Ich bin seit elf Jahren Vielflieger, bei Air Berlin "Topbonus" halte ich aktuell eine Platin-Card, bei Miles and More sammle ich erst seit drei Monaten wieder aktiv (nachdem NIKI für mich mittlerweile uninteressant und Air Berlin unbuchbar wurde), da werde ich demnächst Frequent Flyer und marschiere vermutlich 2018 dann Richtung Senator.
2008 war mein bis dato stärkstes Jahr, mit 187 Starts und Landungen.
Ich hatte schon öfters (bei der Anzahl an Flügen klar) Streichungen, aber jenes Niveau an "Nicht-Krisenmanagement" wie am vergangenen Montag wurde selbst von anderen Fluglinien in dem Ausmaß nicht erreicht.
Mein (Nicht-)Flug nach Zürich
Ich bin mit dem Railjet um 15:12 am Hauptbahnhof abgefahren, um vom Flughafen Wien-Schwechat nach Zürich zu fliegen. Danach wollte ich mit den Schweizerischen Bundesbahnen weiter nach Sargans bzw. Vaduz fahren.
Die Strecke VIE - ZRH bin ich schon mehrere hunderte Male geflogen, kenne diese daher wirklich gut.
Nachdem wir von Gate F04 starten sollten, war - leider - der Tornado nicht ersichtlich und wir haben nur das wirklich intensive Gewitter mitbekommen. Dieses war aber relativ rasch wieder verzogen.
Für uns Passagiere war um 16:35 Uhr lediglich klar, dass die Maschine Verspätung hätte und um 17:05 Uhr gehen sollte. Am Display über dem Schalter am Gate F04 stand nur, dass um 17:05 Uhr die nächsten Informationen bekannt gegeben würden. Gegen 17:10 Uhr wurde die Zeit des voraussichtlichen Abfluges gegen 17:45 Uhr ausgetauscht, was zu massiver Irritation führte, weil kurioserweise um 17:45 Uhr plötzlich sowohl die Maschine nach Zürich, als auch jene nach Genf vom Gate F04 aus starten sollte.
AUA-Mitarbeiter verschwand - und ward nie mehr geseh'n
Der Austrian-Mitarbeiter war sehr geduldig und versuchte den Umstand den Passagieren zu erklären. Gegen 17:15 Uhr verließ er seinen Posten - und kehrte nicht mehr zurück.
Kurz darauf wurde durchgesagt, dass der Flug gestrichen sei und man sich am Infoschalter bei Gate F02 informieren sollte.
Nachdem unser Flug nicht der erste ausgefallene war, bot sich am Schalter ein entsprechendes Bild - es war einiges los.
Interessantes Detail: man soll eine Nummer ziehen, der Automat stand unmittelbar neben den Schaltern, daher gab es durchaus intensives Gedränge. Der Security-Mitarbeiter war in seiner Situation massiv überfordert.
Weiters waren anfangs nur vier Stationen besetzt. Zwischendurch einmal sechs, und gegen Ende des Abends nur noch drei.
Koffer-Chaos
Nachdem meine gezogene Wartenummer aussichtslos hoch war und ich damit rechnen musste, dass ich frühestens gegen 23 Uhr am Schalter sein kann, habe ich mich an die Telefonhotline gewandt und konnte mein Ticket auf die Maschine um 20:05 Uhr umbuchen, sollte jedoch meinen Koffer beim Lost & Found-Schalter abholen und erneut einchecken. Das war für mich nicht ganz klar erklärlich, und kurioserweise konnte auch die überaus freundliche wie kompetente Dame beim Lost & Found das vom Telefon-Agent angeordnete Vorgehen nicht verstehen.
Das Ticket war also umgebucht, die bemühte Dame vom Lost & Found wollte schließlich das "Koffer-Chaos" nicht so im Raum stehen lassen und hat von ihrem Platz aus das Relabelling vorgenommen. So ersparte ich es mir, meinen Koffer abzuholen und erneut einzuchecken.
Danach bin ich erst einmal hinaus, holte mir einen raschen Imbiss und bin gleich danach wieder hinauf zum Check-In gegangen, um mein neues Ticket holen.
Überbo(a)rdende Hoffnung, neue Enttäuschung
Interessant war, dass lediglich vier Schalter offen waren und keine AUA-Mitarbeiter bei den Automaten. Gerade an den Automaten verzweifelten viele, vor allem fremdsprachige, Passagiere.
Ich kam schlussendlich zum Mitarbeiter an Schalter 375, der mir das Ticket in die Hand drückte und gegen 19:40 Uhr meinte: "Boarding hat soeben begonnen."
Darauf begab ich mich entsprechend rasch durch die Sicherheitskontrolle, hin zu Gate F08, und dort leider die Ernüchterung: kein Boarding, kein Airline-Mitarbeiter, nächste Info um 20:05 Uhr...
Die Schlangen vor den Serviceschaltern wurden immer länger, die Anzahl an AUA-Mitarbeitern und die kommunizierten Informationen jedoch konstant dünner.
Wertloses Informationsmanagement
Zu einem späteren Zeitpunkt stießen dann andere Austrian Airlines-Mitarbeiter, die offensichtlich eher aus der Verwaltung kamen, ins Terminal 3. Sie haben mit Passagieren gesprochen, waren unheimlich nett, aber ehrlich gesagt nicht hilfreich.
Gegen 21:20 Uhr wurden dann Zettel verteilt, wo zusätzliche Infos angeboten wurden.
Leider wurde mein Flugstatus, wie auf dem Zettel angekündigt, weder auf der Homepage noch in der App angezeigt, die Telefon-Hotline funktionierte erst nach 8 Uhr am Folgetag. Der Zettel war also de facto wertlos.
Divergierende Informationen und unfreundliches Security-Personal
Bis ca. 22:20 Uhr war man seitens der AUA-Mitarbeiter der Meinung, die Zürich-Maschine würde am selben Tag noch abheben, während die SWISS-App eines Mitreisenden zu diesem Zeitpunkt bereits meldete, dass der Flug - wie viele andere auch - gestrichen sei.
Ich habe mich also damit abgefunden, dass ich am Montag, 10. 7. 2017, nicht mehr nach Zürich fliegen werde, und demzufolge den Heimweg angetreten.
Als ich bei den Service-Schaltern vorbei gekommen bin, habe ich bemerkt, dass diese durch Flughafen Wien-Mitarbeiter abgeschottet wurden. Das Sicherheitspersonal zeigte sich äußerst aggressiv, unfreundlich und konnte darüber hinaus kein Englisch. Ich habe in einer Situation übersetzt, als eine (amerikanische?) Mutter, die lediglich Getränke gekauft hat, aufgehalten wurde, als sie zu ihrer wartenden Familie bei den Service-Schaltern zurück wollte.
Mein Gepäck zu holen war schließlich unproblematisch, auch den Railjet um 22:33 Uhr erreichte ich noch knapp.
Am Dienstag bin ich sehr zeitig aufgestanden, um in der Warteschleife der Hotline entsprechend früh dranzukommen. Leider hat sich herausgestellt, vor 8 Uhr ist auf der eigens eingerichteten Nummer auch nichts zu holen.
Danach konnte ich mein Ticket auf Donnerstag, 13. 7., umbuchen, was aber erst nach Rücksprache (und fast gnadenhalber) durchgeführt wurde, weil normalerweise nur +2 Tage umgebucht wird. Na ja...
Zusammenfassend kann man sagen, dass
- die Stimmung generell in Ordnung und, bis auf ein paar Kleinigkeiten, freundlich und respektvoll war;
- die Austrian Airlines-Mitarbeiter sich weitestgehend kompetent und gelassen zeigten (ehrlich gesagt, ich hätte vermutlich nicht so ruhig agiert);
- die Flughafen Wien-Mitarbeiter keinen sonderlich guten Eindruck hinterlassen haben.
Mein Fazit
Dennoch bleibt ein fahler Nachgeschmack, und für mich stellen sich ein paar Fragen:
- Warum kommuniziert Austrian Airlines nicht früher, dass Flüge ausfallen? Ich wäre lieber schon um 20 Uhr bei meiner Familie gewesen, als erst um 23 Uhr.
- Warum konnte die AUA während der 6 Stunden, in denen das Problem akut war, weder genügend kompetentes Personal ins Terminal 3 schicken, noch ausreichend Getränke oder Snacks zur Verfügung stellen (im Vergleich zur Menge an wartenden Menschen eine Frechheit!)?
- Warum war plötzlich fast das ganze AUA-Personal, das normalerweise bei den Gates ist, wie vom Erdboden verschluckt?
- Warum wurden Informationen angekündigt, die dann tatsächlich nie geliefert wurden? Von offizieller Seite her wüsste ich bis jetzt nicht, dass meine Maschine gestrichen wurde...
- Weder auf Twitter, in der App, per SMS, E-Mail oder sonstiges wurde ich bezüglich der Flugsituation informiert.
- Warum versteckt sich Austrian Airlines hinter dem Argument der Sicherheit? Ich denke, andere Fluglinien (z.B. SWISS - die LX-Maschine ist geflogen) fliegen nicht weniger sicher.
- Warum wurde gegen 22:15 Uhr begonnen, Teile des Flughafens abzuschotten und den Flughafen zu schließen? Gerade bei der Menge an gestrandeten Menschen würde ich mir erwarten, dass vielleicht Feldbetten organisiert werden, eventuell das Rote Kreuz Getränke bringt oder ähnliches, aber es wurde einfach nichts unternommen... Schlimmer noch, man wurde mehr oder weniger unfreundlich vor die Türe gestellt.
- Warum wurde die "Spezial-Hotline" erst am folgenden Morgen in Betrieb genommen?
- Warum schafft es die AUA nicht, in einer Krisensituation auch in der Nacht derartige Auskunftsstellen zu besetzen? Da ginge die Gewerkschaft oder der Betriebsrat sicher mit, schließlich herrscht Ausnahmezustand. Es dauerte bis Dienstag, 8 Uhr, um wieder mit Austrian Airlines in Kontakt treten zu können.
Leider muss ich zusammenfassend feststellen, dass das Krisenmanagement von Austrian Airlines und des Flughafens Wien-Schwechat nicht den Erfordernissen der Situation entsprochen haben.
(Anmerkung der Redaktion: Der Ausfall zahlreicher AUA-Flüge ist unter anderem damit zu begründen, dass diverse Maschinen zum Zeitpunkt des Unwetters den Flughafen Wien-Schwechat erst gar nicht anfliegen konnten, demzufolge ausweichen mussten und dann für Folgerotationen nicht zur Verfügung standen.)
(GM / Gastautor)
Hinweis: „Punktlandungen” sind Kommentare einzelner Autoren, die nicht zwingend die Meinung der Austrian Wings-Redaktion wiedergeben.