Reportagen

Trainingsflugzeuge von Leonardo als möglicher Ersatz für die Saab 105 des Bundesheeres

Es ist bekannt, dass die veralteten Saab 105 des Österreichischen Bundesheeres bald in Pension gehen müssen und jetzt aktiv nach einem Nachfolger gesucht wird, der die schwedischen Jets bis spätestens 2020 ablösen soll. Weiters sind die Eurofighter-Flugstunden mit rund 80.000 Euro nicht gerade günstig. Es gibt mehrere Produzenten von potentiellen Saab-Nachfolgern. Da die M-346, des italienischen Rüstungskonzerns Leonardo gute Chancen im Rennen um die Saab-Nachfolge hat, war Austrian Wings vor Ort in Venegono, nördlich von Mailand, wo diese Flugzeuge produziert werden. Anschließend wurden die Flugeigenschaften auf der Lecce-Galatina Air Base in Süd Italien, beim 61. Stormo (Fliegergeschwader) in Augenschein genommen.

 

Die Saab 105 des Bundesheeres müssen ersetzt werden - Foto: Huber / Austrian Wings Media Crew

Leonardo
Der Name Leonardo klingt vielen Lesern vielleicht nicht vertraut. Der Grund dafür ist, dass die bekannten Namen Alenia und Aermacchi im vergangenen Jahr in Finmeccanica verschmolzen wurden. Anfang dieses Jahres erfolgte dann die Umbenennung in Leonardo. Als Betrieb besteht Leonardo schon seit 1913, mit weltweit 46.000 Mitarbeitern an rund 218 Standorten, wobei bisher mehr als 30.000 Fluggeräte produziert worden sind. Der Name Leonardo (da Vinci) ist gewählt worden, weil es ein universal anerkanntes Symbol für Kreativität und Innovation ist, wie die Verantwortlichen beim Austrian Wings Besuch betonten. Marken unter dem Dach von Leonardo sind unter anderem Alenia Aermacchi, Agusta-Westland, OTO Melara, Selex ES und WASS. Neben Trainingsflugzeugen, werden auch Hubschrauber, Transport- und Patrouille Flugzeuge, Luftfahrt-Strukturkomponenten, Luft- und Raumfahrtsysteme, Land- und Marine Elektronik, Verteidugungssysteme und Sicherheits- und Informationssysteme entweder selbst produziert, oder man ist zumindest an der Herstelung beteiligt.

Die Endmontagelinie

M-346
Die M-346 ist ein zweistrahliges Trainingsflugzeug für die Fortgeschrittenenausbildung, das auch als leichtes Kampfflugzeug und für ‚Air Policing‘ eingesetzt werden kann. Nach Angaben von Leonardo ist die M-346 gegenwärtig der modernster Kampfjettrainer auf dem Markt. Fakt ist jedoch, dass die Betriebskosten pro Stunde um rund 90 Prozent niedriger als beim Eurofighter, womit der Jet für das Bundesheer als Saab 105-Nachfolger und Ergänzung zum System Eurofighter durchaus attraktiv ist.

Oberst Luigi Cassali von der 61Stormo

Neben Italien, das seit Sommer 2015 mit diesem Flugzeug fliegt, hat Leonardo mehrere internationale Kunden gefunden. Momentan wird die M-346 von den Luftwaffen von Israel, Singapur und Polen geflogen und auch die Vereinigten Arabischen Emirate haben es gewählt. Während unseres Besuches in Venegono waren mehrere Flugzeuge der Italienischen und Polnischen Luftwaffe in der Endphase der Produktion. Ein Exemplar der Polnische Luftwaffe hat gerade seinen Jungfernflug gemacht. Weiter wird die T-100-Version für die United States Air Force entwickelt unter dem T-X Programm. Die USAF braucht im naher Zukunft viele neue Trainer und Leonardo hofft, hier einen Teil des Marktes bedienen zu können. Die T-100 hat ein gröβeres Cockpit, mehr Schubkraft und einige andere Änderungen gegenüber der Basisversion M-346.

