Punktlandung

Eine neue Flugrettung muss "Heer"?

Bundesheer Agusta Bell 212 im Einsatz - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil wünscht sich die Einbindung des Bundesheeres in die österreichische Flugrettung. Aber ist diese Idee wirklich "neu"?

Im Gegenteil. Das Bundesheer ist in vielfältigen Aufgaben der Flugrettung erfahren. Und das zunächst einmal historisch gesehen: Im steirischen Aigen (Ennstal) hob schon 1985, also zwei Jahre nach der "offiziellen Rettungshubschrauber-Geburtsstunde" in Österreich, ein Notarzthubschrauber in Bundesheerfarben zu Notfalleinsätzen ab - auch der heutige Chef der ÖAMTC-Flugrettung, Reinhard Kraxner, erlernte dort das Handwerk der Rettungsfliegerei. Neben dem Bundesministerium für Landesverteidigung war damals auch das Innenministerium, also die Flugpolizei, maßgeblich in den Betrieb der heimischen Flugrettung involviert, und unterhielt sechs Stützpunkte - genau so viele wie auch der ÖAMTC zur selben Zeit.

Unter Innenminister Ernst Strasser wurde die Polizei schließlich wegen Budgetproblemen von der Flugrettung abgezogen. Per Oktober 2000 trat ein Assistenzvertrag zwischen der Republik und dem ÖAMTC in Kraft, wonach die BMI-Flugrettungsagenden fortan durch den ÖAMTC übernommen wurden. Auch der Heeres-Hubschrauber "Christoph" stellte seinen Betrieb für den regulären öffentlichen Notfallrettungsdienst ein.

BH Aloette 3 bringt Verletzten ins Tal Alouette III Bundesheer  Foto Christian Schöpf
Auch heute ist das Bundesheer regelmäßig im Hochgebirgs-Rettungseinsatz unterwegs - Foto: C. Schöpf

Die grundsätzliche Idee, Heeres-Helikopter in der zivilen Luftrettung mit einzusetzen, ist also kein innovativer Vorstoß per se, sondern wäre die Wiederholung eines Modells, das bereits viele Jahre problemlos funktioniert hatte. Die Aigener "Alouettes" fliegen vom Fliegerhorst Fiala Fernbrugg aus auch weiterhin Hochgebirgseinsätze, etwa in Zusammenarbeit mit der regionalen Bergrettung, wenn es beispielsweise gilt, Lawinensprengungen durchzuführen, oder verletzte Wanderer zu suchen und zu retten. "Weg vom Fenster" sind unsere Heeresflieger von zivilen Rettungsaufgaben also keineswegs.

Auch die bei den Luftstreitkräften vorhandenen Agusta Bell 212 (ein italienischer Lizenzbau des Bell 212) wurden erst kürzlich umfassend modernisiert und damit für weitere zwei Jahrzehnte einsatztauglich gemacht. Für sie steht zudem die entsprechende medizinische Notfallausstattung bereit, denn dieses Flottenmuster wird innerhalb des Heeres für den Verletzten- beziehungsweise Intensivtransport regelmäßig eingesetzt.

Cockpit Bundesheer Agusta Bell 212 Piloten bei der Arbeit Foto PA Austrian Wings Media Crew
Die Ausbildung der Bundesheerpiloten genießt einen ausgezeichneten Ruf - Foto: PA / Austrian Wings Media Crew

Und das Personal? Blickt man auf die zivile Flugrettung, erkennt man rasch, dass zahlreiche der dort beschäftigten Piloten ihre fliegerische Karriere zuvor beim Heer absolviert haben. Die Ausbildung der Bundesheerpiloten gilt als sehr anspruchsvoll und angesehen. Sie deckt außerdem exakt jenes Spektrum ab, das in der österreichischen Luftrettung zwingend erforderlich ist - Flüge mit Außenlast, im Hochgebirge, bei Nacht.

