Es galt, den Arbeitsalltag eines Piloten in all seinen Details zu ergründen. Das Konzept dafür war aus der Vorgängerserie “Zur See” übernommen. Bereits 1977 hatte das Fernsehen der DDR unter diesem Titel in neun abendfüllenden Episoden und dramaturgisch aufbereitet das Leben einer fiktiven Crew auf einem Hochseefrachter der Deutschen Seereederei (DSR) geschildert und dabei zugleich auch realistische Einblicke in den Arbeitsalltag auf hoher See gegeben.
Neun Jahre später also fiel es der staatlichen Fluggesellschaft INTERFLUG zu, zugleich Stoff und Motive für einen ähnlichen Quotenerfolg zu liefern. Und wie ehedem das Motorschiff “Fichte”, so war es in der neuen Serie nun ein und dieselbe IL-62, um die und deren Crew die Rahmenhandlung gestrickt war. Von den rauhen Unbilden der hohen See ging es jetzt also hoch hinaus in die luftigen Sphären des transkontinentalen Flugverkehrs. Dieser Wechsel der Perspektiven erforderte vielleicht ein gewisses Umdenken; er fiel dem gemeinen Fernsehzuschauer in der DDR aber auch deshalb nicht allzu schwer, weil er hier auf Schritt und Tritt alten Gesichtern wieder begegnete. Der Schauspieler Günter Naumann etwa verkörperte statt des charismatischen Chefmaschinisten auf großer Fahrt jetzt in ebenso beeindruckender Art und Weise den Piloten und konsequenten Teamleader. Sonst war er auf den Bildschirmen zwischen Ostsee und Erzgebirge ja eher als Ermittler aus dem “Polizeiruf 110” bekannt. Es blieb, und darauf kam es den Verantwortlichen beim Fernsehen der DDR letztlich an, in jedem Fall eine gewisse Form von Kontinuität gewahrt.
Von Anfang an waren die Entwickler der neuen Serie sehr um Realitätsnähe bemüht. Deswegen ließen sie sich auch viel Zeit für die Vorrecherche und flogen etwa auf Langstreckenflügen auf dem Notsitz im Cockpit mit. Zudem mussten Schauspielerinnen die Standardausbildung für Stewardessen absolvieren – damit sie später möglichst realitätsnah auch als solche agieren konnten. Für das nötige Lokalkolorit sorgten dann Originalschauplätze in Angola, Vietnam oder aber Kuba. Die Karibikinsel blieb dem Fernsehleuten aus der DDR dann aus ganz anderen Gründen in besonderer Erinnerung. Als sie nämlich vom dortigen Dreh zurück nach Hause flogen, wurden die Schauspieler und anderen Teammitglieder unsanft mit der Realität in der DDR konfrontiert. Man befand sich immer noch in der Zeit vor dem A310 mit seinen vergrößerten Tanks. Mit der eingesetzten IL-62 war es technisch bedingt nicht möglich, nonstop nach Kuba zu fliegen. Auf halber Strecke musste stattdessen jeweils zum Auftanken in Neufundland zwischengelandet werden. Dort angekommen, bedrohten auf eben diesem Rückflug einige mit Messern bewaffnete DDR-Bürger völlig überrumpelte Mitglieder der Crew, um ihr eigenes Aussteigen aus dem Flugzeug zu erzwingen. Schließlich wurde den Fluchtwilligen die Tür geöffnet. Die zum Teil noch in INTERFLUG-Uniformen gekleideten Schauspieler konnten diesem Geschehen nur hilflos zusehen.
Insgesamt erwiesen sich die Dreharbeiten für alle Beteiligten durch das damit verbundene Herumreisen als zeit- und kräftezehrend. Doch ohne die Impressionen aus fernen Ländern ließ sich das Konzept der Serienentwickler keineswegs realisieren. Wie das Salz in der Suppe waren derartige Bildsequenzen quasi das genau dosierte Quentchen an Exotik, welche die sorgfältig inszenierte Dramaturgie der jeweiligen Folge erst vollkommen machten.
Am 23. Februar 1986 war es dann soweit: Mit der Folge “Landeanflug” begann zur besten Sendezeit und in bunten Farben auf DDR1 eine vollkommen neue Serie, die ihre gebannten Zuschauer mit in eine ganz andere Welt aus Ferne und Abenteuer nahm. Es war eine Produktion, deren Erfolg am Ende nur für sich sprach. Denn über insgesamt acht Folgen gelang es scheinbar problemlos, das bunte Bild eines dynamischen und modernen Sozialismus mit der DDR im Mittelpunkt zu zeichnen. Und diese DDR war kein graues und eingemauertes Land. Es war vielmehr ein Land, das sich auch international sehen lassen konnte. Zumal seine staatliche Fluggesellschaft, die wiederum für eine perfekte Symbiose aus moderner Technik und eingeschworenem Kollektiv stand, in die ganze Welt flog. Vielleicht war es diese offensichtliche Diskrepanz zwischen Wunsch und Realität, diese bewusst ignorierte Unvereinbarkeit von Schein und Sein, mit der sich die Beliebtheit der Serie im Wesentlichen erklären lässt. Auf jeden Fall vermochte es “Treffpunkt Flughafen”, die Menschen vor den Bildschirmen zumindest für die Kürze eines Fernsehabends den grauen Alltag in der DDR vergessen zu lassen.
Und die übrigen Ingredienzien des Erfolgs? Da war zunächst einmal dieses altbekannte und ideologieübergreifend gültige Klischee vom Piloten in seiner schneidigen Uniform. Er ist im Grunde der wahre Held der Lüfte. Sein Können ermöglicht es ihm überhaupt erst, komplizierte Technik und widrige Witterungsverhältnisse jeglicher Art in Kombination miteinander zu beherrschen und dabei doch immer der Souverän der Situation zu bleiben. Und immer ist es der Pilot, der die Verantwortung für die ihm anvertrauten Passagiere trägt. Allerdings – das will die Serie einem mit auf den Weg geben - ist auch er am Ende immer nur ein normaler Mensch. Deswegen ist er auch nicht perfekt. Und niemals unfehlbar. Ausgehend von dieser simplen Erkenntnis ließen sich dann sehr leicht abendfüllende Geschichten vor exotischem Hintergrund kreieren. Auf Kuba etwa wird das Flugzeug noch kurz vor der Landung von einem Blitzschlag getroffen; die Maschine muss aus Sicherheitsgründen erst komplett durchgecheckt werden, bevor an eine Weiterreise überhaupt zu denken ist. Bei dieser Gelegenheit besucht der Co-Pilot seinen kubanischen Studien- und Pilotenfreund auf dem Lande und verguckt sich dabei unglücklich in dessen Verlobte. Derartige Konstellationen verschmähter Liebe waren zeitlos - und prinzipiell auch im (DDR-) Alltag etwa zwischen den Arbeitern einer LPG vorstellbar. Auf dem Flug nach Angola dann, in einer ganz anderen Folge, muss die Besatzung wegen Vogelschlages an der Cockpitscheibe unvermittelt im Nirgendwo notlanden und sieht sich dabei den Schikanen und dem Misstrauen lokaler Autoritäten ausgesetzt. Und weil er durch Eheprobleme nicht frei im Kopf ist, verpatzt an anderer Stelle ein Pilot seinen Prüfungsflug und wird von seinem Ausbilder barsch in die Schranken gewiesen. Langweilig wurde es den Zuschauern eigentlich nie, denn in jeder Folge von “Treffpunkt Flughafen” passierte immer wieder etwas Neues, passierte immer wieder etwas ganz Anderes.
Text: Ted Wende