Die M-346 ist ausgerüstet mit einem digitalen Avionics-System, ähnlich die 4. und 5. Generation Kampfjets, was einen Umstieg, oder die Ergänzung zu den Eurofightern einfacher macht. Weiters ist ein Sicherheitssystem installiert, das ein Pilot aktivieren kann, wenn er zum Beispiel desorientiert ist. Wenn dieses Tool eingeschaltet ist wird das Flugzeug automatisch zu einer stationären und ebenen Flugbahn zurückgeführt.

Wartungszeit wird auch reduziert, da Daten wärend des Fluges registriert werden und ein Techniker, wie bei einem modernen Auto, nach den Landung gleich auf einem Laptop sehen kann, was es für Probleme gibt. Es besteht Computer-based Training für Techniker, was auch Zeit und Kosten spart.

Integriertes Training System
Um ein Cockpit kennen zu lernen braucht man in der heutigen Zeit kein Flugzeug mehr. Um zu wissen wo die Tasten und Schalter sind, wird einfach ein Computer benützt der ein Programm hat und auch angibt was man genau, wann machen muss, um ein Flugzeug zu starten. Das Ground Based Training System (GBTS) ist so ein System mit niedrigen Kosten, wo Flugschüler den gesammten Fluglehrplan und Schulungsziele zuerst am Boden erlernen und üben können, bevor sie anfangen, das Erlernte in der Luft umzusetzen.

Virtual Reality bietet jedoch viel mehr Möglichkeiten. Leonardo’s Live Virtual Constructive (LVC) bietet virtuelle Pilotenschulung, wobei echte Flugzeuge in der Luft virtuell verbunden werden mit Piloten am PC und in Simulatoren am Boden. Nicht nur sehen die Piloten am Boden alle anderen Fluzeuge, auch Piloten in der Luft sehen virtuelle Flugzeuge, die in ihre Helme projektiert werden (‚Helmet Mounted Display‘). Dies bietet nicht nur viele neue Möglichkeiten, um zum Beispiel feindliche Flugzeuge und mehr komplexere Schulungsszenarien virtuell zuzufügen, es sinken gleichzeitig die Kosten dramatisch, da weniger ‚echte Flugzeuge‘ sich im Luftraum befinden, was dann auch wieder gut für die Umwelt ist und Risiken senkt.

Pilotenhelm mit integriertem Display

Ein weiterer Vorteil ist, dass alles aufgezeichnet wird, einschließlich der Bewegung von Drosseln, Joysticks und Tasten. Im Vergleich zu aktuellen Trainingssystemen ist es sehr beeindruckend. Es fördert eine steile Lernkurve für Piloten und professionelle Begutachtung von Trainern auf Basis von Fakten statt Erinnerungen, wie es vorher war. Wer erinnert sich nicht wie es bei ‚TopGun‘ in den Briefingsroom nach einer Übung zugegangen ist ...

Virtuelle Ausstattung
Einen weiteren Vorteil bietet die Möglichkeit, Flugzeuge virtuell auszurüsten mit Waffen, Sensoren oder zum Beispiel einem Radar. Das Embedded Tactical Training Simulation (ETTS)-Bordpaket bietet zusätzliche Trainingsfunktionen. Obwohl ein Radar selbstverständlich in die Nase des Flugzeugs installiert werden kann, ist es auch möglich um Radarbilder (einschlieβlich Computer Generated Forces, sowohl ‚Freunde‘ als auch ‚Feinde‘) über Datalink zu senden.

M-345 im Flug

Die Angestellten von Leonardo, mit denen wir sprachen, waren sehr begeistert und engagiert. Sie waren stolz auf ihre Arbeit und ausnahmslos davon überzeugt, dass sie am besten Trainingsflugzeug der Welt arbeiten. Auch die italienische Luftwaffe schien mit ihrem Flugzeug sehr zufrieden zu sein, da die Ausbildung der Piloten deutlich schneller vorwärts kam, als vorher - so wurde es uns versichert. Ausländische Kunden wie Israel werden anscheinend das gleiche System installieren.

MB339 der Frecce Tricolori

M-345
Als Austrian Wings anwesend war, ist auch der kleinere Bruder M-345 vorgestellt worden, wovon es derzeit nur einen Prototyp gibt. Dieser Basis Trainer wird in Zukunft der Nachfolger der MB339 werden, mit der auch das bekannte Flugdemonstrationsteam Frecce Tricolori ausgerüstet ist. Es soll die gleichen operationellen Kosten haben als wie ein fortgeschrittenes Turboprop Trainingsflugzeug und könnte als PC-7 Ersatz dienen (die auch schon seit 1983 bei dem Bundesheer fliegt). Es teilt einige Eigenschaften mit der M-346.

61° Stormo
In Lecce haben wir mit dem Geschwaderkommandanten des 61. Stormos, Colonel Luigi Casali gesprochen: eine freundliche, nette, offene und gut informierte Persönlichkeit. Unter dem 61. Stormo gibt es das 212 Squadron für Fortgeschrittene Training, das 213 Squadron für Taktisches Training und das 214 Squadron für Basistraining. Lecce Galatina Air Base besteht schon seit 1935 und ist seit 1946 ein Trainingsflugplatz.

Momentan werden Piloten aus 8 Ländern in Lecce trainiert, worunter seit Oktober 2011 auch Österreicher sind. Andere Länder sind Argentinien, Frankreich, Griechenland, Kuwait, die Niederlande, Polen und Singapur (und Italien).

Raum für das Simulation Based Training

Colonel Casali ist sehr zufrieden mit der Leistung des Flugzeuges und noch mehr mit dem integrierten Trainingssystem. Es spart Zeit und Kosten und kann ohnehin komplexe Situationen üben. Dass er als ehemaliger Tornado-Flieger der Meinung des Austrian Wings Autors, dass der Starfighter doch wohl das bestes Flugzeug in der Geschichte des Italienisches Luftwaffes war, nicht teilte, werden wir ihm vergeben. Niemand ist perfekt ... ;-)

Integration statt Codex
Bezugnehmend auf Leonardo da Vinci’s Codex, was eine Sammlung von individuellen wissenschaftlichen Blättern ist, wird in Zukunft das Training integriert sein, statt eine Sammlung von individuellen Unterteilen. Das M-346 (T-346A Ital. Version) Integrated Training System besteht aus:

1.    Computer Based Training

2.    Simulation Based Training

3.    Part Task Trainer (kleine Simulator)

4.    M-346 Flugzeug

5.    Full Mission Simulator

6.    Weitere Komponente

Spezifisch für Österreich sollte man sich die Frage stellen, ob in Zukunft nur ein bisschen "rumgeflattert" werden soll, oder ob professionel trainiert wird, um in Europa mithalten zu können. Zukunftige Trainingsflugzeuge sollen nicht mit der derzeitigen Saab 105 verglichen werden. Die Flugzeuge der Type Saab waren gut für ihren Zweck als sie gekauft wurden, aber das war vor rund 50 Jahren. Mittlerweile hat sich die Welt, auch auf dem Trainingsgebiet, dramatisch verändert. Mehr ‚virtual reality‘ und weniger fliegen spart nicht nur Geld, es ist auch die Zukunft und eigentlich heute schon Realität. Weiter, wird es möglich sein, den M-346 statt Eurofighters als „Agressor“ / „Red Forces“ für Übungen zu benutzen. Dies bedeutet, dass dann nicht mehr für deutsche Eurofighters und ihren Piloten gezahlt werden muss.

Einkaufsprozess
Beim Einkaufspreis von neuen Trainingsflugzeugen spielen viele Faktoren eine Rolle, wie zum Beispiel die Ausrüstung des Flugzeuges, die Anzahl von Simulatoren, die Unterstützung des Produzenten, IT Programme, Pakete und Möglichkeiten bezüglich das Trainings Curriculum, usw. Obwohl viele Faktoren eine Rolle spielen, ist der Einkaufsprozess auch wieder nicht so schwierig und kompliziert wie oft angenommen, oder gemacht wird. Wichtig ist ein ordnungsgemäβer, transparanter Beschaffungsprozess mit klaren vordefinierten technischen und anderen Anforderungen, mit vorher schriftlich festgelegten Bewertungskriterien, inklusiv Wartung und Instalthaltungskosten. Danach wird es viel einfacher für Entscheidungsträger eine Entscheidung zu treffen. Dies basiert auf Tatsachen und Berechnungen die einfacher zu verteidigen sind. Auf diese Art und Weise wird verhindert, dass es (wieder) zu U-Ausschüssen kommen wird. Weiter werden die Steuerzahler mehr Verständniss haben für Investitionen, wenn der Einkaufprozess transparent und auf Fakten basiert. Nicht nur das Eurofighter-Dossier, aber auch strengere EU-Gesetze, wo ein offener Einkaufsprozess verlangt wird, werden hier positiv dazu beitragen. Wegen des teilweise virtuellen Flugtrainings braucht man nicht alle Fugzeuge der Type Saab 1:1 zu ersetzen. Es wird derzeit geschätzt, dass Österreich zwischen 10 und 12 Flugzeuge brauchen würde - mindestens. Selbstverständlich hängt es auch davon ab, wie viele Aufgaben dieses Flugzeug übernehmen sollen.

Herausforderungen

  • Die Saab 105 muss eher früher als später ersetzt werden. Sie ist fast 50 Jahre im operativen Dienst. Außerdem fliegt derzeit nur noch ein Drittel der ursprünglich gekauften Anzahl. Es dauert etwa ein Jahr, um ein Flugzeug von der ersten Schraube bis zur endgültigen Lieferung zu bauen.
  • Die Saab wurde ursprünglich als kleines Geschäftsflugzeug für 4 Personen entwickelt und anschließend in ein Trainer-, Kampf- und Aufklärungsflugzeug umgewandelt. Der heutige Trainingsbedarf stellt ganz andere und mehr hochwertige Anforderungen. Welche für das Bundesheer wichtig sind, sollen vorher geklärt werden.
  • Mangel an Finanzierung. Anscheinend gab es keine ordnungsgemäße Budgetierung, was dazu geführt hat, dass keine Gelder zurückgelegt wurden. Deshalb ist keine Finanzierung verfügbar für einen Saab-Ersatz. Leasing kann eine Option sein, wie es zum Beispiel Ungarn und die Tschechische Republik mit ihren Saab Gripens machen. Dies hat jedoch auch wieder einige Nachteile.

NATO Integration
Für eine optimale Lösung der österreichischen Luftverteidigung wäre ein Blick auf die Nachbarländer und NATO-Partner wichtig. Diese Kooperationen sind selbstverständlich nicht neu und existieren bereits seit vielen Jahren. So teilen sich Belgien und die Niederlande zum Beispiel die Luftverteidigungsaufgaben der Benelux im viermonatigen Rhythmus. Es kann passieren, dass ein russischer Tu 95 'Bear' Bomber über die Nordsee von belgischen F-16's abgefangen würde, während die 'Oranjes' am Boden bleiben.

Unsere deutschen Nachbarn haben neue C-130 Hercules Transportflugzeuge gekauft. Die Basis dieser Hercules Maschinen ist jedoch in Frankreich und nicht in Deutschland. Leonardo‘s M-346-Kunde Singapur hat seine neuen Flugzeuge auch in Frankreich stationiert und nicht in Singapur, obwohl der Grund hierfür hauptsächlich der im kleinen Stadtstaat sehr begrenzt verfügbare Luftraum ist.

Einige M346 Technische Spezifikationen

  • Honeywell F124 Turbofans, mit einem Schub-Gewicht Verhältnis von bis zu 1:1.
  • Schub: 2x 6,280 lb (2x 2,850kg).
  • Hoher ‘Angle of Attack’ von 30° Grad.
  • Ausgerüstet mit Fly-by-Wire-Steuerung und HOTAS (Hands On Throttle And Stick).
  • Head Up Display.
  • Höchstgeschwindigkeit: 1,093 km/h (590 KTAS).
  • Flugdauer ohne externe Tanks: 2h 45 min. – 1.980 km
  • Flugdauer mit 3 externe Tanks:4 h. – 2.720 km
  • Einfache Wartung: z.B. Zwei Personen brauchen eine Stunde um einen Motor zu wechseln.
  • Benötigt nur 400 Meter zum Start und 550 Meter für die Landung

Text: Robert Erenstein
Fotos (sofern nicht anders angegeben): Robert Erenstein & ZVg Leonardo