch bei noch laufendem Rotor, wobei besondere Vorsicht erforderlich ist. In diesem Fall nämlich müssen Pilot und Notarzt bei geöffneten Türen abgeschnallt im Helikopter sitzen, um bei einem Zwischenfall schnellstmöglich aussteigen zu können.
Cpt. Schornsteiner zur Tätigkeit der Kollegen an seiner linken Seite: "Die Arbeitsbelastung ist groß und sie nimmt nicht zuletzt durch die steigende Anzahl von Flugbewegungen weiter zu – insbesondere dann, wenn sich die Christophorus-Basis auf einem Flugplatz befindet. Die Arbeit des Flugretters im Cockpit trägt daher wesentlich zur Erhöhung der Sicherheit bei unseren Einsätzen bei.“
(red HP / Fotos: Austrian Wings Media Crew)