Die Sanitäter des Heeres wiederum durchlaufen zumeist sämtliche Ausbildungsstufen bis zur höchsterreichbaren Qualifikation, dem sogenannten "Notfallsanitäter NKI". Neben der Theorieausbildung absolvieren sie den praktisches Schulungsteil in aller Regel bei den mit dem öffentlichen Rettungsdienst beauftragten Hilfsorganisationen, also beispielsweise dem Arbeiter-Samariter-Bund oder dem Roten Kreuz. Sie sind dadurch nicht nur mit den militärischen Strukturen, sondern auch dem zivilen Rettungswesen von Anfang an vertraut.

Die zusätzlichen Ausbildungen innerhalb der Streitkräfte, also beispielsweise zum Heeresalpinisten, stellen wichtige Grundlagen für eine Tätigkeit als (Alpin-) Flugretter dar. Gerade die heimische Topographie macht es in vielen Regionen unabdingbar, dass ein alpiner Rettungsspezialist an Bord des Hubschraubers anwesend ist, der sich nicht nur im anspruchsvollen Gelände sicher bewegen kann, sondern auch mit komplexen Verfahren wie etwa einer Fixtau- oder Windenbergung vertraut ist.

Zudem sollte nicht vergessen werden, dass der Einsatz im zivilen Rettungsdienst für das Bundesheer wichtiges, regelmäßiges Training für den Unterstützungseinsatz in Krisen- und Katastrophengebieten darstellt.

Die AB 212 des Bundesheeres sind auch als "fliegende Intensivstationen" einsetzbar - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Die Idee, das Bundesheer also (wieder) am zivilen Flugrettungsbetrieb teilhaben zu lassen, ist durchaus einen zweiten Gedanken wert. Neben der Primärrettung, also der Einsatz nach Notfällen, ist auch der Sektor der Sekundärtransporte von stetig wachsender Bedeutung: Dabei gilt es, kritisch kranke Patienten von einem Spital in ein anderes zu verlegen, etwa weil die Weiterbehandlung in einer Spezialklinik dringend notwendig ist. Derartige Flüge sind auch nachts regelmäßig durchzuführen - und dazu existiert bislang in Österreich nur ein einziger, rund um die Uhr betriebener Hubschrauber am Flugrettungszentrum Wiener Neustadt.

Doch auch Notfälle kennen keine Nachtruhe. Während die zivile Flugrettung erst Anfang 2017 ein derartiges Pilotprojekt zur Evaluierung in Niederösterreich aufgenommen hat, haben die Heeresflieger sogar seit Jahren die Möglichkeit, hochalpine Rettungseinsätze bei Dunkelheit zu absolvieren. Qualifikation und Ausrüstung sind "ready to go" vorhanden.

Es gibt natürlich andererseits keinen Grund, die etablierten und strukturell ausgezeichnet aufgestellten "Big Player" vom Markt zu verdrängen. Neben dem Flugrettungspionier ÖAMTC haben sich auch die anderen bekannten Anbieter, etwa Heli Austria/Heli Tirol, Wucher Helicopter, Schenk Air oder die ARA-Flugrettung einen Namen gemacht und sind aus dem Hubschrauberrettungswesen kaum wegzudenken. Doch gerade im Hinblick auf spezielle Einsatzfelder wie etwa Intensivtransporte oder Nachteinsätze (inklusive der Möglichkeit, bei Dunkelheit auch im Hochgebirge zu operieren) kann es nicht falsch sein, zuerst auf vorhandene Ressourcen zu blicken, bevor man andernorts vielleicht beginnt, das sprichwörtliche Rad neu zu erfinden.

Und nicht zuletzt würden Beschäftigungsmöglichkeiten wie der verstärkte Flugrettungseinsatz sicherlich auch zur Attraktivität des Bundesheeres als Arbeitgeber beitragen. Nach Jahren des politischen Kaputtsparens hätten sich die "Profis in Olivgrün" mehr Aufwind und Wertschätzung für ihre Leistungen durchaus redlich verdient.

(AG)